Kleber C1, Buschmann CT2, Meyner T1, Friedrich A1, Schaser KD1, Pyrc J1 UniversitätsCentrum für Orthopädie und Unfallchirurgie, AG Polytrauma, Universitätsklinikum Carl Gustav Carus an der Technischen Universität Dresden 2 Institut für Rechtsmedizin, Charité – Universitätsmedizin Berlin 1 Dr. Jaroslaw Pyrc Management des polytraumatisierten Patienten Das Polytrauma ist die häufigste Todesursache des Menschen unter dem 44. Lebensjahr und die dritthäufigste Todesursache in den westlichen Industrienationen überhaupt. Nach Einschätzung der Weltgesundheitsorga-nisation wird das Polytrauma im Jahr 2020 für den weltweit höchsten Verlust an Lebensjahren verantwortlich sein. Diese Tatsache unterstreicht die hohe sozioökonomische Bedeutung eines erfolgreichen Polytrauma-Managements mit dem Ziel der vollständigen Wiederherstellung der Körperfunktion und sozialen Reintegration. Grundlage dafür ist eine lückenlose Versorgung des Patienten vom Unfallort über Schockraum, Not-OP, Intensiv- / Normalstation, Rehabilitation bis hin zur Reintegration in das Sozial- und Berufsleben. Die Analyse der Versorgungsqualität bekräftigt die hohe Bedeutung der Unfallprävention (85 % nicht vermeidbare Todesfälle) noch vor der Optimierung der medizinischen Therapie (10 % potenzielle und 5 % definitiv vermeidbare Todesursachen). Weiterhin konnte die Präklinik (59 % aller Todesfälle) und Intensivmedizin (33 % aller Todesfälle) als Brennpunkte eines erfolgreichen Polytrauma-Managements gezeigt werden. Im Rahmen der präklinischen Therapie stehen vor allem neuen einsatztaktische Konzepte („Golden Period of Trauma“) und die Beachtung definitiv vermeidbarer Ursachen des traumatischen Herzkreislaufstillstandes im Vordergrund. Hier konnte der nicht-dekomprimierte Spannungspneumothorax als häufigste definitiv vermeidbare Todesursache im Rahmen des traumatischen Herzkreislaufstillstandes nachgewiesen werden. Weiterhin konnten wir mit einer Überlebensrate von 29 % zeigen, dass der traumatische Herzkreislaufstillstand keine aussichtslose Situation darstellt. Trotz der exzellente Überlebensraten konnten wir in über 60 % Managementfehler nachweisen. Wir schlussfolgerten, dass der Ausschluss potenziell reversibler Ursachen des traumatischen Herzkreislaufstillstandes, invasive notfallmedizinische und chirurgische Maßnahmen entscheidend sind. Weiterhin ist die Einlieferung des Patienten in ein geeignetes Traumazentrum wegweisend für das Outcome des Patienten. Durch Innovation des Managements unter Verwendung Prioritäten-orientierter SchockraumAlgorithmen und individueller chirurgischer Versorgungsstrategien (Damage Control, Early Adapted Care, Early total Care) konnte die Klinikletalität auf unter 10 % gesenkt werden. Aufgrund der Heterogenität der Verletzungen und der sich daraus ergebenden Notwendigkeit der interdisziplinären Zusammenarbeit ist eine Erfassung der Gesamtverletzungsschwere, der Hämodynamik und der Homöostase zur Zuordnung der Behandlungspriorität unabdingbar. Hier hat sich im klinischen Alltag die Etablierung eines „Trauma-Leaders“ als hilfreich gezeigt. Durch Weiterentwicklung des pathophysiologischen Verständnisses des Polytraumas konnte die Rate an sekundären Komplikation und Multiorganversagen gesenkt werden. Dies spiegelt sich im Wandel der temporalen Verteilung der traumatischen Todesursachen von einer trimodalen Verteilung in den 1990er-Jahren hin zu der heutigen bimodalen Verteilung wieder. Durch den Fortschritt der Organersatztherapien konnte der Gipfel der späten Traumasterblichkeit eliminiert werden. In Abhängigkeit der Verletzungen und Homöostase erfolgt anschließend die gestufte definitive operative Therapie. An die intensivmedizinische und stationäre Behandlung schließt sich die Rehabilitation an. Eine aktuelle Studie konnte alarmierende Zahlen nachweisen. So waren ein Jahr nach Polytrauma gerade 40 % der Patienten wieder berufstätig. Neben den körperlichen Schäden treten im späteren Verlauf vor allem psychische Probleme, wie das posttraumatische Belastungssyndrom und Depressionen, in den Vordergrund. Die Aufrechterhaltung der hochqualitativen medizinischen Therapie, Verbesserung der Versorgungsqualität, Prävention und Therapie der psychosozialen Langzeitfolgen stellen aus unserer Sicht die Herausforderungen des Polytrauma-Managements der nächsten Jahrzehnte dar. Dr. Jaroslaw Pyrc, UniversitätsCentrum für Orthopädie und Unfallchirurgie, Universitätsklinikum Carl Gustav Carus an der Technischen Universität Dresden
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