Blickpunkte Montag, 29. Juni 2015 Seite 3 Die kleinsten Einwohner von Breesen gibt es nur im Dreierpack Erst wartete Familie Dahlke vergeblich auf eigene Kinder. Dann schlug der Klapperstorch gleich mehrfach zu. Nicht ein, nicht zwei, sondern gleich drei Herztöne pochten im Bauch der Mutter! Von Marcel May Eigentlich will Frieda schlafen. Das knapp einen Monat alte Baby öffnet trotzdem die Augen, als Papa Thomas Dahlke es aus dem Gitterbettchen nimmt. Er hält die Flasche mit gewärmter Milch an die winzigen Lippen und stützt Friedas Kopf. Da fängt Anton an zu quengeln. Der Kleine hat mitbekommen, dass seine Schwester fehlt. Oder zumindest eine von beiden. Greta liegt ja noch neben ihm. „Sie bekommen Drillinge.“ Als die Neubrandenburger Ärztin beim Ultraschall nicht einen, sondern drei Herztöne feststellte, war Mutter Sandra Dahlke-Görs erst mal fassungslos. In der zehnten Schwangerschaftswoche, im November letzten Jahres, stand das fest. „Dann habe ich mich natürlich sehr gefreut“, sagt die 38-jährige Mutter. Der Vater schmunzelt. „Mir ist das erst mal ziemlich auf den Magen geschlagen“, gibt er zu. Als sich das Paar vor elf Jahren kennenlernte, planten die beiden keine gemeinsamen Kinder. „Wir wollten nur zusammenleben“, sagt Sandra Dahlke-Görs, die zu ihrem Mann nach Breesen (bei Neubrandenburg) auf ein Grundstück mit Hof und Garten zog. „Aber irgendwann haben wir gemerkt, dass etwas fehlt“, sagt sie. Weil es mit dem Schwanger-Werden nicht klappte, wendeten sich die beiden an das Kinderwunschzentrum im Rostocker Südstadt-Klinikum. Sandra Dahlke-Görs begann eine Hormonbehandlung. BREESEN. Fünf Wochen früher kamen die Babys zur Welt Dadurch steigt die Wahrscheinlichkeit, Mehrlingen zu bekommen. Und tatsächlich: Drei Eibläschen bildeten sich und wurden befruchtet. Ab der zehnten Woche attestierte Sandra Dahlke-Görs‘ Arzt ein Beschäftigungsverbot. Die Sachbearbeiterin bei Chefs Culinar in Neubrandenburg durfte zu Hause bleiben. Das ist üblich, wenn Mehrlinge oder Frühgeburten erwartet werden. Immer wieder fuhr Familie Dahlke nach Rostock zu Kontroll-Untersuchungen. „Uns wurde zu einer Reduktion geraten“, sagt der Vater. Dabei würde einer der drei Embryonen entfernt werden, um gesundheitliche Risiken für die anderen zu senken. Doch das Paar entschied sich dagegen. Sie wollten alle drei Kinder bekommen. Später prüfte ein Praena-Bluttest die Kleinen auf Trisomien. Die Drillinge sind gesund. Anton wog mehr als seine Schwesterchen „Meine drei kleinen Wunder, meine Geburtstagsgeschenke“, nennt Vater Thomas Dahlke die Kinder liebevoll und zupft die winzigen Zehen von Anton aus den Hosenbeinen. Die Strampelanzüge sind zu groß. „Eigentlich wären Puppenkleider angebracht“, sagt die Mutter und lacht. Denn die Drillinge sind Frühchen und damit außerordentlich klein. Ab der 28. Schwangerschafts- woche blieb Sandra Dahlke-Görs stationär im Rostocker Klinikum. „Es war eine Traumschwangerschaft“, sagt sie. „Mir war gar nicht übel. Nur Stimmungsschwankungen hatte ich.“ Ihr Mann nickt. „Die waren heftig“, sagt er und schmunzelt. Die Schwangere wurde sensibel für Gerüche. In der 35. Woche konnte Sandra Dahlke-Görs nicht länger warten. Die Schmerzen in Leiste und Rücken wurden immer stärker. Per Kaiserschnitt kamen die Babys am 19. Mai auf die Welt. Greta ist zwar die Erstgeborene, war aber auch die Leichteste. Sie wog 1830 Gramm, denn sie lag im unteren Bauchbereich. Als Zweiter kam Anton mit 2100 Gramm, dann Frieda (1970 Gramm). Greta ist immer noch leicht, ihr Köpfchen kleiner und zierlicher. Sie und Anton schauen sich häufig an, sagt der Vater. Als wolle der jüngere Bruder gut auf sein zartes Schwesterchen aufpassen. Die Geschwister haben schon einiges an Intensiv-Be- treuung hinter sich. Nach der Geburt lagen die Drillinge in Wärmebettchen auf der Neonatologie-Station, wo immer 36 Grad herrschen. Die Temperatur soll den Mutterleib nachbilden. Anton und Greta brauchten eine Atemhilfe. Nur Frieda atmete von Anfang an alleine. Ihr wurde auch als erste die Magensonde entfernt. Die Sonde ernährte die Babys, weil ihr Saugref lex zu schwach war, um mehr als 25 Milliliter zu trinken. Am Tag nach der Geburt schob Thomas Dahlke seine Frau im Rollstuhl zu ihren Kindern. Frieda trinkt schon ganz brav. Es sollten alte deutsche Namen sein: Frieda, Anton und Greta. Vater Thomas Dahlke und Mutter Sandra Dahlke-Görs können die dreieiigen Geschwister mittlerweile gut auseinanderhalten. FOTOS (2): MARCEL MAY Denn sie war selbst krank geworden; Nervenwasser war ausgetreten. Hebamme hilft der Familie bei der Pflege Mutter und Kinder erholten sich. Zwei Wochen nach der Geburt holte der Vater seine Familie nach Hause. Dort wartete ein großes Gitterbettchen im Elternschlafzimmer. Und jede Menge Arbeit. Alle vier Stunden müssen die Babys mit Neugeborenennahrung, Fertigmilch, gefüttert werden. Auch wenn sie schlafen, werden sie geweckt. Am wichtigsten ist, dass sie Gewicht zulegen. Eine Hebamme unterstützt Familie Dahlke. Sie wiegt die Babys mit einer Hängewaage und gibt Pf legetipps. Zum Beispiel reibt die Mutter ihre Kinder mit Olivenöl ein statt mit chemischen Pf legemitteln. Auch virtuell bekommen die Dahlkes Hilfe. „Wir sind in einem Internet-Forum für Drillingseltern angemeldet“, sagt Sandra Dahlke-Görs. „Es hat mir vor der Geburt sehr geholfen, mich auszutauschen.“ Von anderen Drillingseltern hat das Paar drei Liegeschalen bekommen, Flaschen, Spielzeug. Denn die Anschaffungskosten sind hoch. „Ein Kinderwagen für Drillinge kostet circa 1600 Euro“, sagt die Mutter. Die Eltern wollen bei den übrigen Kosten sparen, schreiben Firmen an und hoffen auf Sponsoring von Windeln, Feuchttüchern etc. Auch eine Haushaltshilfe haben die beiden beantragt, denn es bleibt kaum Zeit für die üblichen Aufgaben. Die Drillinge sind entspannt, sagt die Mutter. Sie könnten auch mal schreien; doch meist bleiben sie zufrieden. Wenn sie ein bisschen gewachsen sind, hat ihr Vater schon einige Überraschungen parat. Er hat ein Hochbeet angelegt, wo die Kleinen Karotten ziehen können. Sogar eigene Haustiere haben die Zwerge schon: Minischweine. Kontakt zum Autor [email protected] Ein Drilling kommt selten allein Von Marcel May Mehrlinge werden heutzutage häufiger geboren als noch vor zwanzig Jahren. Deutschlandweit gibt es pro Jahr circa 200 Drillingsgeburten. MecklenburgVorpommern wurde jetzt auf einen Schlag sogar um sechs Einwohner reicher. ROSTOCK/GREIFSWALD. Seltener Zufall: Innerhalb von wenigen Tagen kamen in Mecklenburg-Vorpommern zweimal Drillinge auf die Welt. Ende Mai wurden Benji, Fiona und Nick im Greifswalder Uniklinikum per Kaiserschnitt geboren, kurz darauf folgten Greta, Anton und Frieda im Rostocker Südstadtklinikum. Statistisch betrachtet kommen auf eine Drillingsgeburt circa 7000 Einlingsgeburten, erklärt Konstanze KissingPahl, Fachärztin für Frauenheilkunde und Geburtshilfe im Neubrandenburger Dietrich-Bonhoeffer-Klinikum. In Mecklenburg-Vorpommern gebären also durchschnittlich zwei Mütter pro Jahr Drillinge. „Kinderwunschbehandlungen wie Hormongabe für die Frau oder In-vitro-Fertilisation (künstliche Befruchtung) erhöhen die Chance, TZ PZ PAZ HZ MZ SZS AZ AZD DZ MST MSM NBN NBF NBS Mehrlinge zu bekommen“, sagt die Ärztin. Das sei allerdings gar nicht gewollt. „Für Frauen ist eine Mehrlingsschwangerschaft immer ri- Professor Marek Zygmunt aus Greifswald FOTO: UMG sikoreich. Die Gebärmutter der Frau ist nur für ein Kind ausgelegt.“ Liegen mehr Babys gleichzeitig darin, muss sie sich stark dehnen. Da sie das nicht über die normale Schwangerschaftszeit von 40 Wochen aushalten kann, sind Mehrlinge immer Frühchen. Drillinge kommen durchschnittlich nach nur 32 Wochen auf die Welt. „Früher wollte man bei künstlicher Befruchtung die Wahrscheinlichkeit erhöhen, dass die Frau schwanger wird. Es wurden zum Beispiel vier Embryos gleichzeitig eingepf lanzt. Dadurch stieg aber auch das Risiko für Mehr- lingsschwangerschaften“, erklärt Marek Zygmunt, Direktor der Klinik für Frauenheilkunde am Greifswalder Uniklinikum. Mittlerweile tendieren Reproduktionsmediziner dazu, nur einen Embryo einzusetzen. „Das ist vernünftiger und sicherer“, sagt Marek Zygmunt. „Alle Frühchen können Spätfolgen haben wie Hirnblutungen oder Infektionen. Sie sind sehr zart und empfindlich“, erklärt Konstanze Kissing-Pahl. Prinzipiell ist es für die Entwicklung besser, je länger das Kind im Inneren der Mutter wächst. Ein wichtiger Faktor ist das Gewicht. Drillinge wiegen durchschnittlich 1200 Gramm bei der Geburt – ungefähr ein Drittel von dem, was ein normales Kind wiegt. Übrigens bedeutet eine Mehrlingsgeburt nicht zwangsläufig Kaiserschnitt. „In Kanada besagt eine Studie: Zwillingen, die auf natürlichem Weg geboren werden, geht es genauso gut“, sagt Marek Zygmunt. Generell werden Mehrlinge, insbesondere Drillinge, dennoch per Kaiserschnitt geholt. „Denn es soll so sicher wie möglich für Mutter und Kind passieren“, sagt Konstanze Kissing-Pahl.
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