Tageblatt, Ausgabe: Tageblatt, vom: Freitag, 18. Dezember 2015

THEMA FLÜCHTLINGE
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Foto: Isabella Finzi
Freitag, 18. Dezember 2015 • Nr. 295
Im „Lycée technique de Lallange“ werden einige Flüchtlinge im „cours d’accueil“ betreut, um ihnen so den schulischen Einstieg hier in Luxemburg zu erleichtern
Die Sprache ist der Schlüssel
EINSCHULUNG FLÜCHTLINGSKINDER Eine kleine Herausforderung
Jennifer Muller
Bei der Einschulung von
Flüchtlingskindern in
Luxemburg ist die größte
Hürde meist die Sprache.
Viele Flüchtlinge sprechen
keine der drei Luxemburger
Amtssprachen.
Da im Großherzogtum bis
zum 16. Lebensjahr die
Schulpflicht gilt, werden
die Kinder umgehend nach
ihrer Ankunft eingeschult.
Dies erleichtert ihnen die
Integration und hilft ihnen,
mit einheimischen Kindern
in Kontakt zu kommen.
Viele Flüchtlinge hoffen durch
die Flucht, sich und ihren Kindern eine bessere Zukunft bieten
zu können. Hier in Luxemburg
werden die Kinder gleich nach
der Ankunft eingeschult. Die Integration in das Luxemburger
Schulsystem bringt kleinere und
größere Herausforderung für alle
Beteiligten mit sich. „Es gilt zuerst herauszufinden, in welcher
Sprache die Kinder alphabetisiert
sind“, erklärt Marguerite Krier
des „Service de la scolarisation
des enfants étrangers“ (Secam).
Bei einigen sei es leichter, erklärt
sie, da sie bereits Englisch sprechen. Dies ist meist der Fall bei
syrischen Flüchtlingen. „Auch
mit den Eltern führen wir Gespräche“, erklärt Krier, „viele von
ihnen wollen wissen, wo und wie
ihre Kinder eingeschult werden.“
Auch wenn die Sprache zu Beginn eine Kommunikationsbarriere darstellt, lernen die Kinder,
Krier zufolge, sehr schnell. Allerdings sei es für ältere Schüler eine
weitaus größere Herausforderung, erklärt sie weiter.
Nicht nur für die Kinder ist die
Einschulung eine Herausforderung, auch das Lehrpersonal
muss mit der Sprachbarriere zurechtkommen. Um ihnen die
Vorbereitungen und den Umgang
mit den Kindern näher zu bringen, werden vom „Institut de for-
Aufnahme in der Grundschule
„Flüchtlingskinder unter zwölf
Jahren werden gleich in die
Grundschule integriert“, erklärt Marguerite Krier. „Sie
werden ohne sprachlichen Einstufungstest beim 'Service scolaire' der jeweiligen Gemeinde,
in der sie untergebracht sind,
eingeschrieben. Daraufhin
werden die Kinder in einer sogenannten 'classe d’accueil'
aufgenommen“, erklärt sie wei-
ter. Hier können die Kinder bis
zu einem Jahr bleiben und lernen Französisch, Deutsch und
Luxemburgisch. Danach werden sie in eine reguläre Schulklasse integriert, so Krier. Später besuchen sie nur noch stundenweise den „cours d’accueil“. „Es ist wichtig, dass die
Kinder in den Cycle integriert
werden, der ihrem Alter entspricht“, erklärt sie.
Sprachtest für Lyzeum
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Flüchtlingskinder
besuchen zurzeit ein
Lyzeum hier in
Luxemburg
„Kinder, die bereits Englischkenntnisse haben, machen einen Sprachtest, aber auch allgemeines Schulwissen wird geprüft wie zum Beispiel Mathematik“, erklärt Marguerite
Krier. Dieser Test soll helfen,
die Kinder einem schulischen
Niveau zuzuordnen.
Viele, die bereits Englisch sprechen, können meist ohne größere Probleme im „Lycée Mi-
chel Lucius“ eingeschult werden, da es dort eine englischsprachige Sektion gibt, erklärt
Krier weiter.
Kinder, bei denen das nicht der
Fall ist, besuchen während maximal einem Jahr eine „classe
d’accueil“ in einem der Lyzeen
in der Umgebung. Hier werden
sie hauptsächlich sprachlich
gefördert, um danach in eine
reguläre Klasse zu wechseln.
„Mit Händen und Füßen“
Keine Barrieren
Zwei Lehrerinnen aus dem
„Lycée Michel Lucius“ sind in
einem Projekt aktiv, das den
Neuankömmlingen hilft, sich
in der Schule schneller einzuleben. „In unserer Schule sind
ungefähr ein Dutzend Flüchtlinge, da unsere Schule durch
die englischsprachige Sektion
Schüler aus fast 70 Nationen
betreut, fallen die Flüchtlingskinder nicht auf. Da die Unterrichtssprache Englisch ist, gibt
es auch keine größeren Kommunikationsprobleme“, erklärt
Eva Johannesdottir. Sarah
mation de l’Education nationale“
(IFEN) Schulungen angeboten.
Hier werden neben Unterrichtstechniken kulturelle und soziale
Aspekte vermittelt, wie z.B. Aufklärung über den Islam und die
politischen Umstände in den jeweiligen Herkunftsländern der
Kinder. Auch werden Kurse angeboten zum Umgang mit traumatisierten Kindern. Des Weiteren werden, Krier zufolge, Mediatoren dem Lehrpersonal, den
Kindern und Eltern zur Seite gestellt. Sie sollen die Vermittlung
zwischen Eltern, Kindern und
Schule erleichtern; vor allem bei
administrativen Hürden seien sie
eine große Hilfe, so Krier.
Schiltz hat zwei Flüchtlinge in
ihrer Klasse. „Die Kinder integrieren sich sehr schnell“, erklärt sie. Der Unterricht laufe
ganz normal ab. Nur am Anfang würden die Flüchtlinge eine Zusatzbetreuung bekommen, um dem Unterricht ohne
Probleme folgen zu können.
„Eine extra Vorbereitung erfordert der Unterricht nicht“, erklärt Schiltz. Allerdings müsse
man sich bewusst sein, dass
man einige Themen, wie z.B.
Krieg, anders angehe als mit
einheimischen Schülern.
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Kinder sind in der
Grundschule
eingeschult
Romina Pütz, eine Lehrerin aus
Differdingen, unterrichtet einen „cours d’accueil“. Bisher
sind nicht viele Flüchtlinge in
der Gemeinde. Seit September
aber betreut sie ein Flüchtlingskind beim Französischlernen.
„Die Kommunikation ist am
Anfang immer etwas schwierig“, so Pütz, „aber da das Mädchen schon Englisch spricht, ist
es leichter.“
Mit ihren Mitschülern würde
sie sich mit Händen und Füßen
verständigen. Daher verlaufe
die Integration eigentlich pro-
blemlos, so Pütz. Vom Schulischen her gesehen gebe es keine anderen Probleme als solche, die es auch bei einheimischen Schülern gebe.
Auch für sie als Lehrerin sei es
keine größere Umstellung.
Der Unterricht erfordere
keine zusätzlichen Vorbereitungen, da es sich sowieso
um einen „cours d’accueil“
handele, in dem auch italienisch-, französisch- und
portugiesischsprachige Kinder
Sprachenunterricht bekommen.
Persönlich erstellt für: asbl asti
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