virusepidemiologische information

22/15
”VIRUSEPIDEMIOLOGISCHE INFORMATION” NR._____
J. Aberle, Prof. Dr. St. Aberle
Für den Inhalt verantwortlich: Prof. Dr. 22/15
Prof. Dr. H. Holzmann, Prof. Dr. Th. Popow-Kraupp
Prof. Dr. E. Puchhammer
Redaktion: Dr. Eva Geringer
Department f. Virologie d. Med. Universität Wien
1090 Wien, Kinderspitalgasse 15
Tel. +43 1 40160-65500 Fax: +43 1 40160-965599
e-mail: [email protected]
homepage: www.virologie.meduniwien.ac.at
In der Zeit vom 20.10.2015 bis 02.11.2015 wurden am Department für Virologie der
Medizinischen Universität Wien folgende Infektionen diagnostiziert:
Adeno KBR : W: 1; 1 mal Verdacht auf Infektion
Virusnukleinsäurenachweis (PCR): W: 4; 1 mal Enteritis; 4 mal aus Stuhl
Antigennachweis: W: 1; 1 mal Enteritis; 1 mal aus Stuhl
Astro Virusnukleinsäurenachweis (PCR): W: 1; 1 mal aus Stuhl
EBV IFT : W: 12, OÖ: 2, K: 3; 2 mal Verdacht auf Morbus Pfeiffer, 1 mal
Virusexanthem, 7 mal Lymphknotenschwellung, 1 mal fieberhafter grippaler
Infekt, 1 mal Mononukleose, 1 mal Hepatosplenomegalie, 2 mal Fieber, 1 mal
EBV-Infektion
Virusnukleinsäurenachweis (PCR ): W: 11, S: 1; 1 mal
Lungentransplantation, 1 mal Morbus Hodgkin, St.p.
Knochenmarktransplantation, 1 mal bei Glomerulonephritis; 3 mal aus Serum, 7
mal aus EDTA-Plasma, 1 mal aus Lavage, 1 mal aus Rachensekret
Entero Virusnukleinsäurenachweis (PCR): W: 5; 1 mal Hand-Mund-FußKrankheit, 1 mal Exanthem, 1 mal Status febrilis, Durchfall u. Meningitis; 1 mal
aus Nasensekret, 1 mal aus Abstrichmaterial, 1 mal aus Rachenspülflüssigkeit, 1
mal aus Liquor+Stuhl
Flavi HHT (Dengue): W: 2; 1 mal Anämie, 1 mal Zustand nach Mexikoaufenthalt
HHT + Elisa : OÖ: 1, Stm: 5, T: 1
FSME
Hepatitis B ELISA : W: 2, B: 1, K: 1
Virusnukleinsäurenachweis (PCR aus Serum): W: 15, B: 1
Hepatitis C ELISA : W: 2, NÖ: 1, B: 1; K: 1
Virusnukleinsäurenachweis (PCR aus Serum): W: 8, NÖ: 1, B: 1, K: 1
Genotypisierung : Typ 1A: W: 9, OÖ: 1, V: 1; Typ 1B: W: 9;
Typ 2A/2C: W: 1; Typ 3: W: 1; Typ 3A: W: 11; Typ 3K: W: 1
Hepatitis D Virusnukleinsäurenachweis (PCR aus Serum): NÖ: 1
Hepatitis E V irusnukleinsäurenachweis (PCR aus Serum): OÖ: 1
Herpes simplex KBR + ELISA : W: 1; 1 mal rez. Infektion
HSV1 Virusnukleinsäurenachweis (PCR): W: 6; 2 mal Lungentransplantation;
1 mal aus Serum, 1 mal aus Rachenspülflüssigkeit, 2 mal aus Abstrichmaterial, 2
mal aus EDTA-Plasma
HIV ELISA und Western Blot: W: 3, OÖ: 1, S: 1, K: 1, V: 1
HPV Virusnukleinsäurenachweis (high risk ): W: 35, NÖ: 5, B: 10, Stm: 10, K: 16
Mit Unterstützung der Firma Pfizer.
Copyright by Prof. Dr. Franz X. Heinz. Veröffentlichungen auch auszugsweise sind nur mit Genehmigung gestattet.
JC/BK Virusnukleinsäurenachweis (PCR ): JC: W: 2; 1 mal aus Harn, 1 mal aus
Liquor; BK: W: 3; 2 mal Nierentransplantation; 3 mal aus EDTA-Plasma+Harn;
JC+BK: W: 1; 1 mal Nierentransplantation; 1 mal aus Harn
Norovirus Virusnukleinsäurenachweis (PCR) : W: 4; 1 mal Diarrhoe, 1 mal bei
Zustand nach Knochenmarktransplantation; 4 mal aus Stuhl
Puumala IFT : Stm: 2; 2 mal Verifizierung Puumala
Rhino Virusnukleinsäurenachweis (PCR): W: 4, B: 3; 1 mal Verdacht auf
Pneumonie, 1 mal obstrukt. Atemwegserkrankung, 1 mal Bronchiolitis, 1 mal
Bronchitis, 1 mal Rhinitis, 1 mal respirat. Infekt, Fieber, 1 mal akute Pneumonie; 1
mal aus Rachenabstrich, 6 mal aus Rachensekret
Virusisolierung : W: 2; 2 mal aus Rachensekret
Rota Virusnukleinsäurenachweis (PCR): W: 1; 1 mal aus Stuhl
Varizellen-Zoster Virusnukleinsäurenachweis (PCR ): W: 3; 1 mal Zoster bei
Immunsuppression, 1 mal Verdacht auf Virusmeningitis, 1 mal Zustand nach
Herpes zoster; 1 mal aus Abstrichmaterial, 2 mal aus Liquor
Zytomegalie KBR + ELISA : W: 4; B: 2, OÖ: 1; 1 mal rez. Infektion, Arthritis, 1 mal
Splenomegalie, 1 mal Asthma, 1 mal Status febrilis, 1 mal
Lymphknotenschwellung
Virusnukleinsäurenachweis (PCR ): W: 42, K: 1; 1 mal
Knochenmarktransplantation, 1 mal Anämie, 3 mal Lungentransplantation, 3 mal
Zustand nach Nierentransplantation, 1 mal Verdacht auf interstitielle Pneumonie
(Doppelinfektion mit Rhinov.), 1 mal bei Myopathie, 2 mal Verdacht auf
intrauterine CMV-Infektion, 1 mal Nierentransplantation, Gastroenteritis; 32 mal
aus EDTA-Plasma, 5 mal aus Serum, 2 mal aus Lavage, 2 mal aus Harn, 1 mal
aus Sputum, 1 mal aus Muttermilch
Virusisolierung (Zellkultur): W: 1; 1 mal Lungentransplantation; 1 mal aus Harn
Epidemiologische Trends:
Der Jahreszeit entsprechend Nachweise von Rhinoviren.
Masern schwächen das Immunsystem über viele Jahre
Lukas Weseslindtner und Heidemarie Holzmann
Ein Argument, das Impfgegner häufig anführen, um den Nutzen der Masernimpfung in
Frage zu stellen, ist, dass ein „natürliches“ Durchmachen von Masern das Immunsystem
„stärkt“. Nun liegen stichhaltige wissenschaftliche Erkenntnisse vor, die eindeutig das
Gegenteil beweisen, und zeigen, dass Masern eine mehrere Jahre anhaltende
Schwächung des Immunsystems bewirken, wodurch es bei Betroffenen sogar zur
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VIR. EP. INF. NR. 22/15-2
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Prof. Dr. E. Puchhammer, Department f. Virologie d. Med. Universität Wien. Redaktion: Dr. Eva Geringer; Department f. Virologie d. Med. Universität Wien
Mit Unterstützung der Firma Pfizer.
Copyright by Prof. Dr. Franz X. Heinz. Veröffentlichungen auch auszugsweise sind nur mit Genehmigung gestattet.
erhöhten Sterblichkeit aufgrund von anderen Infektionskrankheiten kommt. Im
Anschluss möchten wir von diesen Erkenntnissen, die zum Teil erst vor kurzem in
Science publiziert wurden, berichten.
Masern werden über Tröpfchen übertragen, sie gehören zu den ansteckendsten
Infektionskrankheiten des Menschen und verursachen bei nahezu allen nicht-immunen
Personen mit Masernkontakt nach einer Inkubationszeit von 8 bis 12 Tagen eine
typische Symptomatik. Im Prodromalstadium besteht diese aus Fieber, Konjunktivitis
und dem Auftauchen von sogenannten Koplik Flecken an der Innenseite der
Wangenschleimhaut, gefolgt von einem makulo-papulösen Exanthem. Dabei muss
immer wieder daran erinnert werden, dass Masern keineswegs harmlos sind, sondern
eine sehr hohe Hospitalisierungs- und Komplikationsrate (ca. 20%) aufweisen. Eine
durch Masernviren bedingte Pneumonie oder Enzephalitis ist eine schwerwiegende und
gefürchtete Komplikation, insbesondere da gegen Masern keine spezifische antivirale
Therapie
zur
Verfügung
steht.
Hinzu
kommt,
dass
Masern
vor
allem
in
Entwicklungsländern und hier gerade bei Kindern mit einer hohen Mortalitätsrate
vergesellschaftet sind. Laut Weltgesundheitsorganisation (WHO) verursachen Masern in
allen Altersgruppen weltweit noch immer 130.000 bis 160.000 Todesfälle pro Jahr.
Bei der Pathogenese der Masern spielt das Immunsystem eine wichtige Rolle.
Zum einen sind bestimmte Zellen des Immunsystems, wie Dendritische Zellen, T- und
B-Lymphozyten, selbst Zielzellen für das Virus, wodurch es in der Frühphase der
Infektion zum Verlust dieser Zellen und dadurch zur Leukopenie kommt. Dabei ist das
Ausmaß der Leukopenie in der Initialphase der Infektion direkt von der Stärke der
Virusreplikation abhängig. Zum anderen ist eine spezifische zelluläre Immunantwort
gegen das Masernvirus für das Ausheilen der Infektion unbedingt erforderlich, wobei
CD8+ zytotoxischen T-Zellen eine Schlüsselrolle zukommt, da sie infizierte Zellen
spezifisch erkennen und zerstören können. Im Rahmen einer erfolgreichen Abwehr
kommt es zur starken Zellteilung (Proliferation) von Masernvirus-spezifischen T-Zellen
u.a. in den Lymphknoten, was sich klinisch typischerweise als Lymphknotenschwellung
manifestiert.
Neuere immunologische Untersuchungen, die größtenteils mit Makaken als
Versuchstieren durchgeführt wurden, zeigen nun ein etwas differenzierteres Bild (de
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VIR. EP. INF. NR. 22/15-3
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Prof. Dr. E. Puchhammer, Department f. Virologie d. Med. Universität Wien. Redaktion: Dr. Eva Geringer; Department f. Virologie d. Med. Universität Wien
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Vries RD et al., PloS Pathogens 2012, 8: e1002885). Es wurde beobachtet, dass das
Masernvirus nicht wahllos Lymphozyten befällt, sondern über einen spezifischen
Rezeptor (CD150) vor allem in Gedächtniszellen eindringt. Im Rahmen der Leukopenie
gehen also fast ausschließlich Gedächtniszellen verloren, die in vorangegangenen
Jahren beim Überwinden verschiedenster anderer Infektionskrankheiten gebildet
wurden. Da, wie erwähnt, im Rahmen der erfolgreichen Abwehr große Mengen von
Masernvirus-spezifischen T-Zellen gebildet werden müssen, und ein großer Teil dieser
Zellen selbst zu Gedächtniszellen ausreift, scheint die Gesamtzahl der Gedächtniszellen
nach dem Durchmachen der Masern zwar unverändert, untersucht man allerdings ihre
Spezifität, zeigt sich, dass ein Großteil des übrig gebliebenen Gedächtniszellpools nur
aus Masernvirus-spezifischen Zellen besteht. Zwar bewirken diese Zellen nun eine
lebenslange Immunität gegen Masern, allerdings kommt es in unmittelbarer Folge zu
einer erhöhten Anfälligkeit für andere Erreger, für deren rasche Abwehr die spezifischen
Gedächtniszellen fehlen. Dieses Phänomen wird als „Immunamnesie“ bezeichnet.
Zwangsläufig ergab sich für die Forscher nun die Frage, ob die im Tiermodell
erworbenen Erkenntnisse auch für Menschen Gültigkeit haben. In einer aufwendigen
statistischen Analyse wurden daraufhin die in England, den USA und Dänemark
aufgezeichneten Fallzahlen von Masern seit der Vorimpfära über den Zeitpunkt der
Einführung der Masernimpfung bis zum Erreichen hoher Durchimpfungsraten, also in
einem Zeitraum von den Fünfzigerjahren bis in die Gegenwart, in Zusammenschau mit
der Sterblichkeitsrate durch andere Infektionskrankheiten ausgewertet (Mina NJ et al.,
Science 2015: 694-699). Dabei zeigte sich eindeutig, dass es einen Zusammenhang
zwischen der Maserninzidenz und der Mortalität durch andere, den Masern zeitlich
nachfolgenden, Infektionskrankheiten gab. War, beispielsweise, die Inzidenz von
Masern in bestimmten Jahren besonders hoch, war in der Folge auch die Sterblichkeit
durch Infektionen mit anderen Erregern erhöht. Interessant war außerdem, dass die
Einführung der Masernimpfung nicht nur zu einem massiven Rückgang der Masernfälle
führte, sie bewirkte zusätzlich einen signifikanten Abfall der Sterblichkeit durch
nachfolgende Infektionen. Dass dieser Abfall spezifisch mit dem Einführen der
Masernimpfung zu tun hatte, und nicht zufällig auftrat, konnte unter anderem dadurch
bewiesen werden, dass zur Kontrolle analog die Auswirkung der Keuchhustenimpfung
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VIR. EP. INF. NR. 22/15-4
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Prof. Dr. E. Puchhammer, Department f. Virologie d. Med. Universität Wien. Redaktion: Dr. Eva Geringer; Department f. Virologie d. Med. Universität Wien
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Copyright by Prof. Dr. Franz X. Heinz. Veröffentlichungen auch auszugsweise sind nur mit Genehmigung gestattet.
auf die Mortalität von Infektionskrankheiten untersucht wurde, und hier zeigte sich
keinerlei Effekt.
Aufgrund der erhobenen Datenmenge konnte im Rahmen von mathematischen
Berechnungen sogar ermittelt werden, für welchen Zeitraum nach Durchmachen der
Masern ein erhöhtes Risiko an anderen Infektionskrankheiten zu sterben besteht.
Analog zu den Ergebnissen bei den Tierversuchen konnte nun also auch für Menschen
indirekt evaluiert werden, wie lange es durch Masern zur Beeinträchtigung des
Gedächtniszellpools kommt. Dabei zeigten sich erstaunliche Ergebnisse: Das Risiko an
anderen Infektionskrankheiten zu sterben war nicht nur für kurze Zeit gesteigert, es war
während eines Zeitraumes von zwei bis drei Jahren nach Durchmachen der Masern
signifikant erhöht. Zu diesen Ergebnissen passen übrigens frühere Beobachtungen,
dass die Einführung der Masernimpfung in Entwicklungsländern eine Abnahme der
Gesamtmortalität bewirkte, die viele Jahre anhielt, nur konnte man sich bis dahin nicht
erklären, was diesen nachhaltigen Effekt der Masernimpfung verursachen könnte. Die
Erkenntnisse der genannten Studien können diese Wissenslücke jetzt füllen: Masern
verursachen ein über mehrere Jahre anhaltendes erhöhtes Risiko an anderen
Infektionskrankheiten
zu
sterben,
was,
zusammen
mit
der
Möglichkeit
von
schwerwiegenden Komplikationen, die hohe Mortalitätsrate vor allem bei Kindern in der
Dritten Welt erklärt.
Sowohl
im
Tiermodell,
als
auch
in
einer
akribisch
durchgeführten
epidemiologischen Analyse, konnte also eindeutig bewiesen werden, dass Masern das
immunologische Gedächtnis über mehrere Jahre schwächen. Die Masernimpfung ist
jedoch ein sicheres und geeignetes Mittel dies prophylaktisch zu verhindern und die
Gefahr einer erhöhten Sterblichkeit durch andere Infektionen zu bannen.
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