Tierärzte müssen als Unternehmer denken

Praxisführung
Unternehmer Tierarzt
Tierärzte müssen als Unternehmer denken
Praxisführung ist „Medizin für die Praxis“
© PhotoDisc
Henrik Hofmann
Im Spannungsfeld zwischen Berufsethos,
schlecht aus. „Was ist los?“, fragt man sich.
haltung, Kraftfahrzeug und Fortbildung.
Preisvorstellungen der Tierbesitzer, Gebüh-
Und früher oder später erkennt man: Um
Der Rest dient für Rücklagen, zum Beispiel
renordnung, dem Preis der Mitbewerber
eine Tierarztpraxis erfolgreich zu führen,
für den langersehnten Urlaub – oder die
und den eigenen Kosten gilt es, ein ange-
genügt es nicht, ein guter Tierarzt/eine gute
nötige Autoreparatur. Was man so vielleicht
messenes Einkommen zu erwirtschaften –
Tierärztin zu sein.
als
für sich selbst und seine Mitarbeiter.
Plötzlich läuten die Alarmglocken: Die Steu-
„Lebensführung“
bezeichnen
kann,
nennt man bei selbständigen Tierärzten
Was ist Praxisführung?
„Praxisführung“. Das Grundprinzip ist eigentlich aber das gleiche.
er bittet um Nachzahlung, die Bank erinnert
Doch wie geht man die Probleme an? Und
Hans-Peter Ripper, Diplombetriebswirt
an Kredite, eine dringende Investition ist er-
vor allem, wie erkenne ich, wo sie herkom-
beim Bundesverband praktizierender Tier-
forderlich. Der Familienurlaub steht bevor
men? Für Angestellte ist das ganz einfach:
ärzte e. V. (bpt), definiert den Begriff „Pra-
oder der Mindestlohn hat die Praxisinhaber
Sie bekommen ein fixes Nettogehalt. Davon
xisführung“ mittels zweier möglicher Ant-
„kalt erwischt“. Doch auf dem Konto sieht es
gehen Miete und Nebenkosten ab, Lebens-
worten:
Enke Verlag | veterinär SPIEGEL 2015; 3: 143–146 Hofmann H. Tierärzte müssen als Unternehmer denken
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Praxisführung
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Unternehmer Tierarzt
1. „Management by Kontoauszug“
2. „Aktives, ziel- und ergebnisorientiertes
Entscheiden und Handeln.“
Behandeln Sie auch …?
Was zunächst nach Ironie klingt, ist bei vielen Kollegen und Kolleginnen nachweislich
Realität. Sie entwickeln die wirtschaftliche
Existenzgrundlage „Praxis“ nach dem Zufallsprinzip.
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Egal ob Echse, Schlange oder
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keine Exoten mehr. Der Reptilienspezialist Dr. Michael Pees und sein
Expertenteam geben Ihnen das
nötige praxisnahe Wissen an die
Hand: Das diagnostische Vorgehen
und die häufigsten Erkrankungen
bei Echsen, Schlangen und Schildkröten werden praxisnah
beschrieben.
mindest für den, der sich ein höheres Einkommen wünscht oder ein solches aufgrund laufender Verpflichtungen dringend
benötigt. Tierärzte müssen als Unternehmer
denken, sie sind jedoch keine Betriebswirtschaftler. Deshalb muss ein „Fahrplan“, d. h.
eine systematische Vorgehensweise her, der
bzw. die umsetzbar sind. Ganz analog wie in
Leitsymptome bei Reptilien
der Tiermedizin. Außerdem müssen hierfür
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Fachtierärztin für Reptilien, liefert
Ihnen das nötige Expertenwissen.
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Faktoren einbezogen werden, die messbar
sind. Denn nur was gemessen wird, kann
auch (messbar) verändert werden.
Fahrplan Praxisführung
Für die Praxisführung gilt folgender „Fahrplan“:
• Analyse der Ausgangssituation („Diagnose“),
• Ableitung von Zielen,
• Planung von Kosten und Budget,
• Umsetzung im laufenden Praxisbetrieb
(„Therapie“),
• Kontrolle, ob die gesetzten Ziele (Soll-/
Ist-Vergleich) erreicht wurden,
• gegebenenfalls Anpassung des Plans
oder der Mittel.
Erscheint im
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Kostenrechnung
Grundsätzlich sollte zunächst eine Kosten-
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rechnung erfolgen. Das Ziel ist, sich einen
Überblick über Kostenstruktur zu verschaffen, Vergleichsparameter anzulegen und so
die Ist-Situation zu analysieren. Die Zahlen
dafür stammen aus der Einnahmen-/Überschussrechnung bzw. der Betriebswirtschaftlichen Auswertung. Als praktizierender Tierarzt/praktizierende Tierärztin sollte
man sich relevante Kennzahlen extrahieren.
Das lässt sich in der Regel leicht mit einer
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Praxisführung
Unternehmer Tierarzt
(guten) Praxissoftware und der Analyse/Fi-
mit denen ähnlich strukturierter, fremder
letzterem gehören unzureichende Kontrolle
nanzbuchhaltung des Steuerberaters be-
Praxen (sog. Benchmarking).
im Rechnungs- und Mahnwesen, Nachläs-
werkstelligen. Mit ihrer Hilfe lassen sich die
Der praxisinterne Vergleich zeigt, wie
sigkeit bei der Lagerhaltung (Warenver-
Gesamteinnahmen nach ihrer Herkunft un-
sich Einnahmen und Ausgaben entwickelt
derb), versäumte Anpassung der Medika-
terteilen:
haben. Habe ich tatsächlich weniger umge-
mentenpreise, Versäumnisse bei der Fak-
• tierärztliche Leistungen, Einnahmen aus
setzt? Oder sind einfach meine Kosten ge-
turierung (keine Zeit zum…), falsches Ver-
stiegen und bleibt mir so bei gleichem Um-
hältnis zwischen Warenumsatz und Umsatz
satz weniger übrig?
in der kurativen Praxis, zu teurer Einkauf,
Medikamentenverkauf,
• Einnahmen aus dem Futtermittelverkauf
Der zwischenbetriebliche Vergleich lässt
zu niedrig kalkulierte Preise und einiges
sich wesentlich schwieriger verwirklichen.
mehr. Ripper nennt zudem Nachlässigkeit
Denn welcher Kollege gibt schon gerne sei-
bei der Kontrolle, ob angelieferte und be-
ne (personalisierten) Daten freiwillig an
rechnete Warenmengen übereinstimmen,
Dem gegenüber werden die Gesamtaus-
Mitbewerber heraus? Hier hilft der Praxis-
und schließlich auch Diebstahl und Unter-
gaben gestellt:
kostenvergleich, der regelmäßig anonymi-
schlagung – Geld, das im Nachhinein trotz-
• Raumkosten (ca. 7 %1),
• Kosten für Medikamenten- und Waren-
siert vom bpt durchgeführt, ausgewertet
dem versteuert werden muss.
und
• sonstige Einnahmen wie zum Beispiel
Vorträge oder Shopartikel.
einkauf (30–40%),
•
Personalaufwendungen
(cave:
Lohn-
nebenkosten bis zu 30 %!),
• Fortbildungskosten,
• Versicherungen, Steuern, Beiträge (ca.
•
•
•
•
und veröffentlicht wird. So kann direkt verglichen werden, wo andere Kollegen wirt-
Praxistipp: Haben sie Angst, höhere Preise
schaftlicher arbeiten als man selbst. Fragen
regional nicht umsetzen zu können? Blei-
dazu werden Hans-Peter Ripper und andere
ben 10 % der Kunden weg, weil sie die Prei-
Spezialisten während des bpt-Kongresses in
se um 10 % angehoben haben, steigt der
München (2015) persönlich beantworten.
Gewinn noch immer um fast 5 %.
1 %)
Herr Ripper wird auch berichten, wie sich
KFZ-Kosten (ca. 3 %),
die beiden Vergleichsmöglichkeiten ergän-
Und nun? Die „Diagnose“ ist das eine. Die
Abschreibungen,
zen können.
„Therapie“ steht auf einem anderen Blatt. Je
Grundsätzlich liegt die Summe der Kos-
nach Ergebnis müssen nun Maßnahmen er-
ten in einer Größenordnung von 60 bis
griffen, Ziele abgeleitet und Kosten geplant
80 % des Umsatzes.
und im laufenden Praxisbetrieb umgesetzt
Werbungs- und Reisekosten,
und vieles andere (ca. 5 %).
Die Rücklagen sollten nicht unterschätzt
In der Regel und im Allgemeinen Durchschnitt gilt folgendes:
werden. Hiervon müssen u. a.:
Gesamteinnahmen (Umsatz) 100 %
•
•
•
•
− Gesamtausgaben (Kosten) ca. 70 %
= Betriebsergebnis (vor Steuern usw.) ca. 30%
Weitere Kennzahlen sind:
•
•
•
•
•
die Anzahl aktiver Kunden
Steuern nachgezahlt werden,
werden. Vor allem für die stärksten Kostenblöcke sollten Budgets eingerichtet werden.
Geplant werden müssen Warenbestand
der Inhaber/die Inhaberin leben,
und Wareneinkauf (Einkaufspreise!) sowie
die Altersvorsorge finanziert werden,
die Verkaufspreise. Wie viel eines Antibio-
weitere, neue Rücklagen gebildet wer-
tikums,
den.
Schmerzmittels hat die Praxis im Laufe
eines
Antiparasitikums,
eines
eines Jahres verkauft? Gab es saisonale Hö-
die Anzahl der Besuche
die durchschnittliche Besuchshäufigkeit
Nachdem die Kosten also identifiziert, er-
hepunkte, an die der Einkauf angepasst
der durchschnittliche Umsatz pro Besuch
fasst und verglichen sind, ist die Frage ge-
werden kann? Welcher Händler/Hersteller
der durchschnittliche Umsatz pro Kunde
stattet: „Warum habe ich zu wenig Ein-
bietet die besten Konditionen – ohne größe-
kommen/Geld?“ Stimmen die Umsätze tat-
re Mengen abnehmen zu müssen?
Praxiskosten vergleichen –
in der eigenen Praxis und
im Vergleich zu anderen
sächlich nicht, kommen eine Reihe von
Ein Budget ist ein in Geldbeträgen formu-
Ursachen infrage.
Das können externe Gründe sein, wie
neue
Mitbewerber
im
Einzugsbereich,
lierter Plan von zukünftigen, erwarteten
Einnahmen und Ausgaben.
städtebauliche Maßnahmen, die das ErreiDie o. g. Kennzahlen können jetzt vergli-
chen der Praxis erschweren oder eine gene-
Stellschrauben, d. h. veränderbare Varia-
chen werden: Im Zeitvergleich mit den Zah-
relle Flaute in der Konjunktur.
blen, die dem „Unternehmer Tierarzt“ zur
len der eigenen Praxis aus den vergangenen
Vom Praxisunternehmer selbst beein-
Monaten und Jahren oder auch im zwi-
flussbar sind hingegen interne Faktoren,
• Erhöhung der Besuchsfrequenz (z. B.
schenbetrieblichen Vergleich. Letzteres be-
etwa Personalprobleme (nicht kundenori-
durch Recall-, d. h. Erinnerungs-Syste-
deutet den Vergleich eigener Kennzahlen
entiertes Verhalten; hohe Fluktuation …),
me),
persönliche familiäre Probleme, nachlas1
Die Prozentangaben beruhen auf Schätzungen
u. a. von Stefan Thiele, Compliance Consulting GbR
sende „Lust“/Kundenorientiertheit, sinkende Qualität oder erhöhter Kostenanteil. Zu
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Verfügung stehen, sind:
• Preisanpassung (GOT-Satz anpassen),
• Erweiterung des Angebotes (Spezialisierung, Tierpension, Petshop …),
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Unternehmer Tierarzt
Praxisführung
• Erschließung neuer Kundengruppen
selektiert, geschult und abgestellt ist, eine
des Steuerberaters analysiert werden („Di-
(Kooperationen mit z. B. Tiertrainern,
volle oder halbe Stelle benötigt, ist eine Fra-
agnose“). Können Schwachstellen identifi-
ge der Praxisgröße. Unzweifelhaft ist, dass
ziert werden, so sollten diese gezielt und
2
Tierheim ,
• Veränderung des Angebotes: Auch wenn
sich ein Praxismanager, der sich auf die oft-
systematisch angegangen werden („Thera-
die Industrie mit immer billigeren Ange-
mals zermürbenden Controllingaufgaben
pie“), um die Wirtschaftlichkeit zu verbes-
boten und Produkten ihre Mitbewerber
konzentrieren kann, sehr schnell rechnet.
sern. Ein solches Kostenmanagement bzw.
ausstechen möchte, ist für das Tierarzt-
Controlling muss kontinuierlich erfolgen
unternehmen das teurere Produkt bes-
Praxistipp: Alle Mitarbeiter sollten in die
und erfordert daher einen regelmäßig wie-
ser, da der höhere Preis automatisch
Probleme „eingeweiht“ und für Control-
derkehrenden Zeitaufwand. Für größere
auch eine höhere Gewinnspanne mit
ling-Maßnahmen sensibilisiert werden. Die
Praxen und Kliniken kann ein sog. Praxis-
sich bringt.
„Gesundheit“ der Praxis liegt im Interesse
manager eine Entlastung bieten, die sich
aller Mitarbeiter! Die sollte dem Team auch
rasch bezahlt macht. In kleineren Praxen
genauso kommuniziert werden.
kann eine erfahrene und vertrauenswürdi-
Praxistipp: Die häufigsten Praxiseinnahmen
identifizieren, deren Preise neu kalkulieren
ge Tiermedizinische Fachangestellte mit
– und diese moderat anheben. Zu den häu-
Selbst wenn Umsatz und Gewinn stimmen,
der Aufbereitung bestimmter Kennzahlen
figsten Einnahmequellen in der Allgemein-
bringen „Diagnose“, „Therapie“ und Con-
beauftragt werden. Der Tierarzt als Unter-
praxis zählen Impfungen sowie der Verkauf
trolling Vorteile. Einerseits lassen sich
nehmer sollte die wichtigsten Kennzahlen
von Antiparasitika und Futtermitteln.
durch Steigerung des Gewinns wertvolle
und deren Interpretation jedoch unbedingt
Rücklagen für Investitionen bilden. Nach-
kennen, da er als Praxis- bzw. Klinikinhaber
haltigkeit und Freude an der Arbeit lassen
gefordert ist, unternehmerische Entschei-
sich nur durch Weiterentwicklung erhalten,
dungen in letzter Konsequenz selbst zu tref-
ebenso die Konkurrenzfähigkeit der Praxis
fen, und vor allem eine strategische, auf die
oder Klinik. Andererseits lassen sich auch
Zukunft ausgerichtete unternehmerische
Je nach Praxis-/Klinikgröße machen Kos-
eventuelle „Schicksalsschläge“ kalkulieren:
Planung vorzunehmen.
tenmanagement und Controlling sehr viel
„Was erwirtschafte ich, wenn das Dispen-
Kostenmanagement und
Controlling abdelegieren?
Arbeit. Einige Experten sind der Meinung,
sierrecht fällt?“ ist z. B. eine wichtige Frage,
Vorträge und Fragen zu diesem und vielen
dass
grundsätzlich
die die tierärztliche Praxis grundsätzlich
anderen Themen aus dem Bereich Praxis-
Aufgabe des Unternehmers ist, und dass es
und nachhaltig verändern könnte. Auf sol-
management werden Hans-Peter Ripper
sich nicht delegieren lässt. Andererseits
che Veränderungen sollte man sich zumin-
und weitere Fachleute während des bpt-Kon-
sind Präsenz und Arbeit des Inhabers in der
dest theoretisch frühzeitig vorbereiten, d. h.
gresses 2015 in München persönlich beant-
Praxis vor dem Kunden enorm wichtig. Er
einen „Notfallplan“ („Contingency Plan“) in
worten.
ist die „Marke“, ihn will der Kunde sehen.
der Schublade haben, damit man im Falle
In der Humanmedizin werden mittlerweile
eines Falles schnell und nachhaltig auf der-
Praxismanager ausgebildet; etliche Tier-
artig tiefgreifende Veränderungen reagie-
arztpraxen und Kliniken arbeiten längst
ren kann. Ein solcher Notfallplan kann im
mit fest angestellten Buchhaltern zusam-
Falle eines Falles und vor allem in einer
men, die nicht zuletzt auch dem Chef selber
Branchenkrise sogar einen Wettbewerbs-
ab und zu auf die Finger schauen. (Was un-
vorteil darstellen.
Kostenmanagement
angestellte, die speziell für diese Aufgaben
2
Zu den juristisch einwandfreien Möglichkeiten
der Werbung werden auf dem bpt-Kongress 2015
in München die Mannheimer Anwälte Schönsiegel und Jörg referieren.
146
http://dx.doi.org/10.1055/s-0035-1557778
Verfasser
angenehm, aber gut ist!) Ob ein angestellter
Praxismanager, eine Tiermedizinische Fach-
Online
Fazit
Dr. Henrik Hofmann
Hochweiselerstr. 57
Die Ertragslage jeder tierärztlichen Praxis
35510 Butzbach
oder Klinik sollte regelmäßig anhand der
[email protected]
Praxissoftware und der betriebswirtschaftlichen
Auswertung
(Finanzbuchhaltung)
Enke Verlag | veterinär SPIEGEL 2015; 3: 143–146 Hofmann H. Tierärzte müssen als Unternehmer denken

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