Wirksamkeit einer zusätzlich abgegebenen

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Erscheinungsdatum:
24.03.2016
Erscheinungsweise:
vierzehntäglich
Bezugspreis:
10,- € monatlich
zzgl. MwSt.
Norbert Eisenschmid, RA
6/2016
Inhaltsübersicht:
Anm.
1
Wirksamkeit einer zusätzlich abgegebenen Mietbürgschaft
Anmerkung zu AG Berlin-Charlottenburg, Urteil vom 26.10.2015, 213 C 104/15
von Prof. Dr. Siegbert Lammel
Anm.
2
Zustimmung zur Mieterhöhung kein zum Widerruf berechtigendes
Fernabsatzgeschäft
Anmerkung zu AG Berlin-Spandau, Urteil vom 27.10.2015, 5 C 267/15
von Prof. Dr. Ulf P. Börstinghaus, RiAG, Universität Bielefeld
Anm.
3
Zwangsvollstreckung zur Durchsetzung einer auf Betriebspflicht
gerichteten einstweiligen Verfügung
Anmerkung zu LG Kassel, Urteil vom 20.08.2015, 11 O 4173/15
von Jürgen Fritz, RA, Quadbeck & Schacht, Düsseldorf
Anm.
4
Unterzeichnung des Mietvertrages durch nur einen Vertragspartner bei
Benennung zweier Mieter im Kopf der Vertragsurkunde
Anmerkung zu LG Saarbrücken, Urteil vom 11.12.2015, 10 S 112/15
von Norbert Eisenschmid, RA
Anm.
5
Zulässige langfristige Vermietung eines im Gemeinschaftseigentum
stehenden Kellerraums
Anmerkung zu LG Hamburg, Urteil vom 28.10.2015, 318 S 9/15
von Wolfgang Dötsch, RiOLG
Anm.
6
Nachlasspflegschaft nach dem Tod eines vermögenslosen
Wohnraummieters
Anmerkung zu OLG Zweibrücken, Beschluss vom 07.05.2015, 8 W 49/15
von Dr. Catharina Kunze, RA'in und FA'in für Miet- und Wohnungseigentumsrecht, AKD
Dittert, Südhoff & Partner, Berlin
Zitiervorschlag: Lammel, jurisPR-MietR 6/2016 Anm. 1
ISSN 1860-157X
juris GmbH, Gutenbergstraße 23, D-66117 Saarbrücken, Tel.: 0681/5866-0, Internet: www.juris.de, E-Mail: [email protected]
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© juris GmbH 2016
jurisPR-MietR 6/2016
1
Wirksamkeit einer zusätzlich
abgegebenen Mietbürgschaft
Orientierungssatz zur Anmerkung:
Zur Wirksamkeit einer von einem Dritten
gestellten Bürgschaft für einen Wohnraummietvertrag.
Anmerkung zu AG Berlin-Charlottenburg, Urteil
vom 26.10.2015, 213 C 104/15
von Prof. Dr. Siegbert Lammel
nicht auf die Kläger übergegangen, da im Mietvertrag die Rubrik „andere Sicherheit“ gestrichen worden sei.
Schließlich stelle die Bürgschaft auch einen Fall
der Übersicherung dar. Denn sie sei angesichts
der Volljährigkeit der Mieterin nicht freiwillig im
Sinne der BGH-Rechtsprechung erteilt worden.
Letztlich bestehe auch kein Schadensersatzanspruch; das dem Streitverfahren vorangegangene Beweissicherungsverfahren habe den Vortrag der Kläger nicht bestätigt. Außerdem lägen
bzgl. der Tapeten sog. Sowieso-Kosten vor, da
die Tapeten wegen der Elektroarbeiten hätten
entfernt werden müssen.
A. Problemstellung
C. Kontext der Entscheidung
Das AG Berlin-Charlottenburg hat sich mit den
Kriterien für die (Un-)Wirksamkeit einer zusätzlich zur Barkaution von einem Dritten gestellten
Bürgschaft bei einem Wohnraummietverhältnis
befasst.
Hier liegt eine Entscheidung vor, wie sie – zumindest formal in der Begründung – nicht hätte getroffen werden dürfen (so auch die krit.
Anm. Beuermann, Grundeigentum 2016, 88).
Ein Blick in dem sicher auch dem erkennenden Gericht zur Verfügung stehenden Standardkommentar zum BGB (Palandt) hätte vor dieser Entscheidung bewahren können: Zwar ist
auch nach § 151 BGB die Betätigung des Annahmewillens erforderlich; dafür genügt aber
eine schlüssige Handlung, die z.B. in einer Zueignungshandlung gesehen werden kann (Ellenberger in: Palandt, BGB, § 151 Rn. 2).; Letzteres ist hier mit der Einordnung der Bürgschaftsurkunde in die Mietakten gegeben. Der Zugang
der Annahmeerklärung war hier deshalb entbehrlich, weil es sich um ein für den Annehmenden vorteilhaftes Geschäft gehandelt hat (Ellenberger in: Palandt, BGB § 151 Rn. 4).
B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung
Die Kläger, die im Wege der Rechtsnachfolge Vermieter der volljährigen Tochter des Beklagten geworden waren, verlangen vom Beklagten nach Beendigung des Mietverhältnisses Zahlung aus einer von ihm gestellten Bürgschaft wegen Schadensersatzansprüchen, begründet mit Nikotin- und Tier-Urin-Gerüchen in
der Wohnung. Die Mieterin hatte selbst gemäß
dem Mietvertrag eine Barkaution gestellt; noch
vor endgültigem Abschluss des Mietvertrages
übersandte der Bürge dem damaligen (potentiellen) Vermieter eine Bürgschaftserklärung, in
der er die selbstschuldnerische Haftung für alle Forderungen aus dem Mietverhältnis übernahm. Der Vermieter nahm die Urkunde zu seinen Mietakten.
Das AG Berlin-Charlottenburg hat die Klage aus
mehreren Gründen abgewiesen.
Zunächst verneinte es das Vorliegen eines
Bürgschaftsvertrages, da das Angebot des Beklagten vom Vermieter nicht angenommen worden sei; die Ablage der Urkunde in den Mietakten stelle keine Annahme dar. Außerdem sei –
das Bestehen der Bürgschaft unterstellt – diese
Auch der Übergang der Bürgschaft auf die Kläger scheitert nicht daran, dass im Mietvertrag
die Bürgschaft nicht ausdrücklich (mit)erwähnt
ist; es reicht doch aus, dass der Bürgschaftsvertrag (= Sicherungsabrede) ausdrücklich das
Mietverhältnis als Sicherungszweck beinhaltet.
Dann geht diese Sicherungsmittel nach § 566a
BGB auf den Rechtsnachfolger über (Weidenkaff in: Palandt, BGB, § 566a Rn. 4).
Schließlich kann man hinsichtlich des Kumulationsverbots (= Übersicherung) durchaus unterschiedlicher Auffassung sein (dazu Tiedtke,
ZMR 1990, 401, 403; Wiek, WuM 2014, 119,
122f.). Aber der BGH hat in den zitierten Ent-
jurisPR-MietR 6/2016
scheidungen die freiwillige Stellung einer zusätzlichen Bürgschaft als Sicherheit zugelassen.
Nach dem mitgeteilten Sachverhalt handelte
es sich um eine solche freiwillige Leistung; irgendeine Aufforderung seitens der damaligen
Vermieterseite liegt nicht vor. Mit der in der
BGH-Entscheidung erwähnten „besonderen Belastung“ sind keine familiären Lasten gemeint,
die vom Amtsgericht auch nicht näher spezifiziert werden, sondern finanzielle Forderungen,
die letztlich dann doch wieder die durch § 551
Abs. 1 BGB geschützte Mieterin treffen würden.
Schließlich hätte es gutem Urteilsstil entsprochen, auf die Ausführungen zu den Beweisfragen zu verzichten; sie waren schlicht überflüssig, was sogar das Amtsgericht selbst erkannt
hat.
D. Auswirkungen für die Praxis
Zwar ist niemand vor solchen Urteilen gefeit.
Aber mit einem entsprechend rechtlich fundierten Vortrag in der mündlichen Verhandlung –
in der nach der Darstellung des Amtsgerichts
seine Ansichten erörtert worden sein sollen –,
hätte dieses Ergebnis vielleicht vermieden werden können. Jedenfalls steht das Urteil für eine
Behandlung sowohl des allgemeinen Vertragsrechts als auch des Besonderen Mietrechts, die
keine Schule machen sollte.
2
Zustimmung zur Mieterhöhung
kein zum Widerruf berechtigendes
Fernabsatzgeschäft
Orientierungssatz:
Das Widerrufsrecht für Fernabsatzverträge
nach § 312c BGB findet keine Anwendung bei
der Zustimmung des Mieters zu einem Mieterhöhungsverlangen nach § 558 BGB.
Anmerkung zu AG Berlin-Spandau, Urteil vom
27.10.2015, 5 C 267/15
von Prof. Dr. Ulf P. Börstinghaus, RiAG, Universität Bielefeld
A. Problemstellung
Seit Inkrafttreten des Gesetzes zur Umsetzung
der Verbraucherrechterichtlinie im Juni 2014
tobt eine hitzige Debatte über die Frage, ob dem
Mieter im Erhöhungsverfahren auf die ortsübliche Vergleichsmiete gemäß den §§ 558ff. BGB
ein Widerrufsrecht zusteht, da es sich hierbei regelmäßig um ein Fernabsatzgeschäft handele.
In diesem Fall müsste der Vermieter den Mieter
über das Widerrufsrecht ordnungsgemäß belehren, da der Mieter seine Zustimmungserklärung
anderenfalls noch ein Jahr und 14 Tage nach
Abgabe widerrufen könnte. Anders als bei den
übrigen Rechtsgeschäften wäre der Vermieter
hier besonders betroffen, da er eine fehlende
Zustimmung innerhalb der Frist des § 558b BGB
einklagen muss, was nach Ablauf der Frist nicht
mehr möglich ist.
B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung
Der Vermieter hatte im Januar 2015 vom Mieter
die Zustimmung zu einer Mieterhöhung auf die
ortsübliche Vergleichsmiete verlangt. Der Mieter hat schriftlich seine Zustimmung erteilt und
ab April auch die erhöhte Miete gezahlt. Ende
Juli 2015 widerrief er seine Zustimmungserklärung und verlangte mit der vorliegenden Klage
die Rückzahlung der von ihm für April bis Juli gezahlten Erhöhungsbeträge.
Das AG Berlin-Spandau hat die Klage abgewiesen.
Die Zahlungen des Mieters seien mit Rechtsgrund erfolgt. Aufgrund des als Angebot zu verstehenden Mieterhöhungsverlangens und dessen Annahme durch die Zustimmungserklärung
des Mieters habe sich die Miete entsprechend
erhöht.
Die Zustimmungserklärung des Mieters sei auch
nicht aufgrund des erklärten Widerrufs durch
den Mieter unwirksam geworden. Ein Widerrufsrecht hätte dem Mieter nicht zugestanden. Es
liege kein Fernabsatzgeschäft gemäß § 312c
BGB vor. Zwar sei der Fernabsatzvertrag in
den die Wohnungsmiete betreffenden Vorschriften (§§ 312 Abs. 3 Nr. 1, Abs. 4 BGB, § 312d
Abs. 1 BGB) ausdrücklich genannt, die Vorschriften seien allerdings missglückt. Die Regelung des § 312c BGB sei auf den traditionellen Versandhandel und andere Handelsformen,
jurisPR-MietR 6/2016
insbesondere auf den Vertrieb von Waren über
das Internet zugeschnitten. Nach den dort üblichen Geschäftsmodellen unterbreite das Unternehmen einer unbestimmten Zahl von Verbrauchern durch Katalog und/oder Übermittlung von sonstigem Werbematerial ein Warenangebot (invitatio ad offerendum). Der Verbraucher gebe unter Verwendung eines Fernkommunikationsmittels ein Kaufangebot ab, das der
Unternehmer durch die Zusendung der Ware
konkludent annehme. Hier sei es sinnvoll, wenn
das Unternehmen dem Verbraucher mit der Ware die nach § 312d BGB geschuldeten Information übermittle.
Bei der Wohnungsmiete sei die Situation gänzlich anders. Hier gebe der Vermieter ein Angebot ab, das vom Mieter ausdrücklich oder
konkludent angenommen werde. Diese vertragliche Vereinbarung werde im Rahmen einer
bereits bestehenden Vertragsbeziehung zwischen vertrauten Partnern geschlossen, wobei
der Mieter durch zahlreiche gesetzliche Bestimmungen zusätzlichen Schutz genieße. Schließlich sei zu berücksichtigen, dass der Vermieter nach den §§ 558ff. BGB einen gesetzlichen
Anspruch auf den Änderungsvertrag habe. Deshalb sei es sachgerecht, die hier angesprochenen Mietänderungsverträge, die im Rahmen
eines bereits bestehenden Mietvertrages abgeschlossen werden, vom Anwendungsbereich
des § 312c BGB auszunehmen.
Der Begriff „Fernabsatzvertrag“ impliziere, dass
mit diesem Vertrag etwas „abgesetzt“, also eine Leistungserbringung versprochen werde. Bei
einem Mieterhöhungsverlangen setze aber der
Vermieter gar nichts „ab“. Seine Leistung bleibe
die gleiche; er fordere dafür lediglich eine höhere Gegenleistung.
Abschließend sei noch darauf hinzuweisen, dass
der Mieter auch konkludent durch mehrmalige
Zahlung des Erhöhungsbetrages dem Mieterhöhungsverlangen zugestimmt habe. Die konkludente Zustimmung durch Zahlung stelle aber
erst recht kein Fernkommunikationsmittel i.S.d.
§ 312c Abs. 2 BGB dar.
C. Kontext der Entscheidung
Bei einem Verbrauchervertrag steht dem Verbraucher grundsätzlich gemäß den §§ 312ff.
BGB ein Widerrufsrecht zu. Das setzt voraus,
dass
a) der Vermieter Unternehmer,
b) der Mieter Verbraucher ist und dass der Vertrag
c) entweder außerhalb der Geschäftsräume des
Vermieters oder
d) im Wege des Fernabsatzes gemäß § 312c
BGB geschlossenen wurde.
Bereits die Unternehmereigenschaft von Vermietern ist nicht unproblematisch (vgl. dazu
Hau, NZM 2015, 435; Blank in: Schmidt-Futterer, Mietrecht, 12. Aufl., Vor. § 535 Rn. 68f.).
Problematisch ist dies nur bei privaten Vermietern. Hier wird mit unklarem Ergebnis diskutiert, wann die private Vermögensverwaltung
aufhört und die selbstständige/gewerbliche Tätigkeit anfängt.
Unstreitig besteht das Widerrufsrecht, wenn ein
als Unternehmer zu qualifizierender Vermieter
oder einer seiner Mitarbeiter den Mieter zu Hause besucht (es reicht außerhalb des Büros des
Vermieters) und wenn dann anlässlich dieses
Besuches eine Mieterhöhung vereinbart wird.
Dabei ist völlig unerheblich, ob der Vermieter
gemäß § 558 BGB einen Anspruch auf die Zustimmung hat oder nicht. Liegen die situativen
Voraussetzungen des § 312b BGB vor, besteht
das Widerrufsrecht. Die §§ 558ff. BGB stellen insofern kein vorrangiges lex specialis dar.
Die vorliegende Entscheidung befasst sich mit
der strittigen Frage, ob das Widerrufsrecht auch
bei schlichtem Briefwechsel über das Zustimmungsbegehren besteht. Das Amtsgericht hat
völlig zu Recht angenommen, dass in diesem
Fall kein Widerrufsrecht besteht (so auch Mediger, NZM 2015, 185; Artz/Brinkmann/Pielsticker, ZAP Fach 4, 1639; Beuermann, Grundeigentum 2015, 563; Hinz, WuM 2016, 76, 84).
Zwar ist in § 312c Abs. 2 BGB der Brief
als Fernkommunikationsmittel ausdrücklich erwähnt, insofern hat sich zur Rechtslage, die bis
Inkrafttreten des Gesetzes zur Umsetzung der
Verbraucherrechterichtlinie (BGBl I 2013, 3642)
galt, auch gar nichts geändert. Auch in § 312b
Abs. 2 BGB a.F. war der Brief bereits erwähnt
worden. Zur alten Fassung wurde aber niemals
jurisPR-MietR 6/2016
die Auffassung vertreten, dass das Mieterhöhungsverfahren nach den §§ 558a, 558b BGB
ein Fernabsatzgeschäft ist.
Auch die Tatsache, dass der Gesetzgeber überschießend im Gesetz zur Umsetzung der Verbraucherrechterichtlinie über den sich aus Art
3 Abs. 3f) ergebenden Regelungsumfang der
Verbraucherrechterichtlinie hinaus die § 312ff.
BGB teilweise auch für Wohnraummietverträge
für anwendbar erklärt hat, ändert daran nichts.
Das hat nur zur Folge, dass rein theoretisch
auch Mietverträge und Änderungen von Mietverträgen im Fernabsatz möglich sind, bedeutet
aber nicht, dass alle Erklärungen im Mieterhöhungsverfahren widerruflich sein sollten. Allein
ein Briefwechsel über eine Mieterhöhung stellt
nämlich noch kein Fernabsatzgeschäft im Sinne
des Gesetzes dar. Dazu ist es nämlich zusätzlich
erforderlich, dass der Vertragsschluss im Rahmen eines für den Fernabsatz organisierten Vertriebs- oder Dienstleistungssystems erfolgt.
Dabei handelt es sich um eine selbstständige zusätzliche Tatbestandsvoraussetzung neben der Verwendung des Fernkommunikationsmittels (Mediger, NZM 2015, 185). Insofern hat
das Amtsgericht richtigerweise darauf hingewiesen, dass damit die typischen Vertriebsformen von Waren, Dienstleistungen und Finanzdienstleistungen im Internet gemeint sind. Die
normale – schriftliche oder in Textform erfolgende – Korrespondenz mit einem Vertragspartner
stellt noch kein solches Dienstleistungssystem
dar.
Eine solche einschränkende Auslegung des Begriffs des „Systems“ ergibt sich sowohl aus dem
Sinn und Zweck der Vorschrift, wie auch aus
der Gesetzgebungsgeschichte. Die Dienstleistung, die der Vermieter erbringt, ist die Gebrauchsüberlassung der Mietsache. Anders als
bei den üblichen Fernabsatzgeschäften kennt
der Mieter seinen Vertragspartner und die Ware, nämlich die Wohnung. Auch deshalb fehlt
es an der Legitimation für ein Widerrufsrecht.
Dass Vertragsänderungen, insbesondere Mieterhöhungen nach § 558a Abs. 1 BGB, in einer
bestimmten Form, nämlich Textform erfolgen
müssen, bedeutet nicht, dass damit alle Erklärungen in Textform widerruflich sind. Dagegen
spricht auch, dass der Gesetzgeber dem Mieter
sogar eine Frist von max. drei Monaten eingeräumt hat, zu überlegen, ob er der Erhöhung
zustimmen will. Wortlaut und Gesetzgebungs-
geschichte sprechen deshalb dafür, dass der
Brief in diesem Fall allein einen Vertragsschuss
nicht zu einem Fernabsatzgeschäft macht. Hinzukommen muss zusätzlich das besondere Vertriebssystem. Daran fehlt es üblicherweise bei
einem Mieterhöhungsverlangen in Textform.
D. Auswirkungen für die Praxis
Das bedeutet, dass einem Mieterhöhungsverlangen grundsätzlich keine Widerrufsbelehrung
für die Zustimmungserklärung beigefügt werden muss. Endgültig geklärt ist die Frage aber
noch nicht. Es handelt sich um die erste veröffentlichte Entscheidung hierzu. Fraglich ist, ob
der Mieter widerrufen kann, wenn zwar kein Widerrufsrecht besteht, der Vermieter aber vorsorglich über ein solches belehrt hat.
3
Zwangsvollstreckung zur Durchsetzung
einer auf Betriebspflicht gerichteten
einstweiligen Verfügung
Leitsätze:
1. Die formularmäßige Vereinbarung einer
Betriebs- und Offenhaltungspflicht ist im Regelfall nicht als eine i.S.d. § 307 Abs. 1
Satz 1 BGB unangemessene Benachteiligung
des Mieters zu werten (ebenso: BGH, ZMR
2010, 596, 597 = NZM 2010, 361, 362).
Die Kombination mit einer Branchen-/Betriebs- und Sortimentsbindung ist für die
Betriebspflicht dann nicht zu beanstanden,
wenn die Vermieterin die Zustimmung zu einer Branchen-/Betriebs- und Sortimentsänderung nur aus wichtigem Grund verweigern
darf, die Mieterin zur Untervermietung berechtigt ist und der Mieterin Konkurrenzschutz zusteht.
2. Die Zwangsvollstreckung aus einer auf
Durchsetzung einer Betriebspflicht gerichteten einstweiligen Verfügung kann grundsätzlich gemäß § 888 ZPO betrieben werden
(vgl. OLG Hamburg, ZMR 2014, 204, 205 =
MDR 2013, 1452; OLG Frankfurt, ZMR 2009,
446; OLG Celle, NJW-RR 1996, 585). Dass
es bei der Zwangsvollstreckung der einstweiligen Verfügung dann, wenn dem Schuldner die Erfüllung der titulierten Betriebs-
jurisPR-MietR 6/2016
pflicht unmöglich ist, zu Durchsetzungsschwierigkeiten kommen kann, ändert an
der grundsätzlich gegebenen Vollstreckbarkeit nichts und steht dem Erlass der einstweiligen Verfügung daher nicht entgegen
(vgl. OLG Frankfurt, ZMR 2009, 446; OLG Celle, NJW-RR 1996, 585).
Anmerkung zu LG Kassel,
20.08.2015, 11 O 4173/15
Urteil
vom
von Jürgen Fritz, RA, Quadbeck & Schacht, Düsseldorf
A. Problemstellung
Das LG Kassel hat die Kombination einer Betriebspflicht mit einer Offenhaltungspflicht und
einer Sortimentsbindung für zulässig erachtet,
weil der Mieterin Konkurrenzschutz zugesagt
war und der Vermieter eine Sortimentsänderung nur aus wichtigem Grund ablehnen darf.
Demgegenüber halten der BGH und die herrschende Meinung eine Klausel auch dann für
wirksam, wenn dem Mieter eine Sortimentsbindung auferlegt und Konkurrenzschutz ausgeschlossen ist. Es stellt sich daher die Frage für Klauselgestalter, ob für die besprochene
Entscheidung die Latte höher hängt und eine
Abkehr von der BGH-Rechtsprechung darstellt,
oder ob sie die Wirksamkeit der Klausel bejaht,
weil sie sich sowieso im vorgegebenen Rahmen
bewegt.
B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung
Die Vermieterin von Flächen in einem Fachmarktzentrum begehrt den Erlass einer einstweiligen Verfügung gegen ihre Mieterin, die
den Betrieb der von ihr angemieteten Flächen
eingestellt hat, obwohl sie im Mietvertrag eine Betriebspflicht zum Betrieb eines Elektrofachmarktes, eine Offenhaltungspflicht während
der gesamten Mietdauer und der gemeinsamen
Mietzeiten aller Mieter des Zentrums, d.h. während der Kernöffnungszeiten, und eine Sortimentsbindung vereinbart hatte, sofern dem im
Einzelfall nicht betriebliche Hinderungsgründe
entgegenstehen. Die Vermieterin war verpflichtet, der Mieterin Konkurrenzschutz zu gewähren, die Mieterin durfte die Fläche während der
Festmietzeit mit Zustimmung der Vermieterin
ganz oder teilweise untervermieten, die diese
Zustimmung nur aus wichtigem Grund verweigern durfte, wenn z.B. Zweifel an der Bonität der
Untermieterin bestehen oder durch die Art der
Nutzung eine Wertminderung des Objektes zu
befürchten ist.
Das LG Kassel hat entschieden, dass die Interessen der Mieterin gewahrt seien, weil die Vermieterin die Zustimmung zu einer Branchen-/
Betriebs- und Sortimentsveränderung nur aus
wichtigem Grund verweigern darf, die formularmäßige Vereinbarung einer Betriebs- und Offenhaltungspflicht im Regelfall die Mieterin nicht
i.S.d. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unangemessen
benachteiligt.
Die Mieterin sei zur Untervermietung berechtigt
und ihr stehe Konkurrenzschutz zu. Die Klausel wahre das Transparenzgebot, denn es gehe
aus der Formulierung: „…sofern dem im Einzelfall nicht betriebliche Hinderungsgründe entgegenstehen“, mit hinreichender Deutlichkeit hervor, dass nach dem Betriebsablauf notwendige Schließungen wegen Inventur oder Renovierung zulässig bleiben. Die Mieterin werde nicht
unangemessen benachteiligt, denn es entspräche verbreiteter Übung und den Erwartungen
des Publikums, dass ein Elektrofachmarkt mit
einer Fläche von 1.433 m² zumindest in den
Kernöffnungszeiten ununterbrochen betrieben
werde. Der Kunde erwarte, dass ein Fachmarkt
dieser Größenordnung das dafür typische Sortiment zur Verfügung halte.
Die Kombination der Betriebspflicht mit der
Branchen- und Sortimentsbindung sei zulässig,
da die Vermieterin ein berechtigtes Interesse
daran habe, dass der Mieter das Sortiment nicht
beliebig wechseln könne. Die Mieterin sei zur
Untervermietung berechtigt, so dass sie das Angebot auch nicht notwendig selbst vorhalten
müsse. Sie sei außerdem durch die Konkurrenzschutzklausel geschützt, so dass ihre Interessen nach alledem unter Abwägung sämtlicher
Umstände hinreichend gewahrt und die Klausel in der vorliegenden Kombination nicht zu
beanstanden sei. Die vorgetragene Absicht der
Gesellschafter, den Betrieb zu liquidieren, falle ebenso wie eine mögliche Unwirtschaftlichkeit des Betriebs in das wirtschaftliche Risiko
des Mieters und rechtfertige keine Betriebseinstellung. Der Mieter werde nur dann von seiner
Pflicht zum Betrieb befreit, wenn er zahlungsunfähig i.S.d. Insolvenzrechts sei (OLG Karlsruhe,
jurisPR-MietR 6/2016
Urt. v. 08.11.2006 - 9 U 58/06 - Grundeigentum
2007, 218 - Pfeilschifter, jurisPR-MietR 7/2007
Anm. 5; Späth, ZMR 2012, 917, 920).
Das Landgericht hat die von der Vermieterin
beantragte einstweilige Verfügung zur Durchsetzung einer Betriebspflicht erlassen. Der erforderliche Verfügungsgrund sei gegeben, die
Eilbedürftigkeit folge daraus, dass der Verfügungsklägerin durch den Nichtbetrieb der Flächen fortlaufend wesentliche Nachteile drohen.
Der Rechtsschutz der Verfügungsklägerin werde durch den Verweis auf das Hauptsacheverfahren unzumutbar erschwert. Die Zwangsvollstreckung aus dieser e.V. könne gemäß § 888
ZPO betrieben werden (so auch OLG Hamburg,
Beschl. v. 21.08.2013 - 8 W 72/13 - ZMR 2014,
204; OLG Frankfurt, Urt. v. 10.12.2008 - 2 U
250/08 - ZMR 2009, 446; OLG Celle, Beschl. v.
02.01.1996 - 2 W 80/95 - NJW-RR 1996, 585;
a.A. OLG Naumburg, Beschl. v. 21.11.1997 2 W 14/97 - NZM 1998, 575 mit der Begründung, zum Betrieb sei die Mitwirkung Dritter
erforderlich, die durch die e. V. nicht erzwungen werden könne). Die Tatsache, dass es
bei der Zwangsvollstreckung der einstweiligen
Verfügung zu Schwierigkeiten kommen kann,
wenn dem Schuldner die Erfüllung der titulierten Betriebspflicht unmöglich ist, ändere an
der grundsätzlich gegebenen Vollstreckbarkeit
nichts, und stehe daher auch dem Erlass einer
einstweiligen Verfügung nicht entgegen (OLG
Frankfurt, Urt. v. 10.12.2008 - 2 U 250/08).
C. Kontext der Entscheidung
Das LG Kassel stützt sich in seinem Beschluss
auf ein Urteil des BGH vom 03.03.2010 (XII ZR
131/08 - NZM 2010, 361), das aber sehr viel weitere Einschränkungen der Entscheidungsfreiheit des Mieters zulässt, denn es hält die Kombination von Betriebspflicht, vom Vermieter vorgegebenen Öffnungszeiten und Sortimentsbindung bei gleichzeitigem Ausschluss des Konkurrenzschutzes für zulässig (so auch die h.M. OLG
Hamburg, Urt. v. 03.04.2002 - 4 U 236/01 - ZMR
2003, 254; OLG Rostock, Urt. v. 08.03.2004 - 3
U 118/03 - NZM 2004, 460; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 24.09.1998 - 10 W 93/98 - MDR 1999,
289).
Der Beschluss lässt nicht erkennen, ob die 11.
Kammer des LG Kassel die Klausel in dem ihr
vorgelegten Mietvertrag für wirksam hält, weil
sie sich deutlich unter der Anforderungsschwelle des BGH und der h.M. befindet (Schluss a majore ad minus), oder ob sie (gegen den BGH)
höhere Anforderungen als dieser stellt, aber
gleichwohl zu einer Wirksamkeit der Klausel
kommt.
D. Auswirkungen für die Praxis
Die unter C. aufgeworfene Frage, ob das LG Kassel die Anforderungen an eine Klauselkombination höher schraubt als der BGH und die herrschende Meinung, lässt sich aus der Beschlussbegründung nicht abschließend beantworten.
Es besteht jedoch kein Anlass, die bisher üblichen Klauseln in Zukunft anders zu formulieren,
auch wenn man in Betracht ziehen muss, dass
die Messlatte beim Schutz des Vertragspartners
des Verwenders von Formularklauseln ständig
höhergelegt wird.
E. Weitere Themenschwerpunkte der Entscheidung
Der Beschluss befasst sich weiterhin mit der
Frage, ob der Erlass einer einstweiligen Verfügung zulässig und sinnvoll ist, wenn der Mieter offensichtlich nicht in der Lage ist, die Betriebspflicht, zu der er verurteilt wird, zu erfüllen. So wird z.B. ein Antrag auf Zwangsversteigerung abgelehnt, wenn die vorrangigen Belastungen den Marktwert des Objekts übersteigen
(str.), was den Eigentümern nicht weiter hilft,
die den gemeinschaftswidrig handelnden Miteigentümer mit der Zwangsversteigerung aus
dem Objekt entfernen wollen. Auch im vorliegenden Falle wäre eine Vorwegnahme des theoretisch möglichen Scheiterns der einstweiligen
Verfügung wegen der Finanzschwäche des Mieters nicht zulässig, da das Ergebnis häufig ohne
näheren Einblick in dessen Finanzsituation nicht
vorhersehbar ist, und daher nicht sicher beurteilt werden kann.
jurisPR-MietR 6/2016
4
Unterzeichnung des Mietvertrages
durch nur einen Vertragspartner bei
Benennung zweier Mieter im Kopf der
Vertragsurkunde
Leitsatz:
Wird ein Mietvertrag, der im Kopf der Vertragsurkunde zwei Mieter ausweist, nur von
einem Mieter unterschrieben, verbietet sich
der rechtliche Schluss auf ein Vertreterhandeln des die Unterschrift leistenden Mieters,
wenn es nach den Umständen des Sachverhalts ebenso plausibel ist, dass die Einholung der zweiten Unterschrift schlicht vergessen wurde.
Anmerkung zu LG Saarbrücken, Urteil vom
11.12.2015, 10 S 112/15
von Norbert Eisenschmid, RA
A. Problemstellung
Häufig findet man im Rubrum der Mietvertragsformulare bei den Parteien Namen aufgeführt,
die am Ende des Vertrages bei den Unterschriften nicht zu finden sind. Dann stellt sich regelmäßig die Frage, wer von den im Rubrum genannten Personen Vertragspartei geworden ist.
B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung
Der klagende Vermieter vermietete mit seiner inzwischen verstorbenen Ehefrau eine Wohnung an die Beklagte. Im Rubrum des Mietvertrages waren die Beklagte sowie ihr Sohn als
Mieter benannt. Unterzeichnet hatte den Vertrag auf Mieterseite aber lediglich die Mutter.
Der Kläger hatte das Mietverhältnis fristlos gekündigt und wegen behaupteter Vertragsverletzungen verschiedene Schadensersatzforderungen sowie restliche Miete und Nutzungsentschädigung verlangt.
Da der Kläger nicht schlüssig vorgetragen hatte,
dass er auch aktivlegitimiert sei, war die Klage
insoweit schon abzuweisen.
Nur hilfsweise ging das LG Saarbrücken auf die
Frage ein, ob die Passivlegitimation des Beklagten festzustellen war. Das Landgericht ist
davon ausgegangen, dass der beklagte Sohn
der Mieterin nicht Vertragspartei geworden sei.
Ob der Beklagte Vertragspartei des Mietvertrages geworden sei, bestimme sich, da eine Unterschriftsleistung fehle, nach den Regeln der
rechtsgeschäftlichen Stellvertretung. Zwar sei
der Sohn, also der Beklagte, im Kopf der Vertragsurkunde als Mieter aufgeführt, es fehle
aber eine entsprechende Unterschrift. Da der
Beklagte bei Anmietung volljährig gewesen sei,
scheide eine gesetzliche Vertretung durch die
Mutter aus. Eine rechtsgeschäftliche Vertretung
sei aber nicht nachgewiesen worden. Anders als
bei Eheleuten, für die ein Anschein bei gemeinsamer Anmietung zum gemeinsamen Vertragsschluss bestehe, scheide hier ein solcher Anschein aus. Zudem seien keine Tatsachen ersichtlich, aus denen ein Vertretungsverhältnis
hergeleitet werden könne.
C. Kontext der Entscheidung
Grundsätzlich gilt, dass derjenige, der den Vertrag unterzeichnet, nur allein Partei des Mietvertrages wird. Möglich ist aber auch, dass eine Partei zugleich als Vertreter einer anderen
Person den Vertrag unterzeichnet, dann sind
beide Vertragspartner (Schmidt-Futterer, Mietrecht, vor 535 Rn. 340). Das muss regelmäßig durch einen das Vertretungsverhältnis kennzeichnenden Zusatz hinreichend zum Ausdruck
kommen (BGH, Urt. v. 16.07.2003 - XII ZR 65/02
- ZMR 2004, 19). Bei einem Vertrag mit Eheleuten kann im Einzelfall etwas anderes gelten. Hier wird es bei Anmietung einer gemeinsamen Wohnung als ausreichend erachtet, dass
beide Eheleute beim Vertragsabschluss anwesend waren. In diesem Fall gilt der Anschein für
eine gemeinsame Anmietung, auch wenn der
Vertrag nur eine Unterschrift ausweist (LG Berlin, Urt. v. 14.09.1995 - 62 S 30/95 - Grundeigentum 1995, 1553; Wetekamp, Mietsachen,
4. Aufl. Kap.1 Rn. 72).
Letztendlich kommt es aber darauf an, ob
dem Vermieter die Zahl seiner Vertragspartner
gleichgültig ist oder ob er nur mit dem namentlich Aufgeführten abschließen wollte. Im erstgenannten Fall werden beide Eheleute Vertragspartner; im letztgenannten Fall geht die Unter-
jurisPR-MietR 6/2016
schrift des nicht als Vertragspartner Genannten ins Leere (Schmidt-Futterer, Mietrecht, vor
§ 535 BGB Rn. 343). Dieser bei Eheleuten anzunehmende Anschein gilt auch im erstgenannten Fall, dass dem Vermieter die Anzahl der Vertragspartner egal ist, nicht zwischen Eltern und
Kinder, auch wenn letztere volljährig sind. Daher war vorliegend zu Recht davon auszugehen,
dass die Mutter allein Vertragspartnerin geworden ist.
D. Auswirkungen für die Praxis
Sowohl Mieter als auch Vermieter müssen
sich vor Vertragsschluss sehr genau überlegen, wer von mehreren Personen auf der Mieter- bzw. Vermieterseite Vertragspartner werden soll. Wegen der Haftung für den Mietzins ist
es für den Vermieter im Regelfall günstig, wenn
er mehrere Vertragspartner auf der Mieterseite
hat.
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Zulässige langfristige Vermietung eines
im Gemeinschaftseigentum stehenden
Kellerraums
Leitsatz:
Eine langfristige Vermietung eines Kellerraums stellt in der Regel keine Umgehung der für die Einräumung eines Sondernutzungsrechts erforderlichen Vereinbarung dar.
Ein einfacher Mehrheitsbeschluss genügt insoweit. Der Mietzins für den Kellerraum
kann nicht an der ortsüblichen Taxe für KfzStellplätze ausgerichtet werden.
Über eine Jahrzehnte früher geregelte Angelegenheit kann erneut beschlossen werden.
Bei bestandskräftiger Grundentscheidung
muss nur die Konkretisierung durch Beschluss ordnungsgemäßer Verwaltung entsprechen.
Anmerkung zu LG Hamburg,
28.10.2015, 318 S 9/15
Urteil
vom
von Wolfgang Dötsch, RiOLG
A. Problemstellung
Da Sondernutzungsrechte – vorbehaltlich spezieller Öffnungsklauseln – mangels Beschlusskompetenz nicht durch Mehrheitsbeschluss
wirksam begründet werden können, aber andererseits ein lebhaftes praktisches Interesse daran bestehen kann, einem einzelnen Wohnungsoder Teileigentümer exklusive Nutzungsmöglichkeiten an Teilen des Gemeinschaftseigentums zu verschaffen, kann der Ausweg oft in
mietvertraglichen Regelungen zwischen dem
Verband und dem einzelnen Wohnungseigentümer liegen. Denn bekanntlich kann über § 15
Abs. 2 WEG die Vermietung von im Gemeinschaftseigentum stehenden Flächen im Grundsatz mehrheitlich beschlossen werden. Wegen
der mittelbar über die Jahresabrechnung zurückfließenden Mieteinnahmen als Rechtsfrüchte soll darin gerade kein – zur Nichtigkeit führender – vollständiger Nutzungsentzug zulasten
der anderen Wohnungseigentümer liegen. Dass
das auch durchaus zum Missbrauch verführen
kann, liegt auf der Hand – und genau um diese
Grenzen geht es in der hier zu besprechenden
Entscheidung.
B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung
Die Parteien streiten im Rahmen einer Beschlussanfechtungsklage u.a. um einen Beschluss betreffend die Vermietung eines Kellerraumes für eine Mietdauer von 20 Jahren zu einem Mietzins von 50 Euro monatlich (mit Anpassungsoption nach zehn Jahren) an einen Wohnungseigentümer. Die Klägerseite rügt u.a. die
angeblich zu geringe Höhe des Mietzinses im
Vergleich zu einem Tiefgaragenstellplatz in der
Gegend und vor allem die Begründung eines
faktischen Sondernutzungsrechts durch Mehrheitsbeschluss. Der in der Abgeschlossenheitsbescheinigung als „Gemeinschaftsraum“ bezeichnete Raum war jahrelang als Hobbyraum
beschildert und – auch für gesellschaftliche Anlässe und bis 2009 auch für Eigentümerversammlungen – genutzt worden.
Die Beschlussanfechtungsklage hat keinen Erfolg. Bei der Vermietung des Gemeinschafts-
jurisPR-MietR 6/2016
raums handelt es sich um eine Gebrauchsregelung i.S.v. § 15 Abs. 2 WEG, die mit Mehrheit beschlossen werden konnte. Da § 13 Abs. 2
WEG kein Recht zum Eigengebrauch des Gemeinschaftseigentums begründet, sondern nur
das Maß der Mitbenutzung bei geregelter Nutzungsart bestimmt, können die Wohnungseigentümer, soweit nicht eine Vereinbarung entgegensteht und ihnen kein Nachteil i.S.d. § 14
Nr. 1 WEG erwächst, grundsätzlich mehrheitlich beschließen, gemeinschaftliche Räume –
auch langfristig – zu vermieten (BGH, Beschl. v.
29.06.2000 - V ZB 46/99 - BGHZ 144, 386;
Dötsch in: BeckOK WEG, 26. Edition, § 13
Rn. 50). Eine solche entgegenstehende Vereinbarung fehlt hier. In der Beschlussfassung über
die langfristige Vermietung liegt auch – so die
Kammer – keine faktische Einräumung eines
Sondernutzungsrechts und damit keine unzulässige Umgehung der dafür erforderlichen Vereinbarung (zur Nichtigkeit der Einräumung eines Sondernutzungsrechts durch Mehrheitsbeschluss BGH, Beschl. v. 20.09.2000 - V ZB 58/99
- BGHZ 145, 158). Zwar wurde der angefochtene Beschluss auf der Eigentümerversammlung
tatsächlich erst gefasst, nachdem unmittelbar
davor keine Einstimmigkeit zur Einräumung eines Sondernutzungsrechts im Vereinbarungswege erreicht worden war. Auch wenn teilweise
Bedenken gegen die Vermietung von Gemeinschaftseigentum durch Mehrheitsbeschluss erhoben werden, wenn die Gebrauchsüberlassung faktisch zur Begründung eines sondernutzungsrechtsähnlichen Zustandes führe, insbesondere wenn zuvor eine Vereinbarung zur Begründung eines Sondernutzungsrechts am Widerstand einzelner Wohnungseigentümer gescheitert sei (Dötsch in: BeckOK WEG, 26. Edition, § 13 Rn. 51), sieht die Kammer derartige Beschlüsse grundsätzlich nicht als unzulässige Umgehung an (so ausdrücklich BayObLG,
Beschl. v. 10.07.2003 - 2Z BR 17/03 - NZM
2003, 807: Vermietung von Gemeinschaftsflächen für 30 Jahre nach gescheiterter Einräumung eines Sondernutzungsrechts; vgl. auch
OLG Hamburg, Beschl. v. 01.09.2003 - 2 Wx
20/03 - ZMR 2003, 957: Verpachtung einer rückwärtigen Gartenfläche für 30 Jahre). Hier führe
die Vermietung auch nicht zur faktischen Einräumung eines Sondernutzungsrechts u.a. wegen eines im Vertrag enthaltenen Sonderkündigungsrechts der Wohnungseigentümergemeinschaft bei Eigenbedarf. Ob dies anders zu beurteilen wäre, wenn Teile des gemeinschaftlichen
Eigentums einem Wohnungseigentümer gegen
Einmalzahlung eines eher symbolischen Betrages für mindestens 30 Jahre überlassen werden, wobei der Begünstigte den Überlassungszeitraum einseitig unbegrenzt ausdehnen kann
(vgl. OLG Frankfurt, Beschl. v. 03.09.2004 - 20
W 34/02 - OLGR Frankfurt 2005, 334 Rn. 25 f.:
Vermietung einer Gartenfläche für 30 Jahre für
eine Einmalzahlung von 2.500 DM mit Option,
den Mietvertrag auf unbegrenzte Dauer zu verlängern), bedarf hier keiner Entscheidung.
Die Beschlussfassung ist im Übrigen ordnungsmäßig i.S.v. § 15 Abs. 2 WEG: Der Umstand,
dass der Kellerraum infolge der Vermietung den
Wohnungseigentümern zur Eigennutzung nicht
mehr zur Verfügung steht, reicht für sich genommen nicht aus, um einen Nachteil i.S.v. § 14
Ziff. 1 WEG zu begründen. § 13 Abs. 2 WEG gewährt kein Recht zum Eigengebrauch des gemeinschaftlichen Eigentums, sondern bestimmt
nur das Maß der Mitbenutzung bei geregelter
Benutzungsart. Deshalb bedarf es besonderer
Umstände, um etwa die Verpachtung einer Gartenfläche als nachteilig i.S.v. § 14 Ziff. 1 WEG
erscheinen zu lassen (OLG Hamburg, Beschl. v.
01.09.2003 - 2 Wx 20/03). Derartige besondere Umstände können darin bestehen, dass Eigenbedarf der Wohnungseigentümer an dem
Raum besteht, die Vermietung zu einer unzumutbaren Belästigung führt oder die Gegenleistung kein adäquates Äquivalent für die Nutzungsüberlassung darstellt. Derartige besondere Umstände liegen hier aber nicht vor: Dass die
Vermietung zu einer zweckbestimmungswidrigen Nutzung oder zu Störungen des Miteigentums durch Emissionen führt, ist nicht ersichtlich. Bei der Interessenabwägung ist zu berücksichtigen, dass die Wohnungseigentümer eine –
obendrein nach zehn Jahren anpassbare – monatliche Miete von 50 Euro erhalten und von den
anteiligen Verbrauchskosten für den Raum befreit sind. Auch wenn die Kläger bestreiten, dass
es sich um einen angemessenen Betrag handelt, ist dieser für einen ca. 34 m² großen Kellerraum, der über keine besondere Ausstattung
verfügt, jedenfalls nicht offensichtlich unangemessen niedrig. Der Vergleich zu den Stellplatzmieten ist nicht sachgerecht, da für die Anmietung von Kellerräumen im Stadtteil kein „geregelter“ Markt besteht, weswegen auch der Ansatz eines Bruchteils von 1/3 der ortsüblichen
Vergleichsmiete nicht überzeugt.
Dass ein erheblicher Eigenbedarf der Wohnungseigentümer an dem Kellerraum besteht,
jurisPR-MietR 6/2016
ist ebenfalls nicht ersichtlich (bzw. teilweise
verfristet vorgetragen). Eine regelmäßige Nutzung durch Wohnungseigentümer ist nicht ersichtlich. Die Eigentümerversammlungen finden schon seit vielen Jahren nicht mehr in dem
Kellerraum statt. Dass der Raum regelmäßig
von Wohnungseigentümern „für gesellschaftliche Anlässe“ genutzt wird, behaupten die Kläger lediglich unsubstantiiert. Mag der Raum gelegentlich von Bewohnern zum Tischtennisspielen genutzt worden sein, so lässt dies die Interessenabwägung nicht zugunsten der Kläger
ausfallen, zumal der Raum in der Teilungserklärung und dem Aufteilungsplan gerade nicht als
„Hobbyraum“ oder „Sport- und Fitnessraum“
bezeichnet worden ist.
Irrelevant ist auch, dass im Jahr 1985 ein Beschluss über die Nutzung des Raumes durch
Kinder und Erwachsene gefasst worden sein
mag. Ein derartiger Beschluss sperrt nicht die
Beschlussfassung über die Vermietung. Die
Wohnungseigentümer sind grundsätzlich nicht
gehindert, über eine schon geregelte gemeinschaftliche Angelegenheit erneut zu beschließen. Die Befugnis dazu ergibt sich aus der autonomen Beschlusszuständigkeit der Gemeinschaft. Dabei ist unerheblich, aus welchen Gründen die Gemeinschaft eine erneute Beschlussfassung für angebracht hält. Sollte sich in Zukunft wieder ein dringender Bedarf der Wohnungseigentümer zur Eigennutzung des Gemeinschaftsraums im Keller ergeben, besteht
für die Wohnungseigentümergemeinschaft ein
Sonderkündigungsrecht.
C. Kontext der Entscheidung
Die Kammer sieht in der gut begründeten Entscheidung die Problematik, ist aber trotz der
Vorgeschichte (gescheiterte Vereinbarung über
Sondernutzungsrecht) nicht zu streng. In der
Nichtzulassung der Revision wird der Einzelfallcharakter solcher Gestaltungen und die Bedeutung der Einzelfallwürdigung dann aber zutreffend betont – und genau dort muss man in ähnlichen Fällen ansetzen. Gekippt wäre die Vermietung wohl auch, wenn die TE/GO den Raum als
Hobby- oder gar Sportraum vorgesehen hätte.
Dann wäre eine Vermietung zu anderen Zwecken vereinbarungswidrig und unzulässig gewesen.
D. Auswirkungen für die Praxis
Die Umgehungsproblematik stellt sich bei Mietverträgen auch noch an anderer Stelle: Könnte etwa die Wohnungseigentümergemeinschaft
eine bauliche Maßnahme selbst nicht durch
Mehrheitsbeschluss beschließen, kann sie auch
nicht einen Mietvertrag mit einem Dritten beschließen, der dann die Maßnahme als Mieter durchführen soll (etwa z.B. Vermietung von
Dachflächen zum Betrieb einer Mobilfunkantenne). Hier muss man die Wertungen des § 22
Abs. 1 WEG in den Beschluss über die Mietvertragsgestaltung mit hineinlesen.
E. Weitere Themenschwerpunkte der Entscheidung
Die Entscheidung betrifft zudem noch den Einbau einer Toilette für das Hauspersonal und bei
Bedarf für Handwerker in einem – eigentlich ohnehin schon für die Bedürfnisse der Eigentümer
schon recht kleinen – Fahrradkeller. Besonderheit war, dass das „Ob“ des Einbaus in einem
bestandskräftigen Grundbeschluss bereits beschlossen war, so dass nunmehr nur das „Wie“,
die konkrete Umsetzung und die genaue Lage
der Toilette überhaupt noch angegriffen werden
konnte. Daher kommt es – so die Kammer –
nicht darauf an, ob es sich bei dem Einbau der
Toilette als solches um eine bauliche Veränderung i.S.d. § 22 Abs. 1 WEG handelt, der alle
Wohnungseigentümer hätten zustimmen müssen (§ 14 Ziff. 1 WEG), die Einrichtung einer Toilette für das Hauspersonal und ggf. Handwerker
überhaupt notwendig ist etc.
Die Kammer versteht die „Ortsentscheidung“ (nur) als „mittelbare Gebrauchsregelung
i.S.v. § 15 Abs. 2 WEG“, da der Fahrradkeller
als Gemeinschaftseinrichtung durch den Einbau
der Toilette für Mitarbeiter und ggf. Handwerker nicht stillgelegt und den Wohnungseigentümern der Gebrauch daran entzogen wird, sondern die Fläche lediglich umgestaltet wird, indem auf einem Teil der Fläche eine Toilette
eingebaut wird, bei der es sich ebenfalls um
eine Gemeinschaftseinrichtung handelt. Zwar
führt dies zu einer Verkleinerung der Fläche zum
Abstellen von Fahrrädern. Darin liegt aber lediglich eine Beschränkung des Mitgebrauchs,
die noch nicht in einen faktischen Entzug „um-
jurisPR-MietR 6/2016
schlägt“ (vgl. dazu Dötsch in: BeckOK WEG, 26.
Edition, § 15 Rn. 56).
Anmerkung zu OLG Zweibrücken, Beschluss
vom 07.05.2015, 8 W 49/15
Bei der Frage der Ordnungsgemäßheit hätten
die Kläger nicht dargetan, an welcher anderen Stelle in der Wohnungseigentumsanlage die
Toilette die Wohnungseigentümer weniger belasten würde. Da der Grundbeschluss, eine solche Toilette einzubauen, bestandskräftig geworden ist, können Einwände gegen den Ort
nicht dazu führen, das gesamte Vorhaben doch
noch zu verhindern.
Mit Blick auf die wichtigen Kapazitätsfragen haben die Kläger hier – was ihnen das Genick gebrochen haben dürfte – innerhalb der zweimonatigen Klagebegründungsfrist (§ 46 Abs. 1 Satz
2 WEG) nur vorgetragen, dass der Fahrradkeller
von den Wohnungseigentümern genutzt werde.
In welchem Umfang er üblicherweise genutzt
wird, d.h. wie viele Fahrräder dort erfahrungsgemäß durchschnittlich abgestellt werden, haben sie indes nicht dargetan und insbesondere
nicht geltend gemacht, dass eine Verkleinerung
des Fahrradkellers durch den Einbau der Toilette in diesen Raum dazu führen würde, dass einige Wohnungseigentümer dadurch gezwungen
wären, ihre Fahrräder anderweitig abzustellen
und es dazu ggf. an geeigneten Möglichkeiten
fehle. Daran zeigt sich einmal mehr, wie wichtig
konzentrierter Sachvortrag in der Klagebegründung ist, da der BGH – leider – ein „Nachschieben“ von Gründen bekanntlich nicht zulässt.
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Nachlasspflegschaft nach dem Tod eines
vermögenslosen Wohnraummieters
Orientierungssätze:
1. Bei unbekannten Erben eines verstorbenen, vermögenslosen Wohnraummieters ist
gem. § 1961 BGB durch das Nachlassgericht
zwingend eine Nachlasspflegschaft anzuordnen, sofern der Vermieter dies beantragt,
um einen Anspruch gegen den Nachlass auf
Räumung und Zahlung geltend zu machen.
2. Existiert kein Nachlassvermögen bzw. ist
der Nachlass voraussichtlich eher dürftig, so
steht dies der Anordnung einer Nachlasspflegschaft nicht entgegen.
von Dr. Catharina Kunze, RA'in und FA'in für
Miet- und Wohnungseigentumsrecht, AKD Dittert,
Südhoff & Partner, Berlin
A. Problemstellung
Unter welchen Voraussetzungen muss das
Nachlassgericht zwingend einen Nachlasspfleger für den Nachlass eines vermögenslosen
Wohnungsmieters bestellen?
B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung
Der Vermieter des verstorbenen Wohnungsmieters beantragte beim Nachlassgericht die Einrichtung einer Nachlasspflegschaft. Der oder die
Erben waren unbekannt. Der Vermieter wollte Zahlungs- und Räumungsansprüche geltend
machen, vor allem also die Mietwohnung wieder
erlangen. Das Nachlassgericht wies den Antrag
zurück, weil kein Nachlassvermögen vorhanden
bzw. der Nachlass aller Voraussicht nach dürftig
sei.
Das OLG Zweibrücken hat der hiergegen gerichteten Beschwerde des Vermieters stattgegeben, den Beschluss des Nachlassgerichts aufgehoben und eine Nachlasspflegschaft mit dem
Wirkungskreis der Vertretung des/der unbekannten Erben bei der Beendigung und Abwicklung des Mietverhältnisses mit dem Vermieter
angeordnet. Dass kein Nachlassvermögen existiere oder der Nachlass aller Voraussicht nach
dürftig sei, stehe der Anordnung nicht entgegen. Auswahl und Bestellung des Nachlasspflegers wurden dem Nachlassgericht übertragen.
C. Kontext der Entscheidung
Nach § 1961 BGB hat das Nachlassgericht einen
Nachlasspfleger zu bestellen, wenn die Bestellung zwecks gerichtlicher Geltendmachung eines Anspruchs gegen den Nachlass durch den
Berechtigten beantragt wird. Voraussetzung dafür ist nach § 1960 Abs. 1 BGB, dass die Person
des (der) Erben unbekannt ist oder ungewiss ist,
ob er die Erbschaft annimmt. Der Gesetzestext
jurisPR-MietR 6/2016
ist eindeutig. Dennoch müssen die Oberlandesgerichte immer wieder die Voraussetzungen im
Einzelnen klarstellen und ablehnende Beschlüsse der Nachlassgerichte aufheben. Vorliegend
musste das Oberlandesgericht klarstellen, dass
eben kein Sicherungsbedürfnis am Nachlass zu
bestehen braucht, sondern ein Rechtsschutzbedürfnis des Antragstellers (hier des Vermieters)
ausreicht und hier auch vorlag.
Ähnlich hat das OLG Dresden (Beschl. v.
09.12.2009 - 3 W 1133/09) entschieden, dass
das Rechtsschutzinteresse der dort beschwerdeführenden Vermieterin auf der Hand liege,
weil die Vermieterin aufgrund der noch ungeklärten Frage, wer gesetzlicher Erbe ist und
die Erbschaft auch antritt, gegenwärtig außerstande war, das bestehende Mietverhältnis gemäß § 564 Satz 2 BGB zu kündigen und so die
Grundlage für die notfalls beabsichtigte Räumungsklage zu schaffen. Es hat weiter ausgeführt, dass dem Gläubigerantrag auf Bestellung eines Nachlasspflegers auch dann stattgegeben werden muss, wenn im Nachlass keine
ausreichenden Mittel zur Bezahlung des Pflegers vorhanden sind und der Gläubiger eine
Vorschussleistung ablehnt. Das OLG Köln (Beschl. v. 10.12.2010 - 2 Wx 198/10) hat festgehalten, dass es nicht nötig ist, dass die Vermieterin ihre Ansprüche sogleich gerichtlich geltend machen will, sondern es vielmehr ausreicht, dass der Prozessweg nur notfalls beschritten, zuvor aber mit dem Gegner gütlich
verhandelt und er zur außergerichtlichen Erfüllung der Ansprüche bewegt werden soll; die
Vermieterin wollte hier die Kündigung aussprechen und mit dem Nachlasspfleger aushandeln,
dass er ihr die Inbesitznahme und Räumung der
Wohnung ermöglichen sollte. Wenn es vermieterseits so beantragt wird, hat das Nachlassgericht auch einen Nachlasspfleger nicht nur mit
dem eingeschränkten Wirkungskreis „Beendigung des Mietverhältnisses des Erblassers“ zu
bestellen, sondern der Wirkungskreis umfasst
dann die Vertretung der unbekannten Erben bei
Beendigung und Abwicklung des Mietverhältnisses (OLG München, Beschl. v. 20.03.2012 - 31
Wx 81/12).
D. Auswirkungen für die Praxis
Der Vertreter des Vermieters stößt in der Situation, wo die Erben des verstorbenen Mieters unbekannt sind, immer wieder auf eine gewisse
Unwilligkeit der Nachlassgerichte (Rechtspfleger beim Amtsgericht), die notwendige Nachlasspflegschaft anzuordnen (ein Berliner Amtsgericht hat vor kurzem in einer derartigen Lage z.B. nach langem Hin und Her statt der Bestellung eines Nachlasspflegers selbst „als Vertreter der unbekannten Erben“ das Mietverhältnis über die Wohnung des Erblassers gekündigt). Es ist nicht nur im (Weitervermietungs-)Interesse des Vermieters, sondern auch im Interesse der später festgestellten Erben, nicht mit
dem fortbestehenden Mietverhältnis belastet zu
werden. Die Zögerlichkeit der Nachlassgerichte mag nicht zuletzt fiskalischen Erwägungen
geschuldet sein, denn wenn die Erben tatsächlich nicht ermittelt werden können, haftet die
Staatskasse für die Kosten des Nachlasspflegers. Der entsprechende Antrag des Vermietervertreters sollte also nachdrücklich mit Hinweisen auf die Rechtsprechung, u.a. die vorstehend
zitierten Beschlüsse, versehen werden.