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Deutsches Notarinstitut
Gutachten-Abruf-Dienst
G u t a c h t e n d e s D e u t s c h e n No t a r i n s t i t u t s
Abruf-Nr.:
146120
l e t zt e A k t u a l i s i e r un g :
24. März 2016
BGB §§ 267, 362, 1041, 1047; WEG § 16
Nießbrauch am Wohnungseigentum; Kosten- und Lastentragung bzgl. Wohngeld;
Eigentumswechsel;
Haftung
des
neuen
Eigentümers
für
Beiträge
des
Nießbrauchsberechtigten, die eigentlich der Eigentümer zu tragen gehabt hätte
I. Sachverhalt
Käufer erwerben eine mit einem Nießbrauch belastete Wohnung. Nach dem Nießbrauch ist der
Nießbraucher u. a. verpflichtet, einen Teil des Hausgeldes zu entrichten. Den restlichen Teil soll
der Eigentümer tragen. Zwischen dem Verkäufer und dem Nießbraucher besteht Streit über die
ordnungsgemäße Erfüllung einzelner Verpflichtungen des Verkäufers (Erstattung laufender
Kosten) gegenüber dem Nießbraucher. Der nunmehrige Käufer ist bereit, die mit dem Nießbrauch verbundenen finanziellen Verpflichtungen (ebenso wie die schuldrechtlichen Begleitvereinbarungen) zu übernehmen, jedoch nur mit Wirkung für Verpflichtungen, die ab Besitzübergang vom Verkäufer auf den Käufer entstehen.
II. Frage
Haftet der Erwerber einer mit einem Nießbrauch belasteten Wohnung aufgrund gesetzlicher
Regelungen für Verpflichtungen des Eigentümers gegenüber dem Nießbraucher, die ihren Grund
in der Zeit vor dem Eigentumswechsel haben?
III. Zur Rechtslage
1.
Belastungsgegenstand eines Nießbrauchs kann ohne Zweifel auch Wohnungs- und
Teileigentum sein (vgl. nur Schmidt, MittBayNot 1997, 65, 66; Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 15. Aufl. 2012, Rn. 1364; Staudinger/Frank, BGB, Neubearb. 2009, § 1030 Rn. 13
m. w. N.).
2.
Für das Rechtsverhältnis zwischen Eigentümer und Nießbraucher gelten daher auch bei
einem Nießbrauch an Wohnungseigentum die Vorschriften der §§ 1030 ff. BGB. Das gesetzliche Schuldverhältnis zwischen dem Eigentümer und dem Nießbraucher ist nach dem
gesetzlichen Leitbild von zahlreichen Verpflichtungen des Nießbrauchers geprägt. Er trägt
z. B. die gewöhnliche Unterhaltspflicht (§ 1036 Abs. 2 BGB); er hat für die Erhaltung der
Sache in ihrem wirtschaftlichen Bestand zu sorgen (§ 1041 BGB), die Sache auf seine
Kosten zu versichern (§ 1045 BGB) und gewisse öffentliche und private Lasten zu tragen
(§ 1047 BGB).
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a)
Was die Verpflichtung des Nießbrauchers zur Erhaltung der Sache in ihrem wirtschaftlichen Bestand gem. § 1041 S. 1 BGB betrifft, ergibt sich aus Satz 2 der Vorschrift im Gegenschluss, dass der Eigentümer für die Erhaltung der Grundsubstanz der
mit dem Nießbrauch belasteten Sache verantwortlich ist. Außergewöhnliche Ausbesserungen und Erneuerungen trägt der Eigentümer, ohne hierzu jedoch gegenüber dem
Nießbraucher verpflichtet zu sein, da der Nießbrauch als Unterfall der Dienstbarkeit
dem Eigentümer keine Handlungspflichten aufzuerlegen vermag. „Gewöhnlich“ sind in
diesem Sinne jene Maßnahmen, die bei ordnungsgemäßer Bewirtschaftung regelmäßig
in kürzeren Abständen wiederkehrend zu erwarten sind (BGH NJW 2009, 1810). Mit
dinglicher Wirkung kann vereinbart werden, dass dem Nießbraucher neben den
gewöhnlichen Unterhaltungen auch die Vornahme- und Kostentragungsverpflichtung
hinsichtlich der außergewöhnlichen Ausbesserungen und Erneuerungen obliegt
(BayObLGZ DNotZ 1986, 151; Palandt/Bassenge, BGB, 75. Aufl. 2016, § 1041 Rn. 5).
Was die gem. §§ 16, 28 Abs. 2 WEG an den Verwalter zu zahlenden Vorschüsse (Hausgeld/Wohngeld) anbelangt, sind darin Positionen enthalten, die bereits nach dem gesetzlichen Leitbild vom Nießbraucher zu tragen sind, weil sie gem. § 1041 S. 1 BGB der
Erhaltung des Nießbrauchsgegenstand in ihrem wirtschaftlichen Bestand dienen (vgl.
Krauß, Vermögensnachfolge in der Praxis, 4. Aufl. 2015, Rn. 1174) oder dem § 1045
BGB unterfallen.
b) Hinsichtlich der Lastentragung ordnet § 1047 BGB an, dass der Nießbraucher dem
Eigentümer gegenüber verpflichtet ist, für die Dauer des Nießbrauchs die auf der Sache
ruhenden öffentlichen Lasten mit Ausschluss der außerordentlichen Lasten, die als auf
den Stammwert der Sache angelegt anzusehen sind, sowie diejenigen privatrechtlichen
Lasten zu tragen, welche schon zur Zeit der Bestellung des Nießbrauchs auf der Sache
beruhten. Hinsichtlich der privatrechtlichen Lasten wird dabei nicht zwischen ordentlichen und außerordentlichen Lasten differenziert. Entscheidend ist, dass die Lasten auf
der Sache ruhen. Dies ist dann der Fall, wenn aus ihnen die Zwangsversteigerung
betrieben werden kann (vgl. BeckOK-BGB/Wegmann, Stand: 1.5.2013, § 1047 Rn. 7;
Staudinger/Frank, BGB, Neubearb. 2009, § 1047 Rn. 14). § 1047 BGB ist nach h.M.
mit dinglicher Wirkung ebenfalls abdingbar (vgl. MünchKommBGB/Pohlmann,
6. Aufl. 2013, § 1047 Rn. 18 m. w. N.).
Die nach dem WEG gem. §§ 16, 28 Abs. 2 WEG anfallenden Kosten und Lasten
werden nicht zu den kraft gesetzlicher Anordnung vom Nießbraucher zu tragenden
privatrechtlichen Lasten i. S. d. § 1047 BGB gezählt. (vgl. Staudinger/Frank, § 1047
Rn. 30; BeckOK-BGB/Wegmann, § 1047 Rn. 13).
c) Unstreitig kann freilich mit dinglicher Wirkung eine von § 1047 BGB abweichende
Kosten- und Lastenverteilung vereinbart werden.
3.
Trägt der Nießbrauchsberechtigte im Außenverhältnis Kosten, die aufgrund der gesetzlichen Kosten- und Lastenverteilung oder aufgrund abweichender vertraglicher
Vereinbarung vom Eigentümer zu tragen gewesen wären, so leistet der Nießbrauchsberechtigte auf eine fremde Schuld (§ 267 BGB). Lehnt der Gläubiger die Leistung durch
den Dritten nicht ab (§ 267 Abs. 2 BGB), so erfüllt die Leistung des Dritten (Nießbrauchsberechtigten) die Forderung, sodass diese nach § 362 Abs. 1 BGB erlischt. Für den
Nießbrauchsberechtigten stellt sich nun die Frage, ob und inwieweit er beim wahren
Schuldner Rückgriff nehmen kann. Da ein vertraglicher Rechtsgrund für die Drittleistung
aufgrund der gerade anderweitigen Kosten- und Lastenverteilung nicht in Betracht kommt,
bestehen Rückgriffsmöglichkeiten höchstens im Fall einer berechtigten Geschäftsführung
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ohne Auftrag, die dem Dritten einen Aufwendungsersatzanspruch nach § 683 S. 1, § 670
BGB eröffnet oder im Fall einer unberechtigten Geschäftsführung ohne Auftrag aufgrund
Rückgriffskondiktion gem. §§ 684, 812 Abs. 1 S. 1 Var. 2 BGB (BeckOGK-BGB/Krafka,
Stand: 20.10.2015, § 267 Rn. 44). Eine dingliche Wirkung gegenüber dem Rechtsnachfolger
dürfte einem solchen Anspruch jedoch nicht zukommen. Dafür spricht, dass es sich letztlich
um keine Leistung mehr „aus dem Nießbrauch“ handelt. Ferner kann auch eine
vorsichtige Parallele zu § 1049 Abs. 1 BGB herangezogen werden, wonach sich die
Ersatzpflicht des Eigentümers, wenn der Nießbraucher Verwendungen auf die Sache macht,
zu denen er nicht verpflichtet ist, nach den Vorschriften über die Geschäftsführung ohne
Auftrag bestimmt. Nach herrschender Meinung ist in diesem Fall ersatzverpflichtet aus der
Geschäftsführung ohne Auftrag derjenige, der zur Zeit der Vornahme der Verwendung
Eigentümer
war,
nicht
derjenige,
der
bei
Rückgabe
Eigentümer
ist
(MünchKommBGB/Pohlmann, § 1049 Rn. 6 m. w. N.). Wir weisen jedoch darauf hin, dass
die vorbezeichnete Fragestellung, soweit ersichtlich, bislang weder Gegenstand einer
Gerichtsentscheidung noch einer Äußerung in der Literatur geworden ist.