BAUSTEIN 5 / THEMENEINHEIT 3 – WIE SOLLTE KÖRPERLICHE INTERVENTION ANGEWENDET WERDEN? KURZE BESCHREIBUNG DER AKTIVITÄTEN Geeignete Anwendungsmöglichkeiten körperlicher Intervention erkennen. Das Ziel der Aktivitäten ist es, eine Anleitung zu geben, wie körperliche Intervention in denjenigen Ausnahmefällen angewendet werden kann, in denen körperliche Intervention notwendig ist. KENNTNISSE FÄHIGKEITEN KOMPETENZEN Identifizieren, wer intervenieren soll. Wahl dieser restriktiven Methode als letzte Möglichkeit. Anwendung der Methode so kurz wie möglich. Analyse der Umgebung und diesbezügliche Intervention. Handlungsprotokoll. Wann die Intervention beendet werden sollte. Ausfüllen des Berichtsbogens zur körperlichen Intervention. Emotionale Selbstkontrolle. Empathie. Respektvolle Haltung. Flexibilität. Überzeugung und Selbstbewusstsein. Fähigkeit, Unsicherheit zu tolerieren. Eine körperliche Intervention richtig durchführen und der Sicherheit von allen Beteiligten und Fachkräften Aufmerksamkeit schenken. Die Fachkräfte müssen wissen, wie eine körperliche Intervention angewendet wird, wenn sie mit einer ernsten Situation konfrontiert sind, die eine solche Intervention notwendig macht – unter Berücksichtigung der vollständigen Sicherheit des/der Jugendlichen und anderer Beteiligter. METHODIK Handwerkszeug und Methoden Einzelarbeit mit einem von dem/der Trainer/in bereitgestellten Arbeitspapier (Arbeitspapier Nr. 1). PowerPoint-Präsentation. Gemeinsame Diskussion. “Beobachtungsskala aggressiven Verhaltens SOAS-R” (Arbeitspapier Nr. 2). Berichtsbogen zur körperlichen Intervention (Arbeitspapier Nr. 3). Aktivität 1: Wie sollte eine körperliche Intervention durchgeführt werden? Der/die Trainer/in lädt die Teilnehmer/innen ein, das Arbeitspapier 1 durchzulesen. Jede/r Teilnehmer/in arbeitet für sich und hält Aspekte der Zustimmung und des Widerspruchs in dem Arbeitspapier fest. Danach folgt eine Gruppendiskussion mit Meinungsaustausch. Das Ziel ist, einen Konsens zu finden, wie eine körperliche Intervention durchgeführt werden sollte (was getan und was nicht getan werden kann). Kulturelle und juristische Aspekte müssen beachtet werden. Aktivität 2: Reflexionen über Schwierigkeiten, Ängste, Zweifel und Dilemma Nach dem Lesen des ersten Arbeitspapiers werden folgende Fragen diskutiert und mit Hilfe von Power Point visualisiert: Haben Sie jemals körperliche Intervention angewendet? Wie haben Sie sich danach gefühlt? Welche Gefühle oder Empfindungen würde eine solche Intervention bei Ihnen auslösen? Angst, Ärger, Wut, Verwirrung, innere Blockade, Sorge, etc ….? Fühlen Sie sich kompetent in der Anwendung? Welche Schwierigkeiten haben Sie beobachtet? Aktivität 3: Erfassungsformulare Verteilung und Visualisierung von Berichtsbögen zur körperlichen Intervention und die „Beobachtungsskala aggressiven Verhaltens SOAS-R“. In unserer alltäglichen Arbeit nutzen wir die SOAS-R-Skala in den Fällen, in denen aggressives Verhalten sehr häufig vorkommt. Während einer begrenzten Zeit halten wir mit Hilfe dieser Skala alle aggressiven Vorfälle fest, die von dem Kind verursacht werden. Mit diesen gesammelten Informationen können wir eine funktionale Analyse des aggressiven Verhaltens des Kindes durchführen. Auf diese Weise können wir die Ursprünge der Aggressionen, seine Auslöser und Folgen sowie die Eigenheiten jedes Kindes erkennen. Darüber hinaus können wir auf diese Weise die Handlungen und Interventionen planen. Die Skala wird von den Erzieher/innen ausgefüllt, die den aggressiven Vorfall miterlebt haben (ein Berichtsbogen für jeden Vorfall). Der/die Psychologin nutzt die Ergebnisse dazu, Handlungsalternativen vorzuschlagen. Die Ergebnisse sind ebenfalls nützlich, um unangemessene Interventionen zu korrigieren und zukünftig neue Wege einzuschlagen. - ˗ ˗ ˗ ˗ ˗ ˗ Die Ziele der Aktivität sind: Die Arbeitsmaterialien verstehen, um den Berichtsbogen nach jeder körperlichen Intervention ausfüllen zu können. Nach einem Vorfall (mit Hilfe des Berichts) die Auslöser, die Risiko- und die Schutzfaktoren der Umgebung auswerten, die genutzt werden können, um die Krisenentwicklung zu dämpfen, sowie die persönlichen Ressourcen des jungen Menschen, die er selbst einsetzt, um dem Druck der Umgebung etwas entgegenzusetzen. Die Notwendigkeit der kontinuierlichen Beobachtung und Einschätzung des Prozesses verstehen. Hinweise für den/die Trainer/in: Die Intervention durch mehr als eine/n Erzieher/in bzw. Fachkraft ist zu empfehlen, so dass eine/r von beiden die körperliche Intervention durchführt, während der/die andere sich um die anderen junge Menschen kümmert und die angewendeten Sicherheitsmaßnahmen unterstützt. Fachkräfte sollten sich respektvoll verhalten und während des gesamten Anwendungsprozesses ruhig bleiben. Eine Einschätzung der Sicherheit des/der Jugendlichen und die der anderen Beteiligten (weitere Jugendliche und das Erziehungspersonal) sollte permanent stattfinden; die Fachkräfte sollten Ruhe und Sicherheit ausstrahlen, indem sie provokatives Verhalten vermeiden. Eine beruhigende Haltung dem jungen Menschen gegenüber (und keine aufstachelnde Haltung) sollte beibehalten werden. Wenn körperliche Intervention angewendet wird, dann sollte die Intervention auf das Minimum beschränkt werden, das notwendig ist, um die Sicherheit des/der Jugendlichen und die anderer Beteiligter zu garantieren. Die Durchführung sollte so kurz wie nötig sein. Alle potentiell gefährlichen Objekte müssen entfernt werden. Diskussionen auf Basis des Anwendungsprotokolls sollten nach jedem Einsatz geführt werden, um aus den Erfahrungen zu lernen. Die Intervention muss die Rechte und die Würde des/der Jugendlichen respektieren. ˗ ˗ Regelmäßige Durchsicht und Aktualisierung des Protokolls aufgrund der Ergebnisse und Einführung von Verbesserungsvorschlägen. Nach der Krisensituation, in der die körperliche Intervention angewendet wurde, ist es notwendig, die Situation und die Anwendung der Maßnahme durch das gesamte Team auszuwerten, um zu prüfen, ob die Situation mit Anwendung der Maßnahme sich so entwickelt hat, wie im Einzelnen erwartet wurde. Dies ermöglicht, falls notwendig, Handlungsverbesserungen, die zuvor im Protokoll noch nicht enthalten waren. ARBEITSPAPIER Nr.1: Wie sollte eine körperliche Intervention durchgeführt werden? Maßnahmen der körperlichen Intervention (“dazwischen gehen”) und körperliche Ruhigstellung Körperliche Intervention oder Ruhigstellung eines Minderjährigen hat das Ziel, eine Handlung zu verhindern oder aufzudecken, die gefährlich für die körperliche Integrität des/der Minderjährigen oder für andere sein kann oder die in der Zerstörung des Heims oder seiner Einrichtungen besteht. Körperliche Intervention wird auch angewendet, um das unerlaubte Verlassen des Heims zu verhindern, denn wenn die Überzeugungskraft einmal versagt hat, ist es nicht möglich, das Verlassen des Heims durch andere Mittel zu verhindern. Für den Fall, dass das Kind seine aggressive Haltung sowohl gegenüber sich selbst als auch gegenüber den Menschen in seiner Umgebung nicht verändert und dass das Fehlen jeglicher Möglichkeit zum Dialog oder zum vernünftigen Gespräch beobachtet werden kann, werden die Fachkräfte damit fortfahren, auf der Grundlage einer vorherigen gemeinsamen Entscheidung des Erzieherteams das Kind körperlich in seine Schranken zu weisen. Personenbezogene körperliche Intervention kann nur ausnahmsweise als Maßnahme eingesetzt werden: als ein Weg, gewalttätiges Verhalten, Selbstverletzungen oder Verletzungen von anderen Kindern sowie Schaden an den Einrichtungen des Heims zu verhindern. Die Absicht von körperlicher Intervention ist einzig und allein die Wiederherstellung körperlicher Sicherheit und Kontrolle in denjenigen Situationen, bei denen es zu einer Verletzung des Kindes selbst oder anderer Kinder gekommen ist und der/die Minderjährige nicht in der Lage oder unwillig ist, sich selbst zu kontrollieren. Die Anwendung dieser Strategie beinhaltet Risiken für Kinder, die darauf erneut mit intensivem aggressiven Verhalten reagieren können, aber gleichzeitig auch die körperliche Intervention der Fachkräfte suchen oder diese „erwarten“. Die Maßnahme besteht darin, sich zwischen den/die Jugendliche und die Person oder das Objekt, auf dass sich sein/ihr Angriff richtet, oder auch direkt vor das Kind zu stellen und ihn/sie durch eine oder mehrere andere Personen zu fixieren – ohne die Möglichkeit, irgendwelche Objekte zu Hilfe zu nehmen, sowie ohne die Erlaubnis, ihm/ihr zu diesem Zweck Medikamente zu verabreichen. Die Anwendung der zuvor beschriebenen Wege körperlicher Intervention sollte im Hinblick auf den intendierten Zweck angemessen sein; die körperliche und moralische Integrität des Jugendlichen muss immer gewährleistet sein. Die/der Erzieher/in muss in dem Vertrauen handeln, dass sie/er in der Ausführung dieser Methode die volle Unterstützung erhält. Die Methode sollte in Anwesenheit von mehr als einer Erzieher/in ausgeführt werden, um sich gegenseitig zu helfen und sicher zu stellen, dass die Handlung richtig ausgeführt wird. Körperliche und verbale Aggressivität muss vermieden werden. Die Durchführung einer körperlichen Intervention ist eine vorher festgelegte Handlung, die mit Professionalität und ohne persönliche Implikationen ausgeführt werden sollte. In diesem Sinne sollten die Fachkräfte nicht auf Beleidigungen, Angriffe oder andere mögliche Provokationen antworten. Es ist das Erzieherteam, dass die Methode ein- und umsetzt. Eine andere Person aus dem Team muss sich um die anderen Kinder in der Einrichtung kümmern, um eine gute Atmosphäre in der Gruppe aufrecht zu erhalten. Körperliche Intervention wird nur dann angewendet, wenn es keinen anderen, weniger beschwerlichen Weg gibt, das angestrebte Ziel zu erreichen, und nur so lange, wie es notwendig ist, um sicher zu stellen, dass das Kind wieder in der Lage ist, sein eigenes Verhalten und die Beziehung zu den anderen Kindern zu kontrollieren. Diese Intervention wird als abgeschlossen betrachtet, wenn es zu einer graduellen Beruhigung des Jugendlichen gekommen ist und ein angemessenes Klima in der Gesamtgruppe der Jugendlichen in der Einrichtung wieder hergestellt wurde. Diese Methoden sollten nur mit äußerster Vorsicht bei jugendlichen Schwangeren oder stillenden Müttern bis sechs Monate nach der Geburt angewendet werden. Die Bedeutung und Rechtfertigung der Handlung muss dem Kind erklärt werden, und zwar unter Bezugnahme auf seine/ihre Sicherheit oder indirekt in Bezug auf die Sicherheit von anderen Kindern. Diese Erklärung kann vor der Anwendung der Methode (falls möglich), während der Anwendung oder nach der Anwendung gegeben werden. Die Mitarbeiter/innen der Einrichtung, die für die Anwendung von körperlicher Intervention verantwortlich sind, sollten eine spezielle Fortbildung zu diesem Thema absolviert haben. Arbeitspapier Nr. 2: Beobachtungsskala aggressiven Verhaltens SOAS-R Arbeitspapier Nr. 3: Berichtsbogen zur körperlichen Intervention Berichtsbogen zur körperlichen Intervention Datum und Uhrzeit: Angewendet bei: Involvierte Fachkräfte: Kurze Situationsbeschreibung: Indikatoren für den Einsatz körperlicher Intervention: o o o o Bestehendes Risiko, andere zu verletzen Bestehendes Risiko, sich selbst zu verletzen Vermeiden eines Schadens in der Umgebung Andere: Formen der körperlichen Intervention: komplett oder teilweise Emotionaler Zustand des Jugendlichen: o o o o Gewaltätig und/oder aggressiv Impulsivität Selbstverletzungsrisiko Risiko eines Sachschadens Gescheiterte Intervention vor Anwendung der körperlichen Intervention: o o o o o Verbale Kommunikation Zerstreuung Konfliktlösung Entschärfung intensiver Emotionen Entschärfung einer Konfliktsituation Aufgetretene Probleme während der Intervention: Die Antwort des Jugendlichen auf die Intervention: Emotionaler Zustand der Fachkraft: o Während der Intervention: Verteidigung, Konfrontation, gesprächig, ruhig, argumentierend, unruhig, still, beunruhigt, angespannt… o Nach der Intervention: schuldig, ängstlich, irritiert, müde, ruhig, besorgt, verängstigt, erwartungsvoll, distanziert, dialogbereit...
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