Mozart-Show ohne Mozart - Nachsommer Schweinfurt

KU LT U R
D i e n s t a g , 1 5 . S e p t e m b e r 2 0 1 5 – N r. 2 1 2
Der Mord
als
Kunstwerk
125. von Agatha Christie
FRANKFURT (epd) Ihre Kriminalro-
mane dachte sie sich am liebsten
beim Abwasch aus: Das sei die beste
Zeit, ein Buch zu planen, soll Agatha
Christie (1890-1976) gesagt haben.
Sie schrieb ihre Krimis vor allem, um
Geld für die Renovierung ihres Hauses zu verdienen, wie die Literaturwissenschaftlerin Tania Schlie außerdem für ihr Buch „Wo Frauen ihre
Bücher schreiben“ recherchiert hat.
Vor 125 Jahren, am 15. September
1890, wurde die heute wohl berühmteste Krimiautorin der Welt geboren.
Sie machte „den Mord zum Kunstwerk“, urteilte Biografin Laura
Thompson. Agatha Christies Fantasie verdanken Leser und Zuschauer
so brillante Detektive wie den Belgier
Hercule Poirot oder die englische
Miss Marple. Weltweit wurden nach
Angaben des S. Fischer Verlages bislang deutlich über zwei Milliarden
ihrer Bücher verkauft. Insgesamt 73
Kriminalromane, 23 Bühnenstücke,
diverse Lyriksammlungen und über
100 Kurzgeschichten hat die „Queen
of Crime“ (Königin des Krimis) veröffentlicht. Ihre Bücher wurden in
44 Sprachen übersetzt.
Erstes Gedicht mit elf
Mit elf Jahren veröffentlichte sie
erstmals ein Gedicht in einer Lokalzeitung. Nach einigen romantischen
Erzählungen erschien 1920 – rund
ein Jahr nach der Geburt ihrer Tochter – Christies erster Kriminalroman:
„Das fehlende Glied in der Kette“
mit dem Detektiv Poirot. Das Muster
des ersten Krimis behielt sie bei: Zunächst deuten alle Indizien auf einen
Täter, der es aber aus bestimmten
Gründen nicht gewesen sein kann,
bis am Ende die wirklichen Zusammenhänge klar werden. Der Durchbruch als Kriminalautorin gelang ihr
1926 mit dem Roman „Alibi“. 1930
erschien der erste von insgesamt
zwölf Miss-Marple-Krimis: „Mord im
Pfarrhaus“.
Ihre Theaterstücke sind noch immer erfolgreich an zahlreichen Bühnen, die Verfilmungen von „Tod auf
dem Nil“, „Mord im Orient-Express“
oder „Zeugin der Anklage“ gehören
zu den Klassikern. Agatha Mary Clarissa Miller – so ihr Mädchenname –
entstammte einer wohlhabenden Familie und wuchs im Seebad Torquay
an der englischen Südküste auf.
Während des Ersten Weltkrieges
arbeitete sie als Krankenschwester.
Viele ihrer Krimi-Ideen bekam die
Schriftstellerin auf Reisen. 1928 fuhr
sie mit dem „Orient-Express“ nach
Istanbul, dann weiter mit dem „Taurus-Express“ bis nach Bagdad.
Exkursionen in den Orient
1930 lernte sie ihren späteren
zweiten Mann kennen, den Archäologen Max Mallowan. Ihn begleitete
sie auf Exkursionen in den Orient
und nach Griechenland, die Ehe
dauerte 46 Jahre. Über ihr Leben an
den Ausgrabungsstätten an der Seite
ihres Mannes schrieb sie das Sachbuch „Erinnerung an glückliche Tage“. Viel Mühe gab sie sich bei der
Gestaltung ihrer Figuren. Es seien
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„Menschen mit ihren kleinen
Schrullen und ihren großen Passionen, für die die Autorin in ihren
Werken leidenschaftliche Plädoyers
hält“, urteilt der Kölner Krimi-Experte Rudolf Meier. 1952 lief in London
die West-End-Produktion „Die Mausefalle“ an, die bis heute ununterbrochen gespielt wird. „Die Mausefalle“
ist damit das am längsten laufende
Theaterstück der Welt.
SWT
WUES - Seite 14
Mozart-Show ohne Mozart
Urkomisch: Als der Geiger Aleksey Igudesman dem Pianisten Richard Hyung-ki Joo begegnete, war es „Hass
auf den ersten Blick“. Mittlerweile sind sie ein grandioses Klassik-Comedy-Duo – und in Schweinfurt zu Gast.
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A
Das Gespräch führte
MATHIAS WIEDEMANN
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leksey Igudesman wurde in sehr
jungem Alter in Leningrad geboren. Er hat nie irgendwelche Wettbewerbe gewonnen, hauptsächlich, weil er nie an welchen teilgenommen
hat. So beginnt die Selbstdarstellung von
Aleksey Igudesman. Für die Yehudi Menuhin
School in London hat’s dann aber doch gereicht, und so konnte der junge Geiger Igudesman dem Pianisten Richard Hyung-ki Joo
begegnen. Beide waren damals zwölf Jahre
alt, es war „Hass auf den ersten Blick“, weswegen sie sich alsbald zum Duo Igudesman &
Joo zusammentaten, das heute mit seinen
sehr, sehr lustigen Klassik-Comedy-Shows
weltweit riesige Hallen füllt und dessen Videos im Netz millionenfach angeklickt werden. Igudesman & Joo sind ausgezeichnete
Solisten, Komponisten und Arrangeure mit
ausgeprägtem Slapstick-Talent. Jeder Gag, jede Pointe sitzt perfekt und wirkt doch wie improvisiert. Am 19. September gastiert das Duo
im Rahmen des Schweinfurter Nachsommers
im Konferenzzentrum Maininsel.
FRAGE: Ich weiß, dass Sie ausgezeichnet Deutsch
sprechen, ebenso wie Englisch und Italienisch. . .
ALEKSEY IGUDESMAN: Mein Italienisch ist
nicht so ausgezeichnet.
Für die Bühne reicht es aber.
IGUDESMAN: Für die Bühne reicht’s. Viel-
leicht nicht für philosophische Gespräche.
Und in Schweinfurt ist es ja auch nicht so
wichtig, perfekt Italienisch zu können.
Sie sind mitten in einer Probenphase – woran
arbeiten Sie?
IGUDESMAN: Wir arbeiten gerade an einem
wunderbaren Projekt. Es heißt The Ligue of
Extraordinary Musicians – die Liga der außergewöhnlichen Musiker. Das machen wir in
Luzern bei einem Festival. Dazu haben wir
ganz tolle Musiker aus der ganzen Welt zu........................
„Mozart hatte
extrem viel Humor.“
Aleksey Igudesman
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sammengebracht, die multitalentiert sind.
Die teilweise Akrobatik können oder Feuerschlucken, lauter solche Sachen. Das bringen
wir leider noch nicht nach Schweinfurt, dort
machen wir unser humoristisches Programm
mit vielen Musikstilen basierend auf der Klassik.
Das Programm heißt „And now Mozart“ – warum eignet sich Mozart so gut für Komik?
IGUDESMAN: Das Interessante an der Show
ist – es gibt überhaupt keinen Mozart darin.
Wobei das nicht ganz stimmt: Das allerletzte
Stück ist „I will survive“ im Mozartstil vermischt mit Rap. Um zur Frage zurückzukommen: Mozart selber hatte extrem viel Humor.
In seinen Kompositionen zum Teil und im
Leben auf jeden Fall. Das merkt man an seinen Briefen. Deshalb ist es nicht so schwierig,
mit seiner Musik lustige Sachen zu machen.
Aber am Ende kann man jede Musik benutzen, um humoristische Aspekte aufzuspüren.
Aber wir machen uns nie lustig über Musik.
Wir machen uns lustig mithilfe der Musik.
Das ist nicht respektlos. Im Gegenteil.
Wie funktioniert diese Komik?
IGUDESMAN: Wir suchen immer nach Parallelen zwischen verschiedenen Musikarten
und Aspekten des Lebens. Und wenn wir die
sehen und vorzeigen, ist es oft einfach lustig.
Weil man sich gar nicht vorstellt, wie gut zum
Beispiel Mozart mit Rap zusammenpasst.
Oder mit James Bond.
IGUDESMAN: Genau.
„I will survive“ ist bei Ihnen ja fast eine Obsession. Das Lied taucht immer wieder auf, als wäre
es der Dreh- und Angelpunkt für die gesamte Musikgeschichte.
IGUDESMAN: (lacht) Das ist richtig. Natürlich
ist es ein Discoklassiker. Das Interessante ist
aber, dass wir darin eine Harmoniesequenz
entdeckt haben, die extrem üblich ist in allen
Epochen und Musiksparten. Von der Klassik
bis zu Rachmaninow bis zum Rap. Deshalb
kann man da sehr leicht Parallelen ziehen.
Gleichzeitig steht der Titel dafür, dass klassische Musik und Musik überhaupt überleben
wird. Es gibt immer wieder Musiksparten, die
totgeschrieben werden, aber gute Musik stirbt
nie.
Sie haben also die harmonische Sequenz aufgespürt. Was Sie draus machen, muss alles noch arrangiert und einstudiert werden. Das muss doch
ziemlich viel Arbeit sein.
Ernste Blicke, heitere Show: Geiger Aleksey Igudesman (links) und Pianist Richard Hyung-ki Joo.
IGUDESMAN: Es steckt in all unseren Sachen
extrem viel Arbeit. Das ist der Trick bei der Sache: Es soll improvisiert ausschauen, aber wir
entwickeln Stücke manchmal jahrelang, bis
sie so sind, wie wir sie haben wollen. Zum
Glück sind wir beide auch Komponisten und
arrangieren auch. Die ganzen Stücke schreiben wir selber – das ist für uns eine schöne
und kreative Sache. „Alla Molto Turca“, wo
wir das berühmte Mozartstück von a-Moll
nach A-Dur und dann nach B rücken, bringen wir jetzt mit eine paar anderen Sachen
auch auf Noten heraus, zum Nachspielen für
Geige und Klavier.
Was üben Sie mehr – Geige oder Tanzen? Sie
haben auf der Bühne ja ein paar ziemlich wilde
Moves drauf.
IGUDESMAN: Es ist ganz wichtig für jeden
Menschen, eine Kombination zu finden zwischen dem Lernen von Sachen, die man noch
nicht kann, und dem Weiterentwickeln der
eigenen Talente. Mit der Zeit bekommt man
heraus, dass man gewisse Talente hat. Geige
spielen einfach als Talent geht leider nicht.
Da muss man schon extrem viel üben und
trainieren. Und bei der Bewegung ist es so:
Wenn man gewisse Sachen von Natur aus
kann, dann benutzt man sie. Und das tue ich.
Wir trainieren natürlich auch das, teilweise
mit Choreografen. Aber am Ende ist es schon
das Musizieren, das die meiste Zeit braucht.
Und das Komponieren. Wir haben sehr viele
Stücke für junge Geiger herausgebracht.
Es gibt viele Rock-meets-Classic-Projekte. Die
meisten finde ich ziemlich langweilig und beliebig. Wenn Sie aber plötzlich von „I will survive“
in Tschaikowsky Fünfte wechseln, bin ich sofort
tief ergriffen. Warum ist das so?
IGUDESMAN: Weil wir von einem ganz anderen Standpunkt herkommen. Wir wollten
Werke und Konzerte kreieren, wie wir sie gerne hören würden. Dabei gehen wir die Sachen sehr genau an und schauen, dass es musikalisch wirklich innig ist. Und auch, wenn
es humoristisch ist, muss es auf höchstem
Niveau komponiert, arrangiert und gespielt
sein. Jede Note muss eine Intention haben,
so, als würden wir das Brahms-Requiem spielen. Wir nehmen unseren Humor extrem
ernst. Wir wollen nie lustig sein, sondern wir
begeben uns in diese lustigen Situationen.
Wir haben uns auch nie vorgenommen, jetzt
machen wir eine Show, dann kommen ganz
viele Leute, dann verdienen wir ganz viel
Geld. Für uns war der Ausgangspunkt immer:
Was können wir machen, das kreativ und artistisch ist und die Kombination von vielen
Musikstilen, aber gleichzeitig humoristisch
und theatralisch? Unser Zugang ist immer
noch rein künstlerisch. Da war nie ein kommerzieller Gedanke dahinter.
Sie scheinen auch mit einem ausgeprägten Spieltrieb gesegnet zu sein.
IGUDESMAN: Ja, das stimmt. Aber vor allem
ist es Kreativität. Wir glauben beide, dass
Kreativität für jeden Menschen extrem wich........................
„Humor ist grundsätzlich
ja etwas Universelles.“
Aleksey Igudesman
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tig ist, egal, was man macht. Das ist für uns
fast schon eine spirituelle Sache. Man muss
sich ein Leben lang fortbilden und versuchen, immer besser zu werden. Neue, bessere
Methoden zu finden, um ein Ergebnis zu erzielen. Sobald man das macht, ist jede Arbeit
eine neue, interessante Aufgabe. Aber das
kann man natürlich auch Spieltrieb nennen.
Haben Sie mal nachgezählt, wie viele Stücke in
einem Programm so vorkommen?
IGUDESMAN: Ja, das haben wir tatsächlich
mal gemacht. Ich weiß die genaue Zahl jetzt
nicht mehr, aber über 50 auf jeden Fall. Das
können auch mal 20 in einem Stück sein. Das
Wichtige ist aber, dass wir immer so schreiben, dass es nicht darauf ankommt, dass man
jedes Stück erkennt. Natürlich hat man den
FOTO: JULIA WESELY
Genuss des Wiedererkennens, aber gleichzeitig muss die Musik so gut sein, dass man sie
auch ohne genießen kann. Und dann gibt es
eben noch eine Slapstick- und eine sprachliche Ebene, so dass man die Musik nicht kennen muss, um zu lachen.
Funktioniert Komik in unterschiedlichen Ländern unterschiedlich?
IGUDESMAN: Jein – Humor ist grundsätzlich
ja etwas Universelles. Trotzdem hat jedes
Land seine Spezifik. Aber es geht nicht nur
um das Land, teilweise ist es anders von Stadt
zu Stadt. Und von Abend zu Abend – ist es ein
Sonntag, sind die Leute müde? Es gibt Länder,
die stehen auf Slapstick, andere stehen mehr
auf den sprachlichen Humor.
Welche sind das denn?
IGUDESMAN: Das ist schwer zu kategorisieren. Die Franzosen zum Beispiel mögen sehr
den physischen Humor. Da kommt ja auch
die Pantomime her. Die Italiener lieben natürlich die Sprache. Der Italiener spricht doppelt so viel wie jeder andere. Wenn wir ein
Konzert geben, gibt es vorher meistens eine
kurze Rede. In Italien ist es selten eine kurze
Rede. In unseren Shows haben wir aber eine
gute Balance der verschiedenen Arten von
Komik, wir müssen sie also nicht von Land zu
Land umschreiben.
Sie haben sogar schon die Schwerkraft herausgefordert – ohne jetzt zu verraten, was passiert: Ist
die Nummer in Schweinfurt dabei?
IGUDESMAN: Solange wir einen SteinwayFlügel haben, wird die Nummer kommen.
Sie brauchen dafür gar kein spezielles Klavier?
IGUDESMAN: Nein, ein Steinway reicht, und
den Rest haben wir dabei. Und dann gibt es ja
auch noch den Aspekt der Magie . . .
Karten für das Nachsommer-Konzert von Igudesman & Joo am Samstag, 19. September,
19.30 Uhr, im Konferenzzentrum Maininsel in
Schweinfurt und die weiteren Festival-Termine
unter ü (09 31) 60 01 60 00.