SPECIAL SICHERHEITSTECHNIK Ein typisches Beispiel, das die Problematik SchüttgutFörderung in der Chemischen Industrie illustriert, ist das Einbringen von Harzen und Pulvern wie TiO und SiO in Reak2 2 toren und Rührkessel. Häufig werden in diese Behälter nämlich Lösungsmittel vorgelegt, so dass in dem darüber befindlichen Gasraum mit einem zündfähigen Gas-/Luftgemisch zu rechnen ist. In diesem Fall muss selbstverständlich auch das Feststofftransportsystem explosionssicher sein. Autor: B. Eng. (Hons.) Thomas Ramme, Volkmann Vakuum Technik Pulver sicher transportieren Vakuumförderer eröffnen neue Perspektiven im Ex-Bereich Nicht nur im genannten Beispiel, sondern generell ist in der chemischen und pharmazeutischen Verfahrenstechnik mit dem Auftreten von zündfähigen Gemischen zu rechnen. Dabei kann es sich um Gas-/Luftgemische (Zonen 0, 1 und 2), aber auch um Staub-/Luftgemische (Zonen 10 und 11) handeln. Neben den Gefahren durch die prozesstechnische Peripherie ist darüber hinaus speziell beim Schüttguthandling die zusätzliche Gefahr durch den zu fördernden, meist staubförmigen Feststoff selbst zu beachten. Deswegen muss zunächst das in Frage kommende Transportsystem und danach der Installationsort genauestens untersucht werden. Eine immer noch häufig anzutreffende Art pulvrige Roh- und Hilfsstoffe zu befördern, ist der manuelle Transport von Sackware durch Mitarbeiter in der Produktion. Hierbei entstehen zahlreiche Gefahren, wobei an dieser Stelle auf die durch das schwere Tragen und Heben hervorgerufenen gesundheitlichen Risiken der Bediener nur hingewiesen werden soll. Gefahr beim Umgang mit Sackware im Ex-Bereich Unter dem Gesichtspunkt des Ex-Schutzes ist besonders das manuelle Entleeren der Gebinde problematisch. Beispielsweise sind aus der Klebstoffherstellung Fälle bekannt, bei denen die elektrostatischen Aufladungen, die beim „Auskippen“ der Säcke über eine Schütte in Rührkessel entstehen, für Verpuffungen ausreichten. In einem anderen Fall versuchte ein Mitarbeiter, die zwangsläufig beim unkontrollierten Ausschütten von Gebinden auftretende Staubentwicklung und dadurch hervorgerufene Kontamination der Arbeitsumgebung zu reduzieren, indem die Arbeitsbühne um den Reaktor mit Folie ausgelegt wurde. Das Gefahrenpotenzial durch diese elektrische Isolation der Person durch nicht leitfähige Folie wird deutlich, wenn man bedenkt, dass selbst vornehmlich geringe Entladungen, welche jeder schon beim Berühren von Türklinken gespürt hat, ausreichend für die Zündung bestimmter Gas-/Luftgemische sind. Bei feinkörnigen und trockenen Pulvern ist darüber hinaus beim nicht automatisierten Beschicken die Explosionsgefahr durch aufgewirbelten Staub zu beachten. Zusätzlich bestehen zum Teil erhebliche Gesundheitsgefahren für das Produktionspersonal durch das Einatmen dieser Stäube. Gründe genug, ein spezielles, vollautomatisch arbeitendes Vakuumfördersystem einzusetzen, das sei- 1: Materialfluss bei einem Vakuumfördersystem, hier in Verbindung mit einer automatischen Gebinde-Entleerstation 56 CHEMIE TECHNIK, 30. Jahrgang, Nr.3 2: Vakuumförderer in Edelstahl-Modulbauweise auf einem Puffertrichter 3: Ermittlung der statischen Elektrizität an einem Aufgabetrichter nen Anwendern – bei vergleichsweise geringen Investitionskosten – eine drastische Verbesserung in Puncto Prozess- und Arbeitssicherheit bietet. te des Treibgasstrahls in dem mehrstufigen, energiesparenden Düsensystem sorgt auch bei hohen Unterdrücken und geringen Saugluftmengen (Pfropfenförderung) für eine gute Kühlung des Aggregats. Weiterhin kommen die Vakuumpumpen ohne drehende Teile, Lager und Schmierung aus. Heiße Oberflächen als Zündquelle für explosionsfähige Gemische scheiden also aus. Nebenbei sind die so konstruierten Pumpen auch wartungsfrei. Bei Vakuumförderern für den Ex-Bereich wird die druckluftbetriebene Vakuumpumpe mit den restlichen zur Förderung nötigen Baugruppen ebenfalls rein pneumatisch verknüpft. Steuerungs- und Funktionsunterstützungen – z.B. Entleerklappenbetätigung, Filterabreinigung, Fluidisierungshilfen, Saug-/Entleerzeitfunktionen – werden ebenfalls vom Druckluftnetz gespeist. Folglich kann bei diesen Vakuumfördersystemen die Fördereinrichtung selbst keine Zündquelle darstellen, da sie weder elektrische noch wärmegenerierende Bauteile enthält. Da durch die gasstrahlbetriebene, mehrstufige Vakuumpumpe nur Luft strömt (keine Produktberührung), treten am Vakuumerzeuger selbst auch keine elektrostatischen Aufladungen auf. Rein pneumatische Vakuumerzeugung Aus den oben aufgeführten Risiken ergeben sich die Anforderungen an das Pulvertransportsystem: Prinzipiell werden in der Vakuumfördertechnik mit Hilfe von Vakuumpumpen Abscheidebehälter evakuiert, in die dann über eine Förderleitung der Feststoff eingesaugt wird. Ist der Saugtakt abgeschlossen, entleert der Vakuumförderer über ein im unteren Bereich installiertes Austragsorgan direkt in die zu befüllende Einheit (Bild 1). Die Produktaufgabe erfolgt durch Absaugung entweder manuell mit Sauglanzen oder automatisch beispielsweise über Big-Bag-Entleerstationen. Bei speziell für den Ex-Bereich ausgelegten Vakuumfördersystemen befinden sich keine rotierenden Teile im Produktstrom. Anders als bei konventionellen Förderern üblich, ist eine große mechanische Reibung mit den Handikaps Erhitzung und Zermahlung des Fördergutes bei Vakuumförderern ausgeschlossen. Neben der noch zu betrachtenden Elektrostatik dürfen die einzelnen Baugruppen eines Vakuumförderers selbst natürlich auch keine Zündquelle darstellen. Die eingesetzten Multijector-Vakuumpumpen verzichten vollständig auf elektrische Bauteile. Bei diesen kinetischen Pumpen wird das Vakuum über einen Gasstrahl – in der Regel komprimierte Luft – erzeugt, so dass kein elektrischer Anschluss nötig ist. Die Expansionskäl- CHEMIE TECHNIK, 30. Jahrgang, Nr. 3 Elektrisch leitfähige Module werden geerdet In Bezug auf die Elektrostatik müssen allerdings die Bereiche Produktabsaugung, Förderleitung, Abscheidebehälter mit Filter und Produktaustrag unbedingt gesondert betrachtet werden. Bei der Konstruktion spezieller Abscheidebehälter für Vakuumförderer in Edelstahl-Modulbauweise wird ins- 57 SPECIAL SICHERHEITSTECHNIK besondere auf eine durchgehende elektrische Leitfähigkeit geachtet. Die fast unendlichen Kombinationsmöglichkeiten zur optimalen Lösung der fördertechnischen Aufgabenstellung stellen bei Erdung somit auch für den Ex-Bereich eine sichere Variante dar (Bild 2). Alle Module werden bei der Montage so miteinander verbunden, dass nur ein zentraler Erdungsanschluss benötigt wird. Gegenüber einem „starren“ Behälterkonzept besitzt die flexible Modulkonstruktion ein geringeres Gewicht und ist einfach zu zerlegen und zu reinigen. So können z.B. standardisierte Schleusen zum sicheren Einbringen des Fördergutes in Reaktoren einfach adaptiert werden. Die Filteraufnahme ist ebenfalls elektrisch leitfähig in den Abscheidebehälter integriert. Das Baukastenprinzip ermöglicht es, unterschiedliche Filterwerkstoffe und -bauformen inklusive der elektrisch leitfähigen Materialien einzusetzen. Als Werkstoff für die Förderleitung kommt entweder Edelstahl oder ein elektrisch leitfähiger, vakuumfester Saugschlauch zum Einsatz. Bei Verwendung von Schläuchen mit Drahtspirale ist diese unbedingt an beiden Enden zu erden. Messungen und Versuche vor der Installation Die bisher beschriebenen konstruktiven Merkmale sind allgemein gültig und sollten bei jeder Installation berücksichtigt werden. Konkrete Aussagen sind jedoch nur für den individuellen Anwendungsfall möglich. Zur Einschätzung des Explosionsrisikos durch statische Elektrizität ist es notwendig, die Peripherie des Vakuumförderers genau zu ken- 58 KOMPAKT Schüttguttransport im Ex-Bereich Selbst heute noch werden Schüttgüter häufig – sogar in explosionsgefährdeten Bereichen – manuell um- und abgefüllt oder transportiert. Die dabei zwangsläufig entstehenden Gesundheits- sowie Explosions- oder Zündgefahren werden oft übersehen. Eine sicherere, ergonomischere und ökonomischere Methode ist die pneumatische Vakuumförderung. Ein geeignetes System mit der Multijector-Vakuumpumpe stellt nicht nur selbst keine Zündquelle dar – als Energiequelle wird ausschließlich Druckluft eingesetzt – sondern ist auch aus leitfähigen Modulen konstruiert, die geerdet werden. Umfangreiche Versuche und Messungen mit dem zu transportierenden Schüttgut zeigen vor einer Installation, wo Anwender und Hersteller bei der Auslegung besondere sicherheitstechnische Maßstäbe anlegen müssen. nen. Insbesondere spielen hierbei die Produktauf- und -abgabe eine Rolle. Der Hersteller des Fördersystems bietet als Serviceleistung an, zusammen mit unabhängigen Institutionen spezielle, anwendungsbezogene Messungen durchzuführen. Bild 3 zeigt beispielsweise, wie die elektrostatische Aufladung eines Kunststoffgranulats vor der pneumatischen Vakuumförderung ermittelt wird. Dieser Wert wird mit dem nach der Förderung verglichen. Pulverige Feststoffe zur Klebstoffherstellung wurden z.B. mit diesem Vakuumfördersystem 5 m vertikal und 20 m horizontal transportiert. Bei Schüttdichten zwischen 0,2 und 0,8 kg/dm³ betrug die maximale Förderleistung 2 800 kg/h. Nach dem pneumatischen Transport wurden lediglich geringe Ladungsdichten ermittelt, die um den Faktor 55 unter den in der Literatur angegebenen kritischen Werten für die Durchschlagsfeldstärke lagen. Ein weiteres interessantes Ergebnis dieser Untersuchungen ist auch, dass daher der Abscheider nicht druckstoßfest ausgelegt sein muss. Dies birgt enorme Einsparungspotenziale bei der Anschaffung des Pulvertransportsystems. In einem anderen Fall wurde zuvor palettenweise Sackware mit Gabelstaplern im Ex-Bereich transportiert und dann manuell in Rührkessel eingebracht. Neben der erhöhten Sicherheit und Sauberkeit in der Produktion konnten durch Verwendung der beschriebenen Vakuumförderer die Investitionskosten drastisch reduziert werden, da das Pulver durch die automatisierte Vakuumförderung jetzt direkt vom Lager zur Produktion transportiert wird. Damit waren die teuren Gabelstapler mit Ex-Zulassung überflüssig. Um in ähnlicher Weise andere chemischpharmazeutische Produktionsprozesse zu optimieren, stellt der Hersteller interessierten Anwendern eine Förderversuch-Datenbank und Gutachten zum Einsatz der Vakuumförderer in explosionsgefährdeten Bereichen zur Verfügung. Info CT 605 CHEMIE TECHNIK, 30. Jahrgang, Nr.3
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