Rede anlässlich der Graduierungsfeier der Hochschule Heilbronn 26. Oktober 2015 Liebe Studentinnen, liebe Studenten, Glückwunsch zum Abschluss Ihres Studiums. Ich kann mich sehr gut in Sie hineinversetzen, denn ich weiß noch, wie ich mich vor 34 Jahren gefühlt habe, als ich mit dem Diplom in der Tasche die Fachhochschule verlassen habe. Da ich mich an der Fachhochschule befinde, nutze ich die Gelegenheit, Ihnen eine letzte Vorlesung über betriebswirtschaftliche Themen zu halten. Ich möchte 2 Themen aufgreifen, zu denen ich mich als Stabsoffizier, Manager in verschiedenen Unternehmen sowie buddhistischer Zentrainer qualifiziert habe. Das sind die Themen „Karriere“ und „Mitarbeiterführung“. Zur Karriere 2 kleine Tipps. Ich gebe keine Ratschläge, denn auch Ratschläge sind Schläge. 1. Vermasseln Sie es nicht in der ersten Woche! Ich gebe jedem neuen Mitarbeiter den Hinweis, sich an die sogenannte 100-TageRegel zu halten, die besagt, dass man sich die ersten 100 Tage in der neuen Funktion am besten sehr bedeckt hält und insbesondere keine Meinung über das Unternehmen äußert, bevor Sie Abläufe, Kollege, Stratgie und Firmenkultur verstanden haben. Wer freundlich zu Ihnen ist, muss nicht unbedingt Ihr Freund sein und wer anfänglich kalt und abweisend ist, muss auch nicht Ihr Feind sein. Und bedenken Sie, ein Organigramm spiegelt niemals die Struktur eines Unternehmens wider. 1 2. Kuscheln Sie nicht mit den Mächtigen! Vermeiden Sie Abhängigkeiten. Karrieren, die auf wenige Fürsprecher bauen, werden scheitern. Auch die Mitgliedschaft in einer Seilschaft nach dem Motto „Herr Kollege, darf ich Ihnen beim Aufstieg helfen?“ ist wenig hilfreich, denn die Vorgesetzten könnten erkennen, dass diese Seilschaft ein Flaschenzug ist nach dem Motto, man stellt eine Flasche ein, weitere Flaschen werden nachgezogen. Meinen größten Karriereschritt habe ich gemacht, als ich gar nicht im Unternehmen war. Ich hatte das Unternehmen verlassen, um in einer neuen Position als Geschäftsführer weiter zu kommen. In dieser Zeit wurde mein Chef gechast, man brauchte schnell einen Nachfolger und so kam ich in meine jetzige Funktion. Getreu dem Spruch von Machiavelli, dem großen Theoretiker der Macht: „Halte Dich so fern von den Mächtigen, dass Du bei ihrem Sturz nicht mitgerissen wirst und sei so nah dran, dass Du auf die Trümmer steigen kannst.“ Wichtiger ist es vielmehr, viele Kontakte aufzubauen. Merken Sie sich schnell die Namen der neuen Kollegen, lächeln Sie, zeigen Sie echtes Interesse an den Menschen und bieten Sie Nutzen. Nach dem Gesetz von Ursache und Wirkung, dem Karma, fällt alles Gute, was wir tun, auf uns zurück. Wenn nicht in diesem, dann in einem der nächsten Leben. Oder salopp gesagt: „Sei freundlich zu allen Menschen, es könnte Dein Chef werden. Und sei freundlich zu allen Menschen bei Deinem Aufstieg, denn Du könntest ihnen bei Deinem Abstieg wieder begegnen.“ Aus buddhistischer Sicht ist es sowieso immer sinnvoll, zu allen Menschen freundlich zu sein. Der Aspekt der Führung: Hierzu eine kleine Geschichte aus meiner militärischen Laufbahn. Ich war der Kommandeur eines Panzerbattaillons während einer Großübung, die Schlacht tobte, ich stand an der Lagekarte, schrieb Befehle, machte Eintragungen in die Karte und führte über Funk 5 Einheiten einschließlich Luftwaffe und Artillerie. Ich agierte und arbeitete hektisch und kam mir vor, wie Rommel bei der Schlacht von El Alamein. Auf einmal stellte ich fest, dass ich völlig alleine war. Ich drehte mich um und mein gesamter Stab saß in einer Ecke, bewusst provozierend rauchend, kaffeetrinkend und die Beine auf dem Tisch. Ich fragte: „Was ist denn los? Wilder Streik?“ Daraufhin sagte lächelnd mein Stellvertreter: „Herr Oberstleutnant, wenn Sie unseren Job machen, dann machen wir Ihren.“ 2 Aus dieser Episode habe ich folgende Lehren gezogen: Keine operative Hektik. Wer selbst arbeitet, verliert die Übersicht. Konzentrieren Sie sich auf Ihre Führungsaufgabe. Mitarbeiter lösen die Probleme der Vorgesetzten, nicht umgekehrt. Und, dies war meine wichtigste Lehre an der Fachhochschule im Fachbereich Personal: Delegieren, aber richtig! Stichwort: A, K, V. Aufgabe, Kompetenz, Verantwortung. Stellen Sie Ihren Mitarbeitern eine klare Aufgabe, geben Sie ihm die Kompetenz, diese Aufgabe zu erledigen, dann kann er auch die Verantwortung für die Aufgabe übernehmen. Der nächste wichtige Aspekt ist Vertrauen. Vertrauen Sie Ihren Mitarbeitern gemäß dem Spruch des amerikanischen Panzergenerals Patton: „Sag Deinen Mitarbeitern nicht, was Sie machen sollen, sondern sag Ihnen, was zu tun ist und Du wirst über ihren Einfallsreichtum überrascht sein.“ Ein Buch, das mich meine ganze Karriere über begleitet hat, ist der Minutenmanager von Banchard/Johnson. Es beschreibt auf 48 Seiten, wie man richtig führt: 1. Ein klares Ziel setzen, das man in 1 Minute aussprechen kann oder am besten auf einer DIN-A-4-Seite formuliert. 2. Bei guten Leistungen konkret loben, indem man sich konkret auf die Aktivität des Mitarbeiters bezieht und zeigt, wie man sich über die gute Leistung freut. 3. Konkret kritisieren: Ansprechen, was nicht gut gelaufen ist, Hilfestellung geben, damit sich solche Fehler nicht wiederholen. Mitarbeiter, die Fehler machen, werden klüger und kluge Mitarbeiter sollte man beschäftigen. Kontrollieren Sie Ihre Kontrollwut. Der Satz „Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser. Am besten ist kontrollierte Kontrolle.“ ist meines Erachtens völliger Quatsch. Ich habe mich immer darauf konzentriert, meine Mitarbeiter bei guten Leistungen quasi zu „erwischen“, um dann konkret Lob und Anerkennung auszusprechen. Lob, Anerkennung, Wertschätzung sind viel wichtiger als Prämien und Boni - und auch billiger. 3 Zum Schluss einige Worte zur Intuition: Zu Beginn der Karriere versucht man, Schätze aus der Zeit der Ausbildung und des Studiums ins Berufsleben hinüberzuretten. Wir glauben, dass wir mit unserem angehäuften Wissen aktuelle Probleme lösen können. Vermeintlich erfahrene Manager glauben, mit den Lösungen der Vergangenheit und erprobten Methoden die Zukunft zu bewältigen. Beides führt nicht zum Erfolg. Im ständigen rasanten Wandel unserer Wirtschaft, im ständigen Wandel von Anforderungen, kann nur Intuition helfen, indem wir das Potential des Augenblicks erkennen. Hierzu eine kleine Zen-Geschichte: Ein Zen-Lehrer fragte seine Schüler: „Wie lange dauert das Leben?“ Der eine sagte: „Bis man stirbt.“ Der andere: „ca. 70 Jahre.“ Daraufhin lächelte der Lehrer und sagte: „Nein, unser Leben währt nur einen Atemzug. Der vorherige Atemzug ist vorbei und besteht nur noch in unserer Erinnerung und ob wir einen zukünftigen machen, das wissen wir leider nicht.“ Unser Leben ist nur dieser eine Augenblick – hier und jetzt. Deshalb müssen wir unsere gesamte Energie in die Bewältigung der Gegenwart stecken. Viel zu viele Menschen reflektieren die Vergangenheit und hoffen auf die Zukunft. Dabei vergessen sie die Gegenwart. Wichtig ist es, Prioritäten zu setzen. Hier ist sehr hilfreich der alte Pareto mit seiner 80/20-Regel, die besagt, das in 20 % der Zeit 80 % der Arbeit geleistet wird, in 20 % der Zeitung 80 % der Informationen stecken, dass 20 % der Kunden 80 % des Umsatzes machen. Um Prioritäten richtig zu definieren, hilft die ABC-Analyse oder das berühmte Diagramm des Generals und späteren amerikanischen Präsidenten Eisenhower. Auf der X-Achse tragen wir den Aspekt „wichtig“ ab und auf der Y-Achse den Aspekt „dringlich“. Wichtig ist unsere Familie, unsere Gesundheit, unsere Freunde, natürlich die Erreichung unserer Ziele, auch der Erreichung der Unternehmensziele. Dringlich ist der Aspekt, der meist von außen auf uns zukommt. Der Chef will irgendetwas haben, ein Kunde reklamiert. 4 Und nun müssen wir an jede Aufgabe die Frage stellen, ist sie wichtig? Ist sie dringlich? A-Priorität wichtig und dringlich: Diese Aufgabe selber machen. B-Priorität wichtig, nicht dringlich: terminieren, selber machen. C-Prioritätdringlich und nicht wichtig: delegieren. Nicht wichtig, nicht dringlich: Hierzu steht das wichtigste Organisationsmittel unter Ihrem Schreibtisch, der Papierkorb. Vermeiden Sie abschweifende Gedanken Lassen Sie Gedanken, die kommen, einfach wie weiße Wolken vorbeiziehen. Zeigen Sie Präsenz. Konzentrieren Sie sich auf die Gegenwart. Konzentrieren Sie sich im Gespräch ganz auf Ihren Gesprächspartner, so dass er den Eindruck gewinnt, er sei der wichtigste Mensch auf der Welt. Und das ist er auch in diesem Augenblick. Das versetzt uns in die Lage, zu erkennen, was wirklich los ist, welche Bedürfnisse das Gegenüber hat und Sie werden dann den genauen Augenblick erkennen, wann sich Ihr Preis, Ihr Preisangebot, Ihr Argument oder Ihre Bemerkung setzen können. Schlagen Sie dann kurz zu wie ein Samurai. Wenn Sie diese Geisteshaltung trainieren – abschweifende Gedanken vermeiden, Fokus auf die Gegenwart – dann wird Ihre Intuition verbessert. Sie können immer häufiger aus dem Bauch entscheiden und werden feststellen, dass Ihre Entscheidungen immer besser werden. Vertrauen Sie auf Ihre Intuition. Dazu und für Ihren Berufsstart wünsche ich Ihnen viel Glück und schließe mit den Worten des Buddha: „Es gibt keinen Weg zum Glück. Glücklichsein ist der Weg.“ 5
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