Strahlenschutzvorlesung Abschirmung ionisierender Strahlung Christoph Döring 20.11.2015 Christoph Döring Abschirmung Christoph Döring 20.11.2015 Christoph Döring Abschirmung Es ist bei der Abschirmung von ionisierender Strahlung prinzipiell zwischen der Abschirmung geladener und neutraler (Teilchen–) Strahlung unterschieden werden. 1. Abschirmung geladener Teilchen (a, b) 2. Abschirmung neutraler Strahlung (g, n) Christoph Döring 20.11.2015 Christoph Döring Abschirmung geladener Teilchen (a, b Teilchen) Wechselwirkung mit dem Abschirmmaterial → Energieabgabe durch Ionisations- und Anregungsprozesse → endliche Reichweite Rmax(E) und damit eine minimale Dicke dmin ab der keine Primärstrahlung mehr durchkommt. dAbsorber > Rmax ≤ dmin → Dprimär = 0 Durch die Abbremsung der Teilchenstrahlung im Absorber entsteht jedoch immer mehr oder weniger Sekundärstrahlung (Bremsstrahlung) Christoph Döring 20.11.2015 Christoph Döring Abschirmung geladener Teilchen (a, b Teilchen) Abschirmung von a-Strahlung: Energie der Alpha-Teilchen in MeV 1 3 4 6 8 10 Reichweite der Alpha-Strahlung in Luft Muskelgewebe Aluminium 0,3 cm 4 µm 2 µm 1,6 cm 16 µm 11 µm 2,5 cm 31 µm 16 µm 4,6 cm 56 µm 30 µm 7,4 cm 91 µm 48 µm 10,6 cm 130 µm 67 µm Eine Abschirmung gegen a–Strahlen ist entbehrlich. a–Strahlen werden aufgrund der geringen Reichweite in Materie bereits durch die Kleidung bzw. die tote Hornhautschicht der Haut absorbiert. Eine direkte Kontamination der Körperoberfläche muss dennoch unbedingt vermieden werden, wegen der Gefahr der Inkorporation. Biologischen Wirksamkeit von a–Strahlung im Gewebe (Strahlenwichtungsfaktor wR = 20). 20.11.2015 Christoph Döring Christoph Döring Abschirmung geladener Teilchen (a, b Teilchen) b-Strahlung d1 d2 Eine Abschirmung für b–Strahlung sollte aus einer dicken Abschirmung aus leichtem Material (keines Z -> schwache WW, wenig Bremsstrahlung) plus einer dünnen Abschirmung aus schwerem Material bestehen. Im leichten Material wird die b–Strahlung vollständig absorbiert (d1 > Rmax) und dabei wird (wenig) sekundäre Strahlung erzeugen. Im schweren Material soll die erzeugte Brems-/ Sekundärstrahlung absorbiert werden (großes Z). Christoph Döring 20.11.2015 Christoph Döring Abschirmung geladener Teilchen (a, b Teilchen) b-Strahlung Faustformel: b-TeilchenEnergie 0,01 MeV 0,1 MeV 1 MeV 2 MeV 10 MeV 20 MeV 𝐸𝑚𝑎𝑥 (in MeV) 𝑅𝑚𝑎𝑥 (in cm) = g 2𝜌 (in 3 ) cm Reichweite in Luft (r = 0,0013 g/cm3) 3,8 cm 38 cm 3,84 m 7,70 m 39 m 77 m Körpergewebe Al (r = 2,7 g/cm3) 0,0025 mm 0,16 mm 4,75 mm 11,1 mm 60,8 mm 123 mm 18 µm 0,02 mm 1,85 mm 3,7 mm 18,5 mm 37 mm Christoph Döring 20.11.2015 Christoph Döring Zwischenfazit • Abschirmungen gegen direkt ionisierende Strahlungsarten wie Elektronen, Positronen oder Protonen sollten aus Niedrig-Z-Materialien bestehen, um die vor allem bei leichten Teilchen entstehende Bremsstrahlungsausbeute zu minimieren. • Die Materialstärken müssen mindestens der maximalen Reichweite der geladenen Teilchenstrahlungen im jeweiligen Material entsprechen. • Die bei den Wechselwirkungen geladener Teilchen entstehenden Sekundärstrahlungen wie Bremsstrahlung, Fluoreszenzstrahlung oder Vernichtungsstrahlung müssen mit zusätzlichen Abschirmungen aus Hoch-Z-Materialien vermindert werden. • Die richtige Anordnung der Abschirmungen von Betastrahlungen ist: Strahler -> Niedrig-Z-Material -> Hoch-Z-Abschirmung Christoph Döring 20.11.2015 Christoph Döring Abschirmung neutraler Teilchen Abschirmung elektrisch neutraler Teilchen Die Abschirmung neutraler Strahlung ist niemals vollständig möglich. Die Intensität der Strahlung kann jedoch durch entsprechendes Material und durch eine entsprechend große Abschirmdicke dAbs beliebig reduziert werden. Für die Dosis gilt: Dmax ≤ DToleranz wenn dAbs ≥ dmin Für Abschirmberechnungen ergeben sich daher meist folgende Fragestellungen: ? Reicht eine vorhandene Abschirmung aus, um bei der betreffenden Strahlungsquellstärke (Aktivität) die Einhaltung der vorgegebenen Dosis-Grenzwerte DToleranz zu gewährleisten? ? Wie stark und aus welchem Material bzw. Materialkombination muss die Abschirmung sein, um diese vorgegebenen Grenzwerte einzuhalten? Christoph Döring 20.11.2015 Christoph Döring Abschirmung neutraler Teilchen Es müssen verschiedenen Strahlungsanteile bei der Abschirmungsberechnung berücksichtigt werden: 1) durchgehende Strahlung 2) im Abschirmmaterial absorbierte Strahlung 3) gestreute Strahlung 3a) im Abschirmmaterial heraus gestreute Strahlung, die durch den Streueffekt nicht die Person trifft 3b) im Abschirmmaterial erzeugte aufgebaute „Sekundär“– Strahlung, die aufgrund der Streuung die Person trifft 3c) in der Umgebung (im Boden) aufgebaute Sekundär–Strahlung, die aufgrund der Streuung die Person trifft 20.11.2015 Christoph Döring Christoph Döring Abschirmung g-Strahlung Nur für elektromagnetische Wellenstrahlung (g-Strahlung) ist es üblich detaillierte Abschwächungsrechnungen durchzuführen. Die gesamte Dosisleistung 𝐷 𝑔𝑒𝑠 der eine Person im Abstand r zu Quelle ausgesetzt ist, ergibt sich aus der Summe der Dosisleitungen aller von der Quelle emittierten Photonenenergien: 𝐷 𝐸 𝑔𝑒𝑠 = 𝐷(𝐸) 𝐸 In der Praxis genügt es in der Regel die durchdringendste (im Allg. die höchste) Energie zu betrachten. Christoph Döring 20.11.2015 Christoph Döring Abschirmung g-Strahlung Die Dosisleistung 𝐷 wird als Funktion der Aktivität A einer Quelle im Abstand r berechnet und dabei die Schwächung exp(-µd) der Strahlung in einem Absorber der Dicke d sowie ggf. den Aufbaufaktor B(E) der Abschirmung berücksichtigt. 𝐷(𝐸) = 𝑑𝐷 𝑑𝑡 =𝐴∙ 𝐵 𝐸,µ,𝑑 𝑘(𝐸) −𝜇𝑑 𝑒 4𝜋∙𝑟 2 k(E): Dosisleistungskoeffizient für Photonen der Energie E - [Sv ∙ m2 ∙ Bq-1 ∙h-1] µ (E): linearer Schwächungskoeffizient für Photonen der Energie E für das verwendetet Material [cm-1] (tabelliert) B(E,µ,d) für Energie E < 500 keV kann B mit einem Aufschlag von 20% auf die Abschirmdicke berücksichtigt werden. Für größere Energien muss mit B(E,µ,d) gerechnet werden. Beachte: 1/r2 Abfall mit dem Abstand Überproportionaler (exp.-) Abfall mit der Abschirmdicke d Christoph Döring 20.11.2015 Christoph Döring Abschirmung g-Strahlung Beispiel: Co60-Strahler mit A = 1 GBq. Welche Dosisleistung ist in 2 m Abstand zu erwarten, wenn die Eisenabschirmung eine Dicke d = 10 cm hat? G(E) = k(E)/4p = 0,35 mSv ∙ m2 Bq-1 h-1 µ /r = 0,052 cm2/g r FE= 7,87 g/cm3 µ ∙ d = 0,05 cm2/g ∙ 7,87 g/cm3 ∙10 cm= 3,9 B(E = 1,33 MeV, µ ∙ d = 4,1) = 5 𝐷(𝐸) = 1𝐺𝐵𝑞 ∙ 5 ∙0,35 𝑚𝑆𝑣 𝑚2 𝐺𝐵𝑞 ∙ℎ 4 𝑚2 e-4,1 = 7,25 µ𝑆𝑣 ℎ Christoph Döring 20.11.2015 Christoph Döring Massenschwächungskoeffizient Christoph Döring M.J. Berger, J.H. Hubbell, S.M. Seltzer, J. Chang, J.S. Coursey, R. Sukumar, D.S. Zucker, and K. Olse 20.11.2015 NIST Standard Reference Database 8 (XGAM) NIST, PML, Radiation and Biomolecular Christoph Döring Physics Divisio Abschirmung g-Strahlung Beispiel: Co60-Strahler mit A = 1 GBq. Welche Dosisleistung ist in 2 m Abstand zu erwarten, wenn die Eisenabschirmung eine Dicke d = 10 cm hat? G(E) = k(E)/4p = 0,35 mSv ∙ m2 Bq-1 h-1 µ /r = 0,052 cm2/g r FE= 7,87 g/cm3 µ ∙ d = 0,05 cm2/g ∙ 7,87 g/cm3 ∙10 cm= 3,9 B(E = 1,33 MeV, µ ∙ d = 4,1) = 5 𝐷(𝐸) = 1𝐺𝐵𝑞 ∙ 5 ∙0,35 𝑚𝑆𝑣 𝑚2 𝐺𝐵𝑞 ∙ℎ 4 𝑚2 e-4,1 = 7,25 µ𝑆𝑣 ℎ Christoph Döring 20.11.2015 Christoph Döring Absorptionsmechanismen Der lineare Schwächungskoeffizient µ setzt sich zusammen aus : m=t+s+k dem Absorptionskoeffizienten t (Photoeffekt–Koeffizient), dem Streukoeffizienten s und dem Paarbildungskoeffizienten k Die Photoeffektabsorption t (ein Atom oder ein Hüllenelektron des Absorbers wird durch das Photon ionisiert/angeregt) bildet i. d. R. (EPh < 1 MeV) den Hauptabsorptionsmechanismus. Der Streukoeffizient s wiederum setzt sich additiv aus den drei Anteilen, klassischer Rayleigh–Streuung sR, Comptonstreuung sCs und der Comptonabsorption sCa zusammen. Die Paarbildung -> ein Photon erzeugt zwei Elektronen - ist erst für EPh > 1 MeV relevant! Christoph Döring 20.11.2015 Christoph Döring Absorptionsmechanismen Der lineare Schwächungskoeffizient µ setzt sich zusammen aus : m=t+s+k dem Absorptionskoeffizienten t (Photoeffekt–Koeffizient), dem Streukoeffizienten s und dem Paarbildungskoeffizienten k Christoph Döring 20.11.2015 Christoph Döring Praktischer Strahlenschutz Häufige Fragenstellung: Wie dick muss die Abschirmung sein, um die Häfte, 1/10, 1/100 der Ausgangsdosisleistung hinter der Abschirmung zu haben ? (Abstand r bleibt unverändert und ein Absorber der Dicke d wird eingebracht) 𝑑𝐷 𝐵 𝐸, µ, 𝑑 𝑘(𝐸) −𝜇𝑑 𝐷(𝐸) = =𝐴∙ 𝑒 2 𝑑𝑡 4𝜋 ∙ 𝑟 vereinfacht (das Absorbtionsgesetz): 𝐷(𝑑) = 𝐷(𝑑 = 0) 𝑒 −𝜇𝑑 𝐷 𝑑 = Forderung: 𝑒 −𝜇𝑑 = 1 2 ln −𝜇𝑑 = 𝑑 1/10 = ln 10 / 𝜇 20.11.2015 1 2 1 2 𝐷(𝑑 = 0) 𝑑1/2 = − ln 𝜇 𝑑1/100 = ln 100 / 𝜇 1 2 = ln 2 𝜇 Christoph Döring Christoph Döring Praktischer Strahlenschutz r g/cm3 Al 2,7 Cu 8,9 Pb 11,3 W(Ka) 60 keV µ/r cm2/g 0,3 1,5 5 d 1/2 mm 10 0,6 0,1 d 1/100 mm 67 4 0,8 Co 60 1,33 MeV µ/r d 1/2 cm2/g mm 0,05 48 0,05 15 0,05 12 d 1/100 mm 320 98 82 Christoph Döring 20.11.2015 Christoph Döring Abschirmung von Neutronen Eine Absorption von Neutronen ist sinnvoll nur für solche mit relativ niedriger Energie möglich (Berechnung schwierig). Aufgrund der fehlenden elektrischen Wechselwirkung werden zur Absorption von Neutronen-Strahlung mehrschichtig aufgebaute Absorber-Materialien verwendet. Christoph Döring 20.11.2015 Christoph Döring Abschirmung von Neutronen Zuerst muss die Energie der Neutronen reduziert (moderiert) werden. Aufgrund der praktischen Massengleichheit von Neutronen und Protonen (Wasserstoffkerne), kommt es bei einem Stoß beider zu einer sehr effektiven Energieübertragung. Als Abbremsschicht eignen sich Stoffe die viele Wasserstoffatome enthalten – z.B. Polyäthylen, Paraffin oder Wasser. In einer 2. Schicht werden die abgebremsten (thermischen) Neutronen mit Bor- oder Cadmium-haltigen Stoffen eingefangen . Es entsteht Bremsstrahlung. Diese g-Strahlung wird in einer 3. Schicht, z.B. aus Blei, abgeschwächt Christoph Döring 20.11.2015 Christoph Döring Zusammenfassung • Abschirmungen gegen direkt ionisierende Strahlungsarten (b) wie Elektronen, Positronen oder Protonen sollten aus Niedrig-Z-Materialien bestehen, um die vor allem bei leichten Teilchen entstehende Bremsstrahlungsausbeute zu minimieren. • g-Strahlung (auch Sekundärstrahlung bei der b-Teilchen) müssen mit Abschirmungen aus Hoch-Z-Materialien vermindert werden. • n-Strahlung durchdringt Materie im Allgemeinen leicht, weil ihre Wechselwirkung nur mit den Atomkernen, nicht mit der Elektronenhülle erfolgt. Thermische Neutronen können mit bor- oder cadmiumhaltigen Materialien sehr wirksam abgeschirmt werden. Entstehende g-Strahlung wird mit Hoch-Z-Materialien abgeschwächt. Christoph Döring 20.11.2015 Christoph Döring
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