Genauigkeit in der direkten Feststoffanalyse

Traktat über die "Treffsicherheit" bei der Spurenanalytik
in dem gezeigt wird, dass ein gerechter Vergleich der Analyse nach
Aufschluß und der direkten Feststoffanalyse mit GF-AAS nur möglich ist,
wenn die Unsicherheit der Meßergebnisse ehrlich ermittelt wird.
von Ulrich Kurfürst
Eine Episode zur Einführung in das
Thema
Auf dem "1. Feststoff-Colloquium" in Wetzlar 1984 berichteten die ersten mutigen Anwender des legendären Feststoff-AAS
"SM1" (Grün-Optik) über ihre Arbeit mit der
direkten Feststoffanalyse. Alle Beteiligten
empfanden eine gewisse Euphorie bezüglich der Zukunft der "neuen Methode". Bei
der Abschlußdiskussion antwortete aber
dann ein junger Analytiker, der gerade über
Aufschlußverfahren promoviert hatte, auf
meine Frage, wie er jetzt die Feststoffanalytik einschätzen würde: "Ach wissen Sie,
in der Aufschlußanalytik erreichen wir
mit den modernen Autosamplern heute
Genauigkeiten um 1%, ... da sind doch
die Werte der Feststoffanalytik noch
weit von entfernt."
Schlagartig ernüchtert wurde mir klar, daß
trotz aller überzeugenden Ergebnisse und
Anwendungen, der Weg zur Akzeptanz der
Feststoffanalyse noch lang und steinig werden würde. Es war offensichtlich zu verführerisch, die sehr gute Wiederholbarkeit
von Einzelmessungen "aus einem Töpfchen", als entscheidendes Qualitätsmerkmal für das Analysenergebnisses zu
Genauigkeit:
nehmen. Einem solchen Vergleich konnten
die Einzelergebnisse der Feststoffanalyse
tatsächlich nicht standhalten, da sie doch
eine Standardabweichung um typ. 10%
aufweisen, die hauptsächlich durch die Inhomogenität der Laborprobe hervorgerufen
wird und die deshalb nicht wesentlich verringert werden kann [1].
Was ist denn eigentlich "Genauigkeit"?
Kritische Spurenanalytiker sahen natürlich
auch damals schon, daß es mit solch beeindruckender Genauigkeit, sofort vorbei
ist, wenn die Mittelwerte aus "mehreren
Töpfchen", d.h. von verschiedenen Aufschlüssen der gleichen Probe, verglichen
werden. Dann liegen die Streuungen oft
schon in der gleichen Größenordnung wie
die der Feststoffanalyse.
Die Unklarheit worin die Qualität eines
Analysenergebnisses liegt, spiegelte sich
auch in der Konfusion wieder, die damals
mit der Verwendung von Begriffen wie
Genauigkeit,
Richtigkeit,
Streuung,
Abweichung, Wiederholbarkeit, Präzision,
Variationskoeffizient,
Reproduzierbarkeit
u.a. verbunden war.
Übereinstimmung zwischen dem Meßergebnis
und einem akzeptierten Referenzwert
Þ Genauigkeit wird beeinflußt von der Richtigkeit und der Präzision der Messung
Richtigkeit:
Übereinstimmung zwischen dem Durchschnitt einer großen
Zahl von Meßwerten und einem akzeptiertem Referenzwert
Þ (Un-) Richtigkeit wird üblicherweise als Abweichung angegebent
Þ Feste Abweichungen sind Folge systematischer Effekte
Präzision:
Übereinstimmung zwischen unabhängigen Meßwerten
(Stichproben)
Þ Präzision wird in einem Streumaß ausgedrückt z.B. als Standardabweichung
Þ (Un-) Präzision ist die Folge zufälliger Effekte
Die Klärung der analytischen Bedeutung
dieser Begriffe schlug sich Anfang der 90er
Jahre in internationalen Normen nieder [z.B.
ISO/DIN 5725].
Die Tabelle gibt eine Charakterisierung der
entsprechenden Definitionen. Der Begriff
Genauigkeit beschreibt - einfach ausgedrückt - der Grad der Übereinstimmung
von Analysenergebnissen mit dem "richtigen Wert", diese wird durch (Un-) Richtigkeit und (Un-) Präzision beeinträchtigt.
Zur Verdeutlichung der Zusammenhänge
dieses zentralen "Begriffstrippels" wird häufig das Bild von Einschüssen auf einer Zielscheibe verwendet mit den vier möglichen
Kombinationen von Richtigkeit und Präzision. wie sie die Skizzen oben zeigen.
Es gibt allerdings gravierende Unterschiede
zwischen der Durchführung einer Analyse
und dem Scheibenschießen:
Im Schützenverein wird nur der Schütze 1
Schützenkönig werden. Da die Summe der
Einzeltreffer gezählt wird, käme niemand
auf die Idee die Scheibe von Schütze 2
auch als "genau getroffen" zu bezeichnen.
Eher wird der Schütze 3 gewürdigt, und nur
bedauert, daß er ein verzogenes Gewehr
hat.
Da aber ein Analysenergebnis der Durchschnitt aus den "Einzeltreffern" (Mittelwert)
ist, muß eine höhere Streuung nicht
zwangsläufig eine schlechtere Genauigkeit
bedeuten. Also: Das Ergebnis von Schütze
2 ist zwar unpräziser, aber - als Mittelwert
der Einschüsse gewertet - ebenfalls richtig,
und bei ausreichend vielen Schüssen ist es
auch genau!
Offensichtlich ist Schütze 1 aber doch "besser" als Schütze 2! Das Gemeinsame
(beide richtig) und das Unterschiedliche (?)
kann demnach mit der Analogie der Zielscheiben nicht erkannt werden
Vertrauen ist gut ...
Dieses scheinbare Paradoxon kann mit
dem Konzept "Vertrauensbereich (VB)"
aufgelöst werden. Liegen beispielsweise bei
zwei Analysengängen gleich viele Stichproben (n) vor, ist natürlich der Mittelwert
( x ) bei kleiner Standardab-weichung (s)
"sicherer" und der Vertrauensbereich kleiner (Scheibe 1) als der gleiche Mittelwert
mit schlechterer Präzision (Scheibe 2).
Die "Statistik", mit der ein Bereich geschätzt
wird, in dem mit einer gewählten Sicherheit
(z.B. 1-a=95%) der "wirkliche Wert" im
Verhältnis zum gemessenen Mittelwert liegt,
ist bekanntlich gegeben durch:
x ± ( t df ,a ´
s
)
n
Anmerkung:
Der Begriff "Vertrauensbereich" ist natürlich ein
Euphemismus, da mit diesem gewissermaßen
das berechtigtes Mißtrauen in den gemessenen
Mittelwert ausgedrückt wird! Das neue Konzept
von ISO/DIN [5] und EURACHEM [6] das weiter
unten vorgestellt wird, und nach dem immer
Meßwert und zugehörige Unsicherheit angegeben werden sollen, trägt dem auch begrifflich
Rechnung.
2
Offensichtlich ist der VB nicht nur von der
Standardabweichung - also von der Präzision - sondern auch stark von der Anzahl
der Stichproben abhängig, die zusätzlich
auch die Größe des Student-Faktors t bestimmt (Freiheitsgrad df).
Wie sehen nun typische Vertrauensbereiche bei der Spurenanalyse fester Proben
mit atomspektrometrischen Methoden aus?
Werden feste Proben vor der Analyse chemisch
aufgeschlossen
("Aufschlußanalytik"), bedeutet jede (echte) Stichprobe
einen erheblichen Aufwand an Arbeit, Zeit,
Geräteeinsatz, Verbrauch von Chemikalien
und Energie. Deshalb muß man sich in der
Routineanalytik häufig mit einer "Doppelbestimmung" (n=2) begnügen; nur wenn
viel Zeit und Geld zur Verfügung stehen
werden auch schon mal 5 Aufschlüsse pro
Probe durchgeführt (z.B. Validierung).
In unserer Analogie entspricht die "Feststoffanalyse"
vergleichsweise
einem
Schnellfeuergewehr: Jede Probeneinwaage
ist eine echte Stichprobe, jede Einzelmessung dauert nur ca. 1-3 Minuten.
Deshalb können auch in der Routineanalytik
mit der Feststoffanalytik leicht 5-20 Stichproben pro Laborprobe analysiert werden.
Steht dann noch ein moderner Autosampler
für feste Proben zur Verfügung, wie er in
der Abbildung gezeigt ist, sind auch leicht
20 Stichproben durchführbar [1].
t
n
(95%)
Vertrauensbereich ( x ± )
In der folgenden Tabelle werden die Vertrauensbereiche für verschiedene Anzahl
von Wiederholungen bei beiden Analysenverfahren schrittweise entwickelt, indem für
die Aufschlußanalytik eine Standardabweichung von 5% (zwischen verschiedenen
Aufschlüssen) und für die Feststoffanalytik
eine Standardabweichung von 15% angenommen wird, beides doch realistische
Werte.
Analyse nach Aufschluß
Direkte Feststoffanalyse
5%
15%
Präzision
(rel. Stdabw.)
Anzahl n
(Stichproben)
Autosampler
für
feste
Analysenproben:
Tarierung und Wägung auf einer integrierten Mikrowaage, automatisierter
Transport des
Probenträgers (Graphitschiffchen) von der Dosierposition in die Wägezelle und in den
Graphitrohrofen.
(AAS ZEEnit 66 ANALYTIK JENA AG;
Autosampler System Schuierer)
1
2
3
5
3
6
10
20
¥
9,0
2,5
1,2
2,5
1,1
0,72
0,47
¥
45%
12%
6%
37%
16%
11%
7%
3
Während also z.B. die übliche Doppelbestimmung einen 95%-Vertrauensbereich
von ±45% ergibt, ist diese für eine 6-fach
Feststoffbestimmung trotz der deutlich geringeren Präzision nur ±16%!
Ganz so ungünstig ist es für die Aufschußanalytik dann aber meist doch nicht: Im
Rahmen der Validierung der Methode sind
sicher ähnliche Proben häufiger analysiert
worden. Dann kann mit einigem Recht die
"zusammengefaßte
empirische
Standardabweichung" und der entsprechend
kleinere t-Faktor gewählt werden. Damit
werden dann auch bei
Doppelbestimmungen akzeptable Vertrauensbereiche
erreicht [7].
... aber Kontrolle ist notwendig! oder
"Wo liegt die Zielscheibe?"
Die Situation in der Analytik ist aber bekanntlich wesentlich komplizierter als es
diese "Statistik" erscheinen läßt: Visualisiert
ergibt sich für den Analytiker nach der Analyse für seine "Einschüsse" ein Bild, wie
unten skizziert.
Die größere Streuung bei der direkten
Feststoffanalyse wird vollständig kompensiert durch die leicht erreichbare höhere Anzahl von echten Stichproben!
Während ein Schütze die Zielscheibe vor
Augen hat, und er nach jedem Schuß die
Richtigkeit erkennen, und gegebenenfalls.
seine Haltung oder das Gewehr korrigieren
kann, schießt der Analytiker "ins Blaue". Die
Lage der Zielscheibe muß er unabhängig
von der Analyse der eigentlichen Probe mit
viel Mühe rekonstruieren!
Mit dieser Skizze wird die Ursache für den
doppelten Irrtum des oben zitierten Kollegen verdeutlicht: Er hat nicht nur die Präzision der Pipettierungen - die kleinen
Punkte - verwechselt mit der relevanten
Präzision zwischen Aufschlußanalysen –
die Punkthaufen -, er ist auch der Suggestion aus diesem Bild erlegen, dass
nämlich die stärkere Streuung bei der Feststoffanalytik eine schlechtere Genauigkeit
bedeutet.
Entscheidend für die Bewertung ist es aber,
dass aus der Lage der Einschüsse
(Treffer?) und der Berechnung eines Vertrauensbereiches nicht geschlossen werden
kann, welches der beiden Ergebnisse "das
Richtigere" ist (es könnte sich bei der
Aufschlußanalytik ja um "Scheibe 3" handeln, deren Treffer ja ebenfalls einen kleinen VB aufweisen)!
In jedem Fall kann aber folgender Schluß
gezogen werden:
4
Zwangsläufig muß deshalb hier die Analogie Zielscheibe - Analysenergebnis aufgegeben werden, da deutlich ist, dass es
sich beim Scheibenschießen eben um einen Sport, bei der Spurenanalytik jedoch
um eine Wissenschaft handelt, die sich damit beschäftigt, die Lage der Zielscheibe zu
finden, also die mögliche Abweichung des
Meßergebnisses vom "richtigen Wert" zu
bestimmen.
Die stufenweise Rückführung ("tracebility")
des Analysenergebnisses auf den "richtigen
Wert" durch das Erkennen von Abweichungen durch die verschiedenen Effekte
("Fehler") ist die "vornehmste Aufgabe" des
gewissenhaften Analytikers.
Eine weitere Episode zur Richtigkeit
Die Möglichkeit der Feststoffanalyse mit
dem Zeeman-AAS "SM1" wurde 1980 in
einer Laborzeitschrift erstmalig vorgestellt.
Es gab sofort ein großes Interesse, da die
Vorteile wie Schnelligkeit und geringere Kosten ja auf der Hand liegen.
Ein Laborleiter aus der Lebensmittelindustrie wollte sich damals natürlich selber
überzeugen, wie "genau" diese Methode ist.
Eine Analyse von Trockenmilch mit dem
SM1 ergaben für Cd einen Gehalt von ca.
6ng/g. Der Interessent war enttäuscht, da
seine eigene "Aufschlußanalyse" ca. 20ng/g
ergeben hatte. Weil ihm aber im Sinne der
Ernährungsqualität die 6ng/g doch lieber
gewesen wären, bat er ein Universitätslabor, die "Feststoffanalyse" zu wiederholen; und diese ergab dann ebenfalls ca.
6ng/g. Das war überzeugend, weil dort die
parallel durchgeführte Feststoffanalyse
eines Referenzmaterials "Trockenmilch"
den "richtigen Wert" ergeben hatte! (Übrigens wird die Qualitätskontrolle in dem Lebensmittellabor bis heute mit der FeststoffAAS durchgeführt.)
Systematisch:
Abweichungen vom "richtigen Wert"
Ursachen für Abweichung von der Richtigkeit eines Analysenergebnisses müssen in
der gesamten Meßkette gesucht werden.
Effekte in den verschiedenen Stufen des
Meßprozesses können sich progressiv
auswirken, wie es in der Skizze visualisiert
ist.
Streuungen von Einzelwerten um den Mittelwert werden durch zufällige Effekte hervorgerufen.
·
Wiederholungen, also Stichproben, zeigen bei einer vollständigen Analyse
diese Abweichungen. Der Bereich, in
dem dann der von diesen Effekten unbeeinflußte Wert (nicht unbedingt der
"wirkliche Wert") liegen wird, kann durch
den Vertrauensbereiches beschrieben
werden (s. oben).
5
Nicht sofort erkannt werden hingegen Abweichungen durch systematische Effekte:
Wie sieht es also aus mit der
"State of the Art" ?
·
Im Labor können sie auftreten z.B.
durch den Blindwert von Reagenzien
oder durch Fehler in der Kalibrierung.
·
Sie können aber auch in der angewandten Methode selber liegen, z.B.
bei einem Aufschluß durch Verluste,
Unvollständigkeit,
Kontamination.
Folgender Ringversuch wird in [2] beschrieben: Bodenproben wurden an 127 akkreditierte Labors verschickt. Mit vorgeschriebenen Aufschlußmethoden wurden diese
Proben für 5 Elemente analysierten. Aus
den umfangreichen Daten soll das - vergleichsweise gute - Beispiel "Cd, aufgestockt auf 5mg/kg" näher betrachtet
werden:
·
Abweichungen vom "richtigen Wert" zu
erkennen ist schließlich das Ziel der
analytischen Qualitätskontrolle.
Aus der angegebenen Standardabweichung
aller Labor-Mittelwerte erkennt man, daß
über 30% aller Werte außerhalb eines
Bereiches von 3,8-8,5mg/kg lagen!
Eine penible Durchführung von vorgeschriebenen oder im Labor validierter Methoden bietet - für sich allein - keine
Gewähr für die Richtigkeit eines Analysenergebnisses. Teilnahme an Ringversuchen oder die Analyse von zertifizierten
Referenzmaterialien (CRM) können dafür
geeignet sein.
Diese Maßnahmen erfordern Arbeit und
kosten viel Geld, sie sind aber auch ein
hervorragendes Mittel um ein realistisches
Bild der analytischen Leistungsfähigkeit zu
erhalten. Erst damit kann dann auch die mit
der Feststoffanalyse erreichbare Richtigkeit
realistisch und vorurteilsfrei beurteilt werden.
Die Autoren der Studie folgern: "... Jedes
der angewandten Geräte kann verwendet werden, um richtige und reproduzierbare
Elementbestimmungen
von Säureaufschlüssen durchzuführen,
wenn geeignete Bedingungen vorliegen.
Die Ergebnisse dieser Studie zeigen, wie
schwer es ist, diese geeigneten Bedingungen in der Routine zu erreichen ...
oder anders betrachtet, diese Ergebnisse können als Maß für die Robustheit der Instrumente gelten".
Man kann es auch deutlicher sagen: In der
Spurenanalytik für reale Proben gibt es
nach wie vor unerkannte Effekte in den
Analysengängen – vor allem wohl in den
Aufschlußverfahren -, die zur Beeinträchtigung der Richtigkeit (zu deutlich falschen
Ergebnissen!) führen.
Einige Ergebnisse eines Ringversuch von akkreditierten Labors für eine gespikte Bodenprobe (aus:[2])
Element
Cd
Se
Tl
"Gespikter" Gehalt
Mittelwert aller Labors
(mg/kg)
Standardabweichung
zwischen den Labors
(mg/kg)
Anzahl von
Ergebnissen
(Labors)
(mg/kg)
5000
5
5000
5
4400
5
4930
6,15
4710
5,28
4140
8,86
833
2,35
1320
7,18
953
8,06
127
126
115
89
121
85
6
Daten der Zertifizierung des BCR CRM-281, Rye Grass für Blei
Jeder Balken zeigt den Mittelwert und die Standardabweichung (aus n=5 Aufschlußlösungen) von den beteiligten Labors
Einen anerkannten Maßstab für die "state of
the art" bilden zertifizierte Referenzmaterialien (CRM). Verdienstvollerweise
dokumentiert das BCR alle Ergebnisse, die
einer Zertifizierung zugrunde liegen. Das
Beispiel "Pb in BCR CRM-281, Rye Grass"
zeigt deutlich das "heute Erreichbare" in
Bezug auf Genauigkeit [3].
Der zertifizierte Gehalt von 2,3mg/kg Pb
basiert auf den Ergebnissen von 16 qualifizierten europäischen Labors. Deren Mittelwerte streuen im Bereich von ca. 2,02,7mg/kg.
Solche
Streuungen
von
Laborwerten sind hauptsächlich die Folge
systematischer Effekte und sind offensichtlich mit den heutigen Methoden nicht
zu vermeiden (nicht als solche erkennbar
und damit nicht korrigierbar)! Die Standardabweichung "zwischen den Labors"
(0,21mg/kg) muß demnach als Unsicherheit
des zertifizieren Wertes angesehen werden.
Anmerkung:
Die Zertifizierer "randomisieren" diese vorwiegend systematischen Abweichungen häufig,
indem sie daraus einen Vertrauensbereich errechnen (In der Abbildung "MEANS"). Dieser
Vertrauensbereich für den zertifizierten Wert
charakterisiert vielleicht die Qualität der Zertifizierung, er kann aber keinesfalls (fehl-) interpretiert werden als der Bereich, in dem die
eigenen Analysen des CRMs liegen müssen.
Das würde ja heißen, das die Anwender des
CRMs - die Kunden - bessere Analysen machen
müßten als die Zertifizierer - also die Produzenten (s. dazu auch [7]).
Wo steht nun die
direkte Feststoffanalyse mit GF-AAS?
In einem großen Monitoringprogramm hat
das Bundesgesundheitsamt in den Jahren
1989-93 mit allen Überwachungsämter regelmäßige Ringanalysen durchgeführt, an
denen auch Labors mit der direkten Feststoffanalyse teilgenommen haben [4].
7
Beispielhafte Ergebnisse von Ringversuchen für Cd und Cu in "Spinat"
(– sind Ergebnisse mit der direkten Feststoffanalyse mit GF-AAS)
Die Werte der Feststoffanalysen haben
durchweg einen "akzeptierten Wert",
manchmal liegen sie im mittleren Bereich,
manchmal auch in den Flügeln - aber niemals mußten die Feststoffergebnisse als
falsch klassifiziert oder gar als Ausreißer
eliminiert werden!
Betrachtet man diese Studien miteinander
und die vielen vergleichenden Untersuchungen der vergangenen Jahre [1], so kann folgender Schluß gezogen werden:
Die direkte Feststoffanalyse mit der Graphitrohr-AAS liefert generell Ergebnisse,
die mit denen herkömmlicher Methoden
vollständig vergleichbar sind.
Die Folge unkorrigierbarer Effekte:
Meß-Unsicherheit
Diese Erkenntnis kann durch das Konzept
zur "Angabe von Unsicherheiten beim Messen" [5,6] quantitativ untermauert werden.
Dieses fordert die Berücksichtigung aller signifikanten Effekte, die in einem Meßprozeß
auftreten (s. obige Skizze) um so einen
realistischen Wert für den Grad der Genauigkeit zu erreichen.
Anmerkung
In dieser Anleitung ("Guide") wird der Begriff
"Fehler" konsequent vermieden, da diese prinzipiell unvermeidlich sind. Auftretende "Effekte"
können in ihrer Auswirkung jedoch beeinflußt
werden.
8
Bei der AAS-Bestimmung von Elementen in
festen Proben sind das [1,7]:
·
Die Unsicherheit der Kalibrierung (ucal),
und
·
die der Probenmessung (usam),
zusätzlich natürlich
·
die Unsicherheit, die in der Qualitätskontroll-Messung des CRM liegt (uaqc)
aber auch
·
die Unsicherheit des zertifizierten Wertes selbst (ucrm).
Damit ergibt sich eine gute Schätzung für
die "Kombinierte Unsicherheit" gemäß der
Regel der Addition von Varianzen
2
2
2
2
u = u cal
+ u sam
+ u aqc
+ u crm
Anmerkung:
Die konkrete Evaluierung der kombinierten Unsicherheit aus den Analysenkennwerten ist natürlich etwas aufwendig, wie das unten
dokumentierte Beispiel zeigt. Aber die EDV befreit heute von der lästigen "Fehlerfortpflanzung";
ich selber wende zur Erstellung des
Unsicherheits-Budgets das Programm "GUM
Workbench" an [8].)
Da die Feststoffanalytik die Möglichkeit
bietet, die Kalibrierung direkt mit dem CRM
zu erstellen, entfällt eine separate Analyse
des CRM mit der entsprechenden Unsicherheit (uaqc=0). In der Analogie des
Scheibenschießens bedeutet das, daß die
Zielscheibe noch vor der Analyse durch die
CRM-Kalibrierung aufgehängt wird.
Ein Bereich der "Erweiterten Unsicherheit"
wird formal analog zum Vertrauensbereich
ermittelt, jedoch ist damit jetzt auch die Unsicherheit aus systematischen Effekten ein
bezogen. Das Meßergebnis lautet damit:
x ± (k ´ u )
Anmerkung:
Als Erweiterungsfaktor k kann der Studentfaktor
t eingesetzt werden, gewählt auf Grundlage
einer (annähernd) geforderten Sicherheit und
des effektiven Freiheitsgrades, der sich aus den
Freiheitsgraden aller Einzelmessungen berechnen läßt.
Schlaglichtartig wird deutlich, dass die
"state of the art -Unsicherheit" durch die
Unsicherheit des CRM-Wertes in das eigene Laborergebnis als Methodenunsicherheit mit eingeht. Das ist ein
wesentlicher Beitrag zur analytischen Ehrlichkeit. Nur die Laborstreuung als Unsicherheit
anzusehen
(z.
B
einer
Doppelbestimmung !) ist unrealistisch, und
wenn man selber auch noch daran glaubt,
heißt das, sich "in die Tasche zu lügen".
Abschließend ein reales Analysenbeispiel
bei dem das Budget der Einzelunsicherheiten der Feststoffanalyse verglichen wird
mit dem einer Analyse nach Aufschluß.
Eine schrittweise Evaluation ergibt die erweiterte Unsicherheit im Analysenergebnisse für eine Probe "Grünmais" ( Pb, GFAAS) mit der Feststoffanalyse und der
Analyse nach Aufschluß. Als Referenzmaterial wurde BCR CRM-281, Rye Grass, eingesetzt,
dessen
Zertifikation
oben
dokumentiert ist (s. nächste Seite).
Um ehrlich zu sein: Der bessere Wert für
die Unsicherheit im Feststoffergebnis liegt
natürlich an der Auswahl gerade dieses
Beispiels, bei dem offensichtlich die Aufschlußanalyse des CRM eine größere
Streuung hatte (bei der Probenanalyse
mußte einer von 5 Einzelwerten als Ausreißer gestrichen werden – bei der Feststoffanalyse allerdings auch zwei von 20
Werten). Nichtsdestoweniger, eine eingehende Betrachtung der Daten zeigt, dass
diese typisch für die Bestimmung von Blei in
dieser Matrix und in diesem Gehaltsbereich
mit beiden Verfahren sind.
9
Direkte Feststoffanalyse
Kalibrierung (CRM)
scal
= 0,0113 s
ncal
= 16
ucal
= 0,31 mg/kg
Probenmessung
csam
= 14,8 mg/kg
ssam
= 1,63 mg/kg
nsam
= 18
usam
= 0,37 mg/kg
Analyse nach Aufschluß
(9,4%)
(11%)
CRM - Messung
(nicht notwendig, da mit
CRM kalibriert)
Zertifizierter Wert CRM
scrm
= 0,21 mg/kg
ncrm
= 16
ucrm
= 0,10 mg/kg
(11%)
Kalibrierung (Bezugslösung)
scal
= 0,0033 s
(2,1%)
ncal
= 15
ucal
= 0,14 mg/kg
Probenmessung
csam
= 14,4 mg/kg
ssam
= 0,56 mg/kg
nsam = 4
usam = 0,30 mg/kg
(3,9%)
CRM - Messung (AQC)
caqc
= 2,22 mg/kg
saqc
= 0,19 mg/kg
naqc
=5
uaqc
= 0,57 mg/kg
(8,8%)
Zertifizierter Wert CRM
scrm
= 0,21 mg/kg
ncrm
= 16
ucrm
= 0,10 mg/kg
(11%)
Kombinierte Unsicherheit
u
= 0,50 mg/kg
Kombinierte Unsicherheit
u
= 0,65 mg/kg
Freiheitsgrad / Erweiterungsfaktor
dfeff = 35
®
k = t35;95% =2,03
Freiheitsgrad /Erweiterungsfaktor
dfeff = 6
®
k = t6;95% = 2,45
Analysenergebnis
Analysenergebnis
(Mittelwert und erweiterte Unsicherheit)
CPb = 14,8 ± 1,0 mg/kg (6,8%)
(Mittelwert und erweiterte Unsicherheit)
CPb = 14,4 ± 1,6 mg/kg (10,8%)
Evaluierung der erweiterten Unsicherheit für die Analysen einer Probe "Grünmais" mit
"Feststoffanalytik" und "Aufschlußanalytik"
Fazit
Wenn die Konzepte "Genauigkeit" und
"Unsicherheit" richtig angewendet werden,
zeigt sich, daß die Ergebnisse mit der
Feststoffanalyse wie bei der Aufschlußanalytik nur durch die Grenzen des heute
Erreichbaren gezogen sind.
Ergebnisse mit der Feststoffanalyse werden jedoch häufig mit deutlich geringerem
Aufwand an Zeit, Geräten, Laborplatz,
Chemikalien - also Kosten – erreicht.
Voraussetzung
ist
natürlich
die
Anwendung geeigneter Methoden und
Geräte [1].
Deshalb ist es so erfreulich, dass die
ANALYTIK JENA AG die "Feststoff-Option" in ihrem AAS-Angebot weiterentwickelt hat.
10
Überarbeitete Fassung eines Vortrages der auf dem 2. FESTSTOFFFORUM in Jena
gehalten wurde, erschienen in [8] .
Ich danke Frau Heike Hollenbach für die aufwendige Bearbeitung des Manuskriptes.
Literatur und Links
[1] U. KURFÜRST
Solid Sample Analysis - Direct and Slurry Sampling using GF-AAS and ETV-ICP
Springer Verlag, Heidelberg New York 1998
[2] D.E. KIMBROUGHT, J WAKAKUWA: Analyst 119, 383-388 (1994)
[3] B. GRIEPING, H. MUNTAU: BCR Information EUR11839EN, Luxembourg 1988
[4] H. SCHAUENBURG, P.WEIGERT: Fresenius J. Anal. Chem. 342: 950-956 (1992)
[5] DIN/ISO: Leitfaden zur Angabe von Unsicherheiten beim Messen" Beuth Verlag, Berlin
1995
[6] EURACHEM: Quantifying Uncertainty in Analytical Measurement, Frankfurt 1997
[7] U. KURFÜRST: Accred Qual Assur 3, 406-411 (1998)
[8] GUM Workbench, Metrodata GmbH
[8] U. KURFÜRST: GIT Labor-Fachzeitschrift 9/99, 953-955 und 10/99, 1075-1078
Autor:
Prof. Dr. Ulrich Kurfürst
Fachhochschule Fulda
Marquardstr. 35
Fon
Fax
(+49) 661 9640 374
(+49) 661 9640 399
email: [email protected]
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