11.01.2016 Repetitorium Strafrecht und Strafprozessrecht StPO & AT II Univ.-Ass. Mag. Angelika Zotter, BA [email protected] StPO §1 Verfahren - Aufklärung von Straftaten - Verfolgung verdächtiger Personen - Entscheidungen Schriftliche Falllösung StPO Alles im Gesetz! Wichtig: Aufbau der StPO Genau lesen – Ausnahmen? Subsumption 1 11.01.2016 I. Verfahrensgrundsätze §§ 2 bis 17 StPO Der Beschuldigte A hat bei seiner Vernehmung im EV gestanden, an einem Einbruchsdiebstahl in eine Wohnung in St. Pölten beteiligt gewesen zu sein. In der Hauptverhandlung wiederholt er sein Geständnis. Zwei andere Mitbeschuldigte sagen aus, dass A tatsächlich an dem angeklagten Einbruchsdiebstahl mitgewirkt hat. Zwei vom Gericht geladene Zeugen – ein Schaffner der ÖBB und ein Fahrgast – geben jedoch völlig glaubwürdig an, A zum Zeitpunkt des Einbruchsdiebstahls am Wiener Westbahnhof gesehen zu haben. 1. Welches Gericht ist in der HV sachlich zuständig? 2. Wie wird das Gericht entscheiden? Welche Grundsätze spielen dabei eine Rolle? Zuständigkeit o Welches Delikt? §§ 127, 129 Abs 2 Z 1 o Strafdrohung: FS 6 Mon – 5 J o Sonderzuständigkeit? Nein. ER des LG nach § 31 Abs 4 Z 1 2 11.01.2016 o §3 Objektive Wahrheitserforschung o §5 Gesetz- und Verhältnismäßigkeit o § 14 freie Beweiswürdigung Zwischen A und seiner Lebensgefährtin X kommt es zu einem heftigen Streit, der darin gipfelt, dass A der X androht, ihr Gesicht mit einem Messer zu verunstalten, wobei er schon wild mit einem Küchenmesser in der Hand gestikuliert (§ 107 Abs 2 StGB). X verlässt aus Angst die Wohnung. Vom Fenster aus beschimpft A die X weiter und zwar so, dass dies deutlich für einige Passanten wahrnehmbar ist (§ 115 StGB). Damit nicht genug, voller Wut wirft er X noch eine Vase, die ihr gehört, im Wert von 100 Euro hinterher (§ 125 StGB) und verletzt sie damit leicht (§ 83 StGB). X geht daraufhin geradewegs zur Polizei und zeigt das Verhalten von A an. 1. Wer ist jeweils berechtigter Ankläger? Wie haben Kripo, StA bzw. das Opfer X daher in weiterer Folge vorzugehen? 2. Welche Prozessgrundsätze spielen dabei eine Rolle? o §§ 83 und 107 Abs 2 StGB: Offizialdelikte § 2 o §§ 115 und 125 iVm 166 StGB: Privatanklagedelikte § 71 3 11.01.2016 o §4 Anklagegrundsatz o §2 Amtswegigkeit o §3 Objektive Wahrheitserforschung Nach einem Verkehrsunfall mit Todesfolge, den A möglicherweise unter schwerem Alkoholeinfluss verursacht hat, verweigert A eine Blutabnahme. Diese wird aber schließlich trotzdem gegen seinen Willen und unter Anwendung physischen Zwanges durchgeführt. Welcher Grundsatz könnte hier eine Rolle spielen? Blutabnahme: • Körperliche Untersuchung nach § 123 - Zurechnungsfähigkeit (§ 123 Abs 1 Z 3) Anordnung StA, gerichtliche Bewilligung • Ohne Einwilligung? Abs 4 Z 1 lit b: Zwang zulässig! • § 7 Abs 2 Selbstbelastungsverbot 4 11.01.2016 Gibt es ein Pendant zum Gesetzlichkeitsprinzip (nullum crimen sine lege) auch im Strafprozessrecht? o § 5 Gesetz- und Verhältnismäßigkeit Verfahrensbeteiligte o Anklageseite StA §§ 19 ff, Privatankläger § 71 o Beschuldigtenseite Verdächtiger § 48, Beschuldigter §§ 48 ff, Haftungsbeteiligter § 64 o Nebenpersonen Privatbeteiligter §§ 65 Z 2, 67; Subsidiarankläger §§ 65 Z 4, 72; Sonstige Opfer §§ 65 Z 1, 66 o Richter? Unparteiische Gerichtsperson 5 11.01.2016 A wird wegen des Verdachts des Menschenhandels im Rahmen einer kriminellen Organisation von der Kriminalpolizei festgenommen. A verlangt vor seiner Vernehmung einen Anwalt zu sprechen. Dies wird ihm von der KriPo jedoch untersagt. 1. Zu Recht? Die Polizei erlaubt zwar eine Besprechung mit dem Anwalt, überwacht diese aber. 2. Ist das Vorgehen der KriPo zulässig? Beschuldigter § 48 Abs 1 Z 2 • Recht auf Verteidigung § 49 Z 4 • Beschränkung § 59 - Verweigerung unzulässig Einspruch nach § 106 an StA - Überwachung: § 59 Abs 1 u 2 uU zulässig! A ist verdächtig, an einer Veruntreuung im großen Stil beteiligt zu sein. Um sich ein Bild vom laufenden Ermittlungsverfahren zu machen, erscheint A bei der StA. 1. Hat er ein Recht, Einblick in die Akten zu erhalten? 2. Wo kann A Einsicht in seine Akten nehmen? Variante 1: A befindet sich in U-Haft. Variante 2: Gegen A wurde bereits Anklage erhoben. 3. Gibt es ein Rechtmittel, wenn A die Akteneinsicht von der KriPo, der StA oder dem Gericht verwehrt wird? 6 11.01.2016 o Recht auf Akteneinsicht §§ 49 Z 3, 51 ff In sämtliche Ergebnisse des Verfahrens! • Beschränkung § 51 Abs 2; § 162 • Wo? Kripo, StA od Gericht o U-Haft: Tatverdacht und Haftgründe! o Anklage: keine Einschränkung zulässig! o RM: Einspruch § 106, Beschwerde § 87 A ist wegen § 133 Abs 2 1. Fall StGB angeklagt. Trotz des Hinweises in der Ladung, mit einem Verteidiger zur HV zu erscheinen, weigert sich A einen solchen zu bestellen. Variante: A ist mittellos und teilt dies dem Gericht nach Erhalt der Ladung mit. Wie hat das Gericht vorzugehen? Notwendige Verteidigung § 61 Abs 1? • § 133 Abs 2 1. Fall: Achtung - Sonderzuständigkeit SchöffenG nach § 31 Abs 3 Z 6a, wenn Schaden EUR 50.000,- übersteigt! • Amtsverteidiger § 61 Abs 3 • Mittellos: Verfahrenshilfe § 61 Abs 2 Siehe § 39 JGG! 7 11.01.2016 A wird vom Gericht wegen § 148 Satz 1 StGB verurteilt. Nach Verkündigung des Urteils gibt sein Verteidiger bekannt, kein Rechtsmittel zu erheben. A ist völlig überrascht und verkündet sogleich, sehr wohl ein Rechtsmittel gegen dieses Urteil zu erheben. Welche Erklärung ausschlaggebend? ist für das Gericht Rechte des Verteidigers § 57: • Verfahrensrechte seines Mandanten • Widerstreitende Ansichten: Wille des Beschuldigten! • § 57 Abs 2 Satz 2 • Voraussetzung: Gericht erkennt Dissens A ist verdächtig sich einer vorsätzlichen schweren Körperverletzung an seiner Ex-Frau X schuldig gemacht zu haben. X möchte in den Ermittlungsakt Einsicht nehmen und die Vernehmung eines Zeugen beantragen. Beides wird ihr von der Kriminalpolizei verweigert. 1. Welche Rolle nimmt X im Ermittlungsverfahren ein? 2. Was kann X tun? 8 11.01.2016 Opferbegriff § 65 Abs 1 • § 66 Abs 1 Z 2: Recht auf Akteneinsicht (§ 68) Aber: darf verweigert werden! • Einspruch nach § 106 • Zeugin? Recht des PB A ist bei einem Verkehrsunfall, der von X verursacht wurde, schwer verletzt worden. Gegen X wird ein Strafverfahren wegen §§ 88 Abs 1, 88 Abs 4 Fall 1 StGB eingeleitet. A möchte darin seine Schmerzengeldansprüche geltend machen. 1. Ist das möglich? Wenn ja, wie? Privatbeteiligung §§ 65 Z 2, 67 o Schadenersatz im Strafverfahren o Erklärung EV: Kripo od StA Nach Anklage: Gericht o Zuständig: BG nach § 30 Abs 1 9 11.01.2016 A werden 1000 Euro Schmerzengeld zugesprochen. Dies erscheint ihm in Anbetracht der Lage als zu gering. Er überlegt gegen das Urteil vorzugehen. 1. Ist das möglich? Wenn ja, wie? A wird trotz Verurteilung des X zur Gänze auf den Zivilrechtsweg verwiesen. 2. Kann er dagegen vorgehen? Das EV gegen X wird von der StA Salzburg eingestellt. 3. Kann sich A dagegen wehren und wenn ja, wie? • Im BG- und ER-Verfahren: Berufung wegen privatrechtlicher Ansprüche §§ 464 Z 3, 465 Abs 3 (ER: iVm § 489 Abs 1) • Extra-Opferrecht: § 67 Abs 6 Z 5: Berufung nach § 366 • Antrag auf Fortführung § 195 an StA (beachte § 44 Abs 2 JGG!) Der 16-jährige A hat seiner Mutter 1.000 Euro gestohlen. 1. Wer ist der berechtigte Ankläger? Nennen Sie die gesetzliche Grundlage! 2. Wodurch unterscheiden sich die Rechte des StA von jenen des Privatanklägers? A ist bereits 35 Jahre alt. Seine Mutter beantragt als PA die U-Haft wegen Verdunkelungsgefahr. 3. Darf das Gericht diese Maßnahme bewilligen? Wie kann A sich dagegen zur Wehr setzen? 10 11.01.2016 • §§ 127 iVm 166 StGB: Begehung im Familienkreis • § 44 JGG: Ermächtigungsdelikt! StA berechtigter Ankläger mit Ermächtigung der Mutter Privatankläger § 71 o Keine Weisungen an Kripo; nur Beantragung von Zwangsmaßnahmen zur Sicherung von Beweisen & vermögensrechtl. Anordnungen o Vernehmung als Zeuge o § 47 gilt nicht o Freispruch: Kosten o § 71 Abs 5: PA nicht berechtigt U-Haft zu beantragen! In der HV gegen A wegen § 84 Abs 1 StGB tritt der StA von der Anklage zurück, da sich die Beweise nicht erhärten. O, der die KV erlitten hat, traut seinen Ohren nicht. Er will auf keinen Fall, dass A ungeschoren davon kommt. 1. Was kann O unternehmen? 2. Angenommen O erscheint nicht zur HV. Sind ihm nunmehr alle Möglichkeiten versperrt? 11 11.01.2016 Subsidiaranklage §§ 65 Z 4, 72 • Nur im Stadium der HV • Bei Nicht-Erscheinen trotz ordnungsgemäßer Ladung: Angeklagter sofort freizusprechen (§ 72 Abs 2: Verweis auf § 259 Z 2)! 12
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