TTIP - Bayerisches Staatsministerium für Wirtschaft und Medien

Bayerische Staatsministerin für
Wirtschaft und Medien, Energie und Technologie
Bayerische Staatsministerin für
Europaangelegenheiten und regionale Beziehungen
Die Transatlantische Handels- und
Investitionspartnerschaft (TTIP)
Chancen nutzen – Leitplanken setzen
1. Ziel von TTIP
Das Abkommen soll Handel und Investitionen auf beiden Seiten des Atlantiks erleichtern und die Wirtschaft stärken. Seit Juli 2013 verhandeln die
EU und die USA über TTIP. Die EU-Position wird mit den Mitgliedstaaten im
vom Rat bestellten Handelspolitischen Ausschuss diskutiert und festgelegt.
Die EU-Mitgliedstaaten sitzen nicht am Verhandlungstisch.
2. Chancen für Bayern durch TTIP
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Bayern lebt vom freien Welthandel. Rund die Hälfte unseres Pro-KopfEinkommens hängt direkt oder indirekt vom Außenhandel ab. Daher setzen wir auf offene Märkte. Wir waren und sind einer der Hauptprofiteure
des europäischen Binnenmarktes. Mit einer Abschottungspolitik würde
Bayern seinen Wohlstand aufs Spiel setzen.
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Die USA sind unser wichtigster Exportmarkt und wichtigster Zielort bayerischer Investitionen. TTIP kann die Wettbewerbsfähigkeit unserer Wirtschaft steigern und Arbeitsplätze schaffen bzw. sichern. TTIP bietet
große Chancen gerade für unseren Mittelstand und unsere Schlüsselindustrien wie Automobil, Maschinenbau oder Chemie.
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Allein der Zollabbau ermöglicht aufgrund des großen Handelsvolumens
erhebliche Einsparungen. Täglich gehen Waren im Wert von etwa
€ 2 Mrd. über den Atlantik.
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Divergierende technische Vorschriften, Standards und Normen
hemmen den transatlantischen Handel zusätzlich. Viele technische Standards in den USA und der EU verfolgen mit unterschiedlichen Ansätzen
das gleiche Ziel. Die Anerkennung gleichwertiger Standards (nicht die Angleichung der Standards) oder die Abschaffung doppelter Zulassungsverfahren schaffen Kostenvorteile um bis zu 20 %. Dies würde sich auch in
niedrigeren Preisen für die Verbraucher niederschlagen.
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TTIP bietet die Chance, dass die zwei größten Handelsräume der Welt die
Grundlage für weltweite Standards setzen. Wenn wir das bei neuen
Technologien wie z. B. der Elektromobilität, bei vernetzter Mobilität oder
bei der Industrie 4.0 nicht mit den USA anpacken, dann machen das andere aufstrebende Handelsräume. Unsere Vorstellungen bleiben dann außen vor. Wir wollen die Zügel in der Hand halten und neue Standards
setzen – nach unseren Ideen und Wertvorstellungen.
3. Welche Haltung hat die Bayerische Staatsregierung zu
TTIP?
Die Bayerische Staatsregierung will einen erfolgreichen Abschluss von
TTIP. Wir sehen in TTIP neue wirtschaftliche Chancen, die es zu nutzen gilt.
Gleichzeitig wollen wir mit TTIP dem Freihandel einen Ordnungsrahmen geben, der unsere soziale Sicherheit, unsere Schutzstandards und unsere Lebensqualität in Bayern weiterhin garantiert. Wir streben ein Abkommen an,
das an nichts rüttelt, was uns in Bayern wichtig ist.
TTIP steht in der Kritik. Sorgen und Ängste nehmen wir sehr ernst. Wir
wollen daher eine sachliche und offene Debatte. Transparenz und Informationen schaffen Vertrauen. Mit einem genauen Blick auf das Mandat, die Positionspapiere und Verhandlungsdokumente der EU möchten wir aufzeigen,
wo Befürchtungen unbegründet sind und wo wir noch Handlungsbedarf
sehen:
a) Vorwurf: „TTIP gefährdet unsere hohen Schutzstandards in der EU“
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TTIP muss Maßstäbe für das 21. Jahrhundert setzen, indem es Regeln
und Standards weiter entwickelt. Dabei dürfen unsere Schutz- und Sicherheitsstandards (und unser Vorsorgeprinzip) in Bereichen wie Umwelt-, Gesundheits-, Verbraucher-, Arbeitnehmer- und Datenschutz nicht abgesenkt
werden. Das ist auch im Mandat der EU festgeschrieben.
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Beide Verhandlungspartner haben mehrfach bestätigt, dass das
bestehende Schutzniveau nicht zur Disposition steht. So bleiben z. B.
die in der EU geltenden Anforderungen für Zulassung und Kennzeichnung von gentechnisch veränderten Organismen im Rahmen von TTIP
bestehen. Auch das Importverbot von hormonbehandeltem Fleisch bleibt
bestehen.
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Die EU hat bestätigt: der Schutz der geografischen Herkunftsangaben
für europäische regionale Spezialitäten wird durch TTIP nicht angetastet.
Es wird auch künftig keine Nürnberger Rostbratwürste „Made in
Kentucky“ in der EU geben. Es ist vielmehr ein Kernanliegen der EU,
europäische regionale Spezialitäten auch in den USA zu schützen.
b) Vorwurf: „TTIP zwingt die Kommunen zur Privatisierung ihrer
Daseinsvorsorge“
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TTIP führt nicht zu einer Liberalisierung und Privatisierung der
kommunalen Daseinsvorsorge und insbesondere nicht der Wasserversorgung. Die EU ist durch EU-Recht (Art. 14 AEUV) verpflichtet,
die Daseinsvorsorge besonders zu schützen. Das steht so auch im
TTIP-Verhandlungsmandat.
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Die Verhandlungsführer beider Seiten haben übereinstimmend bestätigt,
dass im Bereich der Daseinsvorsorge keine neuen Verpflichtungen
eingegangen werden sollen.
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Das EU-Angebot an die USA für Marktöffnungen im Dienstleistungsbereich enthält deswegen eine Sonderregelung für Leistungen der
öffentlichen Daseinsvorsorge und zudem umfassende Vorbehalte für besonders wichtige Bereiche wie die Trinkwasserversorgung oder das Gesundheitswesen. Vorbild sind die Regelungen im Handelsabkommen mit
Kanada (CETA). Insgesamt stellen diese Vorbehalte sicher, dass die Daseinsvorsorge auf allen Verwaltungsebenen komplett von neuen Marktöffnungsverpflichtungen ausgenommen ist. Der Spielraum der Kommunen bleibt hier erhalten.
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Im weiteren Verhandlungsverlauf ist (wie im CETA-Abkommen erfolgreich
umgesetzt) sicherzustellen, dass eine erneute Kommunalisierung einmal privatisierter Bereiche der Daseinsvorsorge auch künftig möglich ist.
c) Vorwurf: „TTIP gefährdet die kulturelle Vielfalt in der EU“
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Das EU-Mandat enthält einen umfangreichen Schutz für die Bereiche Kultur und Medien. Audiovisuelle Dienstleistungen sind von Marktöffnungen im Dienstleistungsbereich ausgeschlossen. Zudem verpflichtet das
Mandat zur „Förderung der kulturellen Vielfalt“.
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Die EU und die Mitgliedstaaten unterliegen Verpflichtungen im Rahmen
des GATS („General Agreement on Trade in Services“ aus dem Jahr
1995). Dazu gehört z. B. die Gewährung freier Niederlassung von Theaterunternehmen von außerhalb der EU zu gleichen Bedingungen wie für EUUnternehmen. Das hat seit dem Inkrafttreten des GATS nie zu Problemen
geführt. Im Übrigen umfasst das Verhandlungsangebot der EU alle Absicherungen, die für die EU und die Mitgliedstaaten im Bereich Kultur
wichtig sind.
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Subventionen im Kulturbereich müssen von den Verhandlungen
ausgeschlossen werden. Damit kann TTIP das Recht der EU-Mitgliedstaaten nicht beeinträchtigen, den Kultursektor zu unterstützen.
d) Vorwurf: „TTIP führt zu Privatisierungen im deutschen
Bildungswesen“
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Für den Bereich der öffentlich und gemischt finanzierten Bildung enthält das Verhandlungsangebot der EU weitreichende Absicherungen. Hier
ändert sich an der bestehenden rechtlichen Situation durch TTIP nichts.
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Unser Meister steht durch TTIP in keiner Weise zur Debatte. Die
Meisterpflicht ist eine nichtdiskriminierende Qualifikationsanforderung, die
durch TTIP sowieso nicht eingeschränkt wird!
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Marktöffnungen in TTIP betreffen nur die rein privat finanzierten Bildungsdienstleistungen, die im GATS bereits vor 20 Jahren geöffnet wurden. Das gilt z. B. für privat finanzierte Sprachschulen, Koch-Kurse o. ä.
Unabhängig von TTIP gelten für aus- wie inländische Dienstleister und Investoren im privaten Bildungssektor weiterhin die in den Mitgliedstaaten
aufgestellten nicht diskriminierenden Anforderungen. Diese umfassen
etwa die Bereiche Qualität, Sicherheit und Qualifikationsniveau sowie
die Notwendigkeit von Konzessionen und Lizenzen.
e) Vorwurf: „Investor-Staat-Schiedsverfahren tagen geheim und hebeln
unsere Gesetzgebung aus“
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Schiedsgerichte können grundsätzlich nur Schadensersatz zusprechen.
Sie können keine Gesetze aufheben.
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Kritiker bemängeln, dass Schiedsgerichte geheim tagen und dass sie einen zu großen Ermessensspielraum bei ihren Entscheidungen haben. Die
EU macht sich dafür stark, dass die Schiedsgerichte öffentlich tagen und
über einen klar begrenzten Ermessungsspielraum verfügen.
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Wir halten Schiedsgerichte in TTIP aus deutscher Sicht nicht für erforderlich: Auf beiden Seiten des Atlantiks besteht für Investoren über den
Rechtsweg zu den nationalen Gerichten hinreichender Rechtsschutz.
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Sollte eine Investitionsschutzvereinbarung aus übergeordneten Gründen
unabweisbar sein, so ist nur ein modernes und ambitioniertes
Investitionsschutzabkommen akzeptabel, das für zukünftige Handelsabkommen Standards setzt.
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Grundsätzlich ist klar: Die Handlungsspielräume der EU sowie der Parlamente und Regierungen der Mitgliedstaaten und ihrer Regionen
dürfen nicht eingeschränkt werden. Hier ziehen wir in Bayern, ebenso
wie die Bundesregierung und die EU-Kommission, eine klare Linie.
f) Vorwurf: „TTIP darf nicht geheim hinter verschlossenen Türen
verhandelt werden“
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Viele Ängste, Sorgen und Kritik in der Bevölkerung wären wohl gar nicht
erst aufgekommen, wenn wir von Anfang an mehr Transparenz bei den
Verhandlungen gehabt hätten. Ohne Vertraulichkeit wird man die Verhandlungen zwar nicht führen können. Aber ohne Transparenz wird die
Bevölkerung ein Ergebnis nicht akzeptieren. Die EU hat mittlerweile
eine Transparenz-Initiative gestartet, die konsequent weiterverfolgt werden muss.
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Transparenz bedeutet letztlich aber auch Beteiligung der Parlamente der
EU-Mitgliedstaaten: Aus Sicht aller EU-Mitgliedstaaten ist TTIP ein sog.
gemischtes Abkommen, welches auch durch diese ratifiziert werden
muss.
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Wenngleich der Freistaat Bayern nicht am Verhandlungstisch sitzt, werden wir die TTIP-Verhandlungen auch weiterhin aktiv begleiten und die
bayerischen Anliegen auf allen Ebenen mit Nachdruck einbringen.
Weiterführende Informationen zu TTIP:
www.bayern.de/politik/politikthemen/europapolitik-2
freihandelsabkommen-mit-den-usa/
www.bmwi.de/DE/Themen/Aussenwirtschaft/ttip.html
www.ec.europa.eu/trade/policy/in-focus/ttip/index_de.htm
Stand: Juni 2015