Das sind langfistig Kauf

78
BERT FLOSSBACH
: Der Chef von Deutschlands größtem
Vermögensverwalter glaubt weder
an steigende Zinsen noch an einen
schlimmen Börsencrash wie 2008.
Herr Dr. Flossbach, der Dax startete so
schlecht in ein neues Jahr wie noch nie.
Anleger sind tief verunsichert. Wie tief
fallen die Kurse noch?
Das Schlimmste sollte jetzt hinter uns liegen.
Also halten Sie die aktuellen Sorgen um
China, den Ölpreiskollaps oder die wieder
aufflammende Bankenkrise für überzogen?
Da haben wir schon einen Teil des Problems: Sie nennen drei Faktoren in einer
Frage, die derzeit oft zusammengerührt
werden. Das trägt zu der herrschenden diffusen Crash-Angst bei. Die Dinge müssen
einzeln analysiert werden, da sie wenig oder
nichts miteinander zu tun haben.
Helfen Sie uns, Klarheit zu schaffen.
Das große Bild, die Aussicht für die Weltkonjunktur, hat sich eingetrübt. Der Grund
ist China; das Land wächst nicht mehr so
stark. Darauf reagiert der Dax zu Recht
empfindlich, weil unsere Wirtschaft stärker
als etwa die der USA von China abhängt. Der
schwache Ölpreis ist zwar ein Problem für
die ölexportierenden Länder, die, wie Venezuela, schlimmstenfalls vor der Staatspleite
stehen. Auch die Angst, dass Staatsfonds der
Ölländer aus Finanznot Aktien verkaufen
müssen, drückt kurzfristig die Kurse. Der
Ölpreis ist aber ein Segen für die Konjunktur
der Ölimporteure EU und China.
Die Zinswende in den USA drückt die Kurse.
Welche Wende? Die Zinserhöhung wird eine rein kosmetische bleiben. Was wir stattdessen erleben, ist ein Abwertungswettlauf
wie aus dem Lehrbuch. Mal ist es der Yen,
dann der Yuan, dann der Euro, der von den
Notenbanken geschwächt wird. Keiner will
in einer Welt schwacher Zinsen und Währungen der Einzige mit einer Hartwährung
sein; es würde seine Industrie ersticken. Das
wird auch die US-Notenbank von großen
Zinssteigerungen abhalten.
Die aktuelle Dollar-Schwäche
signalisiert das.
Wie gefährlich ist die Lage in
China?
Ernst, aber einige Crash-Propheten übertreiben maßlos;
eine Implosion Chinas erwarte ich nicht. Dort wird nicht ab morgen kein
westliches Produkt mehr verkauft. Der starke Wachstumsimpuls fällt weg, aber der reale Umsatz bleibt. Apple etwa macht in China
nach wie vor gute Geschäfte, das schwächere Wachstum ist im Kurs schon drin. Ähnliches gilt für Daimler. China wird auch nicht
seine großen Banken oder Konzerne pleitegehen lassen, was Hunderttausende neue
Arbeitslose und soziale Unruhen bedeuten
würde. Die chinesische Notenbank würde
zur Not marode Kredite indirekt aufkaufen.
Kann sie das noch?
Durchaus. Der Staat hat noch Spielraum.
Chinas Gesamtverschuldung – die Schulden
aller Unternehmen, Banken, des Staates und
der Privatleute – liegt bei 250 Prozent der
jährlichen Wirtschaftsleistung, des BIPs. Im
Unterschied zu Europa liegt nur
ein kleiner Teil davon, etwa
42 Prozent, beim Staat.
Der könnte den Banken und Firmen die
Schulden notfalls
abnehmen. Würde der Staat alle
Schulden auf sich
nehmen, verdoppelte sich seine
Schuldenlast
grob geschätzt
auf 80 Prozent
des BIPs. Damit
wäre er immer
noch sehr handlungsfähig.
Davon
können Europa
oder Japan
nur träumen.
Bankaktien kollabieren, Kredite
drohen auszufallen. Laufen wir in
eine neue Finanzkrise, wie 2008?
Die Regulierung nach der Finanzkrise hat vor allem in den
USA gegriffen, in Europa sind
die Banken immer noch unterkapitalisiert und zu riskant
investiert. Hinzu kommen
Rechtsstreitigkeiten und komplexe Finanzprodukte. Bankbilanzen sind für Anleger
kaum noch nachvollziehbar. Wir raten daher nicht zur Schnäppchenjagd bei Bankaktien und -anleihen.
Bert Flossbach, 54,
legt für seine Kunden
22 Milliarden Euro
an. Der promovierte
Betriebswirt und ExGoldman-Sachs-Banker ist einer der erfolgreichsten Geldmanager der letzten Jahre.
Und kann die Bankenmisere die Märkte
weiter drücken?
Ja, aber Qualitätsaktien werden dadurch
noch interessanter. „Die Aktienmärkte“ gibt
es weniger denn je. Einzelne Aktien werden
sich im Rest des Jahres sehr unterschiedlich
entwickeln. Das Geschäft eines schuldenfreien, wachsenden Unternehmens wie
Google hat mit dem einer Großbank nichts
zu tun. Beides sind Aktien, aber die Kurse
laufen an vielen Tagen entgegengesetzt.
Es gibt ein Systemrisiko. Banken können andere Branchen und Staaten mit sich reißen,
wie wir in der Finanzkrise gelernt haben ...
Theoretisch ja. Praktisch würden die Zentralbanken systemrelevante Banken erneut retten. Es würden noch mehr
Schulden gemacht, und noch mehr frisches Geld würde gedruckt. Langfristig
wird es Inflation geben.
Was sollten Anleger tun?
Gold und Aktien stabiler Konzerne nachkaufen. Das Endspiel
um den Euro hat begonnen:
Die Flüchtlingskrise zeigt
die mangelnde Homogenität der Euro-Zone, die aber
Voraussetzung für eine gemeinsame Währung ist.
Aber nicht nur der Euro hat
langfristig ein Problem, auch
die anderen Währungen. Der
Abwertungswettlauf kennt nur einen Sieger: Wir haben Gold zugekauft
und unsere Quote von 8,0 auf 10,5 Prozent
erhöht. Es wird weiter keine normalen
Zinsen geben. Allein mit der Dividende guter Aktien wie Nestlé, Apple oder Procter &
Gamble wird man langfristig jede
Zinsanlage schlagen. Dazu
kommen Chancen auf steigende Kurse. Der größte Fehler
wäre, jetzt noch panisch gute
n
Aktien zu verkaufen.
„Der größte Fehler
wäre, jetzt noch gute
Aktien zu verkaufen“
[email protected]
WirtschaftsWoche 7/12.2.2016
© Handelsblatt GmbH. Alle Rechte vorbehalten. Zum Erwerb weitergehender Rechte wenden Sie sich bitte an [email protected].
FOTO: PATRICK SCHUCH FÜR WIRTSCHAFTSWOCHE
„Das sind
langfristig
Kauf-Chancen“