1 ERASMUS-Praktikumsbericht Studienfach: MA

ERASMUS-Praktikumsbericht
Studienfach: MA Medienkulturwissenschaft
Vorbereitungen:
Erste Gedanken über ein Auslandssemester hatte ich
schon im 1. Semester meines Masterstudiengangs.
Die Entscheidung, ob es ein Studiums- oder
Praktikumsaufenthalt
wird
und
die
genaue
Destination, fiel jedoch erst später. Ich habe mich
schließlich für Griechenland entschieden, da ich
schon immer eine Schwäche für die griechische
Antike hatte. Durch einen Urlaubsaufenthalt in
Athen ein Jahr zuvor habe ich auch ein starkes
Interesse und Neugier für die gegenwärtige soziale
und politische Lage des Landes entwickelt. Ungefähr
ein halbes Jahr vor Praktikumsbeginn begann ich mit
der
Internet-Suche
nach
deutsch-
und
englischsprachigen Praktikumsstellen in Athen und
bin schnell auf die deutschsprachige Griechenland
Zeitung gestoßen und habe mich dort sofort mit
meinem Lebenslauf und einem Motivationsschreiben
beworben. Ich würde anderen jedoch empfehlen,
sich lieber früher um eine Praktikumsstelle zu kümmern. Ich hatte jedoch Glück und wurde schnell
für ein sechsmonatiges Praktikum in meinem gewünschten Zeitraum angenommen.
Die Wohnungssuche betrieb ich hauptsächlich durch die Facebook-Gruppe „Accommodation
Group - Erasmus @ University of Athens (ESN KAPA Athens)“. Dort schrieb ich eine kleine
Anzeige und bekam prompt mehr als zehn Angebote pro Tag. Natürlich war ich mir der Risiken
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jeglicher Aktionen über das Internet bewusst und war daher sehr dankbar, dass meine Kontakte, die
ich bei meinem ersten Athen-Besuch knüpfen konnte, sehr hilfsbereit waren und einige
Wohnungen auch in Vertretung für mich besichtigten. Nach wochenlangen Überlegen entschied
ich mich für eine kleine Altbauwohnung für 150€ in einem sehr stillen Viertel (Gouva), das
hauptsächlich von älteren Menschen und Katzen beherbergt wird und rund 15 min mit der Metro
vom Zentrum und meiner Arbeitsstelle entfernt war. Als Mitbewohner hatte ich einen jungen
Griechen, der sich sehr politisch und sozial in der Hauptstadt engagiert hat, und mir damit auch
einen alternativen Einblick auf Athen bot. Generell sind unter jüngeren Menschen der StudentenBezirk Pagkrati und der urbane Stadteil im Zentrum der Hauptstadt, Exarhia, sehr beliebt. Die
Mietpreise bewegen sich zwischen 150€ außerhalb des Zentrums bis über 300€ für etwas luxuriösere
Appartements im Zentrum. Der Durchschnittspreis liegt jedoch bei 220€. Athen ist durch das
Metro- und Bussystem sehr gut verbunden und deshalb ist es gar kein Problem, wenn man z. B. ein
kleineres Budget hat oder einfach nur in einem stilleren Vorort wohnen möchte. Den Stadtteil
Victoria würde ich jedoch nicht empfehlen, da er eine hohe kriminelle Aktivität vorweist. Vor dem
Praktikum habe ich ein von Erasmus empfohlenes interkulturelles Training absolviert, an das ich
während meines Aufenthaltes einige Male zurückdenken musste. Ich habe keinen Sprachkurs
belegt, da meine Arbeitssprache Deutsch war, doch ich habe mir vor der Abreise das griechische
Alphabet und einige Phrasen angeeignet, die sich während meines Aufenthaltes verbessert haben.
Griechisch ist zwar eine recht schwierige, aber dafür eine sehr melodische Sprache und es macht
äußerst viel Spaß, sie zu lernen.
Praktikum:
Die
Griechenland
Zeitung
Familienunternehmen
und
ist
wurde
ein
2005
kleines
von
dem
deutschen Philhellenen Jan Hübel und dem Österreicher
Robert
Stadler
gegründet.
Sie
ist
die
einzige
deutschsprachige Zeitung Griechenlands und erscheint
wöchentlich als Print und E-Paper. Außerdem gibt der
Verlag auch Bücher über Griechenland heraus und ein
jährliches Griechenland Journal. Das Team beinhaltet rund
fünf Mitarbeiter, die täglich in der Redaktion sind, und
einige freiwillige Mitarbeiter. Es sind auch immer
mindestens zwei Praktikanten dabei. Bei meiner Ankunft
wurde ich sehr offen und nett empfangen und fühlte mich
auf Anhieb in der kleinen Redaktion wohl. Es herrscht
eine äußerst flache Hierarchie und die Arbeitsatmosphäre war stets locker und auch stressige
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Situationen wurden rational und professionell gemeistert. Die Arbeitsmotivation war hoch, doch es
gab auch immer wieder Augenblicke, bei denen man sich etwas entspannen und miteinander
austauschen konnte. Bei gemeinsamen Abendessen konnte man sich dann auch besser
kennenlernen. Was meine Erwartungen betrifft, erhoffte ich mir einen ersten Blick in eine
professionelle Redaktion zu werfen, meine journalistischen Kenntnisse zu verbessern und mir einen
objektiven Durchblick in die politische Situation zu erschaffen. Diese wurden auch erfüllt.
Während meines Praktikums wurde ich in fast allen Bereichen der Zeitung und des Verlags
eingesetzt. Meinen ersten Monat verbrachte ich mit kleineren Aufgaben. Dazu gehörten das
tägliche Verfassen der Wettervorhersage, der Kultur- und Ausgehtipps, Werbetexte, Gewinnspiele,
Korrekturlesen, das Beaufsichtigen von Kommentaren der Nutzer auf sozialen Netzwerken
(Facebook, Twitter, Google+) und das Einbauen von Artikeln auf das dazugehörige Internetportal
www.griechenland.net. Schnell folgten auch erste richtige journalistische Aufgaben, wie z. B.
Interviews (telefonisch als auch vor Ort) und Berichterstattungen über verschieden politische oder
soziale
Veranstaltungen,
von
Partys
im
deutsch-griechischen
Altersheim,
bis
zu
Podiumsdiskussionen im Acropolis-Museum. Die Chefredaktion hatte stets ein offenes Ohr für
neue Ideen und Vorschläge und ging respektvoll mit allen Praktikanten um. Zudem hatte man die
Freiheit, sich die Themen für eigene Artikel auszusuchen. Ungefähr im dritten Monat meines
Praktikums wurde ich beauftragt, die Kommentarfunktion auf dem Internetportal, über das soziale
Netzwerk „Disqus“, zu verwalten. Dieses entpuppte sich manchmal als ziemlich nervenzerreißend,
denn sobald Griechenland das Hauptthema in
deutschen Medien war, häuften sich sowohl auf den
sozialen Netzwerken, als auch auf der Internetseite
feindliche,
unüberlegte
Kommentare.
Nebenher
und
pauschalisierende
wurde
ich
in
der
Produktkommunikation eingesetzt und kann daher
auch
erste
PR-Kenntnisse
vorweisen.
Der
Schwerpunkt lag dabei bei der Vermarktung über
soziale
Netzwerke
und
das
Verfassen
vom
wöchentlichen Newsletter.
Land und Leute:
Ich habe mir einen sehr aufregenden Zeitpunkt für ein Praktikum in Athen ausgesucht. Ich landete
in der Hauptstadt nur wenige Tage nachdem die Linke Partei SYRIZA gewählt wurde. Die
Nebenwirkungen der jahrelangen sozialen und wirtschaftlichen Krise waren nicht zu übersehen;
jeder zweite Laden war geschlossen, Obdachlosigkeit überflutete die Stadt und das
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Gesundheitssystem war fast komplett zusammengebrochen. Wörter wie „Krise“, „Sparpolitik“,
„Armut“ sind immer noch aus dem griechischen Wortschatz nicht mehr wegzudenken, doch die
Atmosphäre in der Stadt empfand ich nie als trübsinnig. Ich habe täglich die deutschen Berichte
über Griechenland verfolgt und war immer wieder fasziniert darüber, welcher Rhetorik sich Medien
und Politiker bedienen. Von Faulheit habe ich nichts gesehen, aber dafür leider sehr viel Armut.
Neben den ganzen außenpolitischen Dramen hatte Griechenland fast täglich mit neuen
Flüchtlingen zu kämpfen. Wenn diese von den Inseln endlich in der Hauptstadt landeten, wurden
sie erst an den Omonia-Platz, wo sich auch die GZ-Redaktion befindet, gebracht, sodass ich jeden
Morgen
auf
dem
Weg
zur
Arbeit
zahlreiche
Flüchtlinge
am
Platz
vorfand.
Die
Flüchtlingsorganisationen sind überfordert und kämpfen mit Platzmangel.
Doch die Griechen sind ein bewundernswertes Volk. Nach etlichen gescheiterten Regierungen
haben sie ihr Vertrauen in die Politik nicht verloren. Trotz der ganzen Schwierigkeiten reden ältere,
als auch jüngere Generationen gerne über Politik. Zudem waren sie immer neugierig, wie
außenstehende über ihr Land denken. Sie sind ein stolzes Volk, das sich nicht unterkriegen lässt,
doch sie geben auch viel zurück. Man hört viel über die griechische Gastfreundlichkeit, und diese
authentische Offenheit und Güte ist eines der seltenen „Stereotypen“, die wahr sind. Überall, wo
ich Stammkundin war, wurde ich nicht nur mit freundlichem Small-Talk, sondern auch mit
Köstlichkeiten aufs Haus begrüßt. Ich war gezielt nur mit Einheimischen, die ich über meinen
Mittbewohner und frühere Kontakte kennengelernt habe, unterwegs, und bekam Einblicke in viele
persönliche Schicksale. Als jemand, der aus einem anderen Krisenland (Kroatien) kommt, konnte
ich die Geschichten sehr gut nachvollziehen und verstehen.
Athen ist eine faszinierende, multikulturelle Stadt voller Kontraste und es fällt einem schwer, sich
nicht in die ausgeglichene Kombination von alt und neue, Orient und Okzident, zu verlieben. Sie
bietet unzählige kulturelle Angebote; von Museen, über Open-Air Kinos und Live-Musik. Von Juni
bis August findet das jährliche „Greek Festival“ statt, mit Theateraufführungen von griechischen
Meisterwerken der Antike, bis hin zum gegenwärtigem Theater und Konzerten im
atemberaubenden Theater Herodeon.
Fazit:
Für jemanden, der sich sehr für die wirtschaftliche und
soziale Politik Griechenlands interessierte, habe ich ohne
Zweifel nicht nur den richtigen Zeitpunkt für meinen
Aufenthalt, sondern auch die perfekte Praktikumsstelle
ausgesucht. Als Praktikantin bei einer deutschsprachigen
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Zeitung in Athen mitzuwirken, zu einer Zeit, in der sich eine der wichtigsten Ereignisse in
Griechenland abspielten, empfinde ich als äußerst privilegiert. Denn dadurch konnte ich sehen, wie
leicht man doch mit Informationen manipulieren kann, um eine gewünschte Schlagzeile zu
erlangen. Ich muss jedoch sagen, dass mir dieses auch ein wenig die Motivation und Lust an einer
journalistischen Karriere nahm, denn es kann sehr frustrierend sein, in einer Welt, die von
Sensationalismus dominiert wird, Objektivität als Priorität zu haben. Für mich war dieses
Auslandssemester ein sehr wichtiges und aufgrund der sozialen Lage und der Menschen, die ich
kennenlernen durfte, eine sehr wertvolle und emotionale Erfahrung. Athen bleibt für mich eine
Stadt, in die ich sehr oft zurückkehren werde.
Die GZ hatte bis jetzt schon über 100
Praktikanten zu Gast und freut sich immer auf
neue Anfragen aus der ganzen Welt. Ich würde
dieses Praktikum jedem, der keine bis wenige
journalistische Erfahrung vorzuweisen hat, und
der sich einen ersten Blick in eine professionelle
Redaktion verschaffen möchte, empfehlen. Eine
so kleine Redaktion hat den Vorteil, dass sie sehr
viel Freiheit bietet und sich daher als perfekter
Einstieg in journalistische Gewässer eignet. Wenn
man dazu noch Interesse an griechischen
Themen
mitbringt,
ist
es
ein
perfekter
Arbeitsplatz.
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