Drei Kontinente 15 Dörfer – eine Vision Millenniumsdörfer

ABSCHLUSSBERICHTE
Drei Kontinente
15 Dörfer – eine Vision
Millenniumsdörfer
Eine Initiative der Welthungerhilfe 2011–2015
Impressum
Herausgeber:
Deutsche Welthungerhilfe e. V.
Friedrich-Ebert-Straße 1
53173 Bonn
Tel. +49 (0)228 2288-0
Fax +49 (0)228 2288-333
[email protected]
www.welthungerhilfe.de
Verantwortlich:
Andrea Düchting, Jeannette Weller
Mitwirkende:
Mark Ankerstein, Tobias Brehm, Annika Funck, Bärbel Mosebach, Theo Riedke,
Rafaël Schneider
Journalistische Bearbeitung:
Netzhammer & Breiholz, Constanze Bandowski
Fotos:
Welthungerhilfe
Gestaltung:
Visuelle Kommunikation – Anja Weingarten
Status:
Bonn, August 2015
PDF Download:
www.welthungerhilfe.de/millenniumsdoerfer.html
Copyright:
Die Nutzung und Vervielfältigung des Textes und der Videos ist bei Angabe der Quelle
durchaus gewünscht.
Das DZI SpendenSiegel bescheinigt
der Welthungerhilfe
seit 1992 den effi­zienten und ver­
antwortungsvollen
Umgang mit den ihr
anver­trauten Mitteln.
2
Die Welthungerhilfe wurde mehrfach für
ihre transparente Berichterstattung und
hervorragende Informationsvermittlung
ausgezeichnet.
Im Test von SPIEGEL
ONLINE und der Phineo
gAG zur Wirkungstrans­
parenz der 50 großen
deutschen Spenden­or­
ganisationen erzielt die
Welthungerhilfe den
1. Platz.
Inhalt
Vorwort ..........................................................................................................................4
1. Einleitung Initiative Millenniumsdörfer .........................................................................5
2. Die Millenniumsdörfer ...............................................................................................7
Kongoussi – Burkina Faso* .......................................................................................9
Nentaraja – Kenia ...................................................................................................13
Ogur – Uganda .......................................................................................................17
Sarwan, Nimpith, Jhiranya – Indien ..........................................................................23
Kanat Toch – Kambodscha ......................................................................................29
Korak – Nepal .........................................................................................................33
Veshab – Tadschikistan ...........................................................................................37
Mondésir und Poirier – Haiti* ...................................................................................41
Auhya Pihni – Nicaragua** ......................................................................................47
Ayacucho und Riberas del Huallaga – Peru** ............................................................51
3. Wie wir Erfolge messen ...........................................................................................57
4. Nichts überzeugt mehr als ein gutes Beispiel: Süd-Süd-Austausch .................................59
5. Die Initiative Millenniumsdörfer – Fazit und Ausblick ....................................................62
Danksagung ..................................................................................................................65
*Einzelbericht liegt auch in französischer Sprache vor
**Einzelbericht liegt auch in spanischer Sprache vor
www.welthungerhilfe.de/millenniumsdoerfer.html
3
Vorwort
Selbstbestimmt besser leben – die Initiative Millenniumsdörfer
Als 189 Mitglieder der Vereinten Nationen im September 2000 die acht Millenniumsentwicklungsziele beschlossen, gaben sie damit den Startschuss zu einer hoffnungsvollen, globalen
Kampagne. Ihr Ziel: Ein menschenwürdiges Leben ohne Hunger und Armut.
Um diese Ziele verwirklichen zu können, brauchte es neben den finanziellen Ressourcen auch
lokale Konzepte und innovative Ansätze. Die Welthungerhilfe wollte zeigen, dass sich die acht
Millenniumsziele in abgelegenen, bedürftigen Regionen mit geringen Mitteln und viel Eigen­
engagement verwirklichen lassen. Dazu startete sie 2006 ihre Initiative ­Millenniumsdörfer.
Nach rund zehn Jahren ziehen wir ein positives Fazit. Trotz vieler Widrigkeiten haben sich fast
alle Dörfer positiv entwickelt. Das gilt auch für das Millenniumsdorf Poirier auf Haiti, das 2010
erst von dem verheerenden Erdbeben, zwei Jahre später von den Hurrikanen Sandy und Isaac
heimgesucht wurde. Und dennoch haben die Bewohnerinnen und Bewohner nicht aufgegeben
und selbstverwaltete Strukturen geschaffen, Bäume gepflanzt und Felder neu bestellt.
Was also ist die Formel hinter diesem Erfolg? Zunächst gibt es kein Patentrezept. In jeder Region
sind andere Konzepte und Ansätze notwendig. Zunächst gibt es jedoch Gemeinsamkeiten, die
mit den Stichworten Partizipation, Eigenverantwortung, Stärkung von Frauen, gemeinsam lernen
und reflektieren oder Neues ausprobieren gut beschrieben sind.
Welche Wege die Menschen zusammen mit der Welthungerhilfe und ihren Partnerorganisa­tionen
eingeschlagen haben, welche Ansätze funktionierten und welche nicht, darüber will dieser
­Bericht Auskunft geben. Hierfür haben wir Wirkungen erfasst, geprüft und ­zusammen mit der
Bevölkerung reflektiert.
Dank der vielen praktischen Erfahrungen in den Millenniumsdörfern wissen wir heute, dass es
für die Weltgemeinschaft möglich ist, Hunger und Armut zu mindern. Frauen sind dabei eine
treibende Kraft. Der Schutz der Umwelt stellt ebenso einen Schlüssel für den Erfolg dar. ­Unsere
Methoden wirken, wenn sie gemeinschaftlich mit dem notwendigen Willen verfolgt werden. Das
sehen wir als ein ermutigendes Zeichen und eine Aufforderung zugleich, wenn in 2016 die
Nachhaltigen Entwicklungsziele die Millenniumsentwicklungsziele ablösen werden.
Mathias Mogge
Vorstand Programme
4
1
Kapitel
Einleitung
Initiative Millenniumsdörfer
Alle Menschen sollen die gleiche Chancen haben auf ein selbstbestimmtes Leben in Würde und
Gerechtigkeit, frei von Hunger und Armut. Diese Vision verfolgt die Welthungerhilfe seit mehr als
50 Jahren in ihren Projekten zur nachhaltigen Ernährungssicherung. Dieser Kerngedanke steckt
auch hinter der Initiative Millenniumsdörfer. In ihr ging es darum, diese Vision im Kontext der
Millenniumentwicklungsziele (MDGs) zu praktizieren, zu kommunizieren und zu reflektieren.
In den ausgewählten Millenniumsdörfern standen die Menschen vor all jenen Heraus­forderungen,
die in den ländlichen Gebieten Afrikas, Asiens und Lateinamerikas Entwicklung erschweren:
Nahrungsunsicherheit, Wassernot, schlechte Infrastruktur, fehlende Energieversorgung, übernutzte Böden und wenig unterstützende und mitunter schwierige politische Strukturen. In den
Millenniumsdörfern wollte die Welthungerhilfe die Menschen in die Lage versetzen, Entwicklungschancen zu nutzen und so im Kleinen zeigen, was auch im Großen möglich ist – die
­Minderung von Hunger und Armut.
Das Prinzip „Hilfe zur Selbsthilfe“ stand dabei im Mittelpunkt: Dorfgemeinschaften benannten
ihre Probleme, erarbeiteten mit Unterstützung der Welthungerhilfe und ihren Partnerorganisa­
tionen Lösungsansätze und setzten diese eigenverantwortlich um. Welche der Millenniums­
entwicklungsziele die Bewohner bis 2015 erreichen wollten, bestimmten sie selbst. Die
­Dorfbevölkerung passte die ausgewählten Millenniumsziele inhaltlich auf ihre lokale Situation
an. Während im Millenniumsdorf Ogur in Uganda Wiederaufforstung eine bedeutende Rolle für
das Ziel ökologische Nachhaltigkeit (MDG 7) spielte, waren es in Kanat Toch in Kambodscha
Landrechte (MDG 7).
Fortschritte durch die Initiative fanden oft nicht nur in den Millenniumsdörfern statt. Ver­
änderungsprozesse strahlten auch in die Region aus, die zum Beispiel von verbesserten Markstrukturen und Innovationen in der landwirtschaftlichen Produktion profitierten.
Peru: Protagonisten der Zukunft in Aktion
Jedes Dorf und jede Region leistete einen Beitrag, um extreme Armut und Hunger (MDG 1)
lokal zu reduzieren. Wichtig war es, die Ergebnisse der Arbeit zu messen, um so ­Er­fahrungen
zu sammeln, zu teilen und zu lernen. Frauen spielten eine Schlüssel­
rolle. Ihre Gleich­
stellung (MDG 3) befeuerte p
­ artizipative Prozesse und eine sozio-ökono­
mische Dynamik,
indem ­
Frauen unter anderem Gemüsegärten
bewirtschafteten, die Früchte vermarkteten
und die Ernährungsvielfalt ihrer Familien
verbesserten. Heute sind Frauen aktiver und
­
gleichberechtigter in die Entwicklung ihrer
Dörfer eingebunden.
Die Beteiligung von Frauen und Männern an der Entwicklung ist nur die eine Seite der Medaille,
die andere ist, das Bewusstsein in die eigenen Stärken und Chancen zu fördern. Beide Entwicklungen unterstützten Welthungerhilfe und lokale Partnerorganisationen, denn diese Prozesse
stärken das eigene Engagement und damit den Glauben, dass die Ziele auch erreichbar sind.
5
1
Kapitel
Haiti: Wichtig – partizipative Workshops
Uganda: Gut organisierte Kleinbauerngruppe
Langfristiges Ziel – auch über die Zeit der Initiative hinaus – ist eine informierte Zivilgesellschaft, die Entwicklungshemmnisse und -potentiale eigenständig identifiziert, diskutiert und
Verant­wortung für Entwicklungsprozesse in ihrer Region übernimmt: Methodisch engagierte sich
in jedem Millenniumsdorf eine repräsentative Gruppe von Frauen und Männern an p
­ artizipativen
Planungs- und Steuerungsprozessen. Die Ergebnisse des Monitorings wurden gemeinsam von
Projektmitarbeitenden und Dorfvertretungen diskutiert und umgesetzt. Fortschritte hängen stark
von dem lokalen Kontext, aber auch der Entwicklung der zivilgesellschaftlichen Strukturen ab.
Bewährte sich eine Methode in einem Dorf, wurden sie auch in anderen angeregt und g­ etestet. In
Ogur, ­Uganda, beispielsweise bildeten sich eigenständige Netzwerke von Kleinbauern­gruppen,
die sich unter­einander unterstützten und sich für verbesserte Vermarktungsbedingungen ein­
setzen.
Den Süd-Süd-Austausch förderte die Welthungerhilfe aktiv, unter anderem in Form gegen­
seitiger Dorfbesuche. Denn was ist überzeugender als ein erfolgreiches Beispiel? Sie machen
Hoffnung und sie setzten in vielen Millenniumsdörfern Energien frei. Diese Beispiele einerseits
zu k­ ommunizieren, andererseits an die Wirklichkeit der anderen Dörfer anzupassen, ist auch Teil
erfolg­reicher Partizipation, an deren Ende die Welthungerhilfe die weitere Entwicklung in guten
Händen weiß – und die Initiative in den Millenniumsdörfern erfolgreich abschließen kann.
Millenniumsdörfer der Welthungerhilfe
2011 bis 2015
Veshab
Tadschikistan
!
Korak
Sarwan
Poirier
!!
Nicaragua
Auhya Pihni
!
!
Ogur
!
Nimpith
!
Indien
Uganda
Ayacucho
Jhiranya
Kongoussi
Burkina Faso
Riberas del Huallaga
Nepal
!
Haiti
Mondésir
!
!
!
Kambodscha
Kanat Toch
Kenia
!
Nentaraja
Peru
!
!
Millenniumsentwicklungsziele
1:125.000.000
Länder mit Millenniumsdörfern
6
Der vollständige Bericht der Initiative Millenniumsdörfer und weiteres Material ist hier zu finden:
www.welthungerhilfe.de/millenniumsdoerfer.html
2
Kapitel
Die Millenniumsdörfer
Stolz platziert sich Alfred Ocheng zwischen den gut gedeihenden Melonen auf seinem Feld im
ugandischen Ogur. Lange glaubten die hier lebenden Kleinbauern, dass Gemüse in der Region
nicht gedeihen würde. Nun bauen sie Melonen, Tomaten und Kohl an. Die alte Überzeugung
wurde damit widerlegt. Es war für die Menschen im Millenniumsdorf Ogur eine wichtige Erfahrung, die sie durch die Zusammenarbeit mit der Welthungerhilfe gemacht haben. Alleine hätten
sie diese nicht initiieren können.
„Wo wir gemeinsam lernen, uns als Gruppen Ziele setzen, diese analysieren und das Erreichte
auswerten, erzielen wir nachhaltig gute Ergebnisse“, sagt Dennis Ocoka von der W
­ elthungerhilfe
in Uganda. Diese Erfahrung haben die Menschen nicht nur in Ogur, sondern auch in den ­anderen
Millenniumsdörfern der Welthungerhilfe gemacht. Wer den Hunger beseitigen will, muss die
Menschen von Beginn an in die Entwicklungsprozesse integrieren und sie befähigen, ihre
­Rechte zu kennen und ihre Chancen wahrzunehmen. Partizipative Workshops sind ein wichtiges
­Instrument und eine Voraussetzung, um genau das zu erreichen. Dies ist eine der vielen Erkenntnisse der Initiative Millenniumsdörfer.
Was aber heißt Teilhabe konkret und wie kann die Welthungerhilfe sie in allen Projekten gewährleisten, wie dieses Ziel umsetzen? Auf diese Fragen gab es noch keine Antworten, als die
­Welthungerhilfe die Initiative Millenniumsdörfer 2006 in Afrika, Asien und ­Lateinamerika s­ tartete
und nach einer positiven Zwischenbilanz in die zweite Phase von 2011 bis 2015 überführte.
Nach Abschluss der Initiative werden in diesem Bericht Antworten zu den Fragen ­gegeben.
Fünfzehn Dörfer wurden so ausgewählt, dass sie die Herausforderungen für die globalen
Millenniumsentwicklungsziele repräsentierten und die erreichten Ergebnisse somit – wenn
­
auch lokal – als exemplarisch gelten konnten. Es handelte sich bei den ausgesuchten Dörfern
nicht um Ortschaften im eigentlichen Sinne, sondern um Streusiedlungen mit einer repräsen­
tativen Anzahl an Familien. Die Welthungerhilfe hat dabei ausnahmslos Dörfer in ländlichen und
friedlichen Regionen ausgewählt, um sicherzustellen, dass die Ortschaften jederzeit erreichbar sind und Entwicklungserfolge nicht durch bewaffnete Konflikte beeinträchtigt werden. Neu
entflammte politische Unruhen waren der Grund, warum die Maßnahmen im Millenniumsdorf
Mabote in ­Mosambik aus Sicherheitsgründen eingestellt werden mussten.
Kambodscha: Die nächsten Schritte werden in der
Gruppe besprochen
Uganda: Alfred Ocheng, stolz auf seine Melonenernte
7
„Wo wir
gemeinsam lernen, uns als Gruppen Ziele setzen,
diese
analysieren und das Erreichte auswerten, erzielen wir
nachhaltig gute Ergebnisse“ , sagt Dennis Ocoka von der ­
Welthungerhilfe in Uganda.
Wichtige Gruppenarbeit in einem PIA-Workshop,
hier ­Tadschikistan
Singen und Tanzen in Uganda – eine kurze Auszeit
ist bei den Workshops wichtig
In keinem Millenniumsdorf verlief die Entwicklung ausnahmslos geradlinig. Es gab auch
­Schwankungen und Rückschritte. Insbesondere externe Ereignisse erschwerten die positiven
Entwicklungen. In Kambodscha erschwert der Landraub langfristige Fortschritte, Haiti und
­Nicaragua wurden von Hurrikanen heimgesucht.
Trotzdem haben sich – mit Ausnahme von Mabote – die Lebensbedingungen für die Menschen
in allen Millenniumsdörfer positiv entwickelt.
Welche Methoden und Ansätze aber waren erfolgreich? Wie genau verbesserten Frauen und
Männer ihre Situation? Wie bewältigten Sie Rückschläge? Auf all diese Fragen haben die
­
­Menschen auf den drei Kontinenten ganz eigene Antworten gefunden, wie Sie aus den folgenden
Länderkapiteln erfahren können.
8
Der vollständige Bericht der Initiative Millenniumsdörfer und weiteres Material ist hier zu finden:
www.welthungerhilfe.de/millenniumsdoerfer.html
LÄNDERBERICHT
Millenniumsdorf Kongoussi –
Burkina Faso
0
50
100
1155
200
km
Mali
Niger
Kongoussi
Kongoussi
Ouagadougou
Burkina Faso
747
641
Elfenbeinküste
! Millenniumsdorf
Ghana
Benin
Togo
Sources: Esri, USGS, NOAA
H Stadt mit Projektbüro
!
J
"
Hauptstadt
#
Berg
9
MDG 1: Okraschoten liegen zum Trocknen aus
MDG 2: Die nächste Generation drückt die Schulbank
MDG 1: Getreidemühlen vereinfachen das Mahlen der Hirse
Millenniumsdorf Kongoussi – Burkina Faso
Grüne Gärten im Sahel
In Fénéguénè, einem von sechs Orten des Millenniumsdorfes
Kongoussi, warten gut 20 Frauen mit ihren Babys im Gemeinde­
zentrum geduldig darauf, dass sie an der Reihe sind. In der
­Mitte des frisch gestrichenen Raumes hängt eine Waage mit
einem Tragesack von der Decke. Darin zappelt der einjährige
Sohn von Valentine Ouedraogo ungeduldig mit den Füßen. Für
die Babys ist die Prozedur eher unangenehm – für ihre Mütter
hingegen ist das monatliche Wiegen ihrer Säuglinge immens
wichtig, weil sie hier erfahren, ob ihr Kind unterernährt ist oder
nicht. „Zum Glück geht es meinem Sohn gut, er hat w
­ ieder zugelegt“, sagt die vierfache Mutter Valentine Ouedraogo. U
­ nterund Mangelernährung sind hier am Rand der Wüste in der
Sahel­zone in Burkina Faso eines der größten Probleme.
Dass ihr Sohn und ihre anderen drei Kinder heute genügend
zu essen bekommen, liegt an vielen Maßnahmen, mit denen
die etwa 5.000 Haushalte des Millenniumsdorfes Kongoussi
ihr Leben neu organisieren. Eine ist das gemeinsame Bouillie-­
Kochen. Dafür reichern die Frauen den einheimischen Hirsebrei mit nährstoffreichen Nahrungsmitteln an, um ihre Säuglinge und Kinder gut zu ernähren. Früher mussten sie den
Bouillie-­
Brei im acht Kilometer entfernten Nassaré kaufen.
Heute ­haben sie eine neue Getreidemühle und produzieren den
Brei in Fénéguénè selbst, mit ihren eigenen Zutaten. „Dafür
treffen wir Frauen uns jeden Tag in unserem neuen Gemeinde-
zentrum und bereiten die Bouillie gemeinsam zu. Wir tauschen
uns miteinander aus und haben viel Spaß dabei“, sagt Béatrice
Sawadogo, 29 Jahre und Mutter von drei Kindern. Valentine
ergänzt „Danke der neuen Mühle geht das auch gut von der
Hand. Jetzt können wir die Hirse sehr viel schneller mahlen als
mit unserer traditionellen Getreidemühle.“
Es ist nur eines von vielen Beispielen, wie die Menschen in
­ ongoussi ihren Alltag heute einfacher und effizienter ­gestalten.
K
Vor allem haben sie neue Brunnen gebaut. Das hilft in erster
Linie den Frauen und Kindern, die traditionell dafür zuständig
sind, frisches Trinkwasser zu holen. Jetzt müssen sie nicht mehr
in den frühen, noch dunklen Morgenstunden zum mehrere Kilo­
meter entfernten Bam-See laufen und dort Wasser ­schlechter
Qualität schöpfen. Wenn sie heute die Metall­schlegel an den
neuen Brunnen im Dorf hinunterdrücken, sprudelt frisches
Trink­wasser aus dem Rohr direkt in die bunten Wasserkanister.
Weil in den Familien oft zehn und mehr Personen leben, holen
die Frauen auch heute noch mehrere Male am Tag Wasser. Aber
nun beträgt die Entfernung nur noch wenige hundert Meter bis
zum nächsten Brunnen, und das Trinkwasser, das sie dort entnehmen, ist keimfrei und Zeit wird auch noch gespart.
Dadurch sparen die Frauen jeden Tag wertvolle Stunden ein,
die sie besser nutzen können: Indem sie Lesen und Schreiben
lernen, Kühe, Ziegen oder Hühner züchten und verkaufen und
40%
Die Zahl der Menschen
mit Zugang zu Krediten
hat sich verdreifacht
10
Die Einschulungsrate ist
vor allem bei ­Mädchen
stark gestiegen
Die Mehrzahl der
Bevölkerung nutzen
heute ihren eigenen
Gemüsegarten
Frauen haben über
den Gemüseanbau und
der Verwaltung von
Mikrokrediten ganz
neue Möglichkeiten
93% der ­Bevölkerung
nutzt inzwischen
­sauberes Trinkwasser
der Frauen ­beteiligen
sich aktiv bei Dorfversammlungen
Jetzt können wir die Hirse sehr viel
schneller mahlen als mit unserer traditionellen
„
Getreidemühle“, sagt die 32-Jährige Valentine Ouedraogo lächelnd.
Einschätzung der Dorfbevölkerung zur Entwicklung
der Gleichstellung (MDG 3)
Einschätzung der Dorfbevölkerung zur Entwicklung
der Armutsminderung (MDG 1)
exzellent
exzellent
sehr gut
sehr gut
gut
mehr oder
weniger
schlecht
sehr
schlecht
gut
mehr oder
weniger
schlecht
sehr
schlecht
2004
2005
2006
2007
2008
2009
2010
2013
2004
2005
2006
2007
2008
2009
2010
2013
Gleichberechtigter Zugang zu Einkommen schaffenden
Tätigkeiten
Gleichberechtigter Zugang zu Informationen, Schulungen
und Ausbildungen
Nutzung ressourcenschonender Anbaumethoden
Zugang zu Mikrokrediten
Zugang zu landwirtschaftlichem Wissen
Quelle: Welthungerhilfe 2015
Quelle: Welthungerhilfe 2015
Hirsebier für den Verkauf produzieren. Sie legen auch ­Gemüseund Obstgärten an, um den täglichen Speiseplan mit wert­vollen
Vitaminen zu ergänzen und die Überschüsse ebenfalls zu verkaufen.
Leben vorbereitet wird als ihre Eltern. In der Nähe der Schulen
sind auch die neuen Brunnen und Gemeindezentren angelegt.
Diese haben die Bewohner gemeinsam mit der burkinischen
Nichtregierungsorganisation Association Zood Nooma pour le
­Développement (Zood Nooma, Verein für Entwicklung) gebaut,
dem lokalen Partner der Welthungerhilfe. Dadurch ist die Bedeutung von Bildung für alle, eben auch für die ­Erwachsenen,
in den Mittelpunkt des Dorflebens gerückt. Hier lernen die
­Menschen, wie sie ihre landwirtschaftlichen ­Erträge steigern
und die Anbauflächen erweitern können – und die Frauen,
­welche Nahrungsmittel sie brauchen und wie sie sie ver­wenden,
um täglich gesunde Familienmahlzeiten kochen zu können.
Inzwischen gehen nicht mehr nur die Jungen, sondern auch
immer mehr Mädchen wie die zwölfjährige Andrea Ouedraogo
zur Schule. „Ich bin sehr glücklich in der Schule“, sagt sie
strahlend. „Meine Eltern haben mir eine Lampe gekauft, mit
der ich jetzt auch abends lernen kann. Im letzten Jahr war ich
sogar die Viertbeste in meiner Klasse.“
Die Gärten, in denen Mango, Zwiebeln und Tomaten wachsen,
und die Felder, auf denen die kleinbäuerlichen F
­ amilien Mais,
Hirse, Sorghum und Bohnen anbauen, können sie ebenfalls
regel­
mäßig bewässern. Dafür haben die Familien einen zwei
Kilometer langen Bewässerungskanal zum nahen Bam-See gegraben, aus dem sie das Wasser mit Pumpen auf die Felder
bringen. Auch das erleichtert den Alltag und bringt zusätzliche
Erträge, weil die Kleinbauern nicht nur die ­Pflanzen besser mit
Wasser versorgen, sondern auch mehr Fläche bepflanzen können.
Die Zukunft hier am Rande der Wüste ist grün und hoffnungsvoll. Nicht zuletzt wegen der besser ausgestatteten Schulen,
in denen die nächste Generation viel umfangreicher auf das
Einwohner
Einwohnerdichte
Bruttoinlandsprodukt
pro Person & Jahr
Lebenserwartung Männer
Lebenserwartung Frauen
Geburtenziffer
Kindersterblichkeit
Alphabetisierungsrate
Beschäftigte in der Landwirtschaft
Welthunger-Index
Human Development Index
Weltrisikoindex
Gender Gap Score
Karte: Welthungerhilfe
Burkina Faso
Burkina Faso 2009
Burkina Faso 2015
Deutschland 2015
15,8 Mio.
57 p/km2
402 €
18,4 Mio.
67 p/km2
497 €
80,6 Mio.
231 p/km2
33.606 €
51 Jahre
54,9 Jahre
6,28 je Frau
8,4%
21,8%
90%
20,4 – sehr ernst
0,389 (Rang 177/182)
11,58% (Rang 29/173)
0,6081 (Rang 120/134)
52,8 Jahre
56,9 Jahre
5,93 je Frau
7,7%
28,7%
90,0%
19,9 – ernst
0,388 (Rang 181/195)
9,62% (Rang 41/171)
0,6500 (Rang 110/142)
78,6 Jahre
83,3 Jahre
1,38 je Frau
0,3%
99%
1,6%
0,911 (Rang 6/195)
3,01% (Rang 147/171)
0,7780 (Rang 12/142)
Quelle: Bündnis Entwicklung Hilft/UNU-EHS, CIA, IFPRI/Concern/Welthungerhilfe, UNDP, Worldbank, World Economic Forum
Dürre
Kongoussi wird zum Millenniumsdorf Dürre
2005
2006
Politische Unruhen und Flüchtlingsströme
aus dem benachbartem Mali
2010
2011
2012
2013
Dürre
Politische Unruhen infolge der Krise
im Nachbarland Elfenbeinküste
2014
Geplante
Wahlen
2015
Sturz des seit 1987 regierenden
Präsidenten Compaoré
Der vollständige Bericht der Initiative Millenniumsdörfer und weiteres Material ist hier zu finden: www.welthungerhilfe.de/millenniumsdoerfer.html 11
12
LÄNDERBERICHT
Millenniumsdorf Nentaraja –
Kenia
4321
4321
79
79
5199
4001
Somalia
Victoriasee
Kenia
Nairobi
a
nd
3682
5895
r un
di
a
Uganda
Nentaraja
Tansania
0
! Millenniumsdorf
50
100
200
km
Sources: Esri, USGS, NOAA
J
"
Hauptstadt mit Projektbüro
2653 2653
2653
! Felsregenfang
#
Berg
13
MDG 7: Felsregenfang für verbessertes Trinkwasser
MDG 1: Viehhaltung als Hauptnahrungs- und Einkommensquelle für
die Massai
MDG 1: Zusätzliches Einkommen durch Imkerei
Millenniumsdorf Nentaraja – Kenia
Neue Lebensqualität in einem zerbrechlichen Umfeld
Wie sie in Nentaraja Wasser ernten
„Vor der Dürre 2010/11 hatte mein Mann 52 Rinder“, erinnert
sich Naisula Karia. „Er ist mit seinen Tieren gewandert, um
Wasser und Gras zu suchen, wie es schon unsere Väter getan
haben. Aber es hat nichts genützt. Durch die Dürre haben wir
bis auf vier alle Tiere verloren“, sagt die Massai aus Nentaraja,
80 Kilometer südlich von Kenias Hauptstadt Nairobi.
Früher mussten die Frauen Wasserlöcher nutzen oder sie
gingen in der Trockenzeit zum fünf Kilometer entfernten
­
­Olkerriai-Fluss. Das ohnehin schmutzige Wasser teilten sich
die ­
Menschen mit ihren Tieren. Insbesondere Kinder, aber
auch Erwachsene l­itten an Durchfallerkrankungen. Jede zweite
­Erkrankung in der Region und jeder zehnte Todesfall ging auf
belastetes Wasser zurück.
Wie den Karias geht es vielen Familien in der semi-ariden,
sprich halbtrockenen Region um das Millenniumsdorf N
­ entaraja
mit seinen rund 2.500 Bewohnern. Trockenheit gehört hier zu
den Jahreszeiten wie in Deutschland der Frühling. Dürren gab
es früher allerdings nur alle fünfzehn Jahre, heute bleibt der
Regen jede zwei bis drei Jahre aus. Das gefährdet die Lebensweise der Massai, die vor allem von ihren Rinderherden leben.
Alles in Nentaraja hängt vom Regen ab – nur wenn der ­Regen
fällt, haben die Menschen genügend zu trinken, können sie
ihre Herden tränken und ihre Felder bestellen. Neun von zehn
­Menschen in der Region leben von der Land- und Viehwirtschaft. Deshalb zielen die Maßnahmen der Welthungerhilfe
darauf ab, die Wasserversorgung zu verbessern, den Ackerbau
an die neuen Verhältnisse anzupassen und die Menschen unabhängiger von der Rinderhaltung zu machen.
Heute ernten Frauen und Männer ihr Trinkwasser selbst, indem
sie das Regenwasser unterhalb eines großen, felsigen Hügels
auffangen. Dazu haben sie ein Auffangbecken betoniert, in der
sich das Wasser staut, dann gefiltert wird und in Tanks fließt.
Diese fassen 4.500 Kubikmeter Wasser. Davon können rund
2.000 Menschen ein ganzes Jahr trinken. Die Qualität ist so
gut, dass die Durchfallerkrankungen zurückgingen.
Für die Wasserverteilung und gerechte Nutzung ist ein Wasser­
komitee zuständig. Es betreibt einen Wasserkiosk, an dem das
Trinkwasser ausgegeben wird. Das Komitee hat nach langen
Diskussionen beschlossen, dass alle künftig für ihr Wasser
­bezahlen müssen, rund 20 kenianische Shilling (3 Cent) für 20
Liter. Das Wasserkomitee organisiert die Verteilung, hält den
Felsen sauber und kümmert sich um notwendige R
­ eparaturen.
40 €
Das Millenniumsdorf besteht aus 209
kleinen Ansiedlungen
(­Manyattas) mit insgesamt 408 Haushalten
14
ist das durch­schnittliche
Monatseinkommen
der Haushalte
Die Fertigstellung des
Felsregenfangs hat
den Weg zur nächsten
Quelle von 5-15 km auf
< 0.5-2 km reduziert
14 Imkergruppen ­wurden
gegründet, die pro Jahr
150-200 kg Honig für
6 € pro kg verkaufen
Ein durchschnittlicher Haushalt in
Nentaraja isst mind.
zwei Mal täglich
71 Trainings, 164
Gemeindetreffen und
5 Austauschbesuche
wurden durchgeführt
viele Jahre auf Hilfe angewiesen.
Jetzt verdiene ich mein eigenes Geld, kann meine
Seit dem Tod meines Mannes war ich
Kinder ernähren und sogar die Schulgebühren
bezahlen“, freut sich Anna Lengeny.
Einschätzung der Dorfbevölkerung zur ökologischen
Nachhaltigkeit (MDG 7)
Einschätzung der Dorfbevölkerung zum Bewusstsein über
ökologische Nachhaltigkeit (MDG 7)
exzellent
exzellent
sehr gut
sehr gut
gut
mehr oder
weniger
schlecht
sehr
schlecht
gut
mehr oder
weniger
schlecht
sehr
schlecht
2006
2007
2008
2009
2010
2011
2012
2013
2006
2007
2008
2009
2010
2011
2012
2013
Zugang zu sauberem Trinkwasser
Wiederaufforstung
Quelle: Welthungerhilfe 2015
Quelle: Welthungerhilfe 2015
„Das neue System macht mein Leben sehr viel einfacher,
weil ich nicht mehr viele Stunden Wasser schleppen muss“,
sagt J­ aqueline Kanayoi, die ganz in der Nähe lebt und für die
Nutzer­gruppe den Wasserkiosk betreibt.
gibt es zur Genüge und Honig lässt sich gut konservieren und
verkaufen. Inzwischen bewirtschaften vierzehn Frauengruppen
ihre eigenen Bienenvölker. Mit Hilfe des Projekts konnten die
Imker eine Honigschleuder anschaffen, mit dem sie den Honig
filtern und verarbeiten. So erzielen sie eine gute Qualität und
damit hohe Preise. „Seit dem Tod meines Mannes war ich viele
Jahre auf Hilfe angewiesen. Jetzt verdiene ich mein eigenes
Geld, kann meine Kinder ernähren und sogar die Schulge­bühren
bezahlen“, freut sich Anna Lengeny über die Entwicklung.
Schlangenbohnen statt Mais
Bleibt das Wasser aus, wird die Lage auch in der Landwirtschaft prekär. Dann verdorrt das Weideland, wächst nicht
­genügend Mais auf den Feldern. Während die Männer mit ihren
Tieren auf Wanderschaft gehen, schlagen die Frauen Bäume
und ­produzieren daraus Holzkohle, um sie zu verkaufen. Oder
sie bauen Sand ab. Damit aber legen die Frauen Hand an ihre
Zukunft. Um dem Raubbau entgegenzuwirken, sensibilisierte
das Projekt die Bevölkerung für die Zusammenhänge zwischen
Holzeinschlag und Verwüstung. Wissen allein aber reicht nicht
aus – sie brauchen auch Alternativen, um überleben zu können.
Daher bauen die Menschen trockenresistentere Gemüse, zum
Beispiel Mungo-, Schlangen- und Helmbohnen an. Und sie
ernten Gras und verarbeiten es zu großen Heuballen, die sie
in einer neu errichteten Scheune lagern. In jedem der sieben
Dorfteile stehen heute Demonstrationsfarmen, auf denen die
Bauern mit neuen Sorten und Früchten experimentieren.
Gutes Geld verdienen Frauen wie Männer mit Honig. Bienen
Als die Welthungerhilfe mit den Bewohnern und ­Bewohnerinnen
über mögliche Maßnahmen diskutierte, hörten die Frauen und
Männer zu. „Aber wirklich geglaubt, dass Gemüsegärten oder
das Anpflanzen von Bäumen auch funktionieren können, ­haben
sie nicht“, sagt Millicent Mbithi, stellvertretende Projekt­
leiterin der Welthungerhilfe in Kenia. Deshalb ist sie mit 14
Klein­
bauern und Kleinbäuerinnen ins Millenniumsdorf Ogur
im ­benachbarten Uganda gereist. Dort konnten sie mit eigenen
Augen die Fortschritte sehen und sich mit den Bewohnern über
lokale Methoden und Ansätze austauschen.
Beeindruckt haben vor allem die energiesparenden Öfen. Denn
in Ogur kochen die Menschen inzwischen nicht mehr auf Drei-
Die Welthungerhilfe startet ihr Engagement in der Region
Regierungswechsel
2002
Wer sieht, wird selig
2004
2006
Schwere Dürre, die große Teile des Viehs sterben lässt
2007
2008
Politische Unruhen und
schwierige Koalitionsbildung
2009
Dürre
15
MDG 1: Rinder – die Hauptnahrungsquelle der Massai
MDG 1: Bienenzucht als Einkommensquelle
Steine-Herden, sondern auf effizienten, aus Lehm gebauten
Herdstellen. Anna Lengeny hat ihn, wieder zurück in Kenia,
nachgebaut: „Heute komme ich mit einem Bündel Holz pro
Woche aus, davor habe ich drei Bündel die Woche verfeuert.“
s­ aubereres Wasser trinken, gesünder sind und sie zusätzliche
Zeit, ­gewonnen hat: „Ich habe mehr Zeit für meine drei Kinder
und kann auch nach meinem neuen Gemüsegarten schauen.“
Fragiles Leben
Trotz aller Fortschritte leben die Menschen in Nentaraja in
einem fragilen Umfeld. Ihre Zukunft hängt weiterhin von den
Niederschlägen und vom Klima ab. Aber die Bevölkerung hat
viele wichtige Maßnahmen umgesetzt. Die Wasserversorgung
ist besser geworden, auch die Gleichberechtigung der Frauen.
Sie sind heute in viele Entscheidungen eingebunden und verdienen mit Hilfe ihrer Gemüsegärten und Bienenvölker e­ igenes
Geld. Jaqueline Kanayoi freut sich, dass ihre Kinder heute
Karte: Welthungerhilfe
Kenia
Einwohner
Einwohnerdichte
Bruttoinlandsprodukt
pro Person & Jahr
Lebenserwartung Männer
Lebenserwartung Frauen
Geburtenziffer
Kindersterblichkeit
Alphabetisierungsrate
Beschäftigte in der Landwirtschaft
Welthunger-Index
Human Development Index
Weltrisikoindex
Gender Gap Score
Kenia 2009
Kenia 2015
Deutschland 2015
39 Mio.
67 p/km2
675 €
45,01 Mio.
78 p/km2
905 €
80,6 Mio.
231 p/km2
33.606 €
57,5 Jahre
58,2 Jahre
4,56 je Frau
5,47%
85,1%
75%
20,2 – sehr ernst
0,541 (Rang 147/182)
7,82% (Rang 67/173)
0,6512 (Rang 97/134)
62,1 Jahre
65 Jahre
3,54 je Frau
4,07%
87,4%
75%
16,5 – ernst
0,535 (Rang 147/195)
7%
(Rang 75/171)
0,7258 (Rang 37/142)
78,6 Jahre
83,3 Jahre
1,38 je Frau
0,3%
99%
1,6%
0,911 (Rang 6/195)
3,01% (Rang 147/171)
0,7780 (Rang 12/142)
Quelle: Bündnis Entwicklung Hilft/UNU-EHS, CIA, IFPRI/Concern/Welthungerhilfe, UNDP, Worldbank, World Economic Forum
Regierungswechsel
2010
Dürre
2011
2012
2013
2015
Nentaraja wid zum Millenniumsdorf
16 Der vollständige Bericht der Initiative Millenniumsdörfer und weiteres Material ist hier zu finden: www.welthungerhilfe.de/millenniumsdoerfer.html
Der Film über den Süd-Süd-Austausch zwischen Kenia und Uganda ist hier www.welthungerhilfe.de/trinkwasser-in-kenia.html
LÄNDERBERICHT
Millenniumsdorf Ogur –
Uganda
4307
3418 3418
Süd Sudan
3187
Ogur
Lira
Kenia
Uganda
Dem. Rep. Kongo
4321
4979
Kampala
4001
5199
Victoriasee
0
50 100
200 4519
km
Ruanda
Tansania
Sources: Esri, USGS, NOAA
! Millenniumsdorf !
H Stadt mit Projektbüro "
J Hauptstadt # Berg
3480 3480
3682 3682
2670
5895 5895
Burundi
2670
17
MDG 7: Zugang zu Trinkwasser verbessern
MDG 1: Kredit- und Sparvereine für mehr Investitionen
MDG 3: Auf dem lokalen Markt – gemeinsam für ein besseres Ein­kommen
Millenniumsdorf Ogur – Uganda
Wissen aneignen, Ziele setzen, Zukunft bauen
Die Kornkammer soll wieder blühen
Das Millenniumsdorf Ogur liegt im nördlichen Distrikt Lira, der
einstigen Kornkammer Ugandas. Doch wo früher Hirse, Bohnen
und Mais im Überschuss wuchsen und Bäume für ausreichend
Schatten und Wasser sorgten, erstreckte sich lange Jahre nur
ödes, trockenes Brachland. Über 20 Jahre lang wütete hier der
gewaltsame Konflikt zwischen der Rebellenorganisation Lord’s
Resistance Army und der ugandischen Armee. Aus Angst um
ihr Leben verließen damals rund 1,7 Millionen Menschen ihr
Hab und Gut – so auch die Familien des heutigen Millenniumsdorfes Ogur. Viele Jahre verbrachten sie in Flüchtlingslagern im
eigenen Land.
Genau darum geht es im Millenniumsdorf Ogur: Schritt für
Schritt erwerben die Bewohner und Bewohnerinnen die
notwendigen Fähigkeiten, um langfristig vom Ertrag ­
­
ihrer
Felder leben zu können. Dabei übernehmen sie selbst die
­
Verant­
wortung für die Entwicklung ihrer Heimat. Den Weg
zu ­ihrem Ziel haben die ­Männer und Frauen zu Beginn des
Projektes selbst ausge­
arbeitet. In partizipativen Workshops
diskutierten sie unter A
­nleitung der Welthungerhilfe die
Millenniumsentwicklungsziele. Ihre ­
­
Vision für Ogur: Die
einstige Kornkammer wieder zum Blühen zu bringen. Dafür
­
setzten sie die Schwerpunkte Hunger- und Armutsbekämpfung
(MDG 1), Geschlechter­gerechtigkeit (­MDG 3) und ö­ kologische
Nach­
haltigkeit (MDG 7). Mit den Projektmitarbeitenden der
Welthungerhilfe entwickelten sie konkrete Maß­
nahmen, wie
sie diese Vision umsetzen können und g­ ründeten in den vier
Streusiedlungen Awelo, Akano, Adwoa und Baradanga 15
­
­Bauerngruppen mit jeweils 30 Mitgliedern.
Mit Unterzeichnung des Waffenstillstandabkommens Mitte
2006 begannen die Menschen, in ihre Heimatorte zurückzukehren. Und standen erneut vor dem Nichts: Ihre Dörfer ­waren
zerstört, die Felder überwuchert, die Bäume abgeholzt. ­Zudem
hatten die jungen Leute, die sich hier ein neues ­Leben ­aufbauen
wollten, keine Erfahrung in der Landwirtschaft. Sie wussten
nicht, wie man ein Feld bestellt, Bewässerungs­systeme anlegt
oder Bäume pflanzt. Und sie besaßen weder Saatgut, noch
Werkzeug oder Zugtiere.
Heute muss in Ogur niemand mehr hungern. Auf den ­Feldern
wachsen Getreide, Mais und Bohnen, Obst und Gemüse.
Die Bauernfamilien züchten Ziegen für ihren eigenen Bedarf
und zum Verkauf. Sie haben Straßen, Schulen und Brücken
76€
noch immer ist das
jährliche Ein­kommen
von 27% der
­Familien geringer
18
33%
120 Ochsen ­wurden
an die Landbe­
völkerung verteilt
Von 9.000 ­angepflanzten
Orangenbäumen sind
70% angewachsen
84% der Haushalte be­­
werten die ökonomische
Situation der ­Gemeinde
besser als zuvor
mehr der 450 Haushalte
verfügen inzwischen über
ein Nebeneinkommen
Die Nahrungsmittel­
ernte ist heute um
knapp 30% höher
Alex Opoio und seine Frau erläutern stolz:
,,Wir wollten etwas
Neues ausprobieren und ernten
so viel Weißkohl, dass wir wöchentlich
zum
Verkaufen auf den Markt fahren müssen.“
Durchschnittliche Nahrungsmittelernte
Durchschnittliche Ernte von Cash Crops
Ernte pro Haushalt in kg
400
350
300
250
200
150
100
50
0
Mais Sorghum
Ernte pro Haushalt in kg
450
400
350
300
250
200
150
100
50
0
Soja
2011
Hirse
Sesam
Bohnen Erbsen Erdnüsse
2011
2013
Baumwolle
Sonnenblumen
2013
Quelle: Welthungerhilfe 2015
Quelle: Welthungerhilfe 2015
i­nstandgesetzt, Obstbäume und Nutzhölzer gepflanzt, ­Brunnen
repariert und die hygienischen Bedingungen verbessert.
­Jungen wie Mädchen gehen in die Schule und immer mehr
Frauen übernehmen lokale Führungspositionen. In der l­etzten
­Haushaltsbefragung gaben 84 Prozent der befragten F
­ amilien
an, dass sich ihr Leben im Vergleich zu 2010 verbessert habe,
zum Teil sogar deutlich.
Um die Wirtschaft anzukurbeln, unterstützt die W
­ elthungerhilfe
die Bauerngruppen bei der Organisation von Sparvereinen und
mit günstigen Kleinkrediten. Dadurch konnten sich im Jahr
2013 sieben von zehn Landwirten eigenes Vieh kaufen. Z
­ uvor
waren es nur vier von zehn. Auch ihre Rücklagen stiegen: Im
Jahr 2011 hatte nicht einmal jedes zehnte Mitglied der 15
Bauerngruppen 190 Uganda-Schilling (59 Euro) gespart –
2013 war es bereits knapp die Hälfte.
Dreifache Ackerflächen, zwei Ernten pro Jahr
Um den Anbau wieder anzukurbeln, verteilte die ­Welthungerhilfe
verbessertes, neues Saatgut. Jede der 15 Bauerngruppen erhielt ­außerdem vier Ochsengespanne und Pflüge, mit denen
sie ­reihum die Böden beackerten und schließlich bestellten.
So gelang es den Familien innerhalb von drei ­
Jahren, ihre
­bewirtschaftete Fläche von durchschnittlich 0,28 Hektar auf
rund 0,8 Hektar fast zu verdreifachen. Gemeinsam legten sie
Modellfelder an, auf denen sie angepasste A
­
­ nbaumethoden
sowie Unkraut- und Schädlingsbekämpfung ­
­
ausprobierten.
Und sie entwickelten Vermarktungsstrategien für ihre ­Produkte,
deren Erträge trotz einer schweren Dürreperiode 2013
­
­beachtlich gestiegen sind. Inzwischen hat sich die Zahl der
Haushalte mit zwei Mais- oder Bohnenernten im Jahr mehr als
verdoppelt.
Der Lira Distrikt ist ein landwirtschaftliches
Produktionszentrum.
1970er
Mit großem Erfolg ernten und essen die Menschen in Ogur
heute vitaminreiches Gemüse. Dadurch sind sie weniger krank
und leistungsstärker. „Früher wurde uns immer erzählt, dass
Tomaten oder Zwiebeln hier gar nicht wachsen würden“, sagt
der Kleinbauer Abor Eremerik. „Das ist offensichtlich falsch.
Wir haben von der Welthungerhilfe verbessertes, neues Saatgut b
­ ekommen. Schauen Sie, was daraus geworden ist!“ Stolz
zeigt der Familien­vater auf prächtige Reihen voller Kohl und
­Tomaten, Zwiebeln und Knoblauch, Möhren oder Auberginen.
Starke Frauen sorgen für Aufschwung
Vom Gemüse- und Obstanbau profitieren vor allem die ­Frauen.
In ihren Küchengärten wächst alles, was sie für eine frische
Mahlzeit für die Familie benötigen. Die Wege sind kurz, die
Der Konflikt zwischen der Lord‘s Resistance Army und der Regierung führt zu Flüchtlingsströmen.
1980er
2006
Die Dorfbewohner verlieren die landwirtschaftlichen Nutztiere.
19
„Früher entschied mein Mann allein über alle Anschaffungen“,
sagt die 56-jährige Milly Atula. „Mittlerweile tun wir das
gemeinsam. Bisher dachte ich, dass Mädchen traditionell mit 14 Jahren heiraten
sollten.
Jetzt weiß ich es besser und unterstütze
meine Töchter, länger in die Schule zu gehen.“
MDG 1: Anbau von Cash Crops für ein verbessertes Einkommen
Ernten das ­
ganze Jahr über gesichert und die Überschüsse
bringen etwas Geld in die Familienkasse. So tragen die F
­ rauen
erstmalig zum F
­ amilieneinkommen bei. Das macht sie stolz
und selbst­
bewusst. In Seminaren diskutiert das ganze Dorf
über ­Menschenrechte, Rollenverständnis und Gleichstellungsfragen. Das hat viel verändert: „Früher entschied mein Mann
allein über alle Anschaffungen“, sagt die 56-jährige Milly
­Atula. „Mittlerweile tun wir das gemeinsam. Bisher dachte ich,
dass Mädchen traditionell mit 14 Jahren heiraten sollten. Jetzt
weiß ich es besser und unterstütze meine Töchter, länger in
die Schule zu gehen.“ Inzwischen werden fünf Bauerngruppen
von Frauen geleitet und 41 Prozent aller Frauen haben eine
­leitende Position in der Gruppe oder auf Gemeindeebene.
Brunnen und Bäume für die Nachhaltigkeit
Die kleinbäuerlichen Familien reparierten verfallene ­Brunnen
und bauten neue. Dabei sollte es jedoch nicht bleiben: Sie
­gründeten Wasserkomitees, die heute dafür sorgen, dass die
Brunnen sauber und funktionsfähig bleiben. Die Komitees
halten auch die Wasserquelle instand und kontrollieren die
­
Abgabe, damit nicht zu viel entnommen wird. So hat sich
­
die Versorgung mit sauberem Trinkwasser im Projektzeit-
raum ­
drastisch verbessert (siehe Karte): Fast Dreiviertel der
­Bevölkerung ­musste im Jahr 2009 mehr als zwei Kilometer bis
zu nächsten sauberen Wasserquelle zurücklegen – 2014 waren
es nur noch 20 Prozent.
Ein wichtiges Anliegen war den Männern und Frauen aus Ogur
von Anfang an die Aufforstung ihrer Heimat. Der ­bewaffnete
Konflikt hatte ganze Landstriche zerstört, ein Großteil des
Baum­bestandes war als Feuerholz in den Flüchtlingslagern gelandet. So verteilte die Welthungerhilfe gleich zu Projektbeginn
Setzlinge und legte mit den Bauerngruppen Baumschulen an.
Die Zahlen sprechen für sich: Im Jahr 2011 pflanzte bereits
knapp die Hälfte der Haushalte (48 Prozent) Bäume an, zwei
Jahre später waren es sogar zwei Drittel (63 Prozent). Auch qualitativ zeigt die Initiative Erfolg: Von 9.000 verteilten Orangen­
bäumen wuchsen gut 70 Prozent an. Diese 6.365 B
­ äume
­bieten heute den Familien eine nachhaltige Ein­kommens- und
Ernährungsquelle für die kommenden Jahre.
Die Aufforstung beeindruckt den Kleinbauern Isaac Okino
von allen Projektaktivitäten am meisten. Der ­alleinerziehende
Vater von drei Kindern ist eine der treibenden Kräfte im
Die Welthungerhilfe startet ihr Engagement in der Region
2006
2008
Friedensverhandlungen und Rücksiedlung der Bevölkerung
20
2010
Ogur wid zum Millenniumsdorf
2015
Millenniumsdorf Ogur – Uganda
Die Wasserversorgungssituation vor und nach
den Maßnahmen der Welthungerhilfe
Entfernungen der Haushalte zum
nächsten sicheren Brunnen
2009
1km
8%
2km
20%
3km
13%
Gemeinde
Adwoa
>3km
59%
Gemeinde
Akano
2014
1km
23%
>3km
3%
3km
16%
2km
58%
0 0,5
1
2 km
MDG 1: Verteilung von Ochsengespannen
Entfernungen der Haushalte zum
nächsten sicheren Brunnen
2009
2014
Neu gegrabene Brunnen
Instand gesetzte Brunnen
Uganda
1km
1km
Hauptstraße
2km
2km
Wege
3km
3km
Besiedelte Gebiete
>3km
Victoria See
Quelle: Welthungerhilfe 2015
­ illenniumsdorf Ogur. Er hat Mango- und Zitrusbäume sowie
M
Nutzhölzer angepflanzt. Er besitzt einen Waschkanister vor
seinem Toiletten­häuschen und hat eine ordentliche WeißkohlProduktion aufgebaut, die er auf dem Markt verkauft. „Wenn
Karte: Welthungerhilfe
Uganda
Einwohner
Einwohnerdichte
Bruttoinlandsprodukt
pro Person & Jahr
Lebenserwartung Männer
Lebenserwartung Frauen
Geburtenziffer
Kindersterblichkeit
Alphabetisierungsrate
Beschäftigte in der Landwirtschaft
Welthunger-Index
Human Development Index
Weltrisikoindex
Gender Gap Score
die ­Welthungerhilfe nicht mehr da ist, muss ich das alleine
schaffen“, sagt der 31-Jährige. „Und ich werde alles daran
­
­setzen, dass es auch funktioniert.“
Uganda 2009
Uganda 2015
Deutschland 2015
32,4 Mio.
134 p/km2
328 €
35,9 Mio.
149 p/km2
415 €
80,6 Mio.
231 p/km2
33 606 €
51,7 Jahre
53,8 Jahre
6,8 je Frau
6,50%
66,80%
82%
14,8 – ernst
0,450 (Rang 157/182)
7,57% (Rang 72/173)
0,7067 (Rang 40/134)
57,6 Jahre
59,8 Jahre
5,96 je Frau
4,50%
73,20%
82%
17 – ernst
0,456 (Rang 161/195)
6,69% (Rang 84/171)
0,6821 (Rang 88/142)
78,6 Jahre
83,3 Jahre
1,38 je Frau
0,30%
99%
1,6%
0,911 (Rang 6/195)
3,01% (Rang 147/171)
0,7780 (Rang 12/142)
Quelle: Bündnis Entwicklung Hilft/UNU-EHS, CIA, IFPRI/Concern/Welthungerhilfe, UNDP, Worldbank, World Economic Forum
Der vollständige Bericht der Initiative Millenniumsdörfer und weiteres Material ist hier zu finden: www.welthungerhilfe.de/millenniumsdoerfer.html 21
22
LÄNDERBERICHT
m e n i sta n
60
65
Drei Millenniumsdörfer,
ein großes Ziel – Indien
7649
Ta j i ki s tan
3540
5808
3137
2941
Gas H u
Ch in a
3314
6748
7795
7708 7492
8611
8125
6934
5048
Aqq ik kol H u
Qi ngh ai H u
7167
Ho h Sai Hu
Ho h Xi l H u
6282
Hu it en N ur
Si a c h e n Gl a ci e r
Al esayq in H a
Els en N ur
Goz ha Co
Gya ri ng H u
4755
7135
Tar bel a D am
4171
Ayak kum H u
6973
1070
Afgh a n i s tan
6929
6725
Lum aj an gdo ng Co
Ban ggo ng Co
6720
3767
2708
3452
Gob in d Sag ar Res er voi r
7817
3003
35
Nepal
Neu Delhi
7162
7095
Lang a Co M apam Y um co
8848
7556
Ho ng H u
6882
7570
Don gt in g Hu
2570
4330
4500
1895
3826
Bangladesch
1935
Deoghar
Kalkutta
Jhiranya
3142
176
Ho n g Ko n g
Ma c a o Ho n g Ko n g
Ma c a o
Nimpith
Indien
3053
1567
Mumbai
2300
7782 7294
Bhutan
Sarwan
1722
Dan ji an gkou S hu iku
6638
3941
Pakistan
2130
Ng or in g Hu
6621
Myanmar
2830
2580
1501
1840
La o PDR
Ub olr a tn a Re ser voi r
2598
Thailand
Tung abh adr a
1343
2072
2420
Tonl e Sap
Cam b o d i a
1813
0
250
500
! Millenniumsdorf
2695
1.000
km
Vi e tn a m
Sources: Esri, USGS, NOAA
1780
Hauptstadt
J
"
Stadt
2524 mit Projektbüro
Sr i L a n k a
Stadt
#
Sp r atl y Is.
Berg
Sen anay ake Sa m udr a
Ma l d i ve s
Ma l d i ve s
2190
Ma l d i ve s
2985
Ma l d i ve s
Ma l a ys i a
Ma l d i ve s
Ma l d i ve s
Dan au To ba
23
176
Ma l d i ve s
Si n g a p o re
3
2278
In d o n e s ia
Ma l d i ve s
3805
In d o n e s ia
MDG 1: Jhiranya – Trocknung von Chillis als Einkommen schaffende Aktivität
MDG 1: Nimpith: Brunnenbau mit dem staatlichen Beschäftigungsprogramm
MDG 1 und 7: Nimpith: Sammlung von eßbaren Wildblüten des
Mahua Baumes
Drei Millenniumsdörfer, ein großes Ziel – Indien
Rechte einfordern, die Menschen stärken
Fotografieren ist nicht ihre Sache. Ernst, beinahe grimmig
blickt Shymai Bai aus dem Millenniumsdorf Jhiranya, in
­Madhya ­Pradesh im Osten Indiens, in die Kamera. Dabei ist die
65-Jährige inzwischen eine durchaus selbstbewusste Frau. Das
war nicht immer so. Shymai Bai gehört dem Volk der Barela an,
die zu den Adivasis, zur indigenen Bevölkerung Indiens zählt –
mit eigener Sprache und eigener Kultur. Die Adivasis werden
wie die Dalits, die „Unberührbaren“, im Land diskriminiert.
„Wir lebten von der Hand in den Mund. Früher wussten wir nicht
einmal, dass wir überhaupt Rechte besitzen“, sagt Shymai Bai.
Das hat sich geändert, seit ihr Dorf Jhiranya Millenniumsdorf
wurde. In Indien gibt es insgesamt drei. Sarwan ist ein ­weiteres
Millenniumsdorf und liegt im nordostindischen Bundesstaat
Jharkhand. Das dritte Dorf, Nimpith, ist 400 Kilometer ­weiter
südlich am Golf von Bengalen zu finden. Geographisch und
kulturell unterscheiden sich die Dörfer voneinander, sie haben
jedoch einen ähnlichen sozialen und politischen Hintergrund.
Die Einwohnerinnen und Einwohner sind wie Shymai Bai entweder Adivasis oder Dalits. Sie profitieren nicht von den beeindruckenden Wachstumszahlen der indischen Wirtschaft. So
wundert es nicht, dass die Kindersterblichkeit mit 72 Toten
pro 1.000 Lebendgeburten in Jhiranya einen Spitzenplatz im
Dorfversammlungen,
Komitees und Selbst­
hilfegruppen unterstützen
die Zusammenarbeit
und ermöglichen
politische Teilhabe
24
globalen Ranking einnimmt und hier mehr Menschen hungern
als zum Beispiel im afrikanischen Sudan.
Es ist ein Dreiklang aus Unterernährung, Unterdrückung und
Unwissenheit, die die Menschen in ihrer Not hält. In allen drei
Dörfern halten die Welthungerhilfe und ihre Partnerorganisa­
tionen dagegen – mit Hilfe zur Selbsthilfe, politischer Aufklärung und Bildung. Dadurch haben sich vor Ort zahlreiche
Indikatoren der Millenniumsentwicklungsziele (MDG) deutlich
verbessert.
Die politische Teilhabe von Adivasis und Dalits ist ­besonders
wichtig. Die drei indischen Millenniumsdörfer sind deshalb
auch Teil der regional übergreifenden Fight Hunger First
Initiative der Welthungerhilfe, die besonders die politischen
­
­Zusammenhänge von Armut und Hunger in den Vordergrund
rückt und den Staat an seine sozialen Pflichten und die ­Rechte
seiner Bevölkerungsgruppen erinnern will. In den P
­ rogrammen
der Welthungerhilfe wird diese politische Arbeit eine z­ unehmend
wichtigere Rolle spielen, denn ohne sie wird man die Armut
rund um den Globus nicht überwinden.
Sarwan – Diversifizieren, bewässern, höhere Erträge
Die 5.300 Dorfbewohner in der abgelegenen Region im
Bundes­staat Jharkhand bauten lange Zeit vor allem Reis an.
227
Bei 20 Klein­messen
zur Ernährung in
Jhiranya wurde 227
unterernährten Kindern
direkt geholfen
17 Bewässerungs­
brunnen wurden von
der Dorfbevölkerung in
Jhiranya mitfinanziert und
gemeinschaftlich gebaut
Heute besuchen alle
­Kinder in Sarwan
die Schule – vor
allem für Mädchen
eine neue Erfahrung
In 15 Koch-Demon­
strationen lernte
die Bevölkerung
Nimpiths nährstoff- und
abwechslungsreiche
Nahrung kennen
50 Gemüsegärten
verbessern in Nimpith
die Gesundheits- und
Ernährungsqualität
„Wir lebten von der Hand
in den Mund.
Früher wussten wir nicht einmal, dass wir überhaupt
Rechte besitzen“, sagt Shymai Bai.
Einschätzung der Dorfbevölkerung in Sarwan zur Entwicklung
des Rechtes auf medizinische Grundversorgung (MDG 5)
Einschätzung der Dorfbevölkerung in Sarwan zur Entwicklung
des Rechtes auf nachhaltige Ernährungssicherung (MDG 1)
exzellent
exzellent
sehr gut
sehr gut
gut
mehr oder
weniger
schlecht
sehr
schlecht
gut
mehr oder
weniger
schlecht
sehr
schlecht
2008
2009
2010
2011
2012
2013
2014
2015
2008
2009
2010
2011
2012
2013
2014
2015
Qualität der Beratung über reproduktive Gesundheit
Bewusstsein über die Bedeutung von Gesundheitseinrichtungen für Mütter und Kinder
Registrierung aller schwangeren und stillenden Müttern
in Gesundheitszentren
Verfügbarkeit von Nahrungsmittelkarten für Bedürftige
Ausreichende und regelmäßige Verfügbarkeit von subventionierter Nahrung
Registrg. von bedürftigen Haushalten für 100 Tage
bezahlte Arbeit (MGNREGA System)
Quelle: Welthungerhilfe 2015
Quelle: Welthungerhilfe 2015
Monokulturen aber laugen die Böden aus und sind gegen­
über Schädlingen anfällig. Zudem leiden die Menschen unter
wieder­kehrenden Dürren in der Trockenzeit und verheerenden
Überschwemmungen in der Regenzeit. Beides ist kaum zu
­beeinflussen, doch Anpassungsmechanismen sind erlern- und
­anwendbar. So haben die Menschen in Sarwan zum Beispiel die
Vorteile einer nachhaltigen Landwirtschaft schätzen gelernt.
können, ohne diese be­wässern zu müssen. D
­ adurch konnten
sich die Menschen neue Nutz­flächen ersch­ließen und darauf
Hülsenfrüchte, ­Hirse, Öl­pflanzen und ­Gemüse anbauen. Inzwischen erzielen die ­
Menschen höhere Erträge. Die Ernten
reichen heute drei M
­ onate länger als noch vor Projektbeginn.
Bauer Sanjay Y
­adav ist wie die fünfzehn ­anderen ­Mitglieder
seiner Selbst­
­
hilfegruppe voll des Lobes. „Früher ­
hatten wir
nicht ­genug ­Weizen zu essen. Heute fehlt uns der Platz, um die
Ernten zu lagern“, sagt der 35-jährige Vater von zwei K
­ indern.
­Gemeinsam in der ­Gruppe e­ xperimentieren sie mit Getreideund ­Gemüsesorten und ­haben ein Weide­management eingeführt, das den heiligen K
­ ühen huldigt und gleichzeitig ihre
­Ernten vor dem Appetit der frei laufenden Kühe schützt.
Statt im Durchschnitt zehn Feldfrüchten bauen sie heute
­doppelt so viele an. Als ersten Schritt für eine nachhaltigere
Bewirtschaftung der Ackerfläche gründeten Bewohnerinnen
und Bewohner mit Unterstützung der Welthungerhilfe und ihrer
Partnerorganisation Pravah Gruppen von Kleinbauern, Frauenselbsthilfegruppen sowie Wasserkomitees. Mit D
­ ämmen und
Kanälen sammelt die Bevölkerung heute Regenwasser ein und
bewässert so ihre Felder. Trinkwasser gibt es ­inzwischen auch
genügend. Die Partnerorganisation Pravah wiederum t­rainierte
Kleinbauernfamilien und Frauengruppen, wie sie ihre Felder mit
Methoden einer nachhaltigen integrierten Landwirtschaft ange­
passter bewirtschaften können. Diese M
­ ethoden konzen­trieren
sich nicht auf die Leistungssteigerung einzelner Sorten, s­ ondern
kombinieren Feldfrüchte, Nutztiere und Aqua­kulturen, je nachdem in welcher geologischen Zone sich die landwirtschaft­
lichen Nutzflächen befinden. In Sarwan ­lernten die Klein­
bauern, wie sie Brachflächen im Trockenfeldbau ­bewirtschaften
Nimpith – Gesunde Mütter, gesunde Kinder
Nimpith liegt in einem einzigartigen, für Besucher ­
idyllisch
wirkenden Mangrovenbiotop. Die Wirklichkeit jedoch ist
ernüchternd. Das Gebiet in Westbengalen gehört zu den
­
­ärmsten Regionen Indiens. Ackerland ist knapp. Die Hälfte der
Bevölkerung kann sich kaum zwei angemessene Mahlzeiten
­
am Tag leisten. 95 Prozent aller schwangeren Frauen leiden an
Unter­ernährung, 83 Prozent an Blutarmut. Entsprechend hoch
ist die Kindersterblichkeit.
PRAVAH wird Partnerorganisation der Welthungerhilfe
1999
SRAN wird Partnerorganisation der Welthungerhilfe
2004
2006
Manmohan Singh wird
erster Sikh Premier Minister
Sarwan wird Millenniumsdorf, erste Phase
2007
2008
2009
Zyklon Alia in
West Bengalen
25
Bauer Sanjay Yadav: „Früher hatten wir nicht genug Weizen zu essen.
Heute fehlt uns der Platz, um die Ernten zu
lagern“, sagt der 35-jährige Vater von zwei Kindern.
Kinder mit Zugang zu öffentlichen Dienstleistungen
(MDG 1, 2, 4) in Nimpith
Ernährungsstatus der Kinder (MDG 1, 4) in Nimpith
Nr.
100
Nr.
200
80
160
60
120
40
80
20
0
40
17
0
41
Zusatznahrung
für Kinder
2012
67
Vorschulteilnahme
30
83
Gesundheits- &
Ernährungscamps
35
52
0
Impfschutz
2014
125
79
Schwer akut
unterernährt (SAM)
2012
184 109
Moderat akut
unterernährt (MAM)
0
20
Nicht akut
unterernährt
2014
Quelle: Welthungerhilfe 2015
Quelle: Welthungerhilfe 2015
Einer der Gründe für Hunger und Armut ist die fehlende B
­ ildung,
andere sind soziale Tabus und Unwissenheit, weiß Sharmistha
Some von der Partnerorganisation Sri Ramakrishna Ashram
Nimpith (SRAN). „Einige der vielen Tabus in der Region lösen
sich endlich auf. Heute geben Frauen ihren Neugeborenen die
Brust und lassen sie gegen Polio impfen“, sagt die 24-Jährige.
e­ rlernten die ­Mütter in Kochkursen, wie sie ihre Neuge­borenen
nährstoffreich mit lokal vorhandenen Lebensmitteln und
­Kräutern ernähren können.
Dafür war und ist jede Menge Überzeugungsarbeit not­wendig.
SRAN und Welthungerhilfe organisierten 35 Gesundheitscamps, in denen sie mehr als 2.500 Teilnehmerinnen über
Hygiene, Impfungen und die richtige Ernährung für ihre ­Babys
sensibilisierten. Und mit ihnen diskutierten, warum es für
sie besser ist, eher später Kinder zu bekommen. Außerdem
MDG 2 und 4: Nimpith: In der Schule wird vor dem Essen gesungen.
Die bewusstseinsschaffenden Sensibilisierungskampagnen
­wirken, sagt Sharmistha Some: „Ich bin schon stolz, wenn ich
die wichtigen Veränderungen sehe. Ein akut unter­
ernährter
Junge hat sich Dank der aktiven Behandlung von ­
einem
lethargischen zu einem aktiv spielenden Kind entwickelt.“
­
Inzwischen ­
registrieren die Mütter die Vorteile einer guten
Gesundheitsvorsorge, entsprechend aktiver nutzen sie diese
Dienstleistungen heute.
MDG 4: Nimpith: Das Mädchen Mampi bekommt feste Nahrung.
Sie war schwer akut unterernährt und nahm nach richtiger
Beratung 2 kg zu.
Jan Sahas wird Partnerorganisation der Welthungerhilfe
2010
26
2011
2014
Jhiranya & Nimpith werden Millenniumsdörfer
2015
Narendra Modi wird Premier Minister
„Ich bin schon stolz, wenn ich die wichtigen
Veränderungen sehe. Ein akut unterernährter Junge hat sich Dank der
aktiven Behandlung von einem lethargischen zu einem aktiv
spielenden Kind entwickelt.“ sagt die 24-Jährige Sharmistha Some.
Einschätzung der Dorfbevölkerung in Jhiranya zum
Bewusstsein über ihre Rechte (MDG 4, 5)
Dorfbevölkerung in Jhiranya mit Zugang zu staatlichen
Förderprogrammen (MDG 1)
exzellent
100
sehr gut
80
gut
mehr oder
weniger
schlecht
sehr
schlecht
60
40
20
2008
2009
2010
2011
2012
2013
Bewusstsein für das Recht auf medizinische
Grundversorgung von Müttern
Bewusstsein für das Recht auf medizinische
Grundversorgung von Kindern
3%
70%
0
% Bewohner mit Eink. aus dem staatl.
Beschäftigungsprogramm MGNREGA
2012
2014
66%
80%
Bewohner erhalten staatl.
Nahrungsmittelhilfe PDS*
*Staatliches System zur Verteilung von
Nahrungsmitteln an bedürftige Menschen.
Quelle: Welthungerhilfe 2015
Quelle: Welthungerhilfe 2015
Jhiranya – Rechte einfordern
Garantierte Rechte sind das eine. Sie einzufordern und
durchzusetzen das andere. Es ist schwierig, aber möglich. In
einem ersten Schritt gründeten die Menschen, unterstützt
­
von ­Welthungerhilfe und ihrer Partnerorganisation Jan Sahas,
Selbsthilfegruppen. In Workshops erfuhr die 65-jährige Shymai
Bai erstmals, welche Rechte ihrer Gemeinschaft zustanden.
Und sie diskutierte mit anderen, wie sie diese Rechte einfordern können. Zum Beispiel über Wandzeitungen, in denen
Schulkinder auf die Probleme in ihren Schulen aufmerksam
machen. Zahlreiche Komitees begannen damit, staatlichen Gesundheitszentren auf die Finger zu schauen und über die Einhaltung von Budgets staatlicher Stelle und Gesetzen zu wachen
bzw. staatliche Unterstützung einzufordern.
Lange lebten die Bewohnerinnen und Bewohner des
Millenniumsdorfes Jhiranya von den Früchten des Waldes
­
wie es ihre Urahnen seit vielen Jahrhunderten taten. Weil
Unter­
nehmen den Wald einschlagen, müssen die Adivasi
Landwirt­
schaft betreiben. Dabei gibt es zahlreiche Gesetze,
die Be­
dürftigen staatliche Unterstützung garantieren oder
Urein­wohnern das Recht verleihen, Landrechte einzufordern.
So räumt der ­
Mahatma Gandhi National Rural Employment
Guarantee Act (MGNREGA) jedem indischen Haushalt das
­
Recht auf 100 Tage bezahlter Arbeit ein, zum Beispiel im
Straßenbau. Mit dem Forest Right Act können Ureinwohner ihr
Recht auf das Land einfordern, das sie früher bewohnt haben,
von dem sie aber vertrieben wurden.
MDG 1: Sarwan: Die Selbsthilfegruppe der Frauen trifft sich zum
Thema Mikrokreditvergabe
MDG 4: Jhiranya: Befragung zu Mangelernährung
27
MDG 5: Swaran: Die Frauengruppe diskutiert über die Servicequalität
des lokalen Gesundheitszentrums.
MDG 4: Nimpith: Mütter und Kinder warten auf die Essensausgabe
MDG 7: Sarwan: Sri Srikanth Yada in seinem ökologisch bewirt
schafteten Auberginenbeet
Schritt für Schritt stellten sich Erfolge ein: So konnten die
Bewohner – mit staatlicher Unterstützung – 17 Brunnen
­
­bohren. Schulkinder erhalten ein kostenloses Mittagessen in
vier ­Schulen und drei Gesundheitszentren. Über 1.200 ­Männer
und Frauen profitierten vom staatlichen Beschäftigungs­
programm MGNREGA.
Die Kombination aus landwirtschaftlichen Methoden für h
­ öhere
Ernten einerseits und Rechten einfordern andererseits, hat
sich als besonders erfolgreich für eine verbesserte Ernährungs­
situation erwiesen. „Die Regierung muss einlösen, was den
Bürgern hier im Land zusteht“, sagt Ashif Shaikh, Gründer der
Partnerorganisation Jan Sahas in Jhiranya. Seine ­kämpferische
Lösung haben die Menschen verinnerlicht. Die 65-jährige
­Shymai Bai schaut deshalb hoffnungsvoll nach vorne: „Früher
war jeder für sich. Heute sind wir eine Gemeinschaft g­ eworden.
Wir lernen gemeinsam unsere Rechte kennen und sorgen
­gemeinsam für eine bessere Zukunft.“
Erfolge und neue Ziele
Die staatliche Unterstützung ist finanziell bedeutend. Noch
wichtiger aber ist, dass die Menschen in Jhiranya, Nimpith und
Sarwan heute ihre Rechte kennen und diese selbstbewusst bei
der Regierung reklamieren. Sie haben sich den Zugang zu Beschäftigungsförderung und Ernährungsprogrammen (MDG 1)
sowie besserer Schulbildung für Ihre Kinder (MDG 2) erkämpft.
Die Unterernährung von Kindern ist im Projektgebiet um rund
acht Prozent gesunken. Außerdem hat sich die medizinische
Versorgung für Mütter (MDG 5) verbessert und die Kindersterblichkeit (MDG 4) ist zurückgegangen. Schließlich wissen die
Menschen heute sehr viel genauer, wie sie ihre Böden nachhaltig bewirtschaften und ihre Ernte besser lagern. So verwenden sie ­heute statt Pestiziden selbst produzierten Kompost und
schützen ­damit ihre Umwelt (MDG 7).
Karte: Welthungerhilfe
Indien
Einwohner
Einwohnerdichte
Bruttoinlandsprodukt
pro Person & Jahr
Lebenserwartung Männer
Lebenserwartung Frauen
Geburtenziffer
Kindersterblichkeit
Alphabetisierungsrate
Beschäftigte in der Landwirtschaft
Welthunger-Index
Human Development Index
Weltrisikoindex
Gender Gap Score
Indien 2009
Indien 2015
Deutschland 2015
1.166 Mio.
354,7 p/km2
833 €
1.236 Mio.
375,9 p/km2
1.088 €
80,6 Mio.
231 p/km2
33.606 €
67,5 Jahre
72,6 Jahre
2,72 je Frau
3,0%
61,0%
60%
23,9 – sehr ernst
0,612 (Rang 134/182)
7,68% (Rang 71/173)
0,6151 (Rang 114/134)
66,7 Jahre
69,1 Jahre
2,51 je Frau
4,3%
62,8%
49%
17,8 – ernst
0,586 (Rang 135/195)
7,04% (Rang 85/171)
0.6455 (Rang 114/142)
78,6 Jahre
83,3 Jahre
1,38 je Frau
0,3%
99%
1,6%
0,911 (Rang 6/195)
3,01% (Rang 147/171)
0,7780 (Rang 12/142)
Quelle: Bündnis Entwicklung Hilft/UNU-EHS, CIA, IFPRI/Concern/Welthungerhilfe, UNDP, Worldbank, World Economic Forum
28 Der vollständige Bericht der Initiative Millenniumsdörfer und weiteres Material ist hier zu finden: www.welthungerhilfe.de/millenniumsdoerfer.html
LÄNDERBERICHT
Millenniumsdorf Kanat Toch –
Kambodscha
Laos
Kanat
Toch
H
!
Banlung
Virach
ey
Thailand
Ka
mb
n
Sa
Se
od
1813
Lumphat
sc
ha
2420
Vietnam
Phnom Penh
0
50
100
200
km
Sources: Esri, USGS, NOAA
! Millenniumsdorf !
H Stadt mit Projektbüro "
J Hauptstadt # Berg
Nationalparks
29
MDG 7: Traditionelle Ressourcennutzung ist gestärkt – Frauen gehen zur Bambussprossen Ernte in den Wald
MDG 1: Verbesserte Ernährung durch traditionelle und nährstoffreiche
Lebensmittel
MDG 3: Frauen stärken ihren Zusammenhalt in der Kochgruppe
Millenniumsdorf Kanat Toch – Kambodscha
Fortschritt im Reisfeld
Das Paradies könnte in Kanat Toch liegen: Der Nordosten
­Kambodschas hat fruchtbare Böden, ausreichend Wasser und
überall gibt es wild wachsendes Obst und Gemüse. Im Virachey-­
Nationalpark lebten die ethnischen Minderheiten einst in Einklang mit der üppigen Natur, die sie mit ausreichend Nahrung
versorgte. Dann wütete 30 Jahre lang der Bürgerkrieg und mit
ihm die Gewaltherrschaft der Roten Khmer. Seitdem gehören
die Bewohner und Bewohnerinnen der Provinz Ratanakiri zu
den am meisten benachteiligten Menschen des Landes. Sie
wurden vertrieben und siedelten sich am Ufer des Flusses
Se San an – ohne Saatgut, Werkzeug oder Arbeit. Hunger, Elend
und lebensbedrohliche Krankheiten waren weit verbreitet. Zwei
Drittel aller Kinder litten an chronischer Mangelernährung.
Heute stehen die Reisfelder im kambodschanischen Millenniumsdorf wieder in prächtigem Grün. Die Ähren biegen sich
unter der Last der Früchte. „Wir setzen die Pflanzen jetzt in
größeren Abständen, das vergrößert das Wurzelwachstum“, erklärt Youel Romam. Die 43-jährige Reisbäuerin engagiert sich
trotz ihrer sieben Kinder aktiv in der Dorfgemeinschaft. Seit
2010 leitet sie die 12-köpfige Frauenkochgruppe. Sie hat in
den vergangenen acht Jahren jede Schulung zu Landwirtschaft,
Gemüseanbau oder Hygiene besucht. Die Welthungerhilfe
­engagiert sich mit ihrer Partnerorganisation Centre d’Etude et
de ­Développement Agricole ­Cambodgien (CEDAC) bereits seit
2004 in der vernachlässigten Region.
Seitdem ist in Kanat Toch und Umgebung viel passiert. ­Viele
­Familien in den zwei Siedlungen des Millenniumsdorfes be­
stellen ihr Reisfeld mit der Saatgut sparenden Methode ­System
of Rice Intensification (SRI). Wie das funktioniert, haben die
Fachkräfte von CEDAC in ­Theorie und vor allem in der ­Praxis auf
dem Feld gezeigt. Die W
­ elthungerhilfe hat angepasstes Saatgut und Ochsenge­
spanne bereitgestellt. „Die Felder ­
werden
nur noch feucht gehalten und nicht mehr geflutet, so ­konnten
wir unsere ­
Erträge fast ver­
doppeln und gleichzeitig Wasser
­sparen“, sagt Y
­ ouel ­Romam. Einen Teil der Reisfelder legen die
Kleinbauern ­trocken, ­damit sich der Boden erholen und sich
neue Nährstoffe für die ­nächste Anbau­periode bilden können.
Die Ernte lagern die Familien in Vorrats­speichern, einen Teil
verkaufen sie weiter, wenn die ­Preise auf dem Markt gut sind.
Gesund durch Gemüse, Obst und Tierhaltung
Neben dem Grundnahrungsmittel Reis essen die meisten
­Familien in Kanat Toch heute jeden Tag Obst und Gemüse.
Das war vor zehn Jahren noch undenkbar. „Wir wussten gar
nicht, was Vitamine sind und dass Gemüse deshalb so wichtig
für den Körper ist“, sagt die 20-jährige Hanim Romam. Die
junge Frau ist erst seit kurzem in der Kochgruppe, aber sie
2009 / 10
Die Reisernte fällt
heute 50% höher aus
30
4 km Zufahrts­straße
wurden ­instand
gesetzt und ­kleine
Brücken neu gebaut
Heute hat jeder Zugang
zu sauberem Trink­wasser
und guter Hygiene
26 Latrinen wurden
von CEDAC / Welt­
hungerhilfe gebaut
und werden benutzt
Zyklon Ketsana und
eine Über­schwemmung
zerstörten alle
Gemüsegärten
50%
der Kinder in der
Region sind ­chronisch
unterernährt
„Die
Felder werden nur noch feucht gehalten und nicht
mehr geflutet, so konnten wir unsere
und gleichzeitig Wasser
Erträge fast verdoppeln
sparen“, sagt Youel ­Romam.
Einschätzung der Dorfbevölkerung zur Entwicklung der Gleichstellung und Gleichberechtigung der Geschlechter (MDG 3)
Einschätzung der Dorfbevölkerung zu ihrer Hungerund Armutssituation (MDG 1)
exzellent
exzellent
sehr gut
sehr gut
gut
mehr oder
weniger
schlecht
sehr
schlecht
gut
mehr oder
weniger
schlecht
sehr
schlecht
2003
2008
2014
Verbessertes Wissen über Geschlechtergerechtigkeit
Gleichberechtigte Partizipation an Dorfentwicklungsmaßnahmen
Gleichberechtigte Entscheidungsfindung im Haushalt
2003
2008
2014
Zugang zu Obstbäumen
Zugang zu Gemüsegärten
Anpflanzung von Cash Crops
Techniken der Nutztierhaltung
Quelle: Welthungerhilfe 2015
Quelle: Welthungerhilfe 2015
hat schon viel gelernt. In ihrem Gemüsegarten zieht sie Langbohnen, Knoblauch, Zwiebeln, Wassermelonen und Chili. Das
ganze Jahr über wächst etwas vor der Haustür. „Das Essen ist
abwechslungsreich und schmeckt immer gut. Ich weiß jetzt
auch, welche Blätter und Wurzeln ich im Wald suchen kann,
damit meine Mahlzeiten noch schmackhafter und gesünder
werden.“ Eine ältere Frau aus der Kochgruppe ergänzt: „Wir
schneiden Bambus und schälen die Sprossen gleich im Wald,
wie es unsere Vorfahren früher auch gemacht haben. Daran hat
uns die Welthungerhilfe erinnert. Viele dieser traditionellen und
nährstoffreichen Lebensmittel nutzen wir jetzt wieder.“
bäume, Maniok, Sesampflanzen und andere Cash Crops.
Dabei geht der Fortschritt im Millenniumsdorf durch den
­
ganz­
heitlichen Ansatz Linking Agriculture, Natural Resource
­Management and Nutrition (LANN) nicht zu Lasten der Natur.
Er verbindet vielmehr Landwirtschaft und Ernährungs­sicherung
mit ressourcen­
schonenden Anbau­
methoden, die sich positiv
auf die U
­ mwelt auswirken. Boden- und Waldschutz spielen eine
ebenso ­wichtige Rolle wie der Erhalt natürlicher Wasserkreisläufe.
Die Menschen in Kanat Toch nehmen heute eine viel g­ rößere
Bandbreite an Nahrungsmitteln zu sich als früher. Dadurch
sind sie gesünder und vitaler. 2013 hatten bereits neun von
zehn Haushalten Obstbäume gepflanzt, die Hälfte von ihnen
bis zu vier Sorten. 38 Prozent der Kleinbauern züchteten s­ ogar
mehr als fünf verschiedene Sorten und drei Prozent über zehn.
Alle Familien halten Hühner, Enten oder Gänse. Aus den neuen
­Ställen schnattert und gackert es quer durch den Ort. Fische
aus Teichen versorgen die Bevölkerung mit einer zusätzlichen
Protein­quelle. Die kleinbäuerlichen Familien intensivieren ihre
Landwirtschaft. So verdoppelte sich das Monatseinkommen von
24.000 kambod­schanische Riel (5,5 Euro) auf 48.000 Riel
(11 Euro). Für den Verkauf kultivieren die F
­ amilien Cashew­
Große Schwierigkeiten bereitet hingegen der Landraub.
Ohne Rücksicht auf die Bevölkerung vergibt die Regierung
­immer mehr Anbauflächen an große Konzerne, die dann
Kautschuk- oder Cashew-Plantagen für den Export anlegen.
­
Das Land wird den ethnischen Minderheiten einfach ent­
zogen. So schwinden die Wälder um Kanat Toch und mit ­ihnen
die Überlebens­
chancen der kleinbäuerlichen Familien. Sie
besitzen keine Landtitel und können ihre Rechtsansprüche
­
gegenüber ­
multinationalen K
­ onzernen und Korruption kaum
durchzusetzen. Hinzu ­kommen immer häufiger auftretende
Extremwetter wie Dürren oder ­Zyklone. Die Auswirkungen der
Natur­katastrophen sind aufgrund der Abholzung und der Monokulturen der ­Groß­­in­vestoren verheerend.
Die Welthungerhilfe beginnt ihr Engagement in der Region. CEDAC wird Partnerorganisation
Kanat Toch wird zum Millenniumsdorf
30 Jahre Bürgerkrieg und Terror
durch die Roten Khmer
1970er
Landraub – die neue Katastrophe
1999
2004
2006
Internationale Unternehmen kommen ins Land
und holzen tropische Wälder ab
2009
2011
2015
Zyklon Ketsana
Schwere Überflutungen
31
MDG 7: Verbesserung der Hygiene im Vergleich – früher und heute
MDG 7: Frisches und sauberes Wasser sorgen für eine bessere Hygiene
Die Welthungerhilfe und Partnerorganisation CEDAC nehmen
sich dieser neuen Gefahren und Herausforderungen an. Sie
­klären die Be­völkerung über ihre Rechte auf und beraten sie in
juristischen Fragen. Immer mehr Dorfbewohner und -bewohner­
innen ­kämpfen um einen Landtitel – und können ihn mittlerweile stolz ­vorweisen. Aber das reicht noch lange nicht. „Wir
wollen in Z
­ ukunft stärker rechtebasiert arbeiten, den Leuten
Anwälte zur S
­ eite stellen. Wir wollen, dass sie als Land­besitzer
anerkannt werden – oder eine Entschädigung bekommen“,
sagt Dirk Reber, Landeskoordinator der ­
Welthungerhilfe für
­Kambodscha und Laos.
nutzt. Zum Beispiel die beliebte Süßspeise „Nom Korng“. Die
Reisküchlein aus verkauft Youel Romam für knapp 440 Riel
(10 Cent) das Stück. In den Hygieneschulungen hat sie gelernt,
Geschirrspülmittel aus einfachen Zutaten herzustellen. Das verkauft sie nun in Halbliterflaschen und verdient damit bis zu
105.000 Riel (24 Euro) pro Monat. Aus dieser Position heraus
kann Youel Romam heute sagen: „Natürlich haben wir am Anfang Unterstützung gebraucht. Aber in der Zukunft können wir
uns einfach selbst organisieren.“
Frauen stärken
Das gilt auch für die Rechte der Frauen. Sie spielen eine immer
wichtigere Rolle in der Entwicklung des Millenniumsdorfes.
Traditionelle Rollenverständnisse brechen langsam auf. Das
­sehen inzwischen auch einige, wenn auch nicht alle Männer,
als Vorteil. Frauen haben im Haushalt und in der Landwirtschaft Mitspracherecht und beteiligen sich gleichberechtigt an
den Dorfkomitees. „Da haben sich einige Männer ganz schön
umgeschaut, dass sie jetzt nicht mehr einfach alles allein entscheiden können“, sagt Youel Romam entschieden. Ihr neues
Selbstbewusstsein hat sich die Leiterin der Frauenkochgruppe
Schritt für Schritt aufgebaut. Wichtig dafür war vor allem, etwas
zum Familieneinkommen beizutragen.
Karte: Welthungerhilfe
Von der Welthungerhilfe und CEDAC hat sie verschiedenste
Rezepte kennengelernt, die sie zum Teil auch für den Verkauf
Kambodscha
Einwohner
Einwohnerdichte
Bruttoinlandsprodukt
pro Person & Jahr
Lebenserwartung Männer
Lebenserwartung Frauen
Geburtenziffer
Kindersterblichkeit
Alphabetisierungsrate
Beschäftigte in der Landwirtschaft
Welthunger-Index
Human Development Index
Weltrisikoindex
Gender Gap Score
Sauberes Wasser bleibt eine Herausforderung
Eines der Kernprobleme in Kanat Toch war außerdem die
schlechte Trinkwasserversorgung. Die Menschen waren auf
das schmutzige Wasser aus dem Fluss Se San angewiesen.
­In­zwischen haben sie mit Unterstützung der W
­ elthungerhilfe
und CEDAC 52 Brunnen gebaut. Zwei Drittel der Familien
nutzen jetzt sauberes Wasser in ihrer Nähe. Sieben von zehn
müssen weniger als 50 Meter bis zur nächsten Quelle gehen.
­Latrinen und Waschbecken sorgen für bessere Hygiene. Trotzdem ­
bleiben sauberes Wasser und eine intakte Umwelt die
Herausforderungen der Zukunft. Landraub, Abholzung und
Monokulturen zerstören die natürlichen Kreisläufe, die die
­
­Welthungerhilfe mit ihrem ganzheitlichen LANN-Ansatz unterstützen will. Umso wichtiger, die Dorfgemeinschaft weiterhin zu
stärken, damit sie ihre Rechte auf ein selbstbestimmtes Leben
frei von Hunger und Armut, in Einklang mit der Natur vom Staat
einfordern kann.
Kambodscha 2009
Kambodscha 2015
Deutschland 2015
14,5 Mio.
80,1 p/km2
534 €
15,5 Mio.
85,6 p/km2
731 €
80,6 Mio.
231 p/km2
33.606 €
60 Jahre
64,3 Jahre
3,04 je Frau
5,5%
73,6%
75%
21,2 – sehr ernst
0,593 (Rang 137/182)
16,58% (Rang 9/173)
0,6410 (Rang 104/134)
61,4 Jahre
66,3 Jahre
2,66 je Frau
5,1%
73,9%
55,8%
16,1 – ernst
0,584 (Rang 136/195)
17,12% (Rang 9/171)
0,6520 (Rang 108/142)
78,6 Jahre
83,3 Jahre
1,38 je Frau
0,3%
99%
1,6%
0,911 (Rang 6/195)
3,01% (Rang 147/171)
0,7780 (Rang 12/142)
Quelle: Bündnis Entwicklung Hilft/UNU-EHS, CIA, IFPRI/Concern/Welthungerhilfe, UNDP, Worldbank, World Economic Forum
32 Der vollständige Bericht der Initiative Millenniumsdörfer und weiteres Material ist hier zu finden: www.welthungerhilfe.de/millenniumsdoerfer.html
Kurzfilme wie „Mit Reis und Bambus gegen Hunger“ gibt es hier www.youtube.com
LÄNDERBERICHT
Millenniumsdorf Korak –
Nepal
6638 6638
7162
7817
7095
China
Ne
pa
8172
l
Chitwan
Nationalpark
Korak
7570
8848
Mt. Everest
8586
Kathmandu
Bhutan
Bhutan
Indien
0
50
100
200
km
! Millenniumsdorf
J
"
Sources: Esri, USGS, NOAA
India
Hauptstadt mit Projektbüro
Chitwan Nationalpark
#
Berg Bangla-
desh
33
MDG 1: Gemüse für eine bessere Ernährung
MDG 7: Naturkundeunterricht für Schulkinder im Freien
MDG 2: Gleichberechtigte Schulbildung für Jungen und Mädchen
MDG 1: Tierhaltung für bessere Nahrung und mehr Einkommen
Millenniumsdorf Korak – Nepal
Ein grünes Konzept macht Schule
Shreemaya Tamang öffnet den Wasserhahn. Klares Wasser
sprudelt in einen Plastikbehälter. Zweimal am Tag kann sie
­
Wasser ­direkt in ihrer Küche zapfen. „Früher musste ich das
Wasser aus Wasser­löchern schöpfen. In der Trockenzeit war ich
dafür viele Stunden bis zum Fluss unterwegs. Meine Kinder
litten an Durchfall und konnten nicht in die Schule gehen“,
sagt die drei­fache Mutter. Das ist vorbei, seit in ihrem Millenniumsdorf die gemeinsam beschlossenen Maßnahmen greifen.
Das Wasser fließt aus einem oberhalb der Häuser errichteten
Tank. „Statt ­Medikamente kaufe ich heute Schulmaterialien“,
sagt Shreemaya Tamang.
Die Nepalesin stammt aus der Projektregion Korak, die 180
Kilo­
meter westlich der Hauptstadt Kathmandu im Chitwan
­Distrik liegt. Fast 9.000 Menschen leben hier in vielen kleinen
Gemeinden. Die meisten Bewohner ­
gehören den ethnischen
Minderheiten der Chepang oder Tamang an oder zählen zur
„niederen“ Kaste der Dalits.
Wie Familie Tamang bebauen die meisten hier weniger als ein
Hektar Land mit Mais, Hirse und Buchweizen. Früher r­eichten
die Erträge der mühseligen Feldarbeit nicht aus, um die
­Familien zu ernähren. Fast alle hatten sechs bis neun Mona-
Über 80% der Menschen
nutzen inzwischen
sauberes Wasser
34
56
Selbsthilfegruppen
wurden gegründet
650 Küchengärten
wurden angelegt und
15 verschiedene
Gemüsesorten angebaut
te im Jahr nicht genug zu essen, Lebensmittel – überlebten
nur durch das Sammeln von wild wachsenden Wurzeln und
Knollen. Dabei ist der Boden in Korak fruchtbar und das Klima
günstig für die Landwirtschaft. Wechselnde Wetter­extreme wie
Starkregen und Dürreperioden bedrohen jedoch immer ­wieder
die Existenz der Familien.
Seit Korak 2011 Millenniumsdorf wurde, verbessern die
­Menschen ihre Lage mit Unterstützung der W
­ elthungerhilfe und
ihrer Partnerorganisation Rural Reconstruction Nepal (RRN)
Schritt für Schritt: zum Beispiel, indem sie Dünger selbst herstellen und mit neuen landwirtschaftlichen Methoden experimentieren. „Viele Projekte scheitern, weil die Menschen neue
Ideen oft nicht als ihre begreifen. ­Deshalb binden wir sie von
Beginn an in alle Planungen ein“, sagt Surendra Gautam von
der Welthungerhilfe in Nepal.
An den Anfang erinnert sich Mahendra Chepang noch ­genau.
„Alle 1.200 Familien wurden nach ihren Wünschen und
­Stärken gefragt“, sagt die 22-jährige Einwohnerin. Und weil
der ­nepalesische Staat kaum präsent war, haben sie in den ver­
gangenen vier Jahren eigene demokratische Strukturen aufgebaut. Inzwischen gibt es eine Bürgervertretung (People´s Forum)
aus gewählten Gemeindemitgliedern, die einen Entwicklungs-
Chronische Krank­
heiten sind die
Haupt-Todesursache
57% der Menschen
leben unterhalb der
Armutsgrenze und
ver­dienen 6000
Nepali (53€) pro
Person und Jahr
22 km
Straße wurden für
einen besseren Marktzugang rehabilitiert
„Statt Medikamente kaufe ich
heute
Schulmaterialien“, sagt Shreemaya Tamang.
Einschätzung der Dorfbevölkerung zur Entwicklung der Gleichstellung und Gleichberechtigung der Geschlechter (MDG 3)
Einschätzung der Dorfbevölkerung zu ihrer Hunger- und
Armutssituation (MDG 1)
exzellent
exzellent
sehr gut
sehr gut
gut
mehr oder
weniger
schlecht
sehr
schlecht
gut
mehr oder
weniger
schlecht
sehr
schlecht
2004
2006
2003
2008
2010
2012
2014
2003
Bewusstseinsschärfung
2004
2006
2008
2010
2012
2014
Landwirtschaftliche Anbautechniken
Zugang zu Bewässerungssystemen
Zustand der Straße
Einkommenmöglichkeiten
Abbau kultureller Hürden
Chancengleichheit
Quelle: Welthungerhilfe 2015
Quelle: Welthungerhilfe 2015
plan ausgearbeitet haben und den Kontakt zu den Behörden
halten. Außerdem gründeten die Bewohner acht Waldnutzergruppen, 56 Bauerngruppen und eine Agrargenossenschaft.
Diese Erfolge können von Dauer sein, wenn die Menschen in
Korak die biologische Vielfalt ihrer Region bewahren und ihre
Ressourcen schonend nutzen. Mit dem Konzept der „Grünen
Schulen“ zielen Welthungerhilfe und ihre ­Partnerorganisation
Friends of Nature auf Mädchen und Jungen und damit auf
die Landwirte von morgen. Als Teil des Unterrichts lernen die
Jugend­lichen, wie sie Regenwasser sammeln, W
­ ildkräuter bestimmen, den Wald nutzen und gleichzeitig aufforsten können.
„Indem wir die Kinder an­
sprechen, erreichen wir auch die
­Eltern“, erklärt Surendra ­Gautam das Konzept.
Diese demokratische Strukturen bilden die Basis für Entwicklung und Unterstützung der Village Development Committees
(VDC). Sie sind das unterste Verwaltungsorgan auf lokaler
­Ebene. Alle Menschen in Korak sollen sich ausreichend und
­gesund ­ernähren können. Das geht aber nur, wenn die B
­ auern
ihre Produkte auf den Märkten der Umgebung ver­
kaufen
­können. Deshalb haben die Bewohner in einem K
­ raftakt 22
Kilo­meter Straße ausgebessert. Außerdem verlegten sie acht
Kilometer Leitungen für ein Bewässerungsnetzwerk und legten Teiche zum Auffangen von Regenwasser an. ­
Damit bewässern über 300 kleinbäuerliche Familien rund 176 Hektar
Acker­fläche. Sie ernten 20 Prozent mehr Getreide. Seit sie zusätzliche Früchte und Gemüse wie Mangos, Litschis, ­Ananas,
Bohnen, Spinat und Kürbisse anbauen, verdienen die Bauern
mehr Geld. Über das Projektgebiet verteilt, wachsen i­nzwischen
3.150 Obst­
bäume, und in mehr als 650 Gärten e­rnten die
Frauen ver­
­
schiedene Gemüsesorten, mit denen sie ihre
Familien ausgewogener e­rnähren können. In einem gemein­
schaftlich organisierten Fahrzeug transportieren Mit­glieder der
Agrar­genossenschaft die überschüssigen Erzeugnisse zum Verkauf auf die naheliegenden Märkte.
Beim Erfüllen der von der Dorfbevölkerung ausgewählten
­Millenniumsziele gab es gute Fortschritte. Nicht nur Armut und
Hunger sind zurückgegangen. War es Frauen ­früher noch verwehrt, an öffentlichen Diskussionen t­eilzunehmen, b
­ ringen sie
sich inzwischen aktiv ein, zum Beispiel die 22-­jährige ­Mahendra
Chepang: „Wichtig ist mir, dass ich Teil eines gemeinsames
­Planes bin, und dass ich zum ersten Mal in meinem ­Leben nach
meinen Wünschen und Ideen gefragt werde.“
Am 25. April und 12. Mai 2015 wurde Nepal von einer ver­
heerenden Erdbebenkatastrophe heimgesucht. Mehr als 8
Millionen Nepali sind auf Hilfe angewiesen, über 480.000
­
Häuser sind zerstört, Straßen verschüttet und bedeutende
Kultur­denkmäler dem Erdboden gleichgemacht.
Welthungerhilfe nimmt Unterstützung für Nepal wieder auf
Welthungerhilfe und Rural Reconstruction Network (RRN) kooperieren in der Region
Rückgang der Nahrungsmittelproduktion und Anstieg der Hungersnot
Bürgerkrieg zwischen Regierung und Maoisten
1995
2002
2004
Schwere Regenfälle,
Überschwemmungen und Erdrutsche
2006
2007
Geringe Niederschläge und generell
verändertes Niederschlagsmuster
35
Mahendra Chepang sagt:
„Wichtig ist mir, dass ich
Teil eines gemein-
samen Planes bin, und dass ich zum ersten Mal in meinem
­Leben nach meinen Wünschen und Ideen gefragt werde.“
MDG 1: Sreemaya Chepang füttert stolz ihre Rinder
Während die Naturkatastrophe in manchen Distrikten be­
sonders schwere Ausmaße annahm, hatten die Menschen im
Millenniumsdorf Korak Glück im Unglück: Alle haben das
­Beben überlebt. Einige Familien verloren jedoch ihr Z
­ uhause:
Insgesamt 24 Häuser stürzten ein, außerdem auch ­
mehrere
Toilettenanlagen. Wie in anderen Landesteilen haben die
Welthungerhilfe und ihre Partner auch hier die Betroffenen
­
­unmittelbar nach der Katastrophe mit Hilfsgütern und Material
für ­Notunterkünfte versorgt. Doch auch wenn die Schulen kurz
nach der Krise ihren Betrieb wieder aufnehmen und langsam
wieder so etwas wie Alltag in Korak einkehrt – die Unsicher-
Karte: Welthungerhilfe
Nepal
Einwohner
Einwohnerdichte
Bruttoinlandsprodukt
pro Person & Jahr
Lebenserwartung Männer
Lebenserwartung Frauen
Geburtenziffer
Kindersterblichkeit
Alphabetisierungsrate
Beschäftigte in der Landwirtschaft
Welthunger-Index
Human Development Index
Weltrisikoindex
Gender Gap Score
heit ist geblieben. Ernten werden ausfallen, Einnahmen werden
wegfallen und einige Familien neu anfangen müssen. Aber sie
sind eingebunden in eine tragfähige Gemeinschaft, die mithilfe
unserer Unterstützung auch einen solch schweren Schicksalsschlag meistern wird.
Nepal 2009
Nepal 2015
Deutschland 2015
28,56 Mio.
194 p/km2
353 €
30,99 Mio.
211 p/km2
504 €
80,6 Mio.
231 p/km2
33.606 €
64,3 Jahre
66,7 Jahre
2,64 je Frau
4,75%
48,6%
76%
19,8 – ernst
0,553 (Rang 144/182)
6,15% (Rang 99/173)
0,6213 (Rang 110/134)
65,9 Jahre
68,6 Jahre
2,3 je Frau
4,04%
57,4%
75%
16,4 – ernst
0,540 (Rang 145/195)
5,29% (Rang 108/171)
0,6458 (Rang 112/142)
78,6 Jahre
83,3 Jahre
1,38 je Frau
0,3%
99%
1,6%
0,911 (Rang 6/195)
3,01% (Rang 147/171)
0,7780 (Rang 12/142)
Quelle: Bündnis Entwicklung Hilft/UNU-EHS, CIA, IFPRI/Concern/Welthungerhilfe, UNDP, Worldbank, World Economic Forum
Hungersnot
2009
Klimawandel
Entscheidung der Welthungerhilfe, Engagement in Nepal auszuweiten
2010
2011
2014
Korak wird zum Millenniumsdorf
36 Der vollständige Bericht der Initiative Millenniumsdörfer und weiteres Material ist hier zu finden: www.welthungerhilfe.de/millenniumsdoerfer.html
LÄNDERBERICHT
Millenniumsdorf Veshab –
Tadschikistan
Kirgisistan
Veshab
Usbekistan
Ayni
H
!
4099
5621
Zerafshan
7495
4643
Ta d s c h i k i s t a n
Dushanbe
7649
China
3137
0
50
100
200
km
! Millenniumsdorf
Afghanistan
H Stadt mit Projektbüro
!
7795
PakistanSources: Esri, USGS, NOAA
J Hauptstadt # Berg
"
Siachen Glacier
37
MDG 7: Ressourcenmanagement mindert Erosion und kann zur ökologischen Nachhaltigkeit beitragen
MDG 1: Regelmäßiges Einkommen durch Honig
MDG 3: Nähkurse für Mädchen
Millenniumsdorf Veshab – Tadschikistan
Aufbruchstimmung im Zerafshan-Tal
Die Häuser und Hütten von Veshab schmiegen sich an die ­steilen
Hänge des Zerafshan-Tals im Nordwesten ­Tadschikistans. Ein
paar Bäume, wenig grünes Land und vor allem Felsen, Stein
und Geröll.
Veshab ist ein typisches tadschikisches Dorf. Bis 2006 ­verfügten
die rund 2.000 Bewohnerinnen und Bewohner in dieser
­kargen Berglandschaft über viel Land, aber kaum Ackerfläche.
Die ­Erträge reichten zum Leben nicht aus. Viele Kleinkinder
­litten an Unterernährung. Weil es zudem kaum alternative Verdienstmöglichkeiten gab, suchten Männer Arbeit in anderen
­Regionen. Und wie im ganzen Land lebten acht von zehn Einwohner von weniger als einem US-Dollar am Tag.
Seit Veshab aber mit den benachbarten Siedlungen Darg und
Shamtuch 2006 Millenniumsdorf wurde, ist viel passiert.
Neue Anbaumethoden, Bewässerung, zusätzliche Produkte,
­Vermarktung landwirtschaftlicher Erzeugnisse, Trinkwasser und
Bildung für Mädchen – die Liste der Veränderungen ist lang. „Vor
Projektbeginn haben wir unser Wasser direkt aus den ­Bächen
geschöpft, mit Hilfe einer Pipeline können wir nun ­sauberes
Trinkwasser genießen“, sagt Rukia Nazarowa, Mutter von vier
Kindern. Schwere Durchfallerkrankungen sind selten ge­worden,
auch dank regelmäßiger Hygieneschulungen. ­
Erkranken ein
Kind oder ein Erwachsener trotzdem, werden sie im neuen Gesundheitsposten von einem Krankenpfleger ­verarztet.
Viele einzelne Schritte haben die Dorfbewohner mit Unter­
stützung der Welthungerhilfe eingeleitet – als Teil eines syste­
ma­­
tischen Plans. Sie haben gemeinsam diskutiert und Entscheidungen ebenso gemeinsam getroffen. Und sie gründeten
die Public Organization Zerafshan (POZ, lokale ­
Organisation
Zerafshan) und ein Frauenkomitee. Die lokale Organisation
­
wird die E
­ ntwicklungen fort­
führen, wenn die Welthungerhilfe
ihr P
­ rojekt beendet, davon ist Rukia Nazarowa, die Leiterin des
Frauen­komitees überzeugt.
Ausbilden und höhere Einkommen erzielen
Gerade die Ausbildung von Mädchen zeigt, wie sehr sich der
Blickwinkel in Veshab verändert hat. Am Anfang zögerten die
meisten im Dorf. „Die Eltern von der Idee zu überzeugen, hat
sehr ­lange gedauert, weil Mädchen traditionell früh ­verheiratet
­werden und die Schule oft mit elf Jahren verlassen haben“,
sagt die 43-­jährige Rukia Nazarowa. Heute gibt sie Nähkurse
für ­Mädchen. Seitdem können sich die Menschen Hosen und
­Jacken im Dorf kaufen und müssen nicht mehr in die 90 ­Minuten
entfernt liegende Stadt Aini fahren. Sie sparen Transport­
kosten, und die Frauen verdienen Geld, das in Veshab bleibt.
Rukia ­Nazarowa registriert, dass sich das Verhältnis zwischen
­Männern und Frauen verändert. „Sogar verheiratete Mütter besuchen heute die Universität oder beenden ihre Ausbildung, das
war früher undenkbar“, sagt die Leiterin des Frauenkomitees.
34 ha
Heute gibt es 34 Imker
mit etwa 230 Bienenstöcken in Veshab
38
Aprikosenplan­tagen mit
40-70 t Ernte pro Jahr
18
Die Frauengruppe
von Veshab gibt Näh­
kurse und verleiht
ein Hochzeitskleid
Honig und Propolis-Salbe
aus Veshab wird heute
über­regional verkauft
Sauberes T­ rinkwasser
ist immer und für
jeden verfügbar
Früchtetrockner
wurden lokal gebaut
und werden genutzt
„Sogar verheiratete
Mütter besuchen heute die
Universität oder beenden ihre Ausbildung, das war
früher undenkbar“, sagt Rukia Nazarowa.
Einschätzung der Dorfbevölkerung zur Entwicklung der
Gesundheitsversorgung (MDG 1)
Einschätzung der Dorfbevölkerung zur Entwicklung der Gleichstellung und Gleichberechtigung der Geschlechter (MDG 3)
exzellent
exzellent
sehr gut
sehr gut
gut
mehr oder
weniger
schlecht
sehr
schlecht
gut
mehr oder
weniger
schlecht
sehr
schlecht
2007
2008
2009
2010
2011
2012
2013
2014
2007
2008
2009
2010
Chancengleichheit
2011
2012
2013
2014
Gleichberechtigung und
Respekt innerhalb der Familie
Quelle: Welthungerhilfe 2015
Quelle: Welthungerhilfe 2015
Erträge in der Landwirtschaft steigen
In den vergangenen zehn Jahren haben die Einwohner in
Veshab zahlreiche Projekte angestoßen. Nicht alle brachten
­
den erwünschten Erfolg, und nach wie vor stehen die Menschen
vor großen Herausforderungen. Der Baumbestand geht immer
noch zurück, weil die Menschen mit Feuerholz kochen. Und
nach wie vor kehren viele junge Männer und Frauen Veshab den
Rücken, um ihr Glück woanders zu suchen.
Wie aber lassen sich die Erträge in der Landwirtschaft auf den
begrenzten Ackerflächen steigern? Als ersten Schritt setzten die
Frauen und Männer ihr marodes Bewässerungssystem ­instand
und führten mit Hilfe von Experten eine sparsame Tropf-Bewässe­
rung ein. Um Erosionen zu verhindern, legten sie Felder in Terrassen an. In regelmäßigen Trainings lernten sie, ­Wasser sparsam
einzusetzen. Sie gründeten Selbsthilfe­gruppen, in denen sie mit
neuen Anbaumethoden experimentierten, neue Früchte ­testeten
oder Saatgut in Gewächshäusern zogen. Ein gutes Beispiel
für die Experimentierfreude ist die bis vor ­Jahren unbekannte
Bienen­zucht oder die Trocknung von Obst durch Solartrockner.
Inzwischen gibt es 34 Imker in V
­ eshab. Für jedes Kilo Honig
erzielen sie fünf Euro. Dank der guten Qualität beziehen in­
zwischen internationale Hotels aus der Hauptstadt Dushanbe
ihren Honig von den Imkern aus Veshab. Aus dem Bienenharz
fertigen Frauen zudem Propolis-Salbe, die eine antibiotische und
antivirale Wirkung hat und gute Preise erzielt. Das getrocknete
Obst lässt sich ebenfalls gut v­ ermarkten oder hilft den Familien
über den Winter, weil die Früchte nun nicht mehr faulen.
Einwohner
Einwohnerdichte
Bruttoinlandsprodukt
pro Person & Jahr
Lebenserwartung Männer
Lebenserwartung Frauen
Geburtenziffer
Kindersterblichkeit
Alphabetisierungsrate
Beschäftigte in der Landwirtschaft
Welthunger-Index
Human Development Index
Weltrisikoindex
Gender Gap Score
Karte: Welthungerhilfe
Tadschikistan
Doch insgesamt haben die Bewohnerinnen und Bewohner e­ inen
positiven Prozess in Gang gesetzt, der ihnen heute zu ­größeren
Ernten und zusätzlichen Einkommen verhilft, b
­ilanziert der
Agraringenieur Husein Sultonov. „Dank der Mischung aus
­
­Investitionen in Infrastruktur und Weiterbildung einerseits und
höherwertigen Produkten andererseits, ist uns eine p
­ositive
Entwicklung gelungen“, sagt der gewählte Leiter von POZ.
­Besonders erfreulich ist, dass sich die Erfolge in ­Veshab herumgesprochen haben. Aus anderen Dörfern ­kommen inzwischen
Delegationen, die die Gründe für den Aufstieg ­erfahren wollen.
Denn die Entwicklung von Veshab steht auch ihnen offen.
Tadschikistan 2009
Tadschikistan 2015
Deutschland 2015
7,35 Mio.
51 p/km2
486 €
8,05 Mio.
56 p/km2
753 €
80,6 Mio.
231 p/km2
33.606 €
62,3 Jahre
68,5 Jahre
2,99 je Frau
4,1%
99,5%
67%
18,5 – ernst
0,688 (Rang 127/182)
7,47% (Rang 73/173)
0,6661 (Rang 87/134)
64 Jahre
70,3 Jahre
2,76 je Frau
3,5%
99,7%
46%
16,4 – ernst
0,607 (Rang 133/195)
7,17% (Rang 70/171)
0,6654 (Rang 102/142)
78,6 Jahre
83,3 Jahre
1,38 je Frau
0,3%
99%
1,6%
0,911 (Rang 6/195)
3,01% (Rang 147/171)
0,7780 (Rang 12/142)
Quelle: Bündnis Entwicklung Hilft/UNU-EHS, CIA, IFPRI/Concern/Welthungerhilfe, UNDP, Worldbank, World Economic Forum
Präsidentschaftswahlen
1991 1992
Kollaps der Bürgerkrieg
Sowjetunion
1994
1997
Späte 1990er:
schwere Dürre
Die Welthungerhilfe beginnt ihr
Engagement im Zerafshan-Tal
Veshab wird zum Millenniumsdorf
2004
2006 2007 / 8
Sehr kalter Winter
2012
2015
Die zweite Millenniumsdorf
Phase wird implementiert
Der vollständige Bericht der Initiative Millenniumsdörfer und weiteres Material ist hier zu finden: www.welthungerhilfe.de/millenniumsdoerfer.html 39
40
LÄNDERBERICHT
Millenniumsdorf Mondésir
und Poirir – Haiti
Bahamas
Cuba
0
25
50
100
km
Haiti
Dominikanische
Republik
Port-au-Prince
Petit-Goâve
1076
394
840
Poirier
! Millenniumsdorf
H Stadt mit Projektbüro
!
3098
Mondésir
2680
Marigot
Sources: Esri, USGS, NOAA
J
"
HauptstadtMarigot
mit Projektbüro
#
Berg
41
MDG 7: In der Baumschule in Mondésir werden Setzlinge für die Anpflanzung gezogen
MDG 1: Die Bäckerei in Poirier – neue Einkommensmöglichkeiten
MDG 1: Karotten für eine verbesserte Ernährung und ein verbessertes
Einkommen
Millenniumsdorf Mondésir und Poirir – Haiti
Erdbeben und Stürmen zum Trotz, die Menschen hoffen wieder
Als am 12. Januar 2010 um 16.53 Uhr die Erde in H
­ aiti
zu beben beginnt, stürzen Häuser und Brücken ein. Die
Wasserlei­tungen bersten, der Strom fällt aus und die ­gesamte
Infrastruktur bricht zusammen. 316.000 Menschen sterben
­
unter den T
­rümmern oder erliegen ihren Verletzungen. Jeder
zweite Bewohner verliert sein Obdach.
Zwei Jahre später verwüsten die Hurrikane Sandy und Isaac
den Süden des Landes und zerstören die komplette Ernte.
Die Lebens­mittel werden knapp, die Preise steigen. Die regel­
mäßigen und unterschiedlich schweren Naturkatastrophen verschärfen die Not im Land.
Haiti ist das ärmste Land der Welt, auch weil die ­politische
­Instabilität Investoren und Touristen abschreckt. Zwei ­Millionen
Menschen – zwanzig Prozent der Bevölkerung h
­ungert. Die
beiden Millenniumsdörfer – Poirier im Südosten, M
­
­ ondésir
im Süden – spiegeln die Verhältnisse in dem Karibik­
staat
mit ­einem großen Bevölkerungsdruck wieder. In P
­ oirier zum
­Beispiel ­leben mit 560 Menschen mehr als doppelt so ­viele
Menschen auf e­inem Quadratkilometer wie in Deutschland.
Weil die M
­ enschen nahezu ausschließlich von dem leben,
was ihre Felder hergeben, ist der Druck auf das Land enorm.
Jahr um Jahr werden die Böden unfruchtbarer, die Erträge
­
s­pärlicher. Die Menschen erschließen sich „neuen Boden“,
­fällen weitere Bäume, selbst an steilen Bergen. Starke Regenfälle ­schwemmen den Boden fort, zurückbleiben karge Hänge.
Kaum zwei Prozent Haitis sind noch bewaldet.
Die Abwärtsspirale durchbrechen
Was aber tun? Soll es den Menschen besser gehen, müssen
viele unterschiedliche Maßnahmen ineinandergreifen, die die
Böden schützen und mehr Erträge versprechen. Die gleichzeitig
aber dazu führen, dass degradierte Flächen wieder aufgeforstet
werden können. Es klingt wie die Quadratur des Kreises und
doch haben sich die Menschen auf den Weg gemacht. Bewusstseinsbildung ist in beiden Millenniumsdörfern der Schlüssel für
eine nachhaltige Entwicklung. Mit Hilfe der ­
Welthungerhilfe
haben die beiden Partnerorganisationen A
­ction pour un
Dévéloppement Durable (ACDED) in Mondésir und Concert
­
Action in Poirier alter­native Anbau- und Forst­methoden eingeführt. In Workshops lernten Frauen wie Männer, neue Frucht­
sorten anzu­bauen und Lebensmittel zu konservieren, Wälder
wieder aufzuforsten und nachhaltig zu bewirtschaften. Da die
Menschen in den Projektregionen regelmäßig unter extremen
Wetterereignissen leiden, zielen die Maßnahmen auch darauf
ab, vorhandene Risiken zu minimieren und die Menschen –
­soweit das möglich ist – vor Katastrophen zu schützen.
400
In Mondésir wurden
rund 400 Personen in
der Nutzung von Baum­
veredelungstechniken
ausgebildet und geben
ihr Wissen weiter
42
113.000
In Mondésir werden
Früchte zu Marmeladen
und Säften veredelt
In 6 neuen Baumschulen
in Mondésir wurden
mehr als 100.000
Setzlinge gezogen
Die Bäckerei versorgt
Poirier täglich mit
frischem Brot
Über 113.000 Baumsetzlinge wurden in
Poirier angepflanzt
1.100 Landwirte in
­Poirier bauen neue
­Gemüsesorten wie
Kohl, Lauch, Paprika
und Tomaten an
“Frauen sind die
Säulen jeder Familie und jeder Gesellschaft
Jean-Philippe Hubert, Einwohner von Poirier:
und sie tragen mehr Verantwortung.
Aber leider werden
ihre Rechte oft nicht respektiert.“
Einschätzung der Dorfbevölkerung in Mondésir zur
Entwicklung der Armutsminderung (MDG 1)
Einschätzung der Dorfbevölkerung in Piorier zur Entwicklung
der Gleichstellung der Geschlechter (MDG 3)
exzellent
exzellent
sehr gut
sehr gut
gut
mehr oder
weniger
schlecht
sehr
schlecht
gut
mehr oder
weniger
schlecht
sehr
schlecht
2004
2006
2008
2010
2012 2013 2015
2003
Integration von Frauen in den örtlichen Kleinunternehmen
Integration von Frauen in Aus- und Bewusstseinsbildung
Alphabetisierung für alle
2005
2007
2009
2011
2013 2014
Zugang zu Wohnraum
Zugang zu Trinkwasser
Investitionen in die Landwirtschaft
Quelle: Welthungerhilfe 2015
Quelle: Welthungerhilfe 2015
Partizipation
duzieren und etwas gegen die allgegenwärtige Boden­
erosion
tun können. Heute verdienen die Frauen mit dem Verkauf
des Gemüses eigenes Geld. „Wir können uns an den Schulge­
bühren für unsere Kinder beteiligen, Medikamente einkaufen
und ­müssen dafür nicht mehr unsere Männer bitten“, freut sich
Félisie Jean Louis.
Das Stärken von kommunalen Strukturen gelingt, wo die Be­
wohnerinnen und Bewohner aktiv in Prozesse eingebunden
sind. In Mondésir hat ACDED deshalb insgesamt 17 Workshops mit Vertretern der Kommunalverwaltung und der Bauernorganisationen organisiert, in denen beide Seiten ihre Rollen
diskutierten und die jeweiligen Aufgaben identifizieren.
Landwirtschaft – neue Methoden, höhere Erträge
Das ist aber nur eine Seite, eine andere benennt Jean-Philippe
Hubert, Einwohner von Poirier: “Frauen sind die Säulen jeder
Familie und jeder Gesellschaft und sie tragen mehr Verant­
wortung. Aber leider werden ihre Rechte oft nicht respektiert.“
Aus diesem Grund hat der Vater von acht Kindern mit Männern
und Frauen über Frauenrechte und Geschlechter­rollen debattiert. Es ist noch ein weiter Weg bis zur Gleichberechtigung,
das weiß auch Félisie Jean Louis. „Wir müssen nach wie vor für
unseren Platz in der Gesellschaft kämpfen“, sagt die 60-jährige
Mutter von acht Kindern. Doch sie sieht auch Fortschritte.
Gemüsegärten sichern Ernährung und bringen Unabhängigkeit
Gemüsegärten spielen dabei eine wichtige Rolle, zum Beispiel
in Poirier. Hier haben vor allem Frauen zahlreiche Gemüse­
gärten angelegt, in denen nun Erbsen, Mais, Tomaten, ­Paprika
und Lauch wachsen. Mit Hilfe von Concert Action lernten die
Frauen, wie sie Gemüse anbauen, ihren eigenen Kompost pro-
Zivile Unruhen, politische Instabilität,
internationale Interventionen und Embargo
2000
2004
2005
2006
Zyklone Noël, Jeanne & Georges
Die Kleinbauern nutzen inzwischen organische Dünge- und
Schädlingsbekämpfungsmittel, die sie selbst produzieren. Das
schützt die Umwelt und entlastet die Familien, denn sie sparen
das Geld für chemischen Pflanzenschutz ein. Und sie ernähren
sich gesünder.
Entscheidend für das Einkommen ist, welche Feldfrüchte die
Landwirte anpflanzen. „Wir haben von Concert Action Saatgut
für Granatäpfel, Chilis und Pfeffer erhalten. Mit diesen Kulturen erzielen wir in der Stadt sehr gute Preise“, sagt Benèche
Jean Claude aus Poirier. Auch Simain Gustain, Landwirt aus
­Mondésir, sieht Fortschritte. „Wir produzieren heute sehr viel
mehr als früher. Einen Teil konsumieren wir, den anderen Teil
verkaufen wir“, sagt der 27-Jährige. Dafür kultivieren sie in
Mondésir ihr Land heute nach einer Methode, die Tierhaltung
mit Land- und Forstwirtschaft kombiniert, zum Beispiel um mit
Blättern und Tierdung organischen Dünger herzustellen. „Wir
Welthungerhilfe unterstützt Projekte in der Region
2007
2008
Zyklone Anna & Ike
Welthungerhilfe kooperiert mit ACDED (Action Pour un Développement Durable ) und Concert d‘action
2009
2010
Trockenheit
Schweres
Erdbeben
43
Simain Gustain, Landwirt aus Mondésir, sieht Fortschritte.
„Wir produzieren heute sehr viel mehr als früher.
Einen Teil konsumieren wir, den anderen
Teil verkaufen wir“, sagt der 27-Jährige.
MDG 1: Herstellung von Fruchtsäften für den Verkauf
MDG 1: Fruchtmarmelade zur Konservierung von Nahrungsmitteln
haben Mango-, Citrus- und Avocadobäume gepflanzt und in die
Zwischenräume Tomaten, Karotten und Kohl gesetzt“, erklärt
Simain.
handene Wald genutzt werden kann, ohne den Bestand zu gefährden.
Früchte veredeln und konservieren
Bäume rechnen sich auf lange Sicht
Weil die Menschen inzwischen verstehen, wie wichtig der
­Schatten von Bäumen für das Gedeihen von Früchten ist, sind
die Bewohnerinnen und Bewohner eher bereit, aufzuforsten.
Das ist anfangs schwer, weil sich der Erfolg erst langfristig einstellt.
Um die Zusammenhänge zwischen Erosion, Erträgen und
Aufforstung zu verdeutlichen, haben Concert Action und
­ACDED zahlreiche Workshops mit insgesamt fast 1.700 Teil­
nehmenden organisiert. Rund 300 Dorfbewohnende ­trainierten
in ­
speziellen K
­ ursen, wie sie Flächen aufforsten und ihre
eigenen Baum­
­
setzlinge ziehen können. Insgesamt verteilten
die Partner­organisation über eine halbe Million Setzlinge an
die ­Bevölkerung. In Poirier wurde darüber hinaus ein Flächen­
nutzungsplan entwickelt, der genau ausweist, wie der vor­
Die Welthungerhilfe unterstützt Projekte in der Region
2010
Erster Wahlgang
für neue Regierung
44
2011
Cholera Epidemie
Michael Martelly neuer
Präsident nach Stichwahl
Die Monate vor der nächsten Ernte waren für die Menschen
in beiden Millenniumsdörfern lange Zeit sehr hart, weil die
­Lebensmittel Wochen vorher zur Neige gingen. In den Gemüse­
gärten ernten die Menschen inzwischen fast das ganze Jahr
über. Das entspannt die Situation ein wenig.
Eine wichtige Rolle spielen die neuen Produktionszentren,
deren Aufbau die Welthungerhilfe in beiden Projektregionen
­
unterstützte. In ihnen konservieren Frauen und Männer ihre
landwirtschaftlichen Produkte durch Einkochen oder Trocknen.
Sie minimieren dadurch Lagerverluste und können in Notzeiten
auf die konservierten Nahrungsmittel zurückgreifen. Auch veredeln sie Früchte wie Mangos und Tomaten, Avocados, Pfeffer,
Chilis und Granatäpfel. Daraus entstehen Säfte, Marmeladen
und Liköre, die dann auf den Märkten in den naheliegenden
Städten hohe Preise erzielen.
Mondésir & Poirier werden zu Millenniumsdörfern
2012
Trockenheit und Zyklone Isaak & Sandy
2014
Trockenheit
2015
Parlamentswahlen mit
politischen Unruhen
MDG 7: Aufgeforstete Fläche im Vergleich zu einer steinigen, abgeholzten Hügelkette
Eigenes Brot in Poirier
In Poirier steht inzwischen eine neu gemauerte Bäckerei. In
den Holzöfen backen Dorfbewohner ihr eigenes Brot. Bisher
kam es mit Eseln aus der 23 Kilometer entfernten Kleinstadt
Petit-Goâve. Das Geld für das Brot bleibt künftig in Poirier, das
Brennholz stammt aus den nachhaltig bewirtschafteten Waldflächen. In der Bäckerei arbeiten inzwischen 12 Frauen und
Männer. Mit den Gewinnen der Bäckerei wollen die Bewohner
die Nutzholzplantagen ausweiten und ihre Bäckerei ausbauen.
Die Hoffnung ist zurück
Karte: Welthungerhilfe
Seit September 2012 arbeiten die Menschen von Poirier und
Mondésir mit ACDED, Concert Action und der ­Welthungerhilfe
zusammen. Insgesamt 1.200 Familien profitieren in beiden
Dörfern von der Millenniumsinitiative. In den drei Jahren
­
­initiierten die Partner viele Vorhaben. Nicht alle Ziele wurden
verwirklicht. Infolge der immer wiederkehrenden Naturkatas­
trophen muss die ökologische Nachhaltigkeit in Poirier noch verbessert werden, um das Millenniumsentwicklungsziel 7 (MDG)
zu erreichen. Mondésir war weniger betroffen von den
­Hurrikanen und weist hier bessere Ergebnisse aus. Nach wie
vor grassiert Armut in beiden Orten, auch wenn der Hunger
Haiti
Karibisches Meer
Einwohner
Einwohnerdichte
Bruttoinlandsprodukt
pro Person & Jahr
Lebenserwartung Männer
Lebenserwartung Frauen
Geburtenziffer
Kindersterblichkeit
Alphabetisierungsrate
Beschäftigte in der Landwirtschaft
Welthunger-Index
Human Development Index
Weltrisikoindex
Gender Gap Score
(MDG 1) zurückgegangen ist. Dass sich die Situation vor Ort nur
langsam positiv ver­ändert hat, war in Anbetracht der ­schweren
Rahmenbe­
dingungen jedoch abzu­
sehen, denn die meisten
­Ziele können die Menschen allenfalls langfristig erreichen.
In Mondésir verfügen die Menschen mittlerweile über Trink­
wasser in guter Qualität und können auf Mikrokredite zurückgreifen, wenn sie investieren wollen. Gerade Frauen trauen
sich in ­Mondésir mittlerweile mehr zu. Sie mischen sich in den
­Debatten um die Zukunft ein und schätzen die Ver­änderungen.
Wie zum Beispiel Pierre Jésula aus Mondésir: „Indem wir
­unsere Lebensmittel veredeln, verdienen wir mehr Geld“, sagt
die 23-Jährige. „Wir wünschen uns aber auch eine Berufsschule, in der wir kochen und backen lernen, aber gleichzeitig
kalkulieren und Computer bedienen.“ Die Zukunftsvision: Eine
Berufsschule für Männer und Frauen.
Haiti 2009
Haiti 2015
Deutschland 2015
9,04 Mio.
326 p/km2
490 €
10 Mio.
360 p/km2
596 €
80,6 Mio.
231 p/km2
33.606 €
59,1 Jahre
62,5 Jahre
3,81 je Frau
5,96%
52,9%
66%
28,6 – sehr ernst
0,532 (Rang 149/182)
11,45% (Rang 32/173)
0,6859 (Rang 67/134)
61,8 Jahre
64,6 Jahre
2,79 je Frau
4,94%
48,7%
38%
23,0 – sehr ernst
0,471 (Rang 168/195)
12%
(Rang 21/171)
0,6906 (Rang 78/142)
78,6 Jahre
83,3 Jahre
1,38 je Frau
0,3%
99%
1,6%
0,911 (Rang 6/195)
3,01% (Rang 147/171)
0,7780 (Rang 12/142)
Quelle: Bündnis Entwicklung Hilft/UNU-EHS, CIA, IFPRI/Concern/Welthungerhilfe, UNDP, Worldbank, World Economic Forum
Der vollständige Bericht der Initiative Millenniumsdörfer und weiteres Material ist hier zu finden: www.welthungerhilfe.de/millenniumsdoerfer.html 45
Einen Kurzfilm gibt es hier www.youtube.com
46
LÄNDERBERICHT
Millenniumsdorf Auhya Pihni
– Nicaragua
Bajo Nuevo Bank (Petrel Is.)
Lago de Izabal
2849
Auhya Pihni
Honduras
2106
El Salvador
Nicaragua
Managua
Lago de
Nicaragua
0
50
100
! Millenniumsdorf
200
km
Costa Rica
J Hauptstadt mit Projektbüro
"
Sources: Esri, USGS, NOAA
# Berg
47
MDG 3: Schulbildung wichtig für Mädchen
MDG 1: Wichtig für die Vermarktung – die Reisschälmaschine
MDG 7: Eine der gebauten Ökotoiletten
Millenniumsdorf Auhya Pihni – Nicaragua
Mehr verdienen mit Zwiebeln, Reis und Biodünger
Tornados, Starkregen und immer wiederkehrende ­Hurrikane erschweren das Leben im besonders armen Nordosten ­Nicaraguas,
dem ärmsten Land Mittelamerikas. Was die Bewohner und
­Bewohnerinnen gestern aufgebaut haben, kann morgen schon
wieder zerstört sein. Kein Wunder also, dass viele Menschen
in die USA oder nach Costa Rica abwandern, um sich dort als
Arbeitskräfte zu verdingen. Es sind in erster Linie die Männer,
die gehen – und die Frauen, die zurückbleiben, um die Felder
zu bestellen und die Kinder groß zu ziehen.
Darunter leidet auch das Millenniumsdorf Auhya Pihni mit
seinen 2.300 Einwohnern in sieben indigenen Miskitu-­
­
Gemeinden. Doch für die, die geblieben sind, hat sich in
den vergangenen Jahren vieles zum Positiven verändert. Zum
­Beispiel für Santiago Lewis. Der 56-Jährige kniet in seinem
Bohnenfeld und zeigt auf seine prächtig gedeihenden Pflanzen.
„Ich hätte nie gedacht, dass ich ein Kleinunternehmer werde“,
sagt er. Gemeinsam mit anderen Landwirten hat er ein k­ leines
Unter­
nehmen gegründet: „Wir produzieren jetzt Saatgut für
den Eigen­bedarf und den Verkauf.“ Mit dem Verkauf der Überschüsse erzielt Santiago Lewis heute Gewinne. Damit kann er
seinen vier Kindern und acht Enkelkindern ein besseres Leben
ermöglichen. Und wenn der nächste Hurrikan kommt, hat er
­genügend Saatgut, um wieder aussäen zu können. Das gibt ihm
die Sicherheit, die er braucht, um in Auhya Pihni bleiben und
sein Leben Schritt für Schritt verbessern zu können. „­Meine
Vorfahren haben nur kleine Felder bepflanzt“, sagt Santiago
Lewis. „Aber ich habe jetzt gelernt, dass es wichtig ist, mehr
Fläche zu bearbeiten, um genügend Getreide und Saatgut für
den Eigenverbrauch und die nächste Aussaat zu haben.“
Die Ernährungsunsicherheit ist das zentrale Problem in ländlichen, von Unwettern heimgesuchten Regionen. Darunter leiden
insbesondere Kinder, bei denen sich schnell Mangelerscheinungen zeigen, wenn die Lebensmittel nicht ausreichen. Daher
haben sich die Menschen in Auhya Pihni gemeinsam dafür entschieden, in ihrem Millenniumsdorf in erster Linie Hunger und
Armut zu bekämpfen.
Heute reichen die Nahrungsmittel, die die Familien selbst
anbauen, für mehr als zehn Monate im Jahr. 2011 waren es
nicht einmal sechs Monate. Dieser Erfolg geht auf ein ­Bündel
an Maßnahmen zurück. So haben die Miskitu ihre Ernte­erträge
mit dem angepassten Saatgut und besseren Anbaumethoden
­deutlich steigern können. Außerdem setzen sie inzwischen auf
Sorten­vielfalt bei ihren Anbaukulturen, um Wetter- und ­anderen
Ernte­
risiken begegnen zu können. Während die Landwirte
­vorher meistens nur eine Feldkultur angebaut haben, ernten sie
heute Bohnen, Mais, Reis und vieles mehr. Werfen Mais oder
-50%
27€ beträgt das durchschnittliche Wocheneinkommen einer Familie
48
5 neue Gemüsesorten
­werden inzwischen
in den Gemüse­
gärten angebaut
227 Ökotoiletten
verbessern die Grund­
wasserqualität und ihr
Bau schafft Einkommen
Die Reisernte hat sich
mehr als verdoppelt
208 Familien (54%)
nutzen inzwischen
sauberes Trinkwasser
Die landwirtschaftlich
genutzte Fläche hat
sich wegen ­Emigration
nahezu halbiert
„Inzwischen baue ich in meinem
eigenen Garten so viel
Gemüse an, dass ich einen Teil davon sogar
verkaufen kann“, sagt Ailita Panik Wilson.
Landwirtschaftliche Erträge pro Hektar
Nutzung von Latrinen und Toiletten
Erträge t/ha
7
6
5
4
3
2
1
0
2013
6,5
2,2
1,5
2,0
1,5
Mais
2011
2012
1,7
Bohnen
2,3
3,0
3,6
2012
2011
Reis
0%
20%
40%
60%
80%
Familien die eine Latrine oder Toilette nutzen
2013
Quelle: Welthungerhilfe 2015
Quelle: Welthungerhilfe 2015
­ ohnen aufgrund zu heftiger Regenfälle nur wenig Ertrag ab,
B
sorgt ­immer noch der Reis für gute Ernten.
nur sehr selten in unserem Dorf zu bekommen. Heute ist
­Gemüse ein sehr leckerer Bestandteil unserer Mahlzeiten geworden“, sagt die 72-jährige Ailita Panik Wilson. „Inzwischen
baue ich in meinem eigenen Garten so viel Gemüse an, dass ich
einen Teil davon sogar verkaufen kann.“ Das Essen schmeckt
nicht nur besser, sondern stärkt auch die Gesundheit. Genauso
wie die mehr als 200 neuen Toiletten, die Waschhäuser und die
22 neuen Brunnen für die Trinkwasserversorgung. Die Hygiene
und damit die Gesundheit der Menschen haben sich deutlich
verbessert.
Mit all diesen Maßnahmen haben die Miskitu ihre Feld­erträge
deutlich steigern können. Jetzt erzielen sie mehr als sechs
Tonnen Reis pro Hektar und damit mehr als doppelt so viel
wie noch zwei Jahre vorher. Wichtig sind auch die besseren
Wegean­bindungen. Zwei neue Landstege verbinden die durch
den Fluss getrennten Felder besser mit den Dörfern. Außerdem
haben die Miskitu eine neue Straße gebaut. Dank der k­ ürzeren
Entfernungen zum Markt verderben ihre Waren nicht mehr,
und sie sind unabhängiger von Zwischenhändlern, die ihnen
schlechtere Preise bezahlt haben.
Mehr Vielfalt hat heute auch der Speiseplan der Miskitu. In
rund 50 neu angelegten Küchengärten wachsen Tomaten, Kohl,
Zwiebelgewächse, Paprika und Gurken. „Früher war ­Gemüse
Einwohner
Einwohnerdichte
Bruttoinlandsprodukt
pro Person & Jahr
Lebenserwartung Männer
Lebenserwartung Frauen
Geburtenziffer
Kindersterblichkeit
Alphabetisierungsrate
Beschäftigte in der Landwirtschaft
Welthunger-Index
Human Development Index
Weltrisikoindex
Gender Gap Score
Karte: Welthungerhilfe
Nicaragua
„Unser Leben hat sich sehr zum Positiven verändert“, sagt
Maria Zuñiga, Mutter von sechs Kindern. Und es soll sich
­
­weiter entwickeln, beispielsweise mit dem neuen kommunalen
­Mikrofinanzsystem, das die Miskitu nutzen können, um ihre
Produkte besser zu vermarkten und die Infrastruktur im Ort
weiterzuentwickeln.
Nicaragua 2009
Nicaragua 2015
Deutschland 2015
5,89 Mio.
45 p/km2
1.060 €
5,84 Mio.
44 p/km2
1.345 €
80,6 Mio.
231 p/km2
33.606 €
69,4 Jahre
73,8 Jahre
2,57 je Frau
2,50%
67,5%
29%
10,5 – ernst
0,699 (Rang 124/182)
15,74% (Rang 11/173)
0,7002 (Rang 49/134)
70,6 Jahre
75 Jahre
1,99 je Frau
2,03%
78%
31%
9,5 – mäßig
0,614 (Rang 132/195)
14,87% (Rang 13/171)
0,7894 (Rang 6/142)
78,6 Jahre
83,3 Jahre
1,38 je Frau
0,30%
99%
1,6%
0,911 (Rang 6/195)
3,01% (Rang 147/171)
0,7780 (Rang 12/142)
Quelle: Bündnis Entwicklung Hilft/UNU-EHS, CIA, IFPRI/Concern/Welthungerhilfe, UNDP, Worldbank, World Economic Forum
Bürgerkriege und Zeiten schlechter
Regierungsführung und großer Korruption
1990
Die Welthungerhilfe startet ihr Engagement in der Region
Hurrikan Mitch
1998
Friedensschluss; dennoch bleibt die Regierungsführung lange von Korruption geprägt
Hurrikan Felix
2002 2003 2007
Große Überschwemmungen nach einem
Orkan
Auhya Pihni wird Millenniumsdorf
2010
2012
2015
Das „El Niño“ Wetterphänomen führt zu
Überschwemmungen und Ernteausfällen
Der vollständige Bericht der Initiative Millenniumsdörfer und weiteres Material ist hier zu finden: www.welthungerhilfe.de/millenniumsdoerfer.html 49
50
LÄNDERBERICHT
Millenniumsdörfer Ayacucho und
Riberas del ­Huallaga – Peru
6267
Ecuador
6768
Colombia
Riberas Brasilien
del Huallaga
Huanuco
Lima
Peru
Ayacucho
Ayacucho
6372
Bolivien
6425
6402
0
150
300
! Millenniumsdorf
6542
600 km
J
"
Sources: Esri, USGS, NOAA
Hauptstadt mit Projektbüro
Chile
Stadt
#
Berg
1555
830
6176
Pa ra gu ay
51
MDG 1: Meerschweinchenzucht
MDG 1: Käse für den Markt
MDG 1: Vielfalt der Knollenfrüchte
Foto: IDMA
MDG 7: Landschaftsgestaltung mit Steinzäunen
Millenniumsdörfer Ayacucho und Riberas del Huallaga
– Peru
Die Kombi macht’s:
Traditionelles Wissen und moderner Ökolandbau
Das Leben in den abgelegenen Andengebieten ist rau und hart.
In Höhen von 1.900 bis 4.500 Metern wächst nicht mehr
viel – dennoch hatten sich die Nachfahren der Inka über Jahr­
hunderte an ihre unwirtliche Umgebung angepasst. In Einklang
mit der Natur trotzten die Quechua-Familien ­
ihren kargen
­Böden ­Kartoffeln, Knollengewächse und Bohnen ab. Sie ­hielten
Alpakas und Meerschweinchen und schützten ihre s­teilen
­
Hänge vor Erosion durch Steinmauern, Büsche und B
­
­ äume.
Dann brachte die moderne Landwirtschaft in den 1960er ­Jahren
neue Pflanzensorten und Chemikalien in die Region. Viele
­traditionelle Knollengewächse gingen verloren, Bäume wurden
abgeholzt. Von 1980 bis 2000 trieb der ­brutale Bürgerkrieg
zwischen der maoistischen Guerillaorganisation „­Leuchtender
Pfad“ und dem peruanischen Militär Tausende Menschen in die
Flucht. Von den 70.000 Toten im Land gehörten drei Viertel der
Quechua sprechenden Bevölkerung an. Ihre zurückgelassenen
Felder und Weiden lagen brach und verödeten.
Seitdem gehören die Regionen Ayacucho und Huánuco,
in ­
denen sich die beiden peruanischen Millenniumsdörfer
­ efinden, zu den ärmsten Regionen des aufstrebenden Pazifik­
b
staates. ­Ausserdem schafft es dieser nicht, die ­Gewinne aus
seiner b
­ oomenden Wirtschaft umzuverteilen. Noch immer lebt
mehr als die Hälfte der ländlichen Bevölkerung in Armut. In den
beiden Millenniumsdörfern sind es sogar 85 Prozent. V
­ erstärkt
wird die Situation durch den Klimawandel, dessen Aus­
wirkungen besonders im Hochland spürbar sind: Heftige Regen­
güsse ­verursachen Schlammlawinen und Erdrutsche, die ganze
Berghänge und fruchtbare Erde mit sich in die T
­iefe ­reißen.
Gletscher schmelzen und die abgeholzten Böden v­ erlieren ihre
Fähigkeit, Wasser zu speichern. In extremen Trocken­perioden
vertrocknet die frisch eingebrachte Saat auf dem Acker. ­Zudem
­spielen die Jahreszeiten verrückt: Nachtfröste und H
­ agel zerstören die Pflanzen während der Wachstumsphase. Die Ernten
fallen immer häufiger schlecht oder ganz aus.
Beharrlichkeit zahlt sich aus
„Als wir Anfang der 1990er Jahre auf unseren Hof zurück­
kehrten, sah es hier aus wie in einer Wüste“, erinnert sich
Romulo Vilca aus dem Millenniumsdorf Ayacucho. Der
­
37-­jährige Klein­bauer steht mitten in seinem Haferfeld, das
er auf 4.500 Metern Höhe als Kraftfutter für seine Milchkühe
8 /10
Teilnehmende in
Riberas del ­Huallaga
bestätigen die
­Gleichberechtigung
von Frauen
52
50%
In Riberas del Huallaga
können inzwischen 34
von 200 teilnehmenden
Familien (+17%)
täglich Gemüse essen
Kleinbauern mit
­Hofentwicklungsplänen
steigern ihre
­Ernten um 60%
In Ayacucho sind
von den über 26.500
gepflanzten Bäumen
80% angewachsen
Knapp 50% des in
Ayacucho angebauten
Gemüses wird verkauft
Die Kühe in Ayacucho
geben jetzt täglich etwa
10 Liter Milch, vorher
waren es zwei Liter
„Wir bauen auch landwirtschaftliche Kulturen an.
Früher glaubten wir nicht, dass auf dieser Höhe
Feldfrüchte
gedeihen. Aber wir haben gelernt, dass es geht“, erklärt
Romulo Vilca voller
Einschätzung der Dorfbevölkerung in Ayacucho zur Situation
der Gender-Gerechtigkeit (MDG 3)
Einschätzung der Dorfbevölkerung in Riberas del Huallaga
über ökologischer Nachhaltigkeit (MDG 7)
exzellent
exzellent
sehr gut
sehr gut
gut
mehr oder
weniger
schlecht
sehr
schlecht
gut
mehr oder
weniger
schlecht
sehr
schlecht
2005
2006
2007
2008
2010
2011
2012
2013
Gemeinsame Entscheidungen der Männer und Frauen
Gleichberechtigte Aufteilung der Hausarbeit
Meinungsberücksichtigung aller Familienmitglieder
Stolz.
2005
2006
2007
2008
2010
2011
2012
2013
Kommunales Gesetz zum Schutz der Umwelt
Erfolgte Aufforstungsmassnahmen
Anwendung agroökologischer Techniken
Quelle: Welthungerhilfe 2015
Quelle: Welthungerhilfe 2015
angelegt hat. Der Wind fegt dem Kleinbauern kräftig um die
Ohren. „Damals lebten wir noch mit unserem Vieh zusammen
wie unsere Großeltern.“ Die Frauen mussten schon im Morgengrauen aufbrechen, um die mageren Rinder auf weit entfernte
Weiden zu treiben. Erst spät am Abend kehrten sie müde und
erschöpft mit ihren Tieren zurück. Die Tiere dienen nicht nur als
Notgroschen, sondern auch für Milch- und Fleischproduktion
für die eigene Familie. Heute grast ein halbes Dutzend Milchkühe auf einer saftigen Weide hinter dem Haus der vierköpfigen
Familie.
In beiden Millenniumsdörfern ist es den Partner­organisationen
ABA und Institute of Development and Environment (IDMA)
gemeinsam mit der Bevölkerung gelungen, das t­raditionelle
­
Wissen der Vorfahren mit modernen ökologischen Anbau­
­
methoden zu kombinieren und damit die Bodenqualität in
­beiden Regionen deutlich zu verbessern. Inzwischen wenden
rund 507 Kleinbauern diese Methoden an. Sie produzieren
organischen Dünger, ziehen Steinwälle als Erosionsschutz,
pflanzen Bäume und Büsche, die den Boden auch bei starken
Regenfällen halten und sorgen für ein nachhaltiges Wasser­
management. Sie haben traditionelle Kartoffel- und Mais­sorten
sowie Wurzel­
knollen wieder eingeführt, die gegen extreme
Wetterschwankungen resistent sind. So konnten die klein­
­
bäuerlichen Familien die Vielfalt ihrer Feldfrüchte und damit
die Nahrungsmittelauswahl auf ihren Tellern deutlich e­ rweitern.
Auch hier sind die Ernten beachtlich gestiegen. Zudem ist es
gelungen, den Ertrag der drei wichtigsten Grundnahrungs­
mittel Kartoffeln, Bohnen und Mais um 20 Prozent zu e­ rhöhen.
Durch die beachtlich ­
gestiegen Erträge konnte die Zeit von
Ernährungs­
unsicherheit durch ausfallende Ernten auf zwei
­Monate im Jahr reduziert werden.
Die lokale Partnerorganisation Asociación Bartolomé ­Aripaylla
(ABA) hilft den kleinbäuerlichen Familien in A
­ yacucho seit 1992
dabei, ihre Höfe ertragreich zu bewirtschaften. ­Zusammen mit
der Bevölkerung hat sie im Gebiet des Millenniumsdorfes 100
von Regen gespeiste Wasserreservoirs angelegt. So kann das
Wasser in niedrigere Lagen sickern, und versorgt dort die Felder
und Wiesen mit ausreichend Feuchtigkeit. „Inzwischen halten
wir nicht nur Kühe, die durch das nahrhafte Futter mehr Milch
geben, so dass wir Käse herstellen und verkaufen ­
können“,
­erklärt Romulo Vilca voller Stolz. „Wir bauen auch wieder landwirtschaftliche Kulturen an. Früher glaubten wir nicht, dass auf
dieser Höhe Feldfrüchte gedeihen. Aber wir haben gelernt, dass
es geht.“
Bewaffneter Konflikt zwischen Regierung und den
terroristischen Gruppen „Leuchtender Pfad“ & MRTA mit 70.000 Toten
1980s
1989
1997
Welthungerhilfe und IDMA
kooperieren in der Region
1998
Wetterphänomen „El Niño“ verursacht viele Schäden
2000
Welthungerhilfe und ABA
kooperieren in der Region
53
„Wir Jugendlichen wollen
die Welt
retten!“,
sagt Aldo aus der Jugendgruppe
Erhöhung der Ernteerträge in Ayacucho
Täglicher Nahrungsmittelkonsum von 200 Familien in
Riberas del Huallaga
kg/ha
2500
100%
2000
75%
1500
50%
1000
25%
500
0
Gerste
2012
Kartoffel
2013
Reis
Tarwi Bohne
Mashua*
0%
*knollige Kapuzinerkresse
Getreide
2012
Wurzeln und
Knollen
Gemüse
Früchte
Eier
2013
Quelle: Welthungerhilfe 2015
Quelle: Welthungerhilfe 2015
Auch die Nachbarn profitieren
Die Jugend stärken
Andere Nachbarn sind neugierig geworden und kopieren
die e­rfolgreichen Strategien aus den Millenniumsdörfern.
Insgesamt profitieren 2.700 Familien im Gebiet der beiden Millenniums­
dörfer von den Maßnahmen, i­nsbesondere
vom Wasser­
management und Umweltschutz. 407 Frauen
­haben Küchen­gärten angelegt, in denen Gemüse und Kräuter
­wachsen. Damit versorgen sie ihre Familien mit ausreichend
Vitaminen und Spurenelementen, die ihnen früher fehlten. In
Kochkursen haben sie gelernt, wie sie die bisher unbe­kannten
Nahrungsmittel zubereiten und was eine gesunde Mahlzeit ausmacht. Mit ihren neuen, verbesserten Öfen sparen sie Feuerholz, schonen die Umwelt und schützen ihre Gesundheit. Die
Ernteüberschüsse verkaufen sie auf dem Markt und tragen damit erstmalig etwas zum Familieneinkommen bei. Das stärkt
das Selbstbewusstsein der Frauen und ihre Stellung inner­halb
der Familie und der Gemeinde.
Gleichberechtigung gilt auch bei Kindern und Jugendlichen:
Mädchen besuchen heute in beiden Millenniumsdörfern
­genauso häufig die Schule wie Jungen und beenden sie mit Abschlüssen. Früher kamen Mädchen kaum über die Grundschule
hinaus. Nun setzen sie wie ihre männlichen Klassen­kameraden
die Sekundarschule fort und machen teilweise ­
sogar eine
Aus­
bildung oder studieren. In ihrer Freizeit ­
engagieren sich
die ­
jungen Leute in Jugendclubs. Hier steht vor allem Umweltschutz und ­Tradition auf dem Programm. Die Kinder und
­Jugendlichen pflanzen Bäume, unterstützen ihre Eltern beim
Anlegen von Wasserreservoirs und legen Schulgärten an, ­deren
Produkte den Speiseplan der Schulkantinen bereichern. „Die
Umwelt wird immer mehr verschmutzt“, sagt Aldo aus der
J­ugendgruppe „Machtachuya“ im Millenniums­dorf Ayacucho.
Das Quechua-Wort bedeutet ­„Jugendliche reinen Herzens“ und
so handeln die jungen Leute auch. Der 14-­jährige Aldo will
später einmal Ökobauer werden, denn er hat ein ­großes Ziel vor
Augen: „Wir Jugendlichen wollen die Welt retten!“
Die Gleichstellung der Geschlechter wird von IDMA und ABA
durch gezielte Maßnahmen gefördert, so dass heute viele M
­ änner
ihre Frauen im Haushalt und auf dem Feld unter­stützen. Entscheidungen treffen sie immer häufiger ­gemeinsam. Die Ehepaare erwirtschaften ­
alternative Einnahmequellen durch die
Weiterverarbeitung und den Verkauf von Milchprodukten und
Alpaka-Fleisch. In den Gemeinden genießen Frauen i­nzwischen
das gleiche Wahlrecht wie Männer und nutzen dies auch.
Durch Mülltrennung sowie Gesundheits- und Kochkurse lernt
die neue Generation schon früh alltagstaugliche Dinge, die
gleichzeitig die Natur schützen. Dabei haben sie jede Menge
Spaß und lassen die alten Traditionen ihrer Vorfahren w
­ ieder
aufleben.
Beginn des
Dezentralisierungsprozesses von Regierungsstrukturen
Ayacucho und Riberas del
Huallaga werden zu Millenniumsdörfern
2001
2011
2010
Welthungerhilfe kooperiert mit ABA und IDMA in der jeweiligen Region
54
„Machtachuya“.
2012
2014
2015
MDG 7: Umweltgruppe einer Schule in Ayacucho mit Aktionsschild „Wir geben auf unsere Umwelt acht“
MDG 1: Ein Beispiel für einen Hofentwicklungsplan
MDG 1: Die Kartoffeln wollen gepflegt sein
Wiedergewonnenes Selbstbewusstsein
nationaler ­Ebene ­finden die Quechua-Gemeinden ­Anerkennung:
ABA gewann 2014 zusammen mit der B
­ evölkerung aus dem
Millenniumsdorf Ayacucho den Nationalen Umwelt Preis in
der Kategorie „Gute Praxisbeispiele für die Anpassung an den
Klima­
wandel in ländlichen Gebieten“. Das gibt den Anden­
bauern weiteren Grund zur Hoffnung. Sie wissen, dass sie ihre
Zukunft selbst gestalten können.
Insgesamt ist das Selbstbewusstsein in den häufig diskriminierten Quechua-Gemeinden enorm gestiegen – sie ­sehen ihre
Herkunft nicht länger als Stigma an, sondern ­
fordern nachdrücklich ihre Rechte auf Gemeindeebene ein. IDMA und
ABA haben zusammen mit der Bevölkerung nach­haltige Land­
nutzungspläne für die Gemeinden entwickelt. Dazu gehören
auch Risikoanalysen, Katastrophenschutz, Wasser­management
und Vermarktungsstrategien. In Riberas del Huallaga gibt es
eine enge Zusammenarbeit mit der Landwirtschafts­abteilung
der Regionalregierung, um Risikomanagementpläne auf
Gemeinschaftsebene umzusetzen. Mit ihrer Beharrlichkeit
­
haben die kleinbäuerlichen Familien die Aufmerksamkeit der
lokalen ­
­
Autoritäten geweckt: Die haben ihre Themen über­
nommen und diskutieren nun Klimawandel, Erosionsschutz
oder Risiko­management in verschiedenen Dialogforen. In dem
Zusammenhang nimmt IDMA an einer Arbeitsgruppe teil, um
eine regionale Strategie für den Umgang mit Klimawandel zu
entwickeln. Während der letzten Jahre stiegen die öffent­lichen
Investitionen in ­diesen Bereichen um 21,6 Prozent. Auch auf
Karte: Welthungerhilfe
Peru
Einwohner
Einwohnerdichte
Bruttoinlandsprodukt
pro Person & Jahr
Lebenserwartung Männer
Lebenserwartung Frauen
Geburtenziffer
Kindersterblichkeit
Alphabetisierungsrate
Beschäftigte in der Landwirtschaft
Welthunger-Index
Human Development Index
Weltrisikoindex
Gender Gap Score
Peru 2009
Peru 2015
Deutschland 2015
29,54 Mio.
23 p/km2
3.042 €
30,15 Mio.
24 p/km2
4.838 €
80,6 Mio.
231 p/km2
33.606 €
68,9 Jahre
72,7 Jahre
2,37 je Frau
2,86%
92,9%
27,7%
7,3 – mäßig
0,806 (Rang 78/182)
7,24% (Rang 75/173)
0.7024 (Rang 44/134)
71,2 Jahre
75,3 Jahre
2,22 je Frau
2,02%
89,6%
25,8%
5,7 – mäßig
0,737 (Rang 82/195)
6,91% (Rang 77/171)
0,7198 (Rang 45/142)
78,6 Jahre
83,3 Jahre
1,38 je Frau
0,30%
99%
1,6%
0,911 (Rang 6/195)
3,01% (Rang 147/171)
0,7780 (Rang 12/142)
Quelle: Bündnis Entwicklung Hilft/UNU-EHS, CIA, IFPRI/Concern/Welthungerhilfe, UNDP, Worldbank, World Economic Forum
Der vollständige Bericht der Initiative Millenniumsdörfer und weiteres Material ist hier zu finden: www.welthungerhilfe.de/millenniumsdoerfer.html 55
Einen Kurzfilm „Mit Wasser in die Zukunft“ gibt es hier. www.youtube.com
56
3
Kapitel
Wie wir Erfolge messen
Die Welthungerhilfe startet ihre Projekte mit dem Ziel, das Leben der Menschen dauerhaft und
spürbar zu verbessern. Der Erfolg ist jedoch selbst bei bester Vorbereitung nicht garantiert,
auch weil sich Rahmenbedingungen immer wieder ändern. Deshalb ist es wichtig, angestrebte
Ziele und erreichte Wirkungen immer wieder zu überprüfen, sich auf neue Heraus­forderungen
einzustellen und gegebenenfalls nach zu justieren. In der Initiative Millenniums­dörfer hat die
Welthungerhilfe systematisch und von Beginn an ein wirkungsorientiertes ­Monitoring eingeführt.
Dazu wurden unter anderem zwei Methoden angewandt. Hierzu interviewten Mitarbeitende
alle zwei Jahre eine ­repräsentative Anzahl von Haushalten mit Hilfe eines Fragebogens. Zum
­anderen wurde jedes Jahr partizipative Workshops (Participatory Impact Assessment – PIA) zur
Messung der Wirkung und zur Steuerung der Projektaktivitäten durchgeführt. Die Kombination
dieser beiden Methoden bringt Vorteile, sagt Arturo Bellot aus Bolivien, Monitoring-Experte der
­Welthungerhilfe in Lateinamerika. „In den PIA-Workshops schildern die Menschen, wie sie die
Entwicklungen des Projektes wahrnehmen. Mit Hilfe dieser Methode können die Veränderungen
analysiert, mit allen Beteiligten Lösungsvorschläge diskutiert und daraus Maßnahmen abgeleitet werden.“ Die Fragebögen wiederum validieren und präzisieren die Informationen. Beide
­Methoden zusammen bilden ein wirksames Instrument.
Indien: Interview im Rahmen der Haushaltsbefragung
Uganda: Interview im Rahmen der Haushaltsbefragung
Nepal: Die Frauen haben zunehmend das Wort in den Indien: Greeta Devi entwickelte mit einer Frauen
PIA-Workshops
gruppe ein erfolgreiches Geschäftsmodell
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„Mussten wir anfangs die
Menschen eher motivieren und mobilisieren,
entwickelten sich die Workshops zusehends zu einer aktiven Diskussions­
plattform.“, sagt Arturo Bellot aus Bolivien, Monitoring-Experte
der Welthungerhilfe in Lateinamerika.
Arturo Bellot schätzt die Workshops aber nicht nur, um die Wirkungen zu erfassen. Vielmehr
stärken die PIA-Workshops auch die Teilhabe der Bevölkerung an ihre Entwicklung und in den
Projekten. Nicht nur er beobachtete, dass Teilnehmer und vor allem auch Teilnehmerinnen sich
zunehmend mehr an den Workshops beteiligten und ihre Meinung artikulierten. „Mussten wir
anfangs die Menschen eher motivieren und mobilisieren, entwickelten sich die Workshops zusehends zu einer aktiven Diskussionsplattform.“ Gerade Frauen nutzten den vorgegebenen Rahmen, um sich zusehends gleichberechtigt zu äußern. Damit haben die PIA-Workshops nicht nur
wichtige Daten geliefert, sondern auch die Gleichberechtigung vorangetrieben. Milly Atula aus
Uganda zieht ebenfalls eine positive Bilanz: „Ich bin froh, über die Rechte von Frauen mehr
erfahren zu haben. Denn früher entschied mein Mann allein über Anschaffungen, heute machen
wir es gemeinsam.“ Und es ist für Arturo Bellot „Ein gutes Lerninstrument, um das Bewusstsein
der Bevölkerung für die Wechselbeziehungen von unterschiedlichen Aspekten zu stärken.“ So
waren die Workshops zum Beispiel in Kenia ein Ort, an dem die Bewohner erstmals über die
Zusammenhänge zwischen ausbleibenden Niederschlägen und Abholzung diskutierten. Und in
ihnen reiften auch Geschäftsideen. In Indien zum Beispiel hat Geeta Devi mit sechs weiteren
Frauen ein Unternehmen gegründet. „Zusammen hatten wir die Geschäftsidee, Equipment für
Hochzeiten und Feiern einzukaufen und es dann zu verleihen“, sagt die junge Frau. Inzwischen
haben sie die Ausstattung gekauft und das Unternehmen trägt sich.
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2005
Zeichung zur Armutsituation in Ayacucho, Siedlung Quispillacta
2015
1990
und der fotografische Nachweis für den gleichen Ort
2015
Der vollständige Bericht der Initiative Millenniumsdörfer und weiteres Material ist hier zu finden:
www.welthungerhilfe.de/millenniumsdoerfer.html
4
Kapitel
Nichts überzeugt mehr als
ein gutes Beispiel: Süd-Süd-Austausch
Erfahrungen austauschen und voneinander Lernen
“Ich habe an einigen Workshops teilgenommen und dabei An­
bau­
techniken und Methoden
kennen­
gelernt. Wirklich überzeugt war ich aber erst, als ich im Millenniumsdorf Ogur bei
­unseren Nachbarn in Uganda die positiven Ergebnisse mit ­eigenen Augen gesehen habe“, sagt
Benjamin Lerueshi aus dem Millenniums­dorf Nentaraja im Süden Kenias. Zurück aus Uganda,
hat der Familienvater einen Gemüsegarten angelegt, Tomaten, Kartoffeln, Kraut und Karotten
gesät und Bäume gepflanzt.
Es gibt wenig Überzeugenderes als ein erfolgreiches Beispiel. Weil die Beobachtenden alles
mit den eigenen Sinnen wahrnehmen und die Beteiligten des Projekts direkt fragen können.
Praktische Erfahrungen setzen zudem sehr viel mehr Energien frei, als es Workshops oder
­
­Konferenzen je könnten. Oder wie es Benjamin Lerueshi formuliert: „Diese Art zu lernen ist
so viel einfacher, als im Klassenzimmer zu sitzen und zu versuchen, komplexe Techniken zu
verstehen.“
Deshalb fördert die Welthungerhilfe den Süd-Süd-Austausch. Denn in vielen ländlichen Gebieten
in Entwicklungsländern sind die Menschen mit ähnlichen Herausforderungen und P
­ roblemen
konfrontiert. Wie können sie ihre Ernährung dauer­haft sichern und gleichzeitig ihr Leben an
den Klimawandel anpassen? Wie die Selbstorganisation stärken und mit politischen Initiativen
in ihrem Sinne auf die Gesellschaft einwirken? Eine Antwort darauf lautet: Indem sie ihre Antworten teilen und E
­ rfahrungen austauschen. Das ist die Idee des Süd-Süd-Austausches. Um
diesen Austausch zu fördern, hat die W
­ elthungerhilfe Mittel bereitgestellt und je nach Kontext
und ­Situation nationale, länderübergreifende und interkontinentale Austausche initiiert und begleitet.
Begrüßung der kenianischen Besucher unter einem ugandischen Schattenbaum
Die Lateinamerikaner lernen in Indien Schlüssel
lochgarten kennen
Besucher aus Uganda zeigen in Kenia wie der Bau
holzsparender Öfen funktioniert
59
„Diese
Art zu lernen ist so viel einfacher,
als im Klassenzimmer zu sitzen und zu
versuchen, komplexe
Techniken zu verstehen.“ sagt Benjamin Lerueshi aus Kenia.
Süd-Süd-Austausch der Welthungerhilfe
Nationale Ebene
(innerhalb eines Landes)
Geringer logistischer Aufwand
und Kosten
Einfache Kommunikation
Ähnliche Rahmenbedingungen
Internationale Ebene
Gemeinsame Aktivitäten
des Süd-Süd Austauschs
Regional Ebene
(zwischen mehreren Ländern,
gleicher Kontinent)
Projekt- und Austauschbesuche,
Studien und Publikationen,
Kampagnen und Advocacy,
Vernetzung und Trainings
Gute Möglichkeit für Austausch
und Vernetzung
Hohes Potential für mehr
politisches Handeln & Advocacy
Ähnlicher kultureller Kontext
(zwischen mehreren Ländern,
unterschiedliche Kontinente)
Hohes Potential für eine breite
Aufmerksamkeit
Stärkung intern. Netz­werke und
Austauschmöglichkeiten
Logistische Herausforderungen
& hohe Kosten
Mögliche sprachliche &
kulturelle Hürden
Mittlere Kosten
(v.a. Reisekosten)
Quelle: Welthungerhilfe 2015
Benjamin Lerueshi ist mit 13 anderen Bewohnerinnen und Bewohnern sowie Projektmit­arbeitern
nach Uganda gereist und hat selbst wenige Monate später eine Bauerngruppe aus Ogur in
­Nentaraja empfangen. Während sich die Menschen aus Kenia für Gemüsegärten, Obstanbau
und die effizienten Kochherde bei den ugandischen Nachbarn interessierten, beeindruckten
die Uganderinnen und Ugander in Nentaraja die ausge­klügelte Bienenzucht und die Methode,
Wasser mithilfe eines Dach- oder Felsregenfangs zu schöpfen. „Bei uns fließt noch viel zu viel
Wasser ungenutzt ab. Deshalb habe ich damit begonnen, das Regenwasser zu ernten, so wie ich
es in Kenia gesehen habe“, sagt Milly Atula aus Ogur in Uganda.
Einen interkontinentalen Austausch zu organisieren, ist zeitaufwändig und teurer. Trotzdem
konnten 2014 zehn Projekt­verantwortliche und Repräsentanten von Partner­organisationen aus
Haiti, Nepal und Indien die Länder Peru und Bolivien b
­ esuchen. Die teilnehmenden Frauen
und ­Männer ­diskutierten über gemeinsame Rahmenbedingungen sowie landespezifische Unter­
schiede und wie sie ihre Projektarbeit transparenter gestalten können. Viele Themen betreffen
alle Regionen gleicher­maßen, sei es der Druck auf die natürlichen Ressourcen oder die Frage,
wie sich lokale Partnerorganisa­tionen intensiver vernetzen oder zivilgesellschaftliche Strukturen
wie Kleinbauerngruppen gestärkt werden können. Ein Gegenbesuch in Indien und Nepal ­stärkte
die Vernetzung der Teilnehmenden unter­
einander. Einem direkten Austausch steht seitdem
nichts mehr im Weg.
60
4
Kapitel
Für einen dauerhaften Austausch müssen jedoch auch bestimmte Bedingungen ­berücksichtigt
werden. So muss klar sein, mit welchem Ziel ein solcher Austausch initiiert wird, ­
welche
­Ressourcen benötigt werden oder welche sprach­lichen und kulturellen Hindernisse den Austausch erschweren ­könnten. Und natürlich müssen die angewandten Methoden und Techniken,
zum Beispiel die Gemüsegärten in Uganda und Kenia, auch in den Regionen der Austauschländer sinnvoll sein. So waren die ­ersten Erfahrungen mit dem Gemüse­garten für Benjamin
­Lerueshi nicht immer erfolgreich. „Ich habe viele Sorten gepflanzt, aber die Regenmenge bleibt
in ­diesem Jahr hinter u
­ nseren Erwartungen zurück, weshalb einige Sorten b
­ isher nicht die
­erhofften ­Erträge abwarfen“, erklärt der Kleinbauer und Familienvater.
In solchen Fällen braucht es einen Plan B, damit die ­Euphorie nicht sofort verfliegt und mit
ihr die Lust auf Veränderung und Verbesserung. Auch hier kann der Austausch mit anderen
­Millenniumsdörfern helfen, die vielleicht schon ähnliche Rückschläge hatten und not­wendige
Maßnahmen zur Verbesserung eingeleitet haben. Benjamin Lerueshi jedenfalls will weiter l­ ernen.
Weil er gesehen hat, was möglich ist und ein langer Atem sich auszahlt.
Der vollständige Bericht der Initiative Millenniumsdörfer und weiteres Material ist hier zu finden:
www.welthungerhilfe.de/millenniumsdoerfer.html
61
5
Kapitel
Die Initiative Millenniumsdörfer –
Fazit und Ausblick
Nach vielen Jahren praktischer Arbeit in den fünfzehn Millenniumsdörfern ziehen wir eine
­positive Bilanz. Der Mehrzahl der über 72.000 dort lebenden Menschen geht es heute deutlich
besser als vor Beginn der Initiative. Gemeinsam ist es uns gelungen, extreme Armut und Hunger
zu reduzieren, die Gleichstellung von Frauen zu fördern oder auch die Degradierung der Böden
zu mindern und die Umwelt zu schützen.
Die Erfolge auf lokaler Ebene weisen den Weg auf globaler Ebene. Mit den vor­
handenen
Methoden und Ansätzen konnten wir zum Erreichen der Millenniumsentwicklungsziele bei­
­
tragen und die damit verbundenen, zweifellos großen Herausforderungen angehen. Technische
­Lösungen ­spielen dabei eine wichtige Rolle, sei es um die Menschen mit Wasser oder Energie
zu versorgen oder um höhere Erträge auf kleineren Flächen zu erwirtschaften und gleichzeitig
Erosionen und Abholzungen entgegenzuwirken.
Noch wichtiger ist es jedoch, dass Frauen und Männer mit ihren Familien in die einzelnen Schritte
eingebunden sind, dass sie ihren Weg selbst bestimmen, demokratische sowie ­partizipatorische
Strukturen schaffen und mit Leben füllen. Wo dies gelang, verbesserten die Menschen auch
parallel ihre Lebensbedingungen stark und erzielten Erfolge in der Überwindung von Hunger
und Armut.
Um diese Entwicklung zu verstärken, braucht es einen Staat, der den Menschen Grund­rechte
einräumt, sie schützt und durch adäquate Sozialsysteme fördert. In vielen Ländern ist der erfolg­­
reiche Kampf für diese Grundrechte genauso elementar wie das Ringen um sauberes Trink­wasser
oder Saatgut. Zum Beispiel in Indien. Nicht ohne Grund sind die drei indischen ­Millenniumsdörfer
Jhiranya, Nimpith und Sarwan gemeinsam mit dem nepalesischen Korak auch Teil der Fight
Hunger First Initiative, mit der die Welthungerhilfe verstärkt auf Zusammen­hänge zwischen
staatlichem Handeln und nachhaltiger Entwicklung hinweist. In d
­iesen ­
Millenniumsdörfern
hat die Welthungerhilfe und ihre indischen und nepalesischen Partner­
organisationen die
­Be­völkerung über ihre Rechte und die Zuständigkeiten der lokalen Behörden aufgeklärt. So
­suchen ­inzwischen Mütter in den Millenniumsdörfern in Indien lokale Gesundheitszentren auf
und schließen sich in Selbsthilfegruppen zusammen, um ihren Forderungen zum Beispiel für
mehr Unterstützung besser Nachdruck verleihen zu können.
Schließlich hat sich auch der Süd-Süd-Austausch als sehr wirksam erwiesen. Durch gegenseitige
Besuche über Orts- und Landesgrenzen hinweg lernen die Menschen sehr viel schneller erfolgreiche Praktiken zum Beispiel im Gemüseanbau kennen, als dass dies durch Fortbildungen in
Seminarräumen möglich wäre. Persönliche Erfahrungen, der Austausch mit anderen Menschen,
die vor ähnlichen Problemen stehen und Lösungen gefunden haben, zeigen schnell Erfolge und
animieren zum Nachahmen.
Diese praktischen Erfahrungen und erfolgreichen Ansätze der Initiative Millenniumsdörfer w
­ erden
auch in der künftigen Arbeit der Welthungerhilfe eine wichtige Rolle spielen. ­Schließlich e­ rsetzen
2016 die globalen Nachhaltigkeitsziele (SDG) die Millenniumsentwicklungsziele (MDG).
62
5
Kapitel
Was aber haben die Millenniumentwicklungsziele bewirkt? Unbestritten ist, dass regional einige
Zielsetzungen erreicht wurden. Andererseits sind Hunger und Armut längst nicht überwunden.
Festzustellen ist jedoch: Die Staatengemeinschaft hat mit den MDGs erstmals ein gemeinsames,
weltweit gültiges Messinstrument zur Überprüfung der Fortschritte in der Armutsbekämpfung
initiiert. Das erhöht die Transparenz, setzte Regierungen unter Zugzwang und stellte sicher, dass
Armut und Hunger auf der politischen Agenda blieben – trotz Finanz- und Wirtschaftskrisen.
Gleichzeitig sind die Herausforderungen weiter gestiegen. Armut und Hunger sind mehr denn
je kein lokales oder regionales Problem mehr, sondern Teil multinationaler und globaler Prozesse. Deshalb braucht es auch mehr denn je multidimensionale Ansätze für eine wirkungsvolle
Hunger- und Armutsbekämpfung. Durch die SDGs sollen alle Nationen und wichtige Akteure
für eine weltweit nachhaltige Entwicklung in die Pflicht genommen werden. Dass die SDGs in
einem globalen und partizipativen Prozess erarbeitet wurden, ist hierfür ein gutes Zeichen. Die
gemeinsame Agenda schließt Aspekte wie Ungleichheit, Wirtschaftswachstum, Konsummuster
und Biodiversität ein. Mit den SDGs sollen Hunger und Armut bis 2030 endlich in Gänze überwunden werden.
Die Welthungerhilfe wird ihren Teil zu den globalen Nachhaltigkeitszielen beitragen. Das zukünftige Engagement steht auf einem guten Fundament. Denn es basiert auf den zahlreichen Erfahrungen und Erfolgen, die wir zusammen mit unseren Partnerorganisationen und mit den Menschen in den Millenniumsdörfern gemacht haben. In Partnerschaft mit zivilgesellschaftlichen
Organisationen und anderen Akteuren in Nord und Süd wird die Welthungerhilfe die SDGs durch
Entwicklungsmaßnahmen in bedürftigen Regionen unterstützen, einen konstruktiv-kritischen
politischen Dialog auf nationaler und internationaler Ebene einfordern und sich daran beteiligen.
63
5
Kapitel
Millennium Development Goals 2000 – 2015
Quelle: © United Nations
Sustainable Development Goals 2016 – 2030
Quelle: © United Nations
64
Der vollständige Bericht der Initiative Millenniumsdörfer und weiteres Material ist hier zu finden:
www.welthungerhilfe.de/millenniumsdoerfer.html
Danksagung
Danke, Thanks, Merci, Gracias
an alle Partner und Beteiligte der Initiative Millenniumsdörfer
und alle Unterstützer und das gesamte Team.
to all partners and participants of our Millennium Villages
and to all supporters and the whole team.
à tous les partenaires et participants des Villages du Millénaire
et tous les donateurs et toute l’équipe.
a todos los socios y participantes de las Aldeas del Milenio
y a todos los partidarios y todo el equipo.
Mangue in Angola
Manigri in Benin
Cañadon Peñas in Bolivia
Kongoussi in Burkina Faso
Kanat Toch in Cambodia
San Andrés in Ecuador
Sodo in Ethiopia
Mondésir & Poirier in Haiti
Gandhiji Songha in India
Jhiranya, Nimpith & Sarwan in India
Nentaraja in Kenya
Anosikely in Madagascar
Mabote in Mozambique
Korak in Nepal
Auhya Pihni in Nicaragua
Ayacucho & Riberas del Huallaga in Peru
Base-Kiryango Tal in Rwanda
Veshab in Tajikistan
Ogur in Uganda
65
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Bro-Mille-D-37/15
Deutsche Welthungerhilfe e. V., IBAN DE15 3705 0198 0000 0011 15, BIC C0LSDE33
Deutsche Welthungerhilfe e. V., Friedrich-Ebert-Straße 1, 53173 Bonn, Tel. +49 (0)228 2288-0, Fax +49 (0)228 2288-333, www.welthungerhilfe.de