Dörfer im Wandel: Vielfalt mit Zukunft

Foto: Heinrich Becker, Thünen-Institut
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Michaela Kuhn
Dörfer im Wandel: Vielfalt mit Zukunft
Wie hat sich die Alltagswelt in den ländlichen Regionen Deutschlands verändert?
Die Langzeitstudie „Ländliche Lebensverhältnisse im Wandel 1952, 1972, 1993 und
2012“ ist dieser Frage unter verschiedenen Gesichtspunkten nachgegangen und
kommt zu dem Ergebnis: Die Entwicklungen in den untersuchten Gemeinden und
Ortsteilen verliefen keineswegs linear, sondern sehr heterogen. Großen Einfluss hatte
auch der anhaltende Agrarstrukturwandel.
S
eit Beginn der Untersuchung vor über 60 Jahren haben die Dörfer viele politische, technische, wirtschaftliche und soziale Veränderungen durchgemacht. „Den“ ländlichen Raum gibt es
nicht mehr. Pauschalurteile über ausblutende ländliche Räume auf der einen Seite oder einem idyllischen Landleben auf der anderen Seite greifen
nicht. Stattdessen haben sich ländlich geprägte Regionen stark ausdifferenziert. Dörfer im Umkreis
von Großstädten haben eine andere Sozialstruktur
und andere Probleme als Dörfer fernab von Ballungszentren. Die Entwicklungen von Dörfern in
Deutschland seien sehr unterschiedlich und entsprächen oft nicht dem landläufigen Bild, fasste der
Projektleiter Dr. Heinrich Becker vom Thünen-Institut für Ländliche Räume in Braunschweig das Ergebnis zusammen.
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Einwohnerentwicklung
So verlief auch die Einwohnerentwicklung keineswegs einheitlich. Alle Dörfer – in Ost wie in West
– verzeichneten in der Langzeitbetrachtung sowohl
Zu- als auch Abwanderungen. Von einer „Entleerung ländlicher Räume“ kann nicht gesprochen
werden, stellt die Studie fest. Und ebenso wenig
nachweisbar war die generelle Abwanderungsbereitschaft eines Großteils der erwachsenen Wohnbevölkerung und mehr noch von Jugendlichen in
den Untersuchungsorten. Der Umgang mit den sich
unterschiedlich entwickelnden Bevölkerungszahlen
wie mit anderen Entwicklungsherausforderungen
sei durch einen großen Pragmatismus in den Dörfern gekennzeichnet, hat Becker beobachtet. Ein
konkretes Beispiel sind die Gemeinden Glasow und
Krackow im südöstlichsten Zipfel Mecklenburg@ www.bub-agrar.de
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Vorpommerns, die von 1990 bis 2013 deutlich an
Einwohnern verloren haben (44 Prozent in Glasow,
28 Prozent in Krackow). Langfristig werden sie
aber vom Wachstum der Stadt Szczecin (Stettin)
profitieren, prognostiziert die Studie. Der Zuzug
von polnischen Bürgern, die seit 2007 verstärkt begonnen haben, sich in beiden Gemeinden anzusiedeln, ältere Häuser zu übernehmen und zu renovieren oder neue Wohnhäuser zu bauen, zeigt eine
klare Bleibe- und Integrationsperspektive an.
Einzigartiges Forschungsprojekt
Das Forschungsprojekt, das vom Bundesministe­
rium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) in
Auftrag gegeben wurde, ist europaweit einzigartig:
Seit 1952 untersuchen Wissenschaftlerinnen und
Wissenschaftler in Abständen von 20 Jahren die
Lebensverhältnisse in immer denselben zehn westdeutschen Orten; seit 1993 sind auch vier ostdeutsche Orte dabei. Folgende Untersuchungsorte nahm
die Verbundstudie ins Visier (s. Abbildung): Bischoffingen und Kusterdingen in Baden-Württemberg,
Bockholte, Elliehausen und Groß Schneen in Niedersachsen, Falkenberg und Gerhardshofen in Bayern, F inneland in Sachsen-Anhalt, Freienseen in
Hessen, Glasow und Krackow in Mecklenburg-Vorpommern, Badingen, Burgwall, Marienthal, Mildenberg, Ribbeck und Zabelsdorf in Brandenburg, Ralbitz-Rosenthal in Sachsen, Spessart in RheinlandPfalz sowie Westrup in Nordrhein-Westfalen. Die
mittlerweile vierte Untersuchungswelle, koordiniert
vom Thünen-Institut für Ländliche Räume, war im
Abbildung: Lage der 14 Untersuchungsorte
Rostock
Hamburg
Glasow und Krackow
Bremen
Berlin
Hannover
Elliehausen
Bockholte
Badingen, Burgwall, Marienthal,
Mildenberg, Ribbeck, Zabelsdorf
Westrup
Köln
Groß Schneen
Finneland
Spessart
Frankfurt/Main
Ralbitz-Rosenthal
Freienseen
Stuttgart
Gerhardshofen
München
Kusterdingen
Falkenberg
Bischoffingen
Quelle: BMEL/design.idee, büro_für_gestaltung, Erfurt
September 2012 angelaufen und dauerte (ohne
Vor- und Nachbereitungszeit) zwei Jahre. Sieben
deutsche Forschungseinrichtungen waren daran
beteiligt (s. Tabelle). Sie erstellten für jeweils zwei
Untersuchungsdörfer „Dorfprofile“, die infrastrukturelle Ausstattung und Entwicklungslinien der vergangenen Jahrzehnte beschreiben. Darüber hinaus
setzte die Studie in acht Teilprojektberichten auch
Tabelle: Aufstellung der teilnehmenden Forschungseinrichtungen und ihrer Teilprojekte
(Auftraggeber: BMEL; Projektleitung: Thünen-Institut für Ländliche Räume)
Teilprojekte
Institute
Dörfer als Wohnstandorte
Institut für Green Technology und Ländliche Entwicklung,
Fachhochschule Südwestfalen, Soest
Alltagsbewältigungsstrategien
Institut für Sozialwissenschaften des Agrarbereichs, Fach­
gebiet Ländliche Soziologie, Universität Hohenheim
Kindheit im Wandel
Fachbereich Bildungs- und Sozialwissenschaften, Fach­
gruppe Geographie, Bergische Universität Wuppertal
Soziale Unterstützungsstrukturen im Wandel
Fakultät Soziale Arbeit, Hochschule Mittweida
Anforderungen an die Landwirtschaft
Institut für Lebensmittel- und Ressourcenökonomik, Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn
Neue Medien und dörflicher Wandel
Institut für Zukunftsstudien und Technologiebewertung
gemeinnützige GmbH, Berlin
Handlungsspielräume von Orten – Rahmenbedingungen politischen
Handelns und ortsspezifische Deutungen lokaler Mandatsträger
Thünen-Institut für Ländliche Räume, Braunschweig
Ländliche Arbeitsmärkte: Chancen für Frauen – Frauen als Chance
Quelle: BMEL (Hrsg.) (2015): Ländliche Lebensverhältnisse im Wandel 1952, 1972, 1993 und 2012, Berlin, S. 10
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unterschiedliche thematische Schwerpunkte. So
wurden neben Zuzugs-, Fortzugs- und Bleibemotiven auch Bewältigungsstrategien im Alltag, der
Wandel der Kindheit, der Umgang mit neuen Medien, die Chancen und Grenzen regionaler Arbeitsmärkte, soziale Unterstützungsstrukturen, kommunale Handlungsmöglichkeiten und die Anforderungen an die Landwirtschaft aus Sicht der Bewohner
in den Dörfern untersucht. „Die aktuelle Flüchtlingsproblematik und mögliche Auswirkungen auf
die Untersuchungsdörfer traten erst nach Abschluss
der empirischen Untersuchung auf und konnten
daher leider nicht mit berücksichtigt werden“, erklärte Dr. Becker.
wirtschaftlichen Betriebe waren kleiner als zehn
Hektar; außerlandwirtschaftliche Einkommensmöglichkeiten waren kaum gegeben. Heute macht die
Gemeinde laut Studie „einen agilen und wohlhabenden Eindruck“. „Die unterschiedliche Entwicklung der Untersuchungsdörfer kann nicht auf einzelne
Faktoren wie verkehrliche Anbindung, wirtschaftliche oder demografische Entwicklung zurückgeführt
werden“, sagte Dr. Heinrich Becker, der bereits für
die Vorgängerstudie 1993 federführend verantwortlich war. „Die Entwicklungen sind vor allem das
Ergebnis der Entwicklungsanstrengungen vor Ort.
Dabei verstanden es die örtlichen Entscheidungsträger vielfach, alternative Einkommensquellen zu
erschließen und die verschiedenen staatlichen Unterstützungsprogramme in ihrem Sinn zu nutzen.“
Überraschendstes Ergebnis für ihn: die Entwicklung
der ostdeutschen Dörfer, die sich wie die Gemeinde F inneland an der Grenze zwischen Sachsen-Anhalt und Thüringen nach der Wiedervereinigung mit
einer wirtschaftlichen Transformation und einem
erheblichen Beschäftigungsabbau in Industrie und
in der Landwirtschaft konfrontiert sahen: „Dort hat
sich eine positive Stimmung breit gemacht, die
durchaus auf harten Daten fußt, und die auch in
der weiteren Zukunft eine gute Entwicklung erwarten lässt.“
Bewohner als Experten
Elendsdörfer sind passé
Eines der auffälligsten Ergebnisse: Die Problemoder „Rückstandsdörfer“ aus der ersten Untersuchung von 1952 haben diese Situation längst überwunden, so wie beispielsweise die Gemeinde Spessart in der östlichen Eifel, die sich damals in einer
Entwicklungssackgasse befand. 96 Prozent der land3/5 – B&B Agrar 1 / 2016
Rolle der Landwirtschaft
Trotz Strukturwandel spielt die Landwirtschaft mit
immer weniger und größer werdenden Betrieben,
Foto: Ulrike Hochgesand, Thünen-Institut
Ein Grundanliegen der Studie war es, die Menschen vor Ort mit ihren Einschätzungen und Vorstellungen als Experten ihrer Lebensverhältnisse einzubinden. Im Rahmen umfangreicher empirischer
Erhebungen nahmen über 3.000 zufällig ausgewählte Einwohner an einer standardisierten, gut einstündigen Befragung teil, darüber hinaus wurden
knapp 400 qualitative Interviews mit Vertretern
aus Verwaltung und Wirtschaft sowie ausgewählten Einwohnern geführt.
Von den Dorfbewohnern in Kusterdingen und Bischoffingen wollten beispielsweise Wissenschaftler
vom Fachgebiet Ländliche Soziologie der Universität Hohenheim erfahren, wie sie ihren Alltag strukturieren und bewältigten: „Wir wollten zum Beispiel wissen, ob die Menschen zur Miete oder in
den eigenen vier Wänden wohnen“, berichtete Dr.
Simone Helmle, „welche Infrastruktureinrichtungen
sie im Dorf nutzen und wie zufrieden sie damit
sind. Wo sie arbeiten und mit welchem Verkehrsmittel sie dorthin kommen. Ob sie sich in einem
Verein engagieren. Ob sie einen privaten Internetzugang haben und wie stark dieser genutzt wird.“
In allen Untersuchungsregionen fanden zum Projektende Validierungsworkshops statt, bei denen
Ergebnisse der Untersuchung mit der lokalen Bevölkerung diskutiert wurden.
Preiswerte Wohnimmobilien und die Verbesserung der
Verkehrswege tragen wesentlich zur Belebung der
­Gemeinden Glasow und Krackow (Mecklenburg-Vorpommern) bei. Noch stärker dürfte der langfristige
­Einfluss sein, der durch das Wachstum von Szczecin,
dem früheren Stettin, ausgeht.
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Foto: Helge Meyer-Borstel, Thünen-Institut
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Nach wie vor ist die Gemeinde Falkenberg (Bayern)
auch durch Landwirtschaft geprägt.
die weit über den Rahmen des Dorfes hinaus agieren, eine wichtige Rolle in der ländlichen Entwicklung. Das Beispiel des Werlter Ortsteils Bockholte
im Emsland zeigt laut Studie „das verbreitete Muster des agrarstrukturellen Wandels vor Ort“: den
Übergang zum Nebenerwerb, später die Aufgabe
der landwirtschaftlichen Betriebe und parallel dazu
die Entwicklungen einer leistungsstarken Agrarwirtschaft. Heute sind in Bockholte nur noch elf
landwirtschaftliche Haupterwerbsbetriebe und drei
Nebenerwerbsbetriebe einer völlig neuen Ausrichtung und mit völlig anderen Produktionspotenzialen ansässig. Anders als 1952 oder in den 70er und
80er Jahren sind es jedoch nicht mehr die landwirtschaftlichen Betriebe, sondern produzierendes Gewerbe und Dienstleistungssektor, die das wirtschaftliche Rückgrat des ländlichen Raumes bilden.
Im dörflichen Leben selbst hat die Landwirtschaft
einen erheblichen Bedeutungswandel erfahren. In
den Einwohnerbefragungen misst ihr jeder zweite
eine „eher große Bedeutung“ zu, und das, obwohl
sich laut Langzeitstudie der Charakter der Unter­
suchungsdörfer als ländliche Orte weiter von der
Landwirtschaft ablöse und die Nähe zur Landwirtschaft nicht als positiver Standortfaktor gilt. Landwirtschaftliche Betriebe sind im Ortsbild kaum
noch präsent. Die große Ausnahme: der Winzerort
Bischoffingen im Kaiserstuhl. Die ehemals stärker
differenzierte Landwirtschaft ist dort einer Spezia­
lisierung auf Weinbau gewichen. Inzwischen sind
neben der Winzergenossenschaft sieben private
Weingüter entstanden. Der Name des Vogtsburger
Stadtteils steht für Weinbau und Qualitätswein, ob4/5 – B&B Agrar 1 / 2016
wohl der größte Einzelarbeitgeber die ortsansässige internistische Klinik mit 120 Arbeitsplätzen ist.
Die Schnittmenge zwischen Landwirtschaft und
Dorf, so Projektleiter Dr. Becker, ist in den meisten
Fällen die Landschaft. Unabhängig von der Anzahl
und Struktur der landwirtschaftlichen Betriebe nehmen weite Kreise der Wohnbevölkerung in den
Dörfern den prägenden Einfluss der landwirtschaftlichen Flächenbewirtschaftung auf das landschaft­
liche Umfeld wahr. „Die Dorfbewohner haben ein
sehr emotionales Verhältnis zum Landschaftserleben entwickelt und lehnen mehrheitlich Veränderungen der Landschaft ab“, stellten die Wissenschaftler Dr. Ralf Nolten und Maria Meinert (Universität Bonn) fest und identifizierten hier die
meisten Konfliktfelder: „Die Konflikterfahrung von
Landwirten mit der übrigen Bevölkerung nimmt latent zu.“ Allerdings sind solche Auseinandersetzungen keineswegs auf die Landwirtschaft beschränkt,
wie beispielsweise Auseinandersetzungen um den
Ausbau von Windkraftanlagen zeigen, so Becker.
Fallbeispiele zeigten aber auch, dass drohende Konflikte bei entsprechender Kommunikations- und
Kompromissbereitschaft umgangen werden können.
Chance für Frauen?
Sich wandelnde ländliche Lebensverhältnisse stehen in unmittelbarem Zusammenhang mit Ver­
änderungen ländlicher Arbeitswelten und Arbeitsmärkte. Gesine Tuitjer (Thünen-Institut für Länd­
liche Räume, Braunschweig) hat sich in einem
Teilprojekt auf die Erwerbsbeteiligung von Frauen
und insbesondere von Müttern kleiner oder schulpflichtiger Kinder konzentriert. Wie verorten Frauen sich selbst zwischen Familie und Beruf? Die Wissenschaftlerin stellt fest: Die befragten Frauen in
den 14 Untersuchungsorten leben größtenteils in
Familienarrangements (52 Prozent), sie sind überwiegend für Familie und Haushalt zuständig (74
Prozent der Frauen sagen, sie sind für die Hausarbeit zuständig) und viele von ihnen haben ihre Erwerbstätigkeit eingeschränkt (61 Prozent der befragten Frauen arbeiten mit reduziertem Stundenumfang oder sind Hausfrau). Auf den ersten Blick
lassen diese Ergebnisse auf ein nach wie vor eher
traditionelles Rollenbild schließen, sie zeigen jedoch: Vieles ist im Umbruch. Höhere Bildungsabschlüsse, steigende Erwerbsbeteiligung und eine
immer stärkere Integration der Männer in Fürsorgearbeit verändern langsam das Rollenmodell, so
die Wissenschaftlerin. Es bleibt eine hohe Fami­
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Ausgewählte Ergebnisse der Studie sind in ­einer
Broschüre zusammengefasst: „Ländliche Lebensverhältnisse im Wandel 1952, 1972, 1993 und
2012“(download unter http://www.ti.bund.de/
media/ti-themenfelder/Laendliche_Lebensverhaeltnisse/Laendliche_Lebensver­haeltnisse_im_
Wandel/BMEL_Dorfstudie.pdf). Detaillierte
­Berichte sind in der Publikations­reihe „Thünen
Report“ veröffentlicht und können ebenfalls kostenfrei heruntergeladen werden.
lienorientierung gerade bei Frauen auf dem Land:
Das Modell der „Dazuverdiener-Ehe“, teilweise auch
mit zeitlich sehr geringer Erwerbsbeteiligung der
Mütter, ist eine antizipierte und gewünschte Situation der Frauen beziehungsweise der Familien.
Aber wie gut lassen sich Familie und Beruf unter
den ländlichen Arbeitsmarktverhältnissen tatsächlich vereinbaren? Auch hier zeigen die Untersuchungsergebnisse kein einheitliches Bild. Schematisierende Prognosen angesichts von demografischem Wandel und drohendem Arbeitskräftemangel
greifen nicht: Eine verstärkte Erwerbsbeteiligung
von Müttern junger Kinder ist abhängig vom Arbeitsplatzangebot vor Ort und der Bereitschaft des
Arbeitgebers, die Integration von Frauen mit Kindern zu fördern. Selbst unter vergleichbaren Rahmenbedingungen innerhalb eines Ortes haben
Frauen oft sehr unterschiedliche berufliche Lösungen gefunden – abhängig von persönlichen Ressourcen sowie dem individuellen Arrangement und
Rollenverständnis.
Lebensqualität sichern
Ingesamt betrachtet gestaltet sich das Leben auf
dem Land der Langzeitstudie zufolge positiver als
vielfach angenommen. Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt sagte zu den Untersuchungsergebnissen: „Die gute Nachricht ist: Unsere
Dörfer bieten Lebensqualität und Zukunft für viele
Menschen. Eine generelle Entvölkerung der länd­
lichen Regionen ist nicht zu befürchten.“ Die Zufriedenheit sei trotz der unterschiedlichen Lebensbedingungen in den Dörfern ungebrochen hoch.
Rund 90 Prozent der Befragten seien mit ihrer aktuellen Wohnsituation zufrieden. Die große Mehrheit der Befragten lebt heute gern auf dem Lande.
Positiv zur Lebensqualität auf dem Lande tragen für
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die Befragten das ruhige dörfliche Leben, das gemeinschaftliche Engagement der Einwohner und
die Nähe zu Natur und Landschaft bei.
Um die Daseinsvorsorge für künftige Generationen zu sichern und Menschen aller Altersgruppen
vor Ort eine Perspektive zu bieten, stehen ländliche
Regionen vor großen Aufgaben. „Heute liegen die
Herausforderungen ländlicher Regionen insbesondere im demographischen Wandel und in strukturellen wirtschaftlichen Problemen sowie der Daseinsvorsorge“, betonte Bundeslandwirtschafts­
minister Schmidt. Als Hauptaufgabe der Politik im
ländlichen Raum sieht er die Förderung der länd­
lichen Wirtschaft und der Breitbandversorgung.
Politikoptionen ableiten
Die Langzeitstudie zeigt auf, wie unterschiedlich
und vielschichtig die Entwicklungen in ländlichen
Räumen tatsächlich sind, und ermöglicht Politikoptionen abzuleiten, die auf die jeweiligen Verhältnisse zugeschnitten sind. „Flexibilität ist die Antwort
auf Vielfalt“, beschreibt Becker die Botschaft für
gestaltendes politisches Handeln. Der Parlamen­
tarische Staatssekretär beim Bundesminister für Ernährung und Landwirtschaft, Peter Bleser, wertete
die Studie als wertvollen Beitrag, um die gezielte
Förderung der integrierten ländlichen Entwicklung
bei den Herausforderungen des demografischen
Wandels, der wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung der Dörfer inhaltlich weiter zu fokussieren. Angesichts der sehr unterschiedlichen, manchmal auch sprunghaften dörflichen Entwicklung seien maßgeschneiderte Lösungen erforderlich. „Wir
wollen auch das vielfältige Engagement der Menschen in den Regionen nutzen. Dafür müssen wir
neue Wege gehen und voneinander lernen“, sagte
Bleser und verwies auf Modellvorhaben wie
Land(auf)Schwung oder Bürgerdialog im Rahmen
der Bundesinitiative Ländliche Entwicklung.
Die Autorin
Michaela Kuhn
Freie Journalistin, Königswinter
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