15 / 7453 - Landtag Baden Württemberg

Landtag von Baden-Württemberg
Drucksache 15 / 7453
15. Wahlperiode
30. 09. 2015
Antrag
der Fraktion der FDP/DVP
und
Stellungnahme
des Ministeriums für Kultus, Jugend und Sport
Ist die Unterrichtsversorgung bei den Integrations- und
Deutschklassen für Flüchtlinge gedeckt?
Antrag
Der Landtag wolle beschließen,
die Landesregierung zu ersuchen
zu berichten,
1.wie viele ausgebildete Lehrerinnen und Lehrer in Baden-Württemberg derzeit
auf eine Anstellung warten;
2.wie viele davon eine Ausbildung für das Fach „Deutsch als Zweit-/Fremdsprache“ haben;
3.wie viele Lehrerinnen und Lehrer im Ruhestand kurzfristig für den Unterricht
akquiriert werden könnten;
4.wie viele davon eine Ausbildung für das Fach „Deutsch als Zweit-/Fremdsprache“ haben;
5.wie die Integrations- und Deutschklassen für Flüchtlinge organisiert werden,
insbesondere an welche Schularten beziehungsweise Jahrgangsstufen die Klassen auf welche Weise in den Schulablauf integriert werden;
6.wie sich dies insbesondere bei den speziell auf Flüchtlinge zugeschnittenen berufsvorbereitenden Klassen (Vorqualifizierung Arbeit und Beruf für Jugendliche
ohne Deutschkenntnisse – VABO) an den beruflichen Schulen verhält;
7.wie viele Schülerinnen und Schüler sich derzeit insgesamt in den Integrationsund Deutschklassen für Flüchtlinge befinden und wie hoch der Bedarf an Lehrerwochenstunden beziehungsweise Deputaten hierfür ist und mit welchem weiteren Bedarf sie rechnet;
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Eingegangen: 30. 09. 2015 / Ausgegeben: 29. 10. 2015
Drucksachen und Plenarprotokolle sind im Internet
abrufbar unter: www.landtag-bw.de/Dokumente
Der Landtag druckt auf Recyclingpapier, ausgezeichnet mit dem Umweltzeichen „Der Blaue Engel“.
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Drucksache 15 / 7453
8. ob der Bedarf gedeckt werden kann (mit Angabe des gegebenenfalls nicht abgedeckten Bedarfs an Lehrerstellen);
9. ob der Bedarf für den berufsvorbereitenden Unterricht in den VABO-Klassen
an den beruflichen Schulen gedeckt werden kann beziehungsweise wie groß
gegebenenfalls der nicht abgedeckte Bedarf an Lehrerstellen in diesem Bereich
ist;
10. auf welche Weise sie den Bedarf an Lehrkräften in den Integrations- und
Deutschklassen für Flüchtlinge sicherstellen will und ob sie erwägt, insbesondere für niederschwellige Angebote zum Spracherwerb auch Lehramtsstudenten und -referendare sowie Ehrenamtliche einzusetzen.
29. 09. 2015
Dr. Rülke, Dr. Timm Kern
und Fraktion
Begründung
Dem Erlernen der deutschen Sprache kommt bei der Integration der Flüchtlinge
eine Schlüsselfunktion zu. Mit diesem Antrag soll in Erfahrung gebracht werden,
wie groß der Bedarf an Lehrkräften mit einer Ausbildung „Deutsch als Zweit-/
Fremdsprache“ ist, wie die Integrations- und Deutschklassen organsiert werden
und inwieweit die Unterrichtsversorgung im Bereich der Deutschklassen für
Flüchtlinge an den Schulen in Baden-Württemberg sichergestellt ist beziehungsweise auf welche Weise die Landesregierung den Bedarf an Lehrkräften für die
Integrations- und Deutschklassen sicherstellen will.
Stellungnahme
Mit Schreiben vom 22. Oktober 2015 Nr. 22–6740.3/1327/1 nimmt das Ministerium für Kultus, Jugend und Sport im Einvernehmen mit dem Ministerium für
Finanzen und Wirtschaft, dem Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst
und dem Integrationsministerium zu dem Antrag wie folgt Stellung:
Der Landtag wolle beschließen,
die Landesregierung zu ersuchen
zu berichten,
1. wie viele ausgebildete Lehrerinnen und Lehrer in Baden-Württemberg derzeit
auf eine Anstellung warten;
2. wie viele davon eine Ausbildung für das Fach „Deutsch als Zweit-/Fremdsprache“ haben;
Mit rund 6.000 Personen wird die Einstellungsrunde 2015 eine der höchsten seit
Jahrzehnten sein. Für die Einstellung standen rund 9.000 Neubewerber aus den
Vorbereitungsdiensten des Jahres 2015 sowie Altbewerber und sonstige Bewerber
zur Verfügung. Die abschließende Statistik liegt derzeit noch nicht vor.
Die Pädagogischen Hochschulen und Universitäten bieten über die Ausbildung
im Fach Deutsch als Zweit-/Fremdsprache hinaus weitere Möglichkeiten des Erwerbs einer Zusatzqualifikation an, die für die Beschulung von Flüchtlingskindern förderlich ist. So ist insbesondere in diesem Zusammenhang die Qualifikation
„Interkulturelle Bildung“ bzw. „Migration und Mehrsprachigkeit“ zu erwähnen.
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Das Kultusministerium wird ab der nächsten Lehrereinstellungsrunde im Einstellungsantrag gezielt und systematisch alle Bewerberinnen und Bewerber auf diese
Zusatzqualifikationen hin abfragen. Auf diese Weise können Lehrkräfte mit diesen
oder gleichwertigen Zusatzqualifikationen ggfs. bevorzugt eingestellt werden und
auch passgenaue Zuweisungen in der Lehrereinstellung erfolgen.
3. wie viele Lehrerinnen und Lehrer im Ruhestand kurzfristig für den Unterricht
akquiriert werden könnten;
4. wie viele davon eine Ausbildung für das Fach „Deutsch als Zweit-/Fremdsprache“ haben;
Lehrkräfte im Ruhestand sind derzeit bereits in vielen Fällen für den Vertretungsunterricht als auch zur Beschulung von Flüchtlingskindern eingesetzt. Zusätzlich
hat sich die Schulverwaltung in den letzten Monaten an weitere Lehrkräfte im
Ruhestand gewandt, um diese sowohl für den Vertretungsunterricht, aber auch für
die Beschulung von Flüchtlingskindern zu gewinnen. Das Kultusministerium wird
weiterhin Lehrkräfte im Ruhestand anschreiben und um Unterstützung bitten. Darüber hinaus sollen aber auch die teilzeitbeschäftigten Lehrkräfte sowie die beurlaubten Lehrkräfte gebeten werden, Deputate aufzustocken bzw. zumindest für
eine bestimmte Zeit aus der Beurlaubung zurückzukehren. Die Pädagogen sollen
in den Vorbereitungsklassen eingesetzt werden, die junge Asylsuchende befähigen, am Regelunterricht teilzunehmen. Im neuen LOBW-Portal „VertretungspoolOnline“ können alle interessierten Pädagogen angeben, inwiefern sie über eine
Zusatzqualifikation verfügen. Auf diese Weise verspricht sich die Schulverwaltung
eine gezielte Erfassung im Einzelfall auch bezüglich der Qualifikation Deutsch als
Zweit-/Fremdsprache und weiterer Zusatzqualifikationen.
5. wie die Integrations- und Deutschklassen für Flüchtlinge organisiert werden,
insbesondere an welche Schularten beziehungsweise Jahrgangsstufen die Klassen auf welche Weise in den Schulablauf integriert werden;
6. wie sich dies insbesondere bei den speziell auf Flüchtlinge zugeschnittenen berufsvorbereitenden Klassen (Vorqualifizierung Arbeit und Beruf für Jugendliche
ohne Deutschkenntnisse – VABO) an den beruflichen Schulen verhält;
Kinder und Jugendliche mit nichtdeutscher Herkunftssprache besuchen die ihrem
Alter und ihrer Leistung entsprechende Klasse der in Betracht kommenden allgemein bildenden Schularten. Dies umfasst alle Schularten und Klassenstufen.
Sprachförderung findet dabei in eigens gebildeten Klassen (Vorbereitungsklassen),
in einem Kurssystem oder durch sonstige organisatorische Maßnahmen (Teilungsstunden, Förderunterricht, usw.) der Schule statt.
Schülerinnen und Schüler mit nichtdeutscher Herkunftssprache, die in Vorbereitungsklassen (VKL) der allgemein bildenden Schulen unterrichtet werden, nehmen
vor allem in den Fächern und Fächerverbünden des musisch-technischen Bereichs
am Unterricht zusammen mit den Schülerinnen und Schülern der Regelklasse teil.
Das schulische Leben fördert dabei gezielt gegenseitige Kontakte. Die Unterrichtsorganisation erfolgt flexibel und nicht ausschließlich im Klassenverband, damit
den asylsuchenden Schülerinnen und Schülern eine Teilnahme am Unterricht der
Regelklasse möglich ist. Der Unterricht dient vorwiegend dem Erlernen der deutschen Sprache, des Fachwortschatzes und schulischer Techniken und Arbeitsweisen und bereitet damit auf den Unterricht und die langfristige Integration in die
Regelklasse vor.
Jugendliche Flüchtlinge ab dem 15. bzw. 16. Lebensjahr besuchen aufgrund der
Berufsschulpflicht zum Spracherwerb in der Regel eine Klasse des Vorqualifizierungsjahres Arbeit/Beruf mit Schwerpunkt Erwerb von Deutschkenntnissen
(VABO). In diesen Klassen wird der Spracherwerb mit der Vermittlung erster beruflicher Vorkenntnisse verbunden. Der Erwerb von Deutschkenntnissen ist generelles Unterrichtsprinzip in allen Fächern der VABO-Klassen. Im Anschluss an das
VABO können die Flüchtlinge das reguläre VAB (Vorbereitungsjahr Ausbildung/
Beruf) zur weiteren Ausbildungsvorbereitung und zum Erwerb eines dem Hauptschulabschluss gleichwertigen Bildungsstandes besuchen. Anschließend können
sie eine duale Ausbildung aufnehmen oder eine weitere berufliche Vollzeitschule
besuchen. Je nach schulischer Vorbildung ist dies auch direkt im Anschluss an
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den Besuch einer VABO-Klasse möglich. Die beruflichen Schulen können durch
zusätzliche Förderkurse den weiteren Spracherwerb der Flüchtlinge in der Berufsschule oder beruflichen Vollzeitschule unterstützen.
7. wie viele Schülerinnen und Schüler sich derzeit insgesamt in den Integrationsund Deutschklassen für Flüchtlinge befinden und wie hoch der Bedarf an Lehrerwochenstunden beziehungsweise Deputaten hierfür ist und mit welchem weiteren Bedarf sie rechnet;
Zu Beginn des Schuljahres 2015/2016 wurden nach vorläufigen Angaben der
Schulaufsichtsbehörden in VKL-Klassen an öffentlichen allgemein bildenden
Schulen zusammen rund 22.300 Schülerinnen und Schüler unterrichtet. Außerdem
besuchen nach vorläufigen Zahlen rund 4.900 Schülerinnen und Schüler das Vorqualifizierungsjahr Arbeit/Beruf mit Schwerpunkt auf dem Erwerb von Deutschkenntnissen (VABO) an den öffentlichen Schulen.
Nachdem im Laufe des Jahres 2015 die Zahl der Zuwanderer und Asylbewerber höher ausfiel als prognostiziert, hat die Landesregierung seit dem Schuljahr
2014/2015 insgesamt 562 Deputate (zzgl. 3 Deputate für die Landeserstaufnahmestellen) zusätzlich für Sprachförderangebote an den öffentlichen allgemein
bildenden und beruflichen Schulen (VKL und VABO) bereitgestellt. Insgesamt
stehen den öffentlichen allgemein bildenden und beruflichen Schulen somit derzeit 1.412 Deputate für VKL- und VABO-Klassen zur Verfügung. Der zusätzliche
Bedarf an Lehrkräften für VKL- und VABO-Klassen wird regelmäßig anhand der
offiziellen Prognose der Asylbewerberzahlen durch das Bundesamt für Migration
und Flüchtlinge (BAMF) ermittelt. Zu Beginn des Schuljahres 2015/2016 war die
Unterrichtsversorgung der bestehenden VKL-/VABO-Klassen gesichert. Das Kultusministerium trägt der zu erwartenden weiterhin hohen Zuwanderung Rechnung,
indem u. a. Pädagogen im Ruhestand gezielt akquiriert werden und hierfür auch
die entsprechenden Rahmenbedingungen geschaffen werden.
8. ob der Bedarf gedeckt werden kann (mit Angabe des gegebenenfalls nicht abgedeckten Bedarfs an Lehrerstellen);
9. ob der Bedarf für den berufsvorbereitenden Unterricht in den VABO-Klassen an
den beruflichen Schulen gedeckt werden kann beziehungsweise wie groß gegebenenfalls der nicht abgedeckte Bedarf an Lehrerstellen in diesem Bereich ist;
Zum Stand Ende September 2015 waren die für VKL- und VABO-Klassen benötigten Lehrerstellen nach Rückmeldung der Regierungspräsidien fast vollständig mit qualifizierten bzw. erprobten Lehrkräften besetzt. Das ist insbesondere im
Blick auf die diesjährigen sehr hohen Einstellungszahlen eine besondere Leistung
der Schulverwaltung.
Des Weiteren sollen hier, wie bereits ausgeführt, pensionierte Lehrkräfte zum Einsatz kommen.
10. auf welche Weise sie den Bedarf an Lehrkräften in den Integrations- und
Deutschklassen für Flüchtlinge sicherstellen will und ob sie erwägt, insbesondere für niederschwellige Angebote zum Spracherwerb auch Lehramtsstudenten und -referendare sowie Ehrenamtliche einzusetzen.
Über die Angaben in Ziffer 3 und 4 bzw. Ziffer 8 und 9 hinaus werden über diverse Angebote (z. B. Deutsch als Zweit-/Fremdsprache, Umgang mit Trauma usw.)
Lehrkräfte, die sich im Schuldienst befinden, für den Unterricht von Flüchtlingskindern fortgebildet. Das Kultusministerium stellt hierfür die erforderlichen Fortbildungsressourcen zur Verfügung.
Neben den Lehrkräften mit der grundständigen Lehramtsausbildung beschäftigt
die Schulverwaltung aber auch sogenannte Nichterfüller (Personen ohne Lehramtsausbildung) wie z. B. Bachelor- oder Masterabsolventen im Bereich des Studiums für Deutsch als Zweit-/Fremdsprache oder sonstige geeignete Personen.
Das Kultusministerium weist nochmals darauf hin, dass derzeit im Umfang von
562 Deputaten zusätzliche Stellen für die Beschulung von Flüchtlingskindern
zur Verfügung gestellt wurden. Über die VKL- und VABO-Klassen hinaus gibt
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es für niederschwellige Angebote zum Spracherwerb noch das sogenannte Lehrbeauftragtenprogramm, über das Lehraufträge im Bereich der freiwilligen Unterrichtsangebote durch die Schulleiter im Rahmen der verfügbaren Mittel vergeben
werden. Ein Lehrbeauftragter kann entweder in ehrenamtlicher Form mit einer
Aufwandsentschädigung von 7,00 Euro je Zeitstunde oder auf der Basis eines befristeten Arbeitsvertrags mit einer pauschalierten Vergütung je nach Schulart in
Anspruch genommen werden. Damit werden zusätzliche Möglichkeiten, Ehrenamtliche zu gewinnen und zu beschäftigen, eröffnet.
In Vertretung
Stehle
Ministerialdirektor
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