Leseprobe - SL

Der Große Krottenkopf
stellt das Hohe Licht
in den Schatten
Bis ins 19. Jahrhundert stand der Große
Krottenkopf (Bild links) im Schatten
des Hohen Lichts. Bis dahin galt nämlich der 2652 Meter hohe Aussichtsberg
am Heilbronner Weg bei Oberstdorf als
höchster Gipfel der Allgäuer Alpen. Genauere Methoden der Landvermessung
verhalfen dem Großen Krottenkopf
schließlich zum ehrenvollen „Königstitel“. Um ganze fünf Meter überragt er
seitdem das Hohe Licht und alle anderen benachbarten Gipfel zwischen dem
Oberlauf des Lechs in Tirol und dem
Allgäu.
mehr Rätsel aufgibt als Fragen klärt.
Mit dem Wechsel der „Krone“ wurde
allerdings eine im Allgäu gern verschwiegene Tatsache nicht aus der Welt
geschafft. Der höchste „Allgäuer“ stand
und steht auf österreichischem Boden,
nämlich sowohl das Hohe Licht wie
auch der Große Krottenkopf.
Grotte oder Crypta
Mehr Rätsel als Antworten
Beide Gipfel haben noch eines gemein.
Ihre Namen sind steinalt. „Hochlicht“
wäre ein typischer Walsername. Aber
der Gipfel ist von den am nächsten liegenden Walsersiedlungen aus gar nicht
zu sehen. Alpinpionier Hermann von
Barth, der 1869 in einem einzigen Sommer Dutzende von Gipfeln bestieg, hinterließ der Nachwelt einen Hinweis, der
Seinen Angaben nach wurde der Name
Hohes Licht von österreichischer Seite
eher auf den Biberkopf bezogen. Für
die Walser in Lechleiten war dieser Gipfel tatsächlich ein „Hochlicht“. Wenn
dem so war, dann hat sich schon früh
die Oberstdorfer Namensgebung durchgesetzt, wie die örtliche „BergführerOrdnung“ von 1876 deutlich macht. Für
die eineinhalb Tage dauernde Führung
zum Hohen Licht wurden damals zwölf
Mark verlangt.
Der Große Krottenkopf ist inzwischen
nicht nur höher als das Hohe Licht,
sein Name dürfte auch wesentlich älter
sein. „Krotte“ ist ein Begriff, der vermutlich aus dem Wortschatz der Allgäuer Urbevölkerung stammt, die hier vor
der Einwanderung der Alemannen lebte. Der Ausdruck dürfte auf die gleiche
Sprachwurzel zurückzuführen sein wie
die heute noch bekannte „Grotte“. In
romanischen Sprachen bezeichnet man
damit eine Felswand oder eine Höhle.
Im Griechischen hat „Crypta“ eine ähnliche Bedeutung.
Die Richtigkeit dieser Deutung unterstreicht ein Beleg von 1485, in dem der
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Der alte Metzenarsch
wird vornehm
Wenn es ums Klettern geht, waren die
Bergfexe aus der Region schon immer
stolz darauf, „die Tannheimer“ zu den
Allgäuer Alpen zählen zu können, zumindest zu deren Ausläufern. Aus dem
Gebirgszug, der das Tannheimer Tal (Tirol) vom südlichen Ostallgäu trennt, ragen drei felsige Gipfel aus dem sonst
eher von Weiden und Wald durchzogenen Massiv heraus: Rote Flüh, Gimpel
und die Köllenspitze, die manchmal
auch als Kellespitze bezeichnet wird.
Das Letztere heute in einem Atemzug
mit den beiden Top-Adressen für Kletterer genannt wird, verdankt sie wohl
dem Umstand, dass Köllenspitze oder
Kellespitze ein Pseudonym ist. Unter
dem richtigen Namen wäre sie wohl nie
in die Gipfel-Prominenz der Allgäuer
Alpen und ihrer Ausläufer aufgenommen worden.
Bis vor rund 150 Jahren hieß sie nämlich schlicht und einfach Metzenarsch.
Selbst Menschen norddeutschen Zungenschlags werden aufgrund der letzten
Silbe auf Anhieb erahnen, dass dies
kein schmeichelhafter Name ist. Dabei
ist der erste Bestandteil des Namens
keineswegs honoriger. Im Allgäuer Dialekt ist eine „Metz“ oder „Matz“ ein
weiblicher Hund, und wenn man es als
Schimpfwort gebraucht eine läufige
Hündin, eine Hure oder vornehm ausgedrückt eine käufliche Dame. Der Name des Berges war also eher ein überaus deftiger Kraftausdruck, der den
Bauern immer dann über die Lippen
kam, wenn sie wieder einmal die Steine
aufsammeln mussten, die Gerölllawinen
aus dem gewaltigen Nordkessel zu Tal
befördert hatten. Wenn die Alpweiden
in mühsamer Handarbeit von diesen
Felsbrocken geräumt werden mussten,
verdiente sich der Metzenarsch seinen
anrüchigen Namen immer wieder aufs
Neue.
Das derbe Schimpfwort als Name wurde der Berg erst um das Jahr 1850 wieder los, und das keineswegs aus Mitleid.
Damals nämlich weilte Königin Marie
von Bayern häufig in Hohenschwangau,
einem der beiden Königsschlösser bei
Füssen. Die Mutter des „Märchenkönigs“ Ludwig II. war eine so leidenschaftliche Bergsteigerin, dass der
Münchner Hofstaat darüber sogar öffentlich zu spötteln wagte.
Die ordinäre Wahrheit verschwiegen
Eines Tages durchstreifte sie wie so oft
die Bergwelt rund um Füssen und ließ
sich von ihrem Begleiter das Panorama
erklären. Jener Bergführer geriet in eine
hochnotpeinliche Lage, als Königin Marie neben Rote Flüh und Gimpel auch
den Namen des dritten imposanten
Gipfels zu wissen begehrte. Die ordinäre Wahrheit getraute sich der Bergführer
nicht zu sagen. In seiner Not blickte der
Mann um sich und entdeckte die „Kelle“, eine große, von hohen Graten ge33