Gastronomiedichte im südliche Wohnquartier Friedrichshain

Drucksachen der Bezirksverordnetenversammlung
Friedrichshain-Kreuzberg von Berlin
IV. Wahlperiode
Drucksache: DS/1835/IV
Ursprung: Einwohner*innenanfrage
Initiator: Einwohner*in,
Beitritt:
Beratungsfolge
23.09.2015
Gremium
BVV
071/IV-BVV
Erledigungsart
beantwortet
Einwohner*innenanfrage
Betr.: EA 052 - Gastronomiedichte im südl. Wohnquartier Friedrichshain
Ich frage das Bezirksamt:
1. Mit welchem Ergebnis wurde durch den Bezirk geprüft, ob eine Begrenzung der
gastronomischen Einrichtungen mit dem Ziel eine gastronomische Überversorgung des
Kiez zu vermeiden, ähnlich dem Gräfekiez, angezeigt ist?
2. Wieviel gastronomische Unternehmungen und Spätverkaufsläden gibt es nach dem
Kenntnisstand des Bezirksamts im Wohnquartier zwischen Warschauer Str., Revaler Str.
(inkl RAW), Modersohn / Gärtnerstr., Boxhagener Str.?
3. Wieviel gastronomische Betriebe sind aktuell im Wohnquartier zwischen Warschauer Str.,
Revaler Str. (inkl RAW), Modersohn/ Gärtnerstr., Boxhagener Str. im
Genehmigungsverfahren?
Beantwortung: Herr Panhoff
zu Frage 1 und 2: Im Bereich zwischen Warschauer Straße, Revaler Straße, Boxhagener Straße,
Gärtnerstraße bzw. Modersohnstraße ist die planungsrechtliche Zulässigkeit von Gaststätten nach
§ 34 BauGB zu beurteilen. Der § 34 in wenigen Worten besagt eigentlich, was an Baurecht bereits
besteht. Da muss man nicht extra einen Bebauungsplan und andere Dinge, sondern da wird
geguckt, was darf ein Bauherr dort tun, welche Nutzungen sind erlaubt. Eine Ausnahme ist der
Bebauungsplan V-48 für einen Bereich zwischen Grünberger Straße und Kopernikusstraße, in
dem ein Mischgebiet festgesetzt ist. Da möchte ich gleich anmerken, dort ist das Gastronomie
grundsätzlich zulässig. Die Beurteilung nach § 34 BauGB erfordert für jedes Einzelvorhaben eine
Betrachtung, deshalb kann keine pauschale Aussage getroffen werden, ob es in dem Gebiet
zulässig ist, eine neu beantragte Gaststätte mit dem Argument einer störenden Häufung zu
versagen. Das ist der Fall, den Sie ansprechen im Graefekiez, wobei wir dort andere gesetzliche
Grundlagen haben. Das muss eben für jedes beantragte Vorhaben konkret betrachtet werden.
Ich kann Ihnen sagen, wir haben einen Fall, wo wir eine Gastronomieerweiterung, ein bisschen
außerhalb des von Ihnen angesprochenen Gebietes, versagt haben, weil der von seiner Größe
dann über zwei Häuser und zwei Etagen mit Erdgeschoss- und Kellernutzung ein Format
angenommen hätte, was man eigentlich eher in der City als noch normal und eigentlich ein
Kerngebiet zugehörig betrachten würde. Da haben wir also eine Versagung ausgesprochen und da
sind halt zwei Gastronomiebetriebe getrennt in den Häusern errichtet worden und auch nicht so
eine intensive Kellernutzung.
Das Problem bei § 34 ist auch, dass da nicht von vornherein festgelegt ist, ob es sich dabei um
Wohngebiet handelt oder Mischgebiet oder wie auch immer. Das müssen wir dann immer konkret
abgleichen für den Charakter des Gebiets und zusehen, ob man da einen Analogieschluss ziehen
kann. Ich habe neulich bereits angewiesen, dass jede Gastronomiebeantragung für den
Boxhagener Platz über meinen Tisch geht. Ich muss Ihnen allerdings sagen, dass wir im Moment
wenige Anträge haben.
zu Frage 3: Also wir haben zwei Anträge im Genehmigungsverfahren derzeit.
zu Frage 4: Das kann ich Ihnen … ja, nicht mit 100%iger Sicherheit beantworten, weil wir da jetzt
keine aktuelle Begehung haben, aber soweit wir es ermitteln konnten bzw. das Ordnungsamt
haben wir 178 Schankwirtschaften. Das sind erlaubnispflichtige und erlaubnisfreie in diesem von
Ihnen angefragten Wohnquartier.
Das Problem mit den Spätis ist im Übrigen, also die Spätverkaufsläden, das sind nämlich
Einzelhandelsbetriebe, die zwar so als Späti oder Spätkauf bezeichnet werden, aber im Prinzip
sind es normale Einzelhandelsbetriebe, die die Öffnungszeiten nutzen, die ihnen das Berliner
Land, Öffnungsgesetz erlaubt und was in der Regel abweicht von anderen Einzelhändlern, die jetzt
sagen wir mal Waren des täglichen Bedarfs oder Kleidung oder was auch immer verkaufen.
Wenn da Lärmbeschwerden auftreten, dann liegt die Zuständigkeit beim Umweltamt. Das war
eigentlich jetzt im Wesentlichen meine Antwort zu Ihren Fragen.
Frau Vogel: Also ich hatte jetzt eigentlich weniger konkret nach Lärm gefragt, sondern nach den
Erkenntnissen der verschiedenen Untersuchungen, die beispielsweise mit lokal.leben auch für
unterschiedliche Kieze bereits gemacht worden sind. Daraufhin würde ja im Graefekiez das auch
gemacht und auch, weil Sie jetzt gerade den Kopf schütteln, es gibt ein Vorwort von Ihnen Herr Dr.
Beckers, warum Ballermannverhalten politisch ignorieren in besagter Broschüre von lokal.leben
und ich denke, die Simon-Dach-Straße mit dem dritten Bereich, der 250 m lang ist, und da sind
von mir 31 gastronomische Betriebe gezählt worden. Ich finde Ihre Frage … oder Sie haben meine
Frage nicht beantwortet. Sie sind eher auf das Lärmproblem eingegangen als auf die Dichte und
Überversorgung mit gastronomischen Einrichtungen in unserem Wohnquartier.
zu Nachfrage 1:
Beantwortung Herr Dr. Beckers:
Ja, ich muss jetzt mal einspringen, weil ich habe Ihre Frage auch anders verstanden. Ich hatte sie
so verstanden, wie Herr Panhoff sie beantwortet hat, aber nichtdestotrotz, lokal.leben liegt in
meiner Zuständigkeit, insofern kann ich dort gerne einspringen.
lokal.leben hat im Graefekiez gemeinsam mit der Wirtschaftsförderung und mit anderen dort im
Kiez ansässigen Initiativen eine Zählung durchgeführt. Eine ähnliche Zählung wurde dabei auch im
Wrangelkiez durchgeführt. Mir ist jetzt nicht bekannt, dass eine Zählung auch von lokal.leben in
Friedrichshain durchgeführt wurde, weil wir hatten ein bisschen das Problem, und das ist leider ein
großes Problem, dass lokal.leben keine Zuständigkeit hat für Friedrichshain, nicht haben darf aus
fördertechnischen Gründen. Also wenn Sie jetzt da andere Informationen haben, müssen wir das
klären. Jedenfalls lokal.leben ist in Friedrichshain, im Boxhagener Kiez, nicht tätig.
Frau Vogel: Ich habe jetzt auch nicht gedacht, dass lokal.leben in Friedrichshain, in meinem
Stadtbezirk zuständig ist oder dort wirksam ist, sondern die Frage ging eher in die Richtung, die
Problematik, die wir rund um die Simon-Dach-Straße herum haben, ist vergleichbar mit der
Situation, die ja auch im Graefekiez der Stand war und die dazu führte, dass lokal.leben da aktiv
geworden ist. Und in die Richtung geht auch mein Frageblock. Mir ist jetzt nicht so ganz klar, was
daran unverständlich war, denn ich habe ja da einfach nur eigentlich den Graefekiez beschrieben.
Es geht ja um die Gastronomiedichte im südlichen Wohnquartier in Friedrichshain.
zu Nachfrage 2:
Beantwortung Herr Panhoff:
Frau Vogel, leider ist die Sache ein bisschen knifflig, weil das mit den rechtlichen Grundlagen zu
tun hat. Also im Graefekiez haben wir ein Baurecht, wo es Ausweisung gibt entweder für
allgemeines Wohngebiet, in der Amtssprache heißt es WA, oder Mischgebiet, MI, und dort, wo
allgemeine Wohngebiete sind, haben wir überhaupt nur die rechtlichen Grundlagen für den § 15
Baunutzungsverordnung der uns erlaubt, die Frage überhaupt zu stellen, ob dort eine störende
Häufung entsteht durch die Vielzahl der Gastronomiebetriebe und wir haben ja dort im Graefekiez
in der Karte auch eine neue gastronomische Einrichtung untersagt, die Genehmigung verweigert.
Daraufhin hat dieser Betreiber dann auch nicht mehr weiter versucht, diese Gastronomie
einzurichten. Zu einem Gerichtsverfahren ist es nicht gekommen, um das auch grundsätzlich zu
klären.
In Friedrichshain haben wir diese Grundlagen nicht. Wir haben ein paar wenige Bebauungspläne,
die sind in der Regel Mischgebiet, d.h. dort können wir die Gastronomie erst mal ohnehin nicht
untersagen, dafür gibt es einfach auch kein Referenzbeispiel, das zu tun. In den anderen
Bereichen müssen wir gucken, handelt es sich dort dem Charakter nach um ein Wohngebiet und
kann man da in Analogie, ich sage jetzt mal zum Graefekiez, dann sagen, hier findet eine störende
Häufung statt.
Das Problem jetzt konkret bei der Simon-Dach-Straße ist, dass dort bereits so viel Gastronomie
besteht, dass wir jetzt relativ schwer sagen können, der ich weiß nicht wieviel zählt? 37? Wenn
jetzt der 38. Betrieb dazukommt, dann kippt das jetzt vom Wohngebiet in irgendeine andere
Kategorie. Das können wir relativ schlecht sagen, das können wir auch gar nicht mehr nachweisen
und vor allem nicht gerichtsfest nachweisen. Da müssen wir immer überlegen, ob wir das auch vor
dem Gericht durchhalten.
Das heißt, was wir uns vorgenommen haben ist, dass wir in den Seitenstraßen jetzt genau gucken,
ob dort Häufungen stattfinden, sich da noch mal solche Ecken herausstellen, wo dann ähnlich wie
in der Simon-Dach-Straße quasi ein Haus neben der anderen Gastronomie hat, da wollen wir
eingreifen. Aber ich muss Ihnen leider sagen, an die Simon-Dach-Straße, da kommen wir nicht
ran, das werden wir einfach nicht durchsetzen können. Das ist in den frühen 2000er Jahren
losgegangen, das war noch der alte Bezirk Friedrichshain. Ich glaube, damals hatte man sich …,
da hatte meine keine Fantasie, die hatte glaube ich niemand von uns, wohin sich das alles
entwickelt und da hat man gesagt, es ist schön, dass der Kiez belebt wird. Da hatte man gegen
Gastronomie nichts, da hatte man auch nichts dagegen, dass Läden entstanden sind, dass dort
Boutiquen und was auch immer entstanden sind. Dass es dann diese Entwicklung genommen hat,
also wer das damals schon wusste, der soll jetzt mal die Hand heben, also ich glaube, das
wussten wir alle nicht, wohin das geht. Das ist ja auch mittlerweile eben eine unglaubliche Häufung
eingetreten und da können wir eigentlich jetzt erst mal nur gucken, dass man das irgendwie noch
halbwegs, ich sage mal steuern, im Zaune hält. Wenn es zu laut wird, da kommen wir auch mit
dem Umweltamt oder auch mit dem Ordnungsamt greift ein. Also wenn ausufernde Belegungen
der Gehsteige stattfindet, vor allem, wenn es nicht erlaubt ist und auch von der Zeit her
überschritten wird.
Also zusammenfassend: Wir haben das Thema auf dem Schirm und ich hoffe, dass wir da jetzt
auch entsprechend mal einen Fall bekommen, wo wir vor Gericht landen und dann wird man mal
für Berlin feststellen müssen, was ist eine gastronomische Versorgung, die nicht mehr der
Bevölkerung dient, der Wohnbevölkerung, sondern den Charakter hat einer innerstädtischen oder
einer City-Versorgung.