Paywall - Nachrichten hinter Bezahlschranken - Welche

Paywall - Nachrichten hinter Bezahlschranken
Welche Modelle werden genutzt
- Mathias Jahn Stand: 06.09.2012
In Deutschland haben bislang ungefähr 20 - überwiegend regionale - Zeitungen
Bezahlmodelle für ihre News-Portale eingeführt, bei weiteren 20 ist die Einführung einer
Paywall in Planung.1 Doch warum ist die Paywall eigentlich auch für die Bildagenturen
wichtig? Die in Hannover ansässige Zeitungsgruppe Madsack liefert – stellvertretend für die
Verlagsseite - eine Antwort darauf. Der Verlag mit den Stammblättern Hannoversche
Allgemeine Zeitung und Neue Presse stellt seit März 2012 die Premiuminhalte auf den
zahlreichen Seiten seiner regionalen Zeitungen hinter eine Bezahlschranke.2 Auf der
Internetseite der zum Verlag gehörenden hessischen Frankenberger Zeitung heißt es in
punkto „kostenpflichtige Inhalte“:
„Kostenpflichtige Inhalte stehen für exklusive lokale Berichterstattungen und
redaktionelle Qualität, die Sie sonst nirgends finden. Die Beiträge sind häufig mit
Bilderstrecken und Videos illustriert oder liefern fundierte Hintergrundinformationen.“3
Vor dem Hintergrund von aufkommenden Pay-Modellen für Premium-Content bei NewsSeiten sind Bilder also nicht mehr “nur“ bloßer Bestandteil einer freien Nachrichtenauswahl,
frei verfügbarer Artikel, sondern werden als exklusive Elemente eines Angebots mitverkauft.
Dies stellt einen gehörigen Anlass dar, die Verhandlungsposition der Bildanbieter gegenüber
den Verlagen neu zu stärken.
Grund genug für den BVPA, die unterschiedlichen Paywall-Modelle einmal näher zu
beleuchten.
Paywall-Modelle:
1
siehe Ürük, Bülend: Exklusiv: Wer in Deutschland auf die “Paywall“ setzt. Stand: 30.07.2012. http://www.newsroom.de/news/detail/$HVEQHRJRKQGK oder http://www.google.de/url? sa=t&rct=j&q=&esrc=s&source=web&cd=1&cad=rja&ved=0CCMQFjAA&url=http%3A%2F%2Fwww.ober
auer.com%2Fdownload%2Fassets%2F16%2Fd8%2Fd8%2F78%2Fb0%2F74%2F82%2F39%2F6e%2Fe
0%2F8e%2Ffb%2F92%2Fa0%2F9a%2Fb7%2Foriginal.pdf&ei=C0s_UIfSFI2P4gT (24.08.2012) 2
Die Paywall von Madsack lässt aktuelle Artikel für Nicht-­‐Abonnenten hinter einer 48-­‐stündigen Schranke verschwinden. Nach Ablauf der 48 Stunden sind die Beiträge dann für jeden frei zugänglich. Siehe hierzu: Grimberg, Steffen: Premiuminhalte kosten extra. Stand: 14.03.2012. http://www.taz.de/!89610/ (24.08.2012) 3
http://www.wlz-­‐fz.de/Service/Leserservice/Online-­‐Abo/Fragen-­‐Antworten-­‐zu-­‐Online-­‐Abos (24.08.2012) 1
1.
Piano Media-Modell („cable TV-style“) – Gemeinsam sind wir stark
Piano Media ist ein slowakischer Dienstleister für Verlagshäuser. Das Unternehmen
hat sich auf die Entwicklung von Bezahlmodellen für digitale Nachrichteninhalte
spezialisiert.
Den Ruf der Verlagshäuser nach adäquaten Strategien zur Monetarisierung teuer
recherchierter redaktioneller Beiträge beantworten die Slowenen mit einer Art Flatrate
nach dem Vorbild einer Kabel-TV-Gebühr. Dabei schließen sich mehrere Verlage,
beziehungsweise deren Zeitungs- und Zeitschriften-Websites, einem gemeinsamen
Bezahlmodell an und stellen einen Teil ihres Webangebots hinter eine Pay-Barriere.
Ähnlich der Bezahlpraxis beim Kabelfernsehen, nach der mehrere Sender durch die
Zahlung einer einzigen Gebühr vom Nutzer freigeschaltet werden können, stehen dem
potentiellen Leser beim Abschluss eines Abonnements auf einer der partizipierenden
Webauftritte auch jegliche Inhalte auf den anderen Portalen zur Verfügung.
Nachdem diese Form der Piano Media-Paywall bereits im letzten Jahr in der Slowakei
und Anfang 2012 in Slowenien umgesetzt wurde (20 Verlage mit 60
Nachrichtenseiten), stellen seit Juli dieses Jahres auch sechs polnische Verlage Teile
(10 – 15% der Inhalte) ihrer 42 Webseiten hinter das nationale
Bezahlschrankenmodell. User bezahlen für ein wöchentliches Abonnement 2,73€,
monatlich 4,70€ oder 47€ pro Jahr.4 Im slowenischen Fall zahlt der Nutzer für ein
wöchentliches Abonnement 1,99€, ein monatliches Abo 4,89€ und ein jährliches Abo
48,90€. Die Einnahmen aus der Paywall werden hier nach folgendem Schlüssel
verteilt: 30€ gehen an das Unternehmen Piano Media, 40% gehen an den Verlag, auf
dessen Seite der Nutzer das Abo abgeschlossen hat und 30% bekommt derjenige
Verlag, dessen Nachrichtenportal am häufigsten vom Nutzer besucht wird.
Derzeit denken offenbar auch mehrere niederländische und belgische Verlagshäuser
über die Einführung einer solchen gemeinsamen Bezahlschranke nach. Der Zeitung de
Volkskrant zufolge soll die populäre Musik-Streaming-Plattform Spotify hierbei
Modell stehen. Dementsprechend werde auch die Schaffung einer einheitlichen
Verlagsplattform mit gemeinsamer Artikel-Datenbank in Erwägung gezogen.
2.
„Hard Paywall“ - Das Wall Street Journal und die robuste Pionier-Mauer
Die Verbreitung von Paywall-Modellen ist in den USA sowohl bei regionalen als auch
bei überregionalen Zeitungen sehr weit fortgeschritten.5 Die Verlage haben relativ früh
begonnen, die Aufrufbarkeit von digitalen News-Inhalten von Subcriptions,
Abonnementabschlüssen, abhängig zu machen. Bereits ein Jahr nach dem Start von
wsj.com, 1996, richtete das dahinter stehende Wall Street Journal eine Bezahlschranke
für seinen Internetauftritt ein. Das Journal wurde damit zum Vorreiter im Bereich
„Paid Content“ bei digitalen Nachrichtenangeboten. Ohne den Abschluss einer der
verschiedenen Subskriptionsmöglichkeiten ging hier fortan herzlich wenig.
Möchte man eine Grenze zwischen verschiedenen Zahlmodellen bei Zeitungen ziehen,
4
Polnische Medien mit gemeinsamer Paywall. Stand: 04.09.2012. http://www.turi2.de/2012/09/04/heute2-­‐
polnische-­‐medien-­‐gemeinsamer-­‐paywall-­‐14667100/ (04.09.2012) 5
Einer aktuellen Studie des Marktforschungsinstituts News&Tech zufolge haben bislang 20% aller US-­‐ amerikanischen Nachrichtenportale auf das Bezahlmodell umgestellt. Von 1.387 Zeitungen besitzen 290 mittlerweile eine Paywall. Quelle: http://www.persoenlich.com/news/show_news.cfm?newsid=103547 (30.08.2012) 2
so gilt das Wall Street Journal eher als Vertreter der sogenannten „Hard Paywall“,
einer sehr undurchlässigen Schranke. Diese Variante ist zumeist bei den News-Seiten
zu finden, die 1. ihren bisherigen Inhalten einen spürbaren redaktionellen Mehrwert
hinzufügen konnten, 2. auf ein Nischen-Publikum abzielen und 3. bereits den eigenen
Markt dominieren. Das Journal erfüllt diese Kriterien. Es ist gegenwärtig die
auflagenstärkste Zeitung der USA.6 Sowohl die Printfassung als auch die News-Seite
sprechen eine globale Business-Elite als Zielgruppe an und werden weltweit gelesen.
Zudem konnte die Online-Plattform wsj.com in den vergangen Jahren durch ein
zusätzliches Angebot von Experten-News, Experten-Kommentaren und Finanz- sowie
Wirtschaftsanalysen noch attraktiver gestaltet werden.
Dem nicht registrierten User der Internetseite stehen heute nur ein paar wenige Artikel
zum freien Lesen zur Verfügung. Alle anderen sind mit einem kleinen Schlüssel als
Premiumcontent gekennzeichnet. Frédéric Filloux, Mitbegründer des Medien- und
Business-Blogs Monday Note umschreibt die Trennung in freie und geschützte
Premium-Inhalte beim WSJ liebevoll so: „cheap fodder available for free (often
created by junior staffers), and more “noble” content produced by the most senior
members of the newsroom who also feed the print version.“7
Das Londoner Traditionsblatt The Times geht mit ihrer Paywall noch einen Schritt
weiter. Hier gibt es überhaupt keinen Zugriff auf digitale Inhalte bevor nicht ein
Abonnement abgeschlossen wurde. Auf der Internetseite thetimes.co.uk gibt
es
grundsätzlich nur Teaser zu lesen, gefolgt von dem Hinweis: „Sign up and save“. Für
ein “Digital Pack“-Abo zahlt man bei The Times £2 pro Woche für die ersten 3
Monate. Darin enthalten ist die freie Abrufbarkeit der Online-Beiträge, der Zugang
über iPad, iPhone und Smartphone.
Bislang nicht ausreichend gelöst bleibt für diese Art der restriktiven Paywall der
Umgang mit Social Media. Laut einer Studie der Wirtschaftsprüfungs- und
Beratungsgesellschaft PricewaterhouseCoopers (kurz PwC) vom Februar 2012
kommen mittlerweile 15% des Datenverkehrs (oder engl. Traffic) zu
Zeitungswebseiten aus den sozialen Netzwerken.8 Da News-Seiten mit einer Hard
Paywall keine bzw. nur sehr wenige frei zugängliche Beiträge anbieten, entgeht ihnen
die Möglichkeit, Seitenaufrufe durch diese Art der Streuung zu generieren, um so neue
Leser für ihr Nachrichtenangebot zu gewinnen (vom Fan zum Abonnenten nicht
möglich).
3.
„Metered Paywall“ – Wie viele Frei-Artikel dürfen's denn sein?
Die sogenannte „Metered Paywall“, eine weiche (oder auch dosierte) Bezahlschranke,
6
List of newspapers in the United States by circulation. Stand 31.03.2012 http://en.wikipedia.org/wiki/List_of_newspapers_in_the_United_States_by_circulation (29.08.2012) 7
Filloux, Frederic: Analyzing the metered model. Stand: 05.06.2011. http://www.mondaynote.com/2011/06/05/analyzing-­‐the-­‐metered-­‐model/ (23.08.2012) 8
Social Media Deutschland: The winner takes all http://www.google.de/url?sa=t&rct=j&q=&esrc=s&source=web&cd=3&cad=rja&ved=0CDYQFjAC&url=http
%3%2F%2Fon-­‐operations.com%2Fwp-­‐content%2Fuploads%2F2012%2F05%2FSocial-­‐Media-­‐
Deutschland-­‐2012 final.pdf&ei=yxA2UKS5B8jwsgb2u4GwCg&usg=AFQjCNEAmVzRayZNKTrV5vhFQs2j4 (23.08.2012) 3
setzt sich allmählich als Standard bei US-Zeitungen durch. Das Prinzip ist einfach:
Sobald der Nutzer eines News-Portals eine bestimmte Anzahl von Artikeln innerhalb
eines bestimmten Zeitraums angeklickt hat, muss er ein Abonnement abschließen, um
weiterhin Beiträge lesen zu können. In jüngster Zeit wird diese Form der weichen
Schranke oft auch, weiterentwickelt, als sogenannte „Freemium Metered Paywall“
genutzt. Darunter versteht man die Kombination aus einem ausgewogenen Verhältnis
von kostenfreien und kostenpflichtigen Artikeln plus einer bestimmten Anzahl frei
abrufbarer Premium-Beiträge.
Die „Old Grey Lady“ der amerikanischen Tageszeitungen, die New York Times, hatte
vor gut einem Jahr einen grundsätzlichen Richtungswechsel hinsichtlich ihres digitalen
Angebots vorgenommen und wechselte vom kostenlosen Onlineangebot zur Metered
Paywall. Dieser Regulierungsmechanismus lässt große Teile des auf nytimes.com zu
findenden Inhalts nach 10 pro Monat gelesenen Artikeln hinter einer Schranke
verschwinden.9 Auf der Präsentation der Quartalszahlen für das zweite Quartal 2011
meldete die Vorstandsvorsitzende der NYT Company, Janet L. Robinson, erste
Erfolge des „metered“-Modells:
„The second quarter was a historic one for our company, as we successfully launched
The New York Times digital subscriptions and began to see the early effect on our
overall financial performance. The positive consumer response to the digital
subscription packages is a strong indication of the value that users place on our highquality news, analysis, and commentary.“10
Die als Erfolgsmodell gepriesene Paywall der NYT sorgte im Juni dieses Jahres
jedoch für reichlich Gesprächsstoff und vor allem Schadenfreude in der IT-Welt.
Herausgekommen war, dass die Paywall mittels eines sehr einfachen Tricks umgangen
werden kann, der sich natürlich auch sehr schnell im Internet herumsprach. Hat man
sein Kontingent von 10 gewährten Freiartikeln im Monat aufgebraucht und möchte
trotzdem weiterhin nytimes.com uneingeschränkt nutzen, entfernt man einfach den
letzten Teil des URL-Links (hinter .html) eines angeklickten Pay-Artikels und drückt
dann die Entertaste. Nun hat man kostenlosen Zugang auf den gewünschten Beitrag.
Das Problem konnte bislang nicht behoben werden.11
4.
Die „Like-Wall“ – „Gefällt mir“ schon vor dem Lesen
Die Onlineausgabe des Focus experimentierte auf ihrem Internetauftritt focus.de mit
einem “Pay“-Wall-Modell ganz anderer Art. Bei längeren Artikeln des
Nachrichtenangebots wurde nur ein erster Absatz des Inhalts angezeigt, der restliche
Teil durch eine Dialog-Box versperrt. Der Leser wurde durch das Pop-Up
aufgefordert, der Fanpage von Focus ein „Gefällt mir“ zu geben, um den Artikel
9
Gestartet war die New York Times mit 20 frei zugänglichen Artikeln. Seit April 2012 können Nutzer nur mehr zehn Beiträge pro Monat kostenfrei aufrufen. Laut Pressemeldung der NYT Company reduzieren die in Facebook, Twitter und Co. angeklickten Beiträge dabei nicht die Anzahl der Frei-­‐Artikel. Quelle: http://phx.corporate-­‐
ir.net/phoenix.zhtml?c=105317&p=irol-­‐newsArticle&ID=1674346&highlight (24.08.2012) 10
Reisinger, Don: NYTimes: Consumer pay wall response ’positive’. Stand: 21.07.2011. http://news.cnet.com/8301-­‐13506_3-­‐20081371-­‐17/nytimes-­‐consumer-­‐pay-­‐wall-­‐response-­‐positive/ (24.08.2012) 11 Diese einfache Methode des Umgehens funktioniert übrigens nicht bei den „Hard Paywalls“ des Wall Street Journal oder der Londoner Times. 4
vollständig sehen zu können. Dieser Klick ist jedoch nicht verpflichtend. Durch eine
weitere Option „Ich bin schon Fan/Nein, ich möchte kein Facebook-Fan werden.“
hatte der Nutzer aber auch die Möglichkeit, den Dialog zu entfernen, wenn er kein Fan
der Fanpage werden wollte. Es wird spekuliert, dass Focus durch die Aktion lediglich
sein Fanpage-Konto künstlich tunen wollte, um im Vergleich zu anderen
Nachrichtenportalen wieder besser dazustehen.12 Die Seite liegt mit rund 48.000
Anhängern bisher hinter vergleichbaren Fanpages von Faz.net (50.000), stern.de
(72.000) oder Spiegel Online zurück. Die Schranke wurde aktuell wieder deaktiviert.
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Weiterführende Links
ñ Siegert, Svenja: Paywalls – Oder: Die Mär vom digitalen Deich. In: journalist Online.
Stand: 10.05.2012. http://www.journalist.de/aktuelles/meldungen/paywalls-oder-diemaer-vom-digitalen-deich.html (30.08.2012)
ñ Johnston, Susan: Newspaper Paywalls Accelerating. In: Ebyline's The News Hook.
Stand: 30.07.2012. http://ebyline.biz/2012/07/newspaper-paywalls-accelerating/
(30.08.2012)
12 Quelle: http://www.business-­‐on.de/focus-­‐online-­‐facebook-­‐schranke-­‐like-­‐wall-­‐_id38099.html (30.08.2012) 5