30 Management Synergien Wie Synergiepotenzial optimal genutzt wird Wer die vier Typen von Synergien kennt und nutzt, hat gegenüber der Konkurrenz die Nase vorn. _ V O N G Ü N T E R M Ü L L E R - S T E W E N S U N D M A T T H I A S B R A U E R Aufholpotenzial: In vielen Konzernen werden Synergien nicht genutzt. Der Grund: Viele Führungskräfte haben ein verengtes Synergieverständnis und verfügen nicht über die notwendigen Kompetenzen. Die Autoren zeigen, wie diese Defizite beseitigt werden können. In Kürze PROF. DR . GÜ N T ER M Ü L L E R - S T E W E N S ist Direktor des Instituts für Betriebswirtschaft an der Universität St. Gallen. [email protected] P rof . D r . M A T T H I A S B R A U E R ist Assistenzprofessor für Strategisches Management an der Universität St. Gallen. [email protected] D er Begriff der Synergien ist in vielen Konzernen zu einem Unwort geworden, weil sich viele diversifizierte Unternehmen an ehrgeizigen Synergienprogrammen die Finger verbrannt haben. Für diese Entwicklung gibt es zwei wesentliche Ursachen: Erstens ist in vielen Unternehmen ein viel zu verengtes Synergienverständnis anzutreffen. Zweitens fehlt häufig das Know-how des Managements, um Synergiepotenziale tatsächlich zu realisieren. Deshalb liegen die erzielten Resultate von Synergieprogrammen in der Regel weit unter den zudem noch häufig unrealistischen Zielvorgaben, die man von Unternehmensseite an Aktionäre und Kapitalmarktakteure kommunizierte. In Zeiten der «kundenzentrierten Organisation», der «One Firm»-Ansätze, des «One Stop Shopping» oder der «integrierten Problemlösung» kann eine solche Ausblendung der Synergienthematik bzw. eine verengte Sichtweise auf einzelne Synergietypen die Wettbewerbssituation eines diversifizierten Unternehmens wesentlich schwächen. Diese Ansätze sind nur dann wertsteigernd, wenn es gelingt, in diversifizierten Mehr-Geschäfts-Unternehmen (MGU) Synergien zu realisieren. Die Realisierung ist aber letztlich nur die notwendige Bedingung zur Umsetzung dieser Konzepte. Als hinreichende Bedingung muss gelten, dass der durch die Synergierealisierung erzielte Mehrwert die Management- und Koordinationskosten, die bei der Synergie‑ realisierung anfallen, übersteigt. Die Autoren vertreten die Auffassung, dass eine Unternehmensgruppe, die über die‑ se Fähigkeit zum Synergienmanagement verfügt, ein wesentliches Differenzierungspotenzial im Wettbewerb hat. Als Beispiel mögen hier die Vorteile dienen, die Audi im Wettbewerb mit BMW und Mercedes aus seiner Zugehörigkeit zur VW-Gruppe ziehen kann. Den beiden Ursachen für die oft negative Besetzung des Synergienbegriffs und das Scheitern von Synergienprogrammen sind Mitarbeitende des Instituts für Betriebswirtschaft der Universität St. Gallen in verschiedenen Forschungsprojekten auf die Spur gekommen. Daraus können zwei Resultate beziehungsweise Empfehlungen abgeleitet werden: 1. Fehlende Ausdifferenzierung Die empirischen Forschungsstudien zeigen, dass Manager oft ein sehr verengtes Synergieverständnis haben: Es wird nur an operative Synergien gedacht – und dabei erfolgt eine Schwerpunktsetzung auf Effizienzsynergien. Im Kern lassen sich indes vier Arten von Synergien unterscheiden (vgl. Abb. 1 auf Seite 32). Neben den operativen Syn‑ ergien kann eine Unternehmensgruppe versuchen, über Management-, Marktmacht- sowie finanzielle Synergien Wettbewerbsvorteile zu realisieren. Dabei sind die finanziellen Synergien Standard und stellen einen Nebeneffekt dar, io new management Nr. 9 | 2010 Synergien Gemeinsam höhere Ziele erreichen: Möglichkeiten, die sich aus der Zusammenarbeit ergeben, gilt es zu nutzen. Illustration: Lorenz Meier da sie die Wertschöpfung der Geschäfte kaum tangieren. Deutlich seltener wird über Managementsynergien nachgedacht, obgleich sie interessante Möglichkeiten bieten. Auch bei den operativen Synergien holen erst aktuell die Wachstums- gegenüber den Kostensynergien auf. Im Folgenden werden die vier Typen erläutert. Operative Synergien sind Vorteile für die Geschäfte eines MGUs, die sich aus der gemeinsamen Nutzung operativer Ressourcen in verschiedenen Geschäften ergeben. Die damit einhergehenden operativen Verbundeffekte können sowohl zu Effizienz- als auch zu Wachstumsvorteilen führen. Der Mechanismus zur Realisierung operativer Syner- io new management Nr. 9 | 2010 gien besteht aus dem Teilen (z. B. gemeinsamer Vertrieb), Transferieren (z. B. ein in einem Bereich bewährtes Key Account Management System) und Kombinieren (z. B. gemeinsame Produktentwicklung auf Basis kombinierter Fähigkeiten aus mehreren Geschäften) von Ressourcen zwischen Geschäftseinheiten. Mit anderen Worten: Die Synergien erwachsen aus einer horizontalen Koordination der Geschäfte und kommen nur zustande, wenn die Bereitschaft für eine bereichsübergreifende Zusammenarbeit vorhanden ist. Abb. 2 auf Seite 32 zeigt aus einer aktuellen Studie von 97 Schweizer Konzernen, wo die Kostenund Wachstumssynergien künftig zu erwarten sind. Besonders die Realisie- Management rung von Wachstumssynergien stellt für das Management eine besondere Herausforderung dar, da sie gegen die Eigendynamik der vertikalen Geschäftssilos antreten. Um die Grenzen für eine bereichsübergreifende Zusammenarbeit zu überschreiten, reichen individuelle Kompetenzen nicht aus. Vielmehr muss dafür erst das notwendige soziale Kapital zwischen Mitarbeitern, die zusammenarbeiten sollen, entwickelt werden. Nicht selten fehlen dazu die erforderlichen Erfahrungen und Kompetenzen im Management. Deutlich weniger präsent in den Köpfen von Führungskräften sind die Managementsynergien. Sie sind weniger einschneidend in die operativen Wertschöpfungsprozesse als die operativen Synergien, bieten aber interessante Perspektiven, sich im Wettbewerb der Unternehmensgruppen zu differenzieren. Managementsynergien sind Vorteile, die sich aus bestimmten Fähigkeiten, die auf der Gruppenebene – meist in einem Corporate Center – angesiedelt sind, für die Geschäfte ergeben. Der Mechanismus zur Realisierung von Managementsynergien ist das vertikale Infundieren bestimmter Fähigkeiten vom oder über das Corporate Center in die Geschäftseinheiten. Als Beispiel kann die Fähigkeit zum Management von Luxusmarken genannt werden, die auf der Konzernebene von Luxusgüterkonzernen wie LVMH, PPR oder Richemont angetroffen werden kann. Ein anderes Beispiel ist die Fähigkeit zur Marktforschung, die ein Handelskonzern wie Tesco seinen Geschäften zu deren Vorteil zur Verfügung stellt. Im Unterschied zu operativen Synergien, bei denen die horizontale Verflechtung zwischen den Wertketten der einzelnen Geschäftseinheiten im Mittelpunkt steht, fokussieren Managementsynergien auf die vertikale Beziehung zwischen der Konzernebene und den einzelnen Geschäftseinheiten. Wäh- 31 Synergien rend operative Synergien auf der Gleichartigkeit oder Komplementarität von Ressourcen basieren, ist das Fundament von Managementsynergien der Fit zwischen den Fähigkeiten des Konzernmanagements und den strategischen Bedürfnissen der einzelnen Geschäfte. So kann ein mittelständischer Uhrenmacher wie IWC beispielsweise vom Know-how seiner Mutter Richemont über die internationale Etablierung und den Vertrieb von Marken profitieren. Finanzielle Synergien sind Vorteile eines MGUs, die sich aus der Reduktion des Gesamtrisikos, dem günstigeren Zugang zu Kapital und dessen optimierender Allokation sowie der Besteuerung (tax shield) ergeben. Der dominante Mechanismus zur Realisierung ist die Konfiguration des Portfolios der Geschäfte. Marktmachtsynergien sind Vorteile eines Konzerns, die sich aus der Ausnutzung einer stärkeren Marktmacht und der damit verbundenen Reduktion des Wettbewerbs ergeben. Der Mechanismus zur Realisierung von Marktmachtsynergien sind Absprachen zwischen den Geschäftseinheiten. Schon klassisches Beispiel ist die Nutzung der Monopolmacht von Microsoft im Betriebssystem-Geschäft (Windows), um Quelle: Knoll, S. (2008); Müller-Stewens, G.; Brauer, M. (2009) Management Abb. 1: Synergietypen Operative Synergien Managementsynergien Corporate Center Corporate Center Infundieren von Fähigkeiten Teilen/Transferieren/Kombinieren operativer Ressourcen SGE 1 SGE 2 SGE 3 SGE 1 SGE 2 SGE 3 Marktmachtsynergien Finanzielle Synergien Corporate Center Corporate Center Konfigurieren des Portfolios Absprachen zwischen den Geschäftseinheiten SGE 1 SGE 2 SGE 3 SGE 1 SGE 2 SGE 3 SGE = Strategische Geschäftseinheit Managementsynergien werden noch kaum genutzt, bieten aber interessante Möglichkeiten. Vorteile gegenüber Netscape im Internetbrowser-Geschäft (Explorer) zu erlangen. Ziel eines jeden Führungsteams sollte sein, sich der vier Synergietypen bewusst zu werden, sie in ihrer Gesamtheit zu betrachten, um sie dann gezielt zu adressieren. Zum anderen ist jeder Typ mit spezifischen Managementherausforderungen verbunden, derer sich ein Gruppenmanagement vorab bewusst sein muss, damit es die für eine erfolgreiche Synergienrealisierung erforderlichen Vorkehrungen treffen kann. Insbesondere gilt dies für die Realisierung operativer Synergien, da dort die Interventionen in die Autonomie der einzelnen Geschäftseinheiten am einschneidendsten sind. Oft fehlt es an den entsprechenden Managementkom- Abb. 2: Kosten- und Wachstumssynergien im Überblick Bedeutung von Kostensynergien 1 2 3 3.39 IT Human Resources F&E 4 3.83 2.86 3.31 Bedeutung von Wachstumssynergien 5 1 2 3 Dachmarke/ koordiniertes Marketing Bundling von Produkten/ Dienstleistungen 4 5 3.01 3.60 2.96 3.50 2.73 3.16 3.29 3.61 Supply Chain Management/ Logistik Mittelwerte: 1 = unbedeutend; 5 = sehr bedeutend 3.20 Best Practice Transfer Cross-Selling/Weitergabe von Kundenbeziehungen Vergangene 3 Jahre Nächste 5 Jahre Gemeinsame Produktentwicklung 2.91 2.70 3.81 3.47 3.13 Wachstumssynergien sind schwieriger umzusetzen als Kostensynergien. io new management Nr. 9 | 2010 Quelle: Müller-Stewens, G.; Menz, M.; Lochbrunner, V. (2010) 32 Abb. 3: Erfolgs- und Hemmfaktoren von Synergieninitiativen Commitment und Glaubwürdigkeit des Managements Vertrauen zwischen den Geschäftseinheiten Aktiver und früher Einbezug der SGE in die Initiativen Interne Kommunikation Konsequentes Monitoring & Controlling Unterstützung der SGE durch die Unternehmenszentrale Incentivierung der Zusammenarbeit Wertsteigernde Zusammenarbeit als strat. Ziel Vollzeit Integrationsmanager/Projektteam zur Koordination Priorisierung der Zusammenarbeit ggü. anderen Aktivitäten Regelungen/Schiedsgerichte zur Konfliktschlichtung Integration in bestehende Unternehmensprogramme Interne Schulungsprogramme zu Koordination 62% 52% 48% 43% 39% 33% 29% 28% 10% 8% 0% Interessenkonflikte/Zielkonflikte Operative Überlastung der Geschäftseinheiten Mangelndes Vertrauen Keine oder nur unzureichende Incentivierung Zu geringes Commitment des Managements Mangelnde Integration in existierende Prozesse Zu viele oder zu komplexe Koordinationsmechanismen Keine Verknüpfung mit der Unternehmensstrategie Keine Konkretisierung durch Business Case Keine Kommunikation von Erfolgsbeispielen Schwaches Initiativenmanagement Unterschiedliche unternehmensweite Begrifflichkeiten Mangelnde Fähigkeiten der Koordinationsverantwortlichen Zu wenig Unterstützung durch die Unternehmenszentrale 10% 18% 17% 16% 20% Erfolgsfaktoren geschäftseinheitenübergreifender Zusammenarbeit (Anteil der Unternehmen in Prozent; n = 109) 30% 40% 50% 60% 53% 70% 58% 45% 38% 32% 17% 15% 14% 13% 12% 10% 9% 7% 4% Hemmfaktoren geschäftseinheitenübergreifender Zusammenarbeit (Anteil der Unternehmen in Prozent; n = 109) Wer die Erfolgs- und Hemmfaktoren kennt, kann Synergien besser umsetzen. petenzen. Das führt zur zweiten Ursache für die skeptische Haltung gegen‑ über Synergien und das häufige Scheitern von Synergienprogrammen. 2. Unzureichende Managementkompetenzen Das Konzernmanagement macht sich keine leichte Aufgabe, wenn es mit einer Synergieninitiative auf die Tochtergesellschaften oder Geschäftseinheiten zugeht: Skepsis gegenüber dem Nutzen dominieren, oft begründet durch vergangene Erfahrungen. Befürchtungen einer lähmenden Zentralisierung und Bürokratisierung werden als Argumente angeführt. Ebenfalls wird der damit verbundene Eingriff in die Eigenverantwortlichkeit der Geschäftsführungen nicht begrüsst. Wird also eine Synergieninitiative gestartet, so muss der «Business Case», über den sie sich gegenüber den Geschäften legitimiert, überzeugend sein und das Konzernmanagement muss über die Fähigkeiten zum Handhaben einer sol- io new management Nr. 9 | 2010 chen Initiative verfügen. Dazu gehört das Wissen und Bewusstsein der wichtigsten Faktoren, die den Erfolg einer solchen Synergieninitiative bestimmen. Aus einer dazu durchgeführten Studie ergaben sich die Erfolgs- und Hemmfaktoren auf Abbildung 3 auf dieser Seite, die hinsichtlich ihrer Gültigkeit auf den Einzelfall zu reflektieren sind. Synergien richtig nutzen Zusammenfassend lässt sich sagen, dass sich MGUs ernsthafter und emotionsloser mit dem Thema Synergien auseinandersetzen müssen, wenn sie im Wettbewerb gewinnen wollen. Viele Gründe wie komplexere Kundenbedürfnisse, wachsender Kostendruck oder Bedarf an Innovationen sprechen für eine steigende Relevanz der Thematik. Synergien zu nutzen ist allerdings keine leichte Aufgabe. Man wird das Thema meist nur dann angehen, wenn es an anderer Stelle keine leichter zu realisierenden Wertsteigerungen gibt. Hat sich jedoch ein MGU über die Jahre 33 Quelle: Müller-Stewens, G.; Knoll, S. (2006) Management Synergien Kompetenz zum Synergienmanagement aufgebaut, so kann sich hieraus ein Corporate-Wettbewerbsvorteil ergeben. Dafür dürfen Synergien nicht Selbstzweck sein, sondern es muss einen Legitimationsdruck zur Darlegung des Netto-Vorteils für Geschäfte ergeben. ■ Literatur Bilhuber, E.; Müller-Stewens, G. (2010): Die Bedeutung des Social Capital für die Strategienrealisierung. In: Business + Innovation, Nr. 1, S. 10-18. Knoll, S. (2008): Cross-Business Synergies: A Typology of Cross-business Synergies and a Mid-range Theory of Continuous Growth Synergy Realization. Dissertation Universität St. Gallen. Müller-Stewens, G.; Brauer, M. (2009): Corporate Strategy & Governance, Wege zur nachhaltigen Wertsteigerung im diversifizierten Unternehmen. Schäffer-Poeschel, Stuttgart. Müller-Stewens, G.; Knoll, S. (2006): Smart Linking: Steigerung von Wachstum und Profitabilität durch innovatives Geschäftseinheiten-übergreifendes Synergiemanagement. Studie der Universität St. Gallen. Müller-Stewens, G.; Menz, M.; Lochbrunner, V. (2010): The future for business in Switzerland. How to stay ahead by aligning the national and corporate agendas. Gemeinsame Studie der Universität St. Gallen und Deloitte.
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