Thema 8: Normung als strategisches Instrument

Strategische Normung
Dr. –Ing. Albert Hövel
Leiter Technische Abteilung 1
DIN Deutsches Institut für Normung e. V.
TU Berlin, WS 2015/16, 14. Januar 2016
Thema 8:
Normung als strategisches
Instrument
Nach der heutigen Vorlesung wissen Sie…
… was die Deutsche Normenstrategie umfasst
… wie sich Normenkodex und internationale
Vereinbarungen auf die Normarbeit auswirken
… welche strategischen Optionen sich für Unternehmen aus der Nutzung von Normen und
Patenten ergeben
… und welchen aktiven und passiven Nutzen
Unternehmen aus der Normung ziehen können.
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Die Deutsche Normungsstrategie beginnt
mit einer Vision:
Normung und Standardisierung in Deutschland
dienen Wirtschaft und Gesellschaft
zur Stärkung, Gestaltung und Erschließung
regionaler und globaler Märkte
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Die 5 Ziele der Deutschen Normungsstrategie
Ziel 1: Normung und Standardisierung sichern
Deutschlands Stellung als eine der führenden
Wirtschaftsnationen
Ziel 2: Normung und Standardisierung unterstützen als
strategisches Instrument den Erfolg von Wirtschaft
und Gesellschaft
Ziel 3: Normung und Standardisierung entlasten die
staatliche Regelsetzung
Ziel 4: Normung und Standardisierung sowie die
Normungsorganisationen fördern die
Technikkonvergenz
Ziel 5: Die Normungsorganisationen bieten effiziente
Prozesse und Instrumente an
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Normungspolitisches Konzept der
Bundesregierung
Ziele des normungspolitischen Konzepts:
Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit
Innovationsförderung
Entlastung der staatlichen Regelsetzung
Förderung der Einbeziehung der interessierten Kreise
Nutzung von Normen im Auftragswesen
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Eine zukunftsfähige Normungspolitik für die
Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Industrie
„Der VDMA unterstützt in vollem Umfang die fünf
Ziele der deutschen Normungsstrategie.“
Forderungen des VDMA (Auswahl):
1. Normung muss sich an den Bedürfnissen des Marktes orientieren
und praxisgerechte Lösungen bieten
2. Normung muss die wirtschaftliche Entwicklung fördern und darf
Freiräume für Innovationen nicht einschränken
3. Normung muss den Zugang in die globalen Märkte unterstützen
und eine große internationale Akzeptanz schaffen
4. KMU müssen frühzeitig die Möglichkeit erhalten, Normungsprojekte
zu initiieren, sich aktiv in Normungsprojekte einzubringen und sich
über den Stand der Normungsprozesse zu informieren
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CEN and CENELEC Ambitions 2020
CEN und CENELEC haben sich 6 Ziele bis 2020 gesetzt:
1. Globalen Einfluss
2. Regionale Relevanz
3. Breitere Anerkennung
4. Exzellenznetzwerk
5. Innovation und Wachstum
6. Nachhaltiges Normungssystem
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Wiederholung:
ISO Strategie 2016-2020*
Fünf Kernziele
(1)Entwicklung hochqualitativer Normen auf Basis
einer weltweiten ISO-Mitgliedschaft
(2)Einbeziehung der interessierten Kreise sowie
von Partnern
(3)Steigerung der Leistungsfähigkeit durch
Schulung sowie Ausbau der Organisation
(4)Verwendung moderner Technologien
(5)Kommunikation
*Das vollständige Strategiepapier ist im ISIS-Kurs
abrufbar.
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Strategie Internationaler Normung
•
Internationale Normung hat Vorrang
→ Global Relevance
•
Internationale Normen sollen aufgrund der
WTO-Empfehlung unverändert als regionale
und nationale Normen übernommen werden
→ WTO-Normenkodex
•
Dies gilt für alle Regionen. Für Europa:
→ Wiener Vereinbarung und
Dresdener Abkommen
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Global Relevance
Ziel:
Erarbeitung einheitlicher, weltweit akzeptierter
Internationaler Normen
1. Viele Mitgliedsländer an der Normungsarbeit
beteiligen
2. Alle interessierten Kreise beteiligen
3. Nationale Abweichungen nicht zulassen
4. Vorzugsweise Leistungsanforderungen und
Schnittstellen beschreiben
5. Keine Produktlösungen vorgeben
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Welthandelsorganisation (WTO) –
Normenkodex
•
•
•
•
•
•
•
•
•
•
Keine Bevorzugung heimischer Produkte
Keine Handelshemmnisse durch nationale Normen
Übernahme relevanter Internationaler Normen
Teilnahme nationaler Delegationen
Vermeidung von Doppelarbeit
Nationale Konsensbildung
Kohärenz des Normenwerks
Veröffentlichung der Arbeitsprogramme
Öffentliches Einspruchsverfahren (min. 2 Monate)
Faire Behandlung der Kommentare
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Wiener Vereinbarung und
Dresdener Abkommen
Ziel:
Die Facharbeit möglichst auf einer Normungsebene durchzuführen und durch parallele Abstimmungsverfahren die
gleichzeitige Anerkennung als ISO/IEC- oder EN-Norm
herbeizuführen
Wiener
Vereinbarung
Dresdener
Abkommen
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Welche strategischen Optionen hat ein
Unternehmen?
„Nach Normalkonstruktionen und der Fabrikation weniger
Typen strebe ich seit 15 Jahren.
Es ist aber sehr schwer! Jede Bahn und Direktion hat ihre
Liebhabereien. Es ist bisher noch nie vorgekommen, dass
wir Bestellungen von Hunderten gleicher Apparate
bekommen haben, von einer eigentlichen Massenarbeit
konnte also bisher keine Rede sein.“
Werner von Siemens 1870 in einem Brief an seinen Bruder
Strategische Wege zum Unternehmenserfolg
Unternehmensstrategie
Baugruppenebene
Eigenentwicklung
Patent
Werknorm
Privat-Gut
Ein Anbieter
Geschlossenes
Techniksystem
Monopol
Monopol
(temporär)
Strategische
Allianz
Konsortional-Arbeit
(normative
Absichten)
Gemeinschaftsarbeit
(nach DIN 820)
Industriestandard
DIN SPEC
DIN-Norm
Club-Gut
Wenige Anbieter
Öffentliches Gut
Viele Anbieter
(Komponenten)
Geschlossenes
Techniksystem
Offenes, transparentes
Techniksystem
Oligopol
(temporär)
Marktwettbewerb
durch Funktion, Qualität und Preis
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Die Form der Normung und Standardisierung
entscheidet über ihre Verfügbarkeit
Werknormung
Industriespezifikation
Wer initiiert?
Unternehmen
Unternehmen
Was ist das
Resultat?
Privates Gut
Privates Gut
Überbetriebliche
Normung
Strategische Allianz
Klubgut
Interessierte Kreise
Öffentliches Gut
Normungsinstitut
Wer erhält das
Eigentum?
Wer verfügt?
Unternehmen
Unternehmen
Strategische
Allianz
Volkswirtschaft
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Unternehmensstrategie –
Entscheidungskriterien
Marktzugang
Werknormen
Industriestandard
Nutzung
(internationaler)
Normen
Neutral
Potenziell global
Global
Potenziell groß
Groß
Beschränkt
Erweitert
Global
-
+
++
Niedrig
Mittel
Hoch
Einzellösung
Gruppenlösung
Weltweit
anerkannte
Lösung
Marktgröße
Einkaufsmarkt
Kostensenkungpotenziale
Investitionssicherheit
Qualitätssicherung
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Unternehmensstrategie – Entscheidungskriterien
Nutzung
(internationaler)
Normen
Werknormen
Industriestandard
Produkthaftung
Nachweislast
Nachweislast
Von Regulierern
anerkannt
Wettbewerb
über
Technologie
und Qualität
Technologie
z. B. Preis
Service
Produktportfolio
Beschränkt auf
eigenes Knowhow
IndustrieKnow-how
Stand der Technik
Zugang zu
Informationen
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Unternehmerischer Nutzen:
Vorsprung durch Normung
Normen machen aus guten Ideen erfolgreiche
Unternehmensstrategien.
Zur Innovation gehört mehr als eine gute Idee.
Passiver Nutzen:
Normen zu nutzen ist nützlich!
Aktiver Nutzen:
Normen mit zu entwickeln und zu nutzen
ist doppelt nützlich!
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Passiver Nutzen – Annahme von Normen
 Kompatibilität
− vorgegebene Schnittstellen für Planung und Design
− Positiver Einfluss auf Supply Chain Management und F&E
− Reduzierte Vielfalt
− Geringere Typenvielfalt aufgrund einer endlichen Anzahl
festgelegter Schnittstellen
− Effizienzsteigerung durch Synergieeffekte
− Positiver Einfluss auf Auswahlprozesse
 Qualität/Sicherheit
− Höhere Qualität und größere Sicherheit als indirekte Folge
− Verbesserte Zuverlässigkeit und Kundenwahrnehmung
 Verfügbarkeit von Informationen
− Umfangreiche Dokumentation zur Normung und in Normen
− Effektive Nutzung von Normdaten sowohl intern als auch
extern
− Besondere Bedeutung für F&E-Ergebnisse
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Aktiver Nutzen – Mitwirken an der Normung
Übersicht:
 Einfluss
− Förderung von Unternehmenstechnologien
− Verhinderung nachteiliger Entscheidungen
 Verfügbarkeit von Informationen
− Zugang zu technischen Informationen
− Möglichkeit, künftige Trends zu erkennen
 Beziehungen
− Aufbau von Kontakt mit anderen Beteiligten
− Einrichtung strategischer Partnerschaften
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Aktiver Nutzen – Mitwirken an der Normung
In der Normung aktive Unternehmen…
•
•
•
… nehmen Einfluss auf die Normungsergebnisse
•
•
•
•
… nehmen an dem Expertenforum Normung teil
•
… kennen die Normungs- und Standardisierungsaktivitäten
aller Beteiligten und die Kundenanforderungen
… können eigene Technologien in die Normung einbringen
… haben einen Informations- und Zeitvorsprung über
künftige technische Regeln
… kennen die Entwicklungstrends anderer Marktteilnehmer
… kommen der Gesetzgebung zuvor
… verringern ihre F&E-Kosten und sichern ihre
Investitionen in Innovationsprozesse
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Unternehmerischer Nutzen der Normung
Vorsprung durch Normung
Kostenersparnisse mit Hilfe der überbetrieblichen
Normung durch ...
... den Wegfall der Anpassungskosten
bei Exportgeschäften
... bessere
Kooperationsmöglichkeiten
46,3 %
38,9 %
... ein größeres Angebot an
Zulieferern
35,7 %
... die Vereinheitlichung von
staatlichen Anforderungsprofilen
32,3 %
... eine vergrößerte Produktionsmenge (Ausweitung des Exports)
19,6 %
0%
25 %
50 %
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Unternehmerischer Nutzen der Normung
Normung hat strategische Bedeutung
Einfluss gewinnen
Einfluss auf die europäische
und internationale Normung
erfordert nationales Engagement
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Unternehmerischer Nutzen der Normung
Normung hat strategische Bedeutung
Fallbeispiel
ISOfix-System
Die Firma Volkswagen war maßgeblich daran
beteiligt, die Befestigung für einen AutoKindersitz zu entwickeln, der alle Sicherheitsanforderungen moderner Verkehrstechnik erfüllt.
Die firmeninternen Erfahrungen hatten
Vorbildcharakter und flossen in die
Erarbeitung der internationalen Norm ISO
13216-1 ein. Heute bekannt im Markt unter
der Bezeichnung „ISOfix-System“.
(Quelle: „Gut in Norm“, VOLKSWAGEN magazin 1/2000, S. 82-85)
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Unternehmerischer Nutzen der Normung
Normung bringt Wettbewerbsvorteile
Aktive Einflussnahme
Die Beeinflussung von Normungsergebnissen
in die gewünschte Zielrichtung ist ein
wichtiges strategisches Instrument, um
Wettbewerbsvorteile zu erlangen.
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Unternehmerischer Nutzen der Normung
Normung bringt Wettbewerbsvorteile
Fallbeispiel
Brillengläser
Eine in der ISO beantragte Verkleinerung
des Toleranzbereiches auf ca. +/- 0,08 dpt
hätte die Herstellkosten bei der Firma Zeiss
Augenoptik um ca. 2,6 Mio. Euro pro Jahr
erhöht.
Durch eine von Zeiss eingebrachte fachliche
Expertise konnte der Toleranzbereich von
Brillengläsern im praxiserprobten Bereich
von
+/- 0,12 dpt festgelegt werden.
Zeiss blieben Zusatzkosten in Millionenhöhe
erspart.
(Quelle: DIN, NA Feinmechanik und Optik)
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Unternehmerischer Nutzen der Normung
Normung bringt Wettbewerbsvorteile
Wissens- und Zeitvorsprung
Jedes zweite der befragten
Unternehmen sieht einen wesentlichen
Anreiz für die Teilnahme am
Normungsprozess in dem hieraus
resultierenden Zeit- und Wissensvorsprung.
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Die Entwicklung der Normung
Innovationen
Prozesse
Produkte
R&D phase
standardization
proaktiv
reaktiv
1917
1993
2012
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Normung und Standardisierung unterstützen
den Innovationsprozess
Forschungsergebnisse marktfähig
machen!
Invention
Normen &
Standards
Marktdurchdringung
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Innovation: Was ist das?
Innovation ist mehr als eine „Idee“ oder „Erfindung“
Als Innovation bezeichnet man die erfolgreiche Einführung und
Umsetzung von neuen oder signifikant verbesserten Produkten,
Prozessen, Methoden, …
Innovation = Idee + Invention + Diffusion
 Normung unterstützt die Diffusion
 Normung ist ein wichtiges Instrument im Innovationsprozess
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Beispiel: Innovatives Prüfverfahren für
Leichtbauwerkstoffe
DIN SPEC 4885:2014-01
„Faserverstärkte Kunststoffe – Schubversuch
mittels Schubrahmen zur Ermittlung der
Schubspannungs-/Schubverformungskurve
und des Schubmoduls in der Lagenebene“
 legt ein Verfahren zur Bestimmung der Schubeigenschaften von
faserverstärkten Kunststoffen FVK fest
 das Prüfverfahren zeichnet sich vor allem dadurch aus, dass es schnell
durchführbar ist und sehr präzise Messwerte mit geringer Streuung liefert
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Ausblick: Nutzen der Normung
Normung rechnet sich:
Der volkswirtschaftliche Nutzen der Normung
beträgt ca. 16,8 Mrd. Euro p. a. (0,72% BIP in 2006)
Der wirtschaftliche Nutzen, den ein Unternehmen
aus der Normung zieht, übersteigt die eigenen
geldwerten Aufwendungen für die überbetriebliche
Normung bei weitem.
Jhrl. Kosten der Normung in D: ca. 1 Mrd. €
Jhrl. Nutzen der Normung in D: ca. 17 Mrd. €
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Nutzen der Normung – Aktualisierung der Studie
 Aktualisierte Studie 2011 zum Nutzen der Normung (erste
Studie aus 2000) bestätigt, dass Normen in signifikanter
Weise die Wissensdiffusion und somit das Wirtschaftswachstum fördern (PDF verfügbar im ISIS-Kurs)
 Normen führen darüber hinaus auch zu einem nicht direkt
messbaren volkswirtschaftlichen Nutzen
 Sicherheitsnormen reduzieren Unfälle und deren
Folgekosten (z.B. am Arbeitsplatz)
 Normen helfen beim Umweltschutz und erhöhen damit
den Lebensstandard
 Normen entlasten den Staat in der Gesetzgebung 
Legitimierung für die Integration von Normung und
Standardisierung in politischen Programmen
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Kunst als Abbild der Natur
Kunst als Abstraktion der Wirklichkeit
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