„Wir haben keine Lobby“

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POLITIK & GESELLSCHAFT
Luxemburger Wort
Donnerstag, den 30. Juli 2015
Kräftemessen: „Am Ende haben Protection civile und Pompjeeën der Politik gemeinsam den Arm gebogen“, interpretiert Marc Mamer den Auslöser der Reform.
(FOTOS: CHRIS KARABA)
Reform der Rettungsdienste
„Wir haben keine Lobby“
Marc Mamer, Präsident des „Pompjeesverband“, über Stärken und Schwächen der angedachten Reorganisation
VON MARC SCHLAMMES
Die Formel klingt denkbar einfach:
Aus zwei mach eins! Anfang 2016
will Innenminister Dan Kersch Protection civile und freiwillige Feuerwehren unter einem Dach vereint
haben. Marc Mamer bezeichnet
diese Frist als „ganz optimistisch“,
rechnet mit ein bis zwei Jahren
Umsetzungszeit. Der Präsident des
„Pompjeesverband“ selbst zeigt
sich derweil zuversichtlich, was die
Richtung der Reform der Rettungsdienste betrifft.
Die beiden jüngsten Großfeuer in
der Hauptstadt („Cat Club“ in
Hollerich, rue Origer im Bahnhofsviertel) offenbaren, dass Luxemburg vor schlimmeren Brandkatastrophen nicht gefeit ist. „Auch
wenn das Gefahrenpotenzial im
Straßenverkehr zugenommen hat,
dürfen wir das Thema Brandschutz nicht vernachlässigen“, gibt
Marc Mamer zu bedenken. Im
gleichen Atemzug weist der Vorsitzende des Feuerwehrverbandes
auf den für ihn wichtigsten Aspekt der Reform hin: die Ausbildung. „Wir müssen in Theorie und
Praxis eine weitreichende Formation anbieten“, vergleicht er die
Ausbildung der Rettungskräfte mit
der eines Allgemeinmediziners.
Bedenklich stimmt ihn allerdings, dass dem Kapitel Ausbildung bei der Reform nicht die notwendige Bedeutung beigemessen
werde. „Unter ferner liefen“ sei sie
angesiedelt, als eine von fünf Einheiten des künftigen Etablissement public, zusammen mit dem
Médico. Ginge es nach Marc Mamer, würde die Formation direkt
dem Generaldirektor unterstellt,
mit einem hauptamtlichen Leiter,
der auch damit betraut würde, die
Ausbildung zwischen nationaler,
regionaler und lokaler Ebene zu
koordinieren und zu steuern.
Erst einmal ist der Präsident des
„Pompjeesverband“ froh darüber,
dass die seit Jahren geforderte Reorganisation nun auf den Schienen steht und der Reformzug Fahrt
aufnimmt. Dass es so lange gedauert hat, führt Marc Mamer darauf zurück, dass das Rettungswesen nicht zu den Prioritäten der
Politik zählt. Dass Mitte 2015 ein
konkretes Reformprojekt vorliegt,
führt Mamer auf die Beharrlichkeit der Akteure zurück, die ihrerseits vom Nebeneinander zum
Miteinander übergegangen seien.
„Am Ende haben Protection civile
und Pompjeeën der Politik gemeinsam den Arm gebogen.“
Auffallen tut derweil, dass Reformvorhaben von ähnlicher
Tragweite von der breiten Öffentlichkeit als diskussionswürdig erachtet werden – die Neuausrichtung der Rettungsdienste indes
wird vornehmlich im Mikrokosmos von Zivilschutz und Feuerwehren kommentiert. „Wir haben
keine Lobby“, lautet die schlichte
Erklärung von Marc Mamer, der
nicht ohne Bedauern feststellt,
dass der Feuerwehr in Luxemburg
das Renommee der Kollegen in
Frankreich und den USA fehlt. Ein
Umstand, der seiner Meinung nach
teils einer „amateurhaften“ Öffentlichkeitsarbeit geschuldet sei.
Soll die Reform reüssieren,
müssen für Marc Mamer zwei Kriterien erfüllt sein: „Es müssen ausreichend Leute vorhanden sein
und es muss genügend Geld da
sein.“ Auch wenn sich seine Föderation aus der Finanzierung des
Etablissement public heraushalte,
so hofft der Vorsitzende doch, dass
die Reform mit dem Argument, 50
oder 100 Euro pro Jahr pro Einwohner seien zu viel, von den Gemeinden nicht in Frage gestellt
werde. Ausschlaggebendes Argument bei der Finanzierung müsse
der Solidaritätsgedanke zwischen
den Gemeinden sowie zwischen
Gemeinden und Staat sein.
Dass die Personal- und die
Geldfrage nicht voneinander getrennt beantwortet werden können, zeigt sich für Mamer am künftigen
Miteinander
zwischen
hauptberuflichen Helfern und
Freiwilligen. „Langfristig stellt sich
die Frage, was billiger wird: eine
Berufsfeuerwehr oder eine freiwillige Feuerwehr.“
Marc Mamer setzt dabei auf das
freiwillige Engagement, das Feuerwehr und Protection civile seit
vielen Jahrzehnten auszeichnet.
Was voraussetzt, dass mit der Reform auch die Rahmenbedingungen geschaffen werden, um das
freiwillige Engagement zu erhalten. Neben einer angemessenen
Ausbildung denkt Mamer an die
Anerkennung des Engagements,
beispielsweise via Pensionssystem. Von finanziellen Entschädigungen wie dem einen Euro pro
geleistete Stunde Bereitschaftsdienst hält er wenig; er kann aber
nachvollziehen, dass sie besonders für jugendliche Helfer einen
Anreiz darstellen.
Eine große Herausforderung bei
der Umsetzung der Reform besteht nach Einschätzung des Feuerwehrpräsidenten im geordneten
Miteinander zwischen haupt- und
ehrenamtlichen Helfern. Dabei ist
sein Standpunkt klar: „Hauptamtliche Helfer sollen die Freiwilligen unterstützen, sie sollen sie
nicht ersetzen.“ Mit dem überörtlichen Zusammenlegen von Frei-
„
Hauptamtliche Helfer
sollen Freiwillige
unterstützen und
nicht ersetzen.“
Marc Mamer
willigen verhalte es sich wie mit
einer Pflanze, so Mamer. „Wenn
die Wurzeln bis gekappt sind,
stirbt sie aus.“
Mit Blick auf die hauptberufliche Variante sieht Marc Mamer
zwei Aufgaben, die auf die Politik
warten: zum einen die Festlegung
eines Statuts, gehe es doch darum,
Karriereperspektiven aufzuzeichnen. Heute schon sei man in den
Gemeinden mit einer „schleichenden Professionalisierung“ der
Feuerwehren konfrontiert, ohne
dass die Frage des Statuts geklärt
sei, gibt er zu bedenken.
Zum anderen geht es um die
Einbettung der hauptstädtischen
Berufsfeuerwehr in das Etablissement public. Der Präsident des
„Pompjeesverband“ kann sich einen Start des Etablissement public
ohne das Korps von der Route
d'Arlon vorstellen „Mittelfristig
gehören sie aber dazu.“ Zurzeit
sind die politisch Verantwortlichen etwas zurückhaltend, da sie
befürchten, die Berufsfeuerwehr
könne ausbluten, wenn sich ihren
Mitgliedern
neue
berufliche
Chancen in den Regionen auftun.
Verteilt werden sollen die Rettungskräfte auf 107 Einsatzzentren, die ihrerseits je nach Leistungsstand in fünf Klassen unterteilt sind. Bei der endgültigen
Festlegung der Standorte und der
Zusammenarbeit zwischen Zentren erwartet sich Marc Mamer
„pragmatische Lösungen“ und
„Flexibilität“. Regionale Notfallversorgung und lokale Verankerung, zu der für den Feuerwehrpräsidenten auch die soziale Verwurzelung der Wehren zählt, gehören aufeinander abgestimmt.