Karfreitag - Hoffnungskirche zu Pankow

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Evangelische Hoffnungskirchengemeinde Berlin-Pankow
PREDIGT am Karfreitag.2016
Textgrundlage: 2Kor5,19-21
Von Pfarrerin Margareta Trende
Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des
Heiligen Geistes sei mit euch allen. Amen
Liebe Gemeinde,
Es ist Karfreitag. Karfreitag ist ein Feiertag.Auch wenn die meisten Deutschen keine
Christen sind, so ist der Karfreitag doch in unserem Land ein gesetzlich geschützter
Feiertag. Die Christen gedenken der Kreuzigung Jesu und die Gesellschaft respektiert
dies.Warum tut sie das?
Wir werden doch täglich mit einer Unzahl von Todesmeldungen konfrontiert: Menschen sterben vor Hunger oder auf der Flucht, bei Terroranschlägen oder im Krieg,bei
Autounfällen oder vor Kälte auf den Straßen unsrer Stadt. Sinnlos gestorben wird
immer wieder.
Obwohl es also gar nichts Besonderes, sondern etwas schrecklich Alltägliches ist,
dass unschuldiges Blut fließt, gedenkt man Jesu Christi, dieses einen Toten,heute am
Karfreitag in so besonderer Weise.
Auch der Tod an Jesus von Nazareth war zunächst ein sinnloser, unrechtmäßiger Justizmord: Ein friedlicher Wanderprediger, dem Menschen gefolgt waren, wurde von
verschiedenen Seiten als Bedrohung empfunden und deshalb qualvoll hingerichtet.
Das Kreuz ist zunächst der Ort, an dem Gottes Weg in dieser Welt scheiterte: Der Gott
entsprechende Mensch,Jesu von Nazareth,wurde zum Opfer des menschlichen Hasses. Nur von Ostern her, von Jesu Auferstehung, von Gottes wiederholtem Ja zu diesem Jesus, wird das Kreuz, zu einem Ort, der über dieses Scheitern hinaus führt.
Deshalb lässt der Evangelist Johannes den sterbenden Jesus sagen: „Es ist vollbracht“
Doch was ist da vollbracht?Was ist das Besondere am Tod Jesu Christi, dass auch wir
heute hier in Pankow im Jahr 2016 diesen Karfreitag in aller Stille und Festlichkeit begehen?
Der Apostel Paulus schreibt der Gemeinde von Korinth:Denn Gott war in Christus und
versöhnte die Welt mit sich selber und rechnete ihnen ihre Sünden nicht zu und hat unter
uns aufgerichtet das Wort von der Versöhnung. So sind wir nunBotschafter an Christi
statt, denn Gott ermahnt durch uns; so bitten wir nun an Christi statt: Lasst euch versöhnen mit Gott! Denn er hat den, der von keiner Sünde wusste, für uns zur Sünde gemacht,
damit wir in ihm die Gerechtigkeit würden, die vor Gott gilt.
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Das Wort „Kreuz“ kommt in diesem Karfreitagspredigttext gar nicht vor. Und Paulus
redet sonst oft vom Kreuz. Hier fehlt es. Stattdessen schreibt der Apostel von der Versöhnung. Versöhnung klingt auch für uns verständlicher
Versöhnung meint im ursprünglichen Sinne „Tausch“. Zwei Seiten treten in einen
Austausch, an dessen Ende, ein Streit befriedet ist. Versöhnung ist einwechselseitiges
Geschehen. Man versöhnt sich miteinander. Hände werden einander gereicht. Jeder
kommt ein bisschen auf den anderen zu. Ein Kompromiss wird gesucht. Ein Streit
wird einvernehmlich geschlichtet. Und wenn die Schuld doch auch einmal nur einseitig zu suchen und zu finden ist, dann liegt es an dem Schuldigen, sich zu entschuldigen. In jedem Falle ist entscheidend: Beide Seiten müssen zur Versöhnung bereit sein.
Versöhnung ist nach unserem Verständnis ein wechselseitiges Geschehen.
Paulus schreibt von der Versöhnung etwas anders. Zwar gibt es auch bei ihm zwei
Seiten: Gott und die Welt, doch er schreibt nicht „Gott und die Welt haben sich versöhnt, sondern „Gott war in Christus und versöhnte die Welt mit sich selber“
Nicht der schuldig gewordene Mensch kommt zu Gott und bittet um Entschuldigung,
sondern einzig und allein von Gott geht die Versöhnung aus. Gott selbst ist dabei der
Spender und Verursacher der Versöhnung. Er ist nicht derjenige, der versöhnt werden
muss –wie es manche Traditionen und auch Passionslieder zum Ausdruck bringen.
Gott ist nicht ein Gott, dessen Zorn gestillt werden muss. Nein, davon schreibt Paulus
nichts. Nicht Gott ist versöhnungsbedürftig, sondern wir Menschen und unsere Welt.
Das spüren wir immer wieder. Ein Blick in die Zeitungen und Nachrichtensendungen
reicht dafür aus. Und auch in unserem täglichen Umfeld, erleben wir, wie versöhnungsbedürftig wir Menschen sind. Da gibt es den Streit in Familien, in der Nachbarschaft oder unter Freunden. Vorwürfe werden gegenseitig erhoben, böse Blicke gewechselt und oft breitet sich nur noch ein undurchdringliches Schweigen aus.
Aber auch, wenn wir auf uns selbst gucken, fällt es uns oft schwer, uns so anzunehmen, wie wir sind. Wir leiden unter unserer Ungeduld und Neid, aber auch unter unserer Ohnmacht und unserer Gebrechlichkeit. Unsere Unvollkommenheit steht uns
häufig im Weg. Da gibt esEreignisse, die wir am liebsten ungeschehen machen wollen. Innerliche Wunden, die einfach nicht heilen wollen. Dann fangen die Gedanken
zu kreisen an: „Hätte ich nur nicht…!“ oder „Wäre ich doch…!“ Martin Luther sagte
einmal „Sünde ist das Verkrümmtsein des Menschen in sich selbst“. Sünde bedeutet
also: Der Mensch ist so fixiert auf sich selbst, dass er sich weder für Gott noch für
andere Menschen öffnen kann.
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Aber genau an diesem Punkt setzt Karfreitag, setzt die Versöhnung, von der Paulus
spricht an: Denn er hat den, der von keiner Sünde wusste, für uns zur Sünde gemacht,
damit wir in ihm die Gerechtigkeit würden, die vor Gott gilt.
Wenn wir diese Worte ernst nehmen, heißt das: Wir können alles, was uns von Gott
trennt, auch das, was uns selbst unversöhnt leben lässt, Jesus nachsagen. Wir müssen es nicht bei anderen Menschen suchen und ihnen nachsagen, sondern wir dürfen
es Jesus anhängen, ans Kreuz heften, Gott übergeben.
Das ist der Tausch, den Gott im Gekreuzigten vollbringt: Er tauscht mit uns. Er nimmt
unsere Sünde, unseren Kleinmut und unsere Missgunst, aber auch unsere eigene
Traurigkeit und Zweifel an und sieht in uns nichts anderes als gerechtfertigte und
damit gerechte Menschen.So können wir befreit uns erhobenen Hauptes leben.
Diese Versöhnung ist mit Karfreitag vollbracht! Sie ist vollbracht, wenn Jesus am
Kreuz sagt: „Es ist vollbracht!“
Gott will versöhnen, damit jede und jeder von uns versöhnt leben kann.Das kann helfen, den ersten Schritt auf den anderen zuzugehen. Das kann uns ermutigen böse Blicke durch ein freundliches Lachen zu ersetzten Und das kann uns bestärken mit einem Gespräch das verbitterte vorwurfsvolle Schweigen aufzulösen. Das ist nicht
leicht. Nein, wirklich nicht. Doch manchmal ist es fast schwerer im Streit und der
Verbitterung zu leben, weil sie mich nicht loslassen, mich festhalten und so am Leben hindern.
„Gott versöhnte die Welt mit sich selber.“ Gott hat Versöhnung vollbracht. Nicht unsere Frömmigkeit, unsere Kirchenzugehörigkeit, nicht einmal unser Glaube an Gott
waren dazu notwendig, einzig und allein Gottes Liebe und Erbarmen.
Und deswegen gilt die Versöhnung auch heute nicht nur den glaubensstarken Christen. Sie gilt den Zweiflern ebenso wie den Unentschlossenen. Sie gilt allen, wirklich
allen!
Wenn das kein Grund für einen gesetzlich geschützten Feiertag ist!
Wir alle dürfen als versöhnte Menschen leben, versöhnt mit der Welt,mit anderen
Menschen und mit unserer eigenen Lebensgeschichte. Amen