Predigt zur Einführung des neuen Kirchenvorstandes 6. September 2015 Liebe Gemeinde, heute werden also die Menschen, die unsere Gemeinde leiten in ihr Amt eingeführt, der Kirchenvorstand. Das sind diejenigen, die zwei Kirchen, einen Kindergarten, drei Pfarrhäuser und ein Gemeindezentrum, eine Friedhof und einen Millionenhaushalt verantworten. Diejenigen, die die gesamte Gemeindearbeit also Gottesdienste und Konfirmandenarbeit, Freizeiten, die Musik, die Besuche, die Ökumene, den Gesprächskreis im Quellenhof, die Freizeiten und alles andere verantworten. Das sind diejenigen, die nach außen für „die Kirche“ in unserer Stadt stehen und geistlich dafür, dass Menschen durch und bei uns Christus erleben können. Das ist nicht gerade eine kleine oder unbedeutende Aufgabe. Gut, es sind immerhin 14 gewählte, mit uns Hauptamtlichen sind wir 19 Personen im KV, so dass es sich etwas verteilt, aber es bleibt immer noch sehr vi el Verant wort ung. Zumal alle berufstätig sind (oder unmittelbar davor) und man eigentlich schon genügend Sorgen hat. Jetzt tragt ihr auch noch Sorge für die Gemeinde? Gleichzeitig haben wir eben in der Schriftlesung gehört, dass wir uns allesamt nicht sorgen sollen. Sondern wir sollen sorgenfrei oder sorglos leben, wie die Vögel am Himmel oder die Blumen auf dem Feld. Sorglos eine Gemeinde leiten? Klingt schön, aber: Wie soll man sich nicht sorgen und dabei gleichzeitig Verantwortung tragen? Jesus führt ein Gegengewicht zu den Sorgen ins Feld, ein wahres Schwergewicht: Gott sorgt für uns. Und hier im Text geschieht das auf eine leichte, geradezu unaufdringliche Weise. Jesus tritt zwischen uns und unsere Sorgen, indem er uns mit Bildern versorgt, die leicht und heiter wirken. Liebe Gemeinde, ich finde das eine wunderbaren Rat, mit der Schwere von Verantwortung und Sorgen umzugehen: ihnen etwas Heiteres entgegenzusetzen. Wir machen das im Kirchenvorstand auch wirklich, liebe Gemeinde: da wird viel gelacht und gewitzelt und viel gearbeitet und beraten. Ich glaube das ist eine Erklärung, warum bei uns Menschen gerne mitwirken. Es macht hier miteinander auch oft genug viele Freude. Natürlich ist es nicht der einzige Grund. Aber es tut uns gut, auch einmal selbstironisch auf die eigene Gemeinde zu schauen, leichtmütig, um die Dimension wieder in den Blick zu bekommen. Denn bei aller Arbeit und Mühe: Gott sorgt für uns. Nur so kann man so viel Verantwortung für die Gemeinde Christi mit tragen und wenn wir es spüren, können wir unsere ganz konkreten Sorgen: die privaten und auch die um eine Gemeinde Gott sagen und vor allem Gott überlassen. Wenn wir zuerst nach dem Reich Gottes trachten und nach seiner Gerechtigkeit, dann wird uns alles andere zufallen, vielleicht sogar im Schlaf, wie es im Eingangspsalm hieß: „Den Seinen gibt’s der Herr im Schlaf.“ Allerdings, liebe Gemeinde: das klingt schon sehr hochtrabend und wenig praktisch. Auch Sitzungen eines Kirchenvorstandes befassen sich – wirklich nicht nur, aber natürlich auch sehr intensiv mit Bauvorhaben, Personalangelegenheiten oder Verwaltung. Es geht darum, in einer Gemeinde einen Rahmen zu schaffen, damit Menschen sich hier geistlich beheimatet fühlen und neue hinzukommen. Ist das schon das Reich Gottes? Nicht nur, aber manchmal auch. Denn Kirchengemeinden haben nicht nur diesen Anspruch, sondern manchmal erleben und spüren wir gerade hier: dass Gott mitten unter uns ist, dass wir andere so akzeptieren können, wie sie sind, sogar wenn sie uns total nerven. Manchmal spüren wir hier eine Zusammengehörigkeit über alle Unterschiede hinweg und Begeisterung, die wir nur mit Gottes Geist erklären können. Manchmal leben wir hier viel gerechter und friedvoller miteinander als wir uns das zugetraut hätten. Nicht immer, aber manchmal eben schon und dann erahnen wir in unserer Gemeinde am besten, wie das Reich Gottes sein wird. Das klingt groß und der Theologe Fulbert Steffensky hat über solche Texte gesagt, dass ihre Würde in ihrer Unbescheidenheit liegt, weil sie die Sprache der Sehnsucht sprechen. Glaube darf also unbescheiden sein und den Mund voll nehmen, sofern man nicht sich selbst meint oder ….mit Gott verwechselt. Anspiel (Ingo Schütz als „übereifriger Kirchenvorsteher“ und Gerald Wollmann als „Gott“) Kurzfassung des Anspiels: Im Anspiel verwechselt sich der Kirchenvorsteher mit dem Weingärtner, wird dabei aber zum Glück von Gott gebremst. Er bringt einen Weinstock (=die Gemeinde), will mit einem Fieberthermometer den Reifegrad der Trauben messen (= Spiritualität der Gemeinde), den Weinstock düngen (=den Gemeindemitgliedern genügend Kraft geben) und den Weinstock mit einer Kettensäge beschneiden (=überflüssiges abschaffen). Gott weist ihn geduldig darauf hin, dass er vergessen hat, an sich selbst zu arbeiten und vor allem, dass er sich wohl mit dem Weingärtner verwechselt. Das Stück endet: damit dass Gott sagt: „Ich dachte eigentlich: Ich bin der Weingärtner.“ 2. Predigtteil Liebe Gemeinde, Ähnlichkeiten mit lebenden Personen sind wirklich keine Absicht, zumal ich das Stück nicht ge- sondern nur umgeschrieben habe. Am Sonntag, den 26. April, als wir diesen KV gewählt haben, war der Predigttext aus dem Joh. (15, 5), in dem Jesus sagt: „Ich bin der Weinstock, ihr seid die Reben. Wer in mir bleibt und ich in ihm, der bringt viel Frucht; denn ohne mich könnt ihr nichts tun.“ Damals habe ich auch einiges über die Aufgabe von Gemeindeleitung gesagt, die sich um eine gute und ausgewogene Mischung von Menschen und Angeboten in einer Gemeinde kümmern soll. Das Vertrauen, dass Gott es schon richten wird - kam damals bewusst etwas kürzer. Heute ist das – bewusst – anders gewichtet. Nicht, weil ich Euch, oder besser gesagt uns bremsen will, sondern um uns allesamt an unsere Grundlage und Kraftquelle zu erinnern: an Gott, der uns in Jesus Christus begegnet und erhält. Dieser neu gewählte Kirchenvorsteher meinte, die Gemeinde selbst am besten leiten zu können und hat sich leider mit dem Weingärtner verwechselt. Das hätte schief gehen können, wenn Gott nicht eingegriffen hätte. In der Realität geht es auch bisweilen schief, denn Gott ist immer der bessere Weingärtner. Darum, liebe Gemeinde, wenn wir eine Gemeinde leiten und mit Leben füllen wollen, müssen wir zuallererst an Christus hängen, unseren Kontakt zu ihm pflegen und auf ihn vertrauen, einzeln und als Gemeinde. „Trachtet zuerst nach dem Reich Gottes“, sagt Jesus dazu oder mit dem Bild des Weinstocks: „Bleibt an mir hängen.“ Zwei verschiedene Worte, zwei unterschiedliche Bilder: aber beide betonen, dass wir nicht die Gemeinde Christi „machen“ können, sondern dass wir nur weitergeben und entfalten können, was uns selbst erfüllt. Neben allem Praktischen geht es vor allem um unseren Glauben, der wir lebendig erhalten müssen. Das geht, indem wir beten oder miteinander über die Bibel reden, indem wir Gottesdienste feiern oder in der Stille Gott suchen, indem wir etwas für andere machen oder wodurch auch immer wir unseren Glauben stärken. Das alles, liebe Gemeinde, ist weder neu noch überraschend, aber im Alltag, auch in einem Gemeindealltag, vergessen wir das allzu oft und beginnen alles alleine zu machen. Aber: wir sind nicht der Weingärtner. Es kann sein, dass unsere Zukunftsvorstellung von Christi Gemeinde nicht mit seiner identisch ist. Es kann sein, dass er andere Bereiche einer Gemeinde stärken oder beschneiden wird. Es kann sein, dass er ganz anderes aufblühen lässt oder uns längere Dürrezeiten zumutete. Das wissen wir nicht, weil Glaube immer ein „sich Gott anvertrauen“ bedeutet und das muss man auch für eine Gemeinde aushalten. Sich nicht mit dem Weingärtner zu verwechseln bedeutet, die eigenen Ideen und Bedürfnisse im Lichte Christi kritisch zu überprüfen und auch mal zu relativieren. Sich nicht mit dem Weingärtner zu verwechseln bedeutet, auch etwas demütiger zu sein… als wir das manchmal sind. Sich nicht mit dem Weingärtner zu verwechseln bedeutet, eine enorme Befreiung von der Sorge um diese Gemeinde. Denn Gott sorgt für sie. Wir haben Gründe, uns um den Bestand und die äußere Form von Gemeinden und unserer Kirche Sorgen zu machen. Wir werden immer weniger, auch wir die Christuskirche, schrumpft kontinuierlich. Wir haben Grund uns zu sorgen, weil immer weniger Menschen wissen, was es eigentlich bedeutet, an diesen dreieinigen Gott zu glauben und dann auch noch evangelisch zu sein. Wir haben Gründe, uns zu sorgen, aber liebe Gemeinde, wir müssen uns nicht darum sorgen, dass Gott mitten unter uns ist, dass er die Welt und auch eine irgendwie geartete Kirche erhält. Nachher heißt es im Artikel 6 unserer Kirchenordnung, dass der Kirchenvorstand dafür sorgen soll, dass Gottes Wort lauter verkündet und die Sakramente (Taufe und Abendmahl) recht verwaltet werden. Das ist unsere Sorge. Aber dass Gottes Wort wirkt, dass es Menschen bewegt und verändert, dass Christus in der Taufe und im Abendmahl zu uns kommt – dafür müssen wir nicht sorgen, dafür sorgt Gott. Solche Sorge können wir auf ihn werfen und dann können wir uns um das andere kümmern. Damit haben wir genug zu tun. Amen Pfarrerin Ulrike Mey
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