Geringverdiener - Drucken - TK-Lex

Geringverdiener – Haufe Redaktion, Prof. Dr. jur. Tobias Huep, Dipl.-Kffr. Carola Hausen, Stefan Seitz – TK Lexikon Ausbildung –
23. November 2015
Geringverdiener
HI521237
Zusammenfassung
LI1911604
Begriff
Der Begriff "Geringverdiener" stammt aus dem Sozialversicherungsrecht. Darunter fallen Auszubildende, deren
monatliches Arbeitsentgelt 325 EUR nicht übersteigt. Für diesen Personenkreis trägt der Arbeitgeber den
Gesamtsozialversicherungsbeitrag alleine.
Gesetze, Vorschriften und Rechtsprechung
Sozialversicherung: Für alle Zweige der Sozialversicherung gilt einheitlich § 20 Abs. 3 SGB IV. Alle arbeitsrechtlichen
Vorschriften finden Anwendung. Der Allgemeine Gleichbehandlungsgrundsatz ist zu beachten.
Kurzübersicht
Entgelt
LSt
Bei betrieblicher Berufsausbildung bis 325 EUR pflichtig*
SV
pflichtig**
* keine Lohnsteuer bei Steuerklasse I – IV
** Gesamtbeitrag vom Arbeitgeber getragen
Beratungsblatt
HI7663073
Weitere Informationen und Unterstützung zu diesem Thema finden Sie im Firmenkunden-Beratungsblatt Geringfügige
Beschäftigungen.
Arbeitsrecht
HI726915
Geringverdiener sind Arbeitnehmer, die unter den in § 8 SGB IV genannten Verdienstgrenzen liegen. Diese Grenze hat für die
arbeitsrechtliche Qualifikation keine Bedeutung. Auf gering verdienende Beschäftigte sind grundsätzlich dieselben
arbeitsrechtlichen Vorschriften anzuwenden wie auf sonstige Arbeitnehmer. [ 1 ] Der geringere Verdienst darf nicht zum
Ausschluss von Leistungsansprüchen (Sozialleistungen, Altersversorgung) führen. [ 2 ] Den Geringverdiener treffen
Aufklärungspflichten bzgl. weiterer Beschäftigungsverhältnisse. [ 3 ]
Lohnsteuer
HI726916
Steuerrechtlich kommt für die Versteuerung des Arbeitslohns nur die individuelle Versteuerung nach den ELStAM infrage.
Aufgrund des niedrigen Arbeitslohns kommt es praktisch zu keinem Lohnsteuerabzug, da das Einkommen eines
Geringverdieners unterhalb des steuerrechtlichen Grundfreibetrags liegt - sofern dies das einzige Einkommen ist, das er
bezieht.
Im Gegensatz zum geringfügig entlohnten Beschäftigungsverhältnis kann der Arbeitslohn eines Geringverdieners nicht
pauschal besteuert werden.
Sozialversicherung
1 Anwendung der Geringverdienergrenze
HI726917
HI2809902
Als Geringverdiener gelten Auszubildende mit einem geringen Entgelt (bis zu 325 EUR). Die Geringverdienergrenze gilt
bundeseinheitlich in allen Sozialversicherungszweigen.
Achtung
Geringverdienergrenze nicht verwechseln mit Entgeltgrenze bei Minijobs
Nicht zu verwechseln sind diese Personen mit den geringfügig entlohnt Beschäftigten (Entgeltgrenze 450 EUR).
Die Geringverdienergrenze hat nur für die Dauer der Berufsausbildung Bedeutung. Beträgt das beitragspflichtige Arbeitsentgelt
auf den Monat bezogen nicht mehr als 325 EUR, trägt der Arbeitgeber den Beitrag allein. [ 4 ] Der Arbeitgeber muss auch die
Arbeitnehmeranteile übernehmen und darf sie nicht vom Entgelt des Auszubildenden einbehalten.
Bei allen anderen versicherungspflichtigen Arbeitnehmern, die nicht zu ihrer Berufsausbildung beschäftigt sind, werden die
Beiträge vom Arbeitnehmer und Arbeitgeber grundsätzlich je zur Hälfte getragen. Das gilt dann auch bei einem Entgelt von nicht
mehr als 325 EUR monatlich.
2 Beitragszuschlag zur Pflegeversicherung und Zusatzbeitrag zur Krankenversicherung
HI2809903
Bei Geringverdienern ist der Arbeitgeber verpflichtet, auch den Beitragszuschlag für Kinderlose zur Pflegeversicherung in Höhe
von 0,25 % alleine zu tragen.
Für den Personenkreis der Geringverdiener ist in der Krankenversicherung nicht der kassenindividuelle Zusatzbeitragssatz [ 5 ] ,
sondern der durchschnittliche Zusatzbeitragssatz [ 6 ] maßgebend. Der Arbeitgeber ist auch hier verpflichtet, diesen alleine zu
tragen.
Achtung
Durchschnittlicher Zusatzbeitrag fällt immer an
Der durchschnittliche Zusatzbeitragssatz muss auch dann entrichtet werden, wenn die Krankenkasse bei der der
Geringverdiener versichert ist, keinen kassenindividuellen Zusatzbeitragssatz erhebt.
3 Ermittlung für Teilmonate
HI2809904
Wird das Arbeitsentgelt nur für Teilmonate gezahlt, z. B. bei Beginn oder Ende der Beschäftigung im Laufe eines Monats, ist eine
entsprechende anteilige Geringverdienergrenze nach folgender Formel zu ermitteln:
Tage des Teilmonatszeitraums
325 EUR ×
30
4 Überschreiten der Geringverdienergrenze durch Einmalzahlung
HI2330600
Der Grenzwert von 325 EUR kann durch eine Einmalzahlung in einzelnen Monaten überschritten werden. In diesem Fall tragen
Auszubildender und Arbeitgeber den Beitrag von dem 325 EUR übersteigenden Teil des Arbeitsentgelts grds. jeweils zur
Hälfte. [ 7 ] Der Arbeitgeberbeitrag zur gesetzlichen Krankenversicherung beträgt dabei die Hälfte des allgemeinen
Beitragssatzes (seit 2015: 7,3 %). Der Arbeitnehmeranteil zur gesetzlichen Krankenversicherung beträgt seit 2015 ebenfalls
7,3 %, zzgl. des durchschnittlichen Zusatzbeitragssatzes in der Krankenversicherung. Der Auszubildende trägt darüber hinaus
den Beitragszuschlag zur Pflegeversicherung in Höhe von 0,25 % allein, soweit dieser auf den Anteil des Entgelts fällig ist,
welcher den Betrag von 325 EUR übersteigt. Die auf das Arbeitsentgelt bis zum Grenzwert von 325 EUR entfallenden Beiträge,
einschließlich des Beitragszuschlags zur Pflegeversicherung und des durchschnittlichen Zusatzbeitragssatzes zur
Krankenversicherung, trägt der Arbeitgeber allein.
Praxis-Beispiel
Überschreiten durch Einmalzahlung
Eine kinderlose Auszubildende (23 Jahre) erhält monatlich ein laufendes Arbeitsentgelt in Höhe von 300 EUR. Im
Dezember erhält sie zusätzlich ein Weihnachtsgeld in Höhe von 200 EUR.
Lösung: Zunächst trägt der Arbeitgeber aus dem Grenzwert von 325 EUR den Gesamtsozialversicherungsbeitrag, inkl.
Beitragszuschlag zur Pflegeversicherung und des durchschnittlichen Zusatzbeitragssatzes in der Krankenversicherung,
alleine. Aus den verbleibenden 175 EUR werden die Beiträge im Dezember zur Kranken-, Pflege-, Renten- und
Arbeitslosenversicherung jeweils hälftig zulasten der Auszubildenden und des Arbeitgebers berechnet. Zusätzlich hat
die Auszubildende den durchschnittlichen Zusatzbeitragssatz zur Krankenversicherung und den Beitragszuschlag zur
Pflegeversicherung in Höhe von 0,25 % von 175 EUR alleine tragen.
4.1 Einmalzahlung in Teilmonaten
HI2809905
Diese Regelung gilt jedoch nur, wenn der Grenzwert durch einmalig gezahltes Arbeitsentgelt überschritten wird. Hat während
des Monats, dem die Einmalzahlung zuzuordnen ist, teilweise oder vollständig Beitragsfreiheit vorgelegen (z. B. wegen
Krankengeldbezug), kann die Einmalzahlung nicht für sich allein betrachtet werden. Vielmehr ist in diesen Fällen für die
ausgefallene laufende Ausbildungsvergütung eine fiktive Vergütung anzusetzen. Das bedeutet, dass für die beitragsfreie Zeit
fiktiv die laufende Ausbildungsvergütung anzusetzen ist. Überschreitet die Einmalzahlung zusammen mit der fiktiven
Ausbildungsvergütung die Geringverdienergrenze, hat der Auszubildende lediglich von dem die Geringverdienergrenze
übersteigenden Betrag seinen Betragsanteil zu tragen, im Übrigen der Arbeitgeber.
5 Überschreiten der Geringverdienergrenze durch laufendes Arbeitsentgelt
HI2330601
Tritt die Überschreitung aus anderen Gründen, z. B. Vergütung für geleistete Mehrarbeit, ein, ist der Arbeitgeber nicht mehr
verpflichtet, den Arbeitnehmeranteil an den Beiträgen zur Sozialversicherung bis zur Geringverdienergrenze alleine zu tragen.
In diesem Fall tragen Auszubildender und Arbeitgeber vom gesamten Entgelt jeweils zur Hälfte die Beiträge. Auch in diesem
Fall muss der Auszubildende den Beitragszuschlag in der Pflegeversicherung und den durchschnittlichen Zusatzbeitragssatz in
der Krankenversicherung alleine tragen.
6 Freiwilligendienste
Für Versicherte, die
im Rahmen des Jugendfreiwilligendienstes ein freiwilliges soziales Jahr oder
ein freiwilliges ökologisches Jahr leisten oder
am Bundesfreiwilligendienst teilnehmen,
HI2330602
trägt der Arbeitgeber die Sozialversicherungsbeiträge alleine. [ 8 ] Diese Personen sind – ohne Rücksicht auf die Höhe des
Entgelts – den Geringverdienern gleichgestellt. Dies gilt selbst dann, wenn sie eine Einmalzahlung erhalten.
Hinsichtlich des Zusatzbeitragssatzes in der Krankenversicherung wird auch hier der durchschnittliche Zusatzbeitragssatz
angewendet.
[ 1 ] EFZG, KSchG, BUrlG.
[ 2 ] BAG, Urteil v. 16.3.1993, 3 AZR 389/92.
[ 3 ] BAG, Urteil v. 18.11.1988, 8 AZR 12/86; ArbG Bonn, Urteil v. 8.1.1993, 4 Ca 2365/92.
[ 4 ] § 20 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 SGB IV.
[ 5 ] § 242 SGB V.
[ 6 ] § 242a SGB V.
[ 7 ] § 20 Abs. 3 Satz 2 SGB IV.
[ 8 ] § 20 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 SGB IV.