Georg Kreiter: Ein zweites Leben auf dem Monoski

DEUTSCHE GESELLSCHAFT FÜR ORTHOPÄDIE UND UNFALLCHIRURGIE
Januar 2016
Georg Kreiter: Ein zweites Leben auf dem Monoski
Aufregend und erfolgreich war das letzte Jahr für Georg Kreiter: Zwei
Goldmedaillen hat der 30-Jährige bei der Ski-Weltmeisterschaft in
Kanada geholt und stolz mit in seine bayrische Heimat gebracht. Das
war im März. Ende November wurde er vom Publikum ausgezeichnet –
als Deutschlands Behindertensportler des Jahres 2015. Der
international erfolgreiche Monoskifahrer ist von der Brust abwärts
gelähmt, seit er als 17-Jähriger bei einem Motorradunfall
verunglückte.
„Es w ar ein schöner Sommertag. Ich w ar mit meinem kleinen Motorrad
unterw egs zum Fußballtraining“, erinnert sich Georg Kreiter an den Tag
im Jahr 2002, der sein Leben veränderte. Auf einer schmalen W aldstraße
kam er mit seiner Maschine von der Strecke ab und prallte gegen einen
Georg Kreiter ©
Baum – aus ungeklärter Ursache, w ie es später im Polizeibericht hieß.
Privat
Nach sechs Tagen im künstlichen Koma w achte er in der Unfallklinik in
München auf: mit Brüchen, inneren Verletzungen und Quetschungen am
ganzen Körper, bew egungsunfähig. „Im Prinzip w aren nur mein Kopf und mein linker Arm
unverletzt geblieben“, erzählt Georg Kreiter. „Aber es ging mir gut, w ahrscheinlich w egen der
vielen Medikamente, die ich bekommen hatte.“ Nur langsam begriff er, dass er
querschnittsgelähmt ist. „In meinem jugendlichen Leichtsinn w ar ich äußerst optimistisch. Ich
dachte: ‚Das w ird schon w ieder – auch w enn die Mediziner etw as Anderes sagen“, schmunzelt
er heute über sich selbst.
Mit dem Sport zurück ins Leben
Nach vier W ochen w urde Georg Kreiter nach Murnau verlegt. „W irklich schlimm w ar, dass ich
immer im Bett liegen musste. Ich w ar so glücklich, als ich endlich üben konnte, im Rollstuhl zu
sitzen“, blickt er zurück. Das klappte jeden Tag ein bisschen besser, er konnte jeden Tag ein
w enig länger sitzen. „Es ging stetig bergauf. Das hat mich angespornt.“ Sobald sich Georg
Kreiter nach einiger Zeit gut selbständig in seinem „Rolli“ fortbew egen konnte, ging es in die
Sporthalle der Reha-Klinik: Gemeinsam mit anderen Querschnittsgelähmten spielte er einmal in
der W oche Rollstuhl-Basketball und Tischtennis. „Hier hat mein zw eites Leben angefangen.“ Der
junge blonde Mann hält kurz inne und w ird nachdenklich: „Meine Eltern haben mich jeden Tag
besucht, genauso w ie meine drei Geschw ister und meine Freunde. Ich glaube, es ist ganz
w ichtig gew esen, dass sich niemand abgew endet hat. Eigentlich ist alles gleich geblieben. Das
ist ein großes Glück für mich.“
Begeistert vom Monoski
Doch der Hallensport genügte Georg Kreiter nicht, er w ollte lieber an der frischen Luft sein. Als
er 2006 die Paralympics am Fernseher verfolgte und sah, w ie w endig die Monoskifahrer den
Abhang hinunterfuhren, w ar er begeistert. Keine zw ei W ochen später saß er zum ersten Mal
selbst auf dem Monoski. „Die ersten Tage in dem Einführungskurs w aren nicht einfach. Aber ich
konnte einigermaßen zügig selbständig die Piste runter. Mir w ar ganz schnell klar: Das ist
meins!“ Der Monoski w urde zu Georg Kreiters Leidenschaft: Ehrgeizig trainierte er Kraft,
Ausdauer und Koordination, um auf dem breiten Alpinski in einer gefederten Schale sitzend und
mit kleinen, ausklappbaren Skiern in beiden Händen die Schneepiste hinunterjagen zu können –
mit rund 100 Kilometern pro Stunde.
Auf dem Siegertreppchen
Mit seinem Talent und seiner Selbstdisziplin nimmt der im oberbayrischen Egling lebende Kreiter
nach ersten regionalen W ettkämpfen 2009 an seinem ersten Europa-Cup-Rennen teil, ein Jahr
später fuhr er beim W elt-Cup mit. 2010 gew ann er bei seiner ersten W eltmeisterschaft Silber
mit der deutschen Nationalmannschaft. Kreiter feierte daraufhin auch erste Einzelsiege im
Europa-Cup, landete beim W elt-Cup 2013 auf dem Podest und fuhr ein Jahr später seine erste
Goldmedaille im W elt-Cup ein. Über den achten Platz bei den Paralympics 2014 ist Georg Kreiter
auch heute noch ein w enig enttäuscht: „In Sotschi hat es trotz guter Vorbereitungen leider
nicht geklappt. Es gehört eben auch ein bisschen Glück dazu.“ Und das w ar in der folgenden
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Saison fest an seiner Seite: 2015 gew ann er den W elt-Cup in seiner Lieblingsdisziplin, dem
Riesenslalom, und holte sich gleich zw ei W eltmeistertitel: im Riesenslalom sow ie in der
Superkombination.
Kurs auf die Paralympics 2018
Als nächstes großes Ziel hat Georg Kreiter die Paralympics 2018 im südkoreanischen
Pyeongchang fest im Auge: „Diese Medaille fehlt mir noch.“ Aber erst einmal w olle er nächstes
Jahr bei der W M in Italien seinen Titel verteidigen. Da er sich gerade ein neues Monoski-Modell
zugelegt hat, w erde er diese Saison nutzen, um das Gerät auszuprobieren und optimal auf sich
einzustellen, sagt er. „Der Ski fährt sich noch sehr ungew ohnt. Am Anfang w ollte es gar nicht
klappen. Aber es w ird langsam besser.“ Georg Kreiter lächelt zuversichtlich, ganz Kämpfernatur.
5 Fragen an Georg Kreiter
Sie sind in diesem Jahr doppelter Weltmeister geworden und wurden als Deutschlands
Behindertensportler des Jahres ausgezeichnet. Was bedeutet Ihnen mehr?
Aber es fühlt sich eben noch einmal anders an, w eil man für den sportlichen Erfolg selbst
kämpfen muss.
Was gefällt Ihnen an Ihrem Sport am besten?
Es ist das Gefühl der Freiheit, das tolle Gefühl, selbständig die Skipiste runter zu kommen. Ich
kann auf meinem Ski genau die gleiche steile Piste hinunterjagen w ie ein nichtbehinderter
Skifahrer und dabei auch genauso schnell sein.
Wie oft trainieren Sie in der Woche?
Ich habe einen festen Trainingsplan. Von September bis Mai bin ich fünf bis sechs Tage auf der
Piste unterw egs. Außerdem trainiere ich meine Koordination und Balance, um Stabilität in den
Rumpf zu bekommen. Im Sommer w idme ich mich dem Ausdauer- und Krafttraining. Da fahre ich
zum Beispiel mit dem Handbike, letztes Jahr fast 3.000 Kilometer. Und es gibt auch immer Tage,
an denen ich am Material schraube.
Welche Entwicklungen in der Unfallchirurgie und Orthopädie anerkennen Sie am meisten?
Mit meiner Querschnittslähmung w ar ich in der Murnauer Klinik sehr gut aufgehoben. Es w ar die
richtige Reha, ich w urde nicht zu frühzeitig entlassen. Sehr profitiert habe ich vom Sport mit den
anderen „fitten Paras“. Man konnte Fragen stellen, von gleich zu gleich über die gleichen
Probleme. Das ist eine super Sache. Ich besuche auch heute so oft w ie möglich die
Frischverletzten, um mit ihnen zusprechen, ihnen Mut zu machen und w eiterzugeben, w as ich
an Bestärkung erfahren habe. Hier kann ich Vielen anderen helfen.
Was ist Ihnen besonders wichtig im Leben?
Man muss Spaß haben, an dem, w as man macht. Mein Vorteil ist, dass ich nur Dinge mache, die
mir Spaß machen, ob in meinem Job als Mediengestalter oder mit meinem Sport. Ich lebe
bew usster und genieße mehr. In der Reha habe ich viele neue Freunde kennengelernt. Alle
haben ein schw eres Schicksal – und sind voller Lebensfreude. Das hat mich tief beeindruckt.
Man sollte nicht jammern, sondern dankbar sein.
Weiterführende Informationen
Links:
W ebsite von Georg Kreiter
Facebook-Seite von Georg Kreiter
Deutscher Behindertensportverband (DBS)
Rollstuhlsportverein Murnau (RSV)
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