Die Gentlemen bitten zur Urne

KRAICHGAU
Freitag,
19. Februar 2016
29
KS-FORUM ZUR BÜRGERMEISTERWAHL IN KIRCHARDT
Die Gentlemen bitten zur Urne
KIRCHARDT
Respektvoller Umgang, kleine Spitzen, mehr Klartext: Forum mit Bewerbertrio bleibt ohne deutlichen Sieger
Die Analyse
Zitate
Von unserem Redakteur
Alexander Hettich
„Wir haben hier vieles,
da würden sich andere
Gemeinden die Finger
danach lecken.“
D
ie Kirchardter sind am Sonntag nicht zu beneiden – oder
eben doch. Kompetent, redegewandt und schlagfertig präsentieren sich alle drei Kandidaten für das
Bürgermeisteramt beim Wahlforum
der Kraichgau Stimme. Dabei sind
Armin Behringer, Gerd Kreiter und
Kai Kohlenberger mehr noch als im
bisherigen Wahlkampf bemüht, klare Kante zu zeigen. Den offenen
Schlagabtausch suchen sie selten.
Champions League Ein „Champions-League-Spiel“, pünktlich abgepfiffen nach 90 Minuten: So resümiert KS-Redaktionsleiter Peter
Boxheimer die Debatte vor mehr als
450 Zuhörern, die er gemeinsam mit
Redakteurin Tanja Ochs moderierte. Für wen am Sonntag eine Bürgermeisterkarriere angepfiffen wird?
Das wagt weiter keiner der Beobachter vorherzusagen. Unterschiede werden freilich deutlich. Beispiel
Rathaus. Kreiters Überlegung, den
Hang zwischen bestehendem Verwaltungsbau und der evangelischen
Kirche als Standort ins Auge zu fassen, kontert Behringer mit der Warnung, „nicht die x-te Planung oben
draufzulegen“. In diesem Punkt
lehnt sich der 55-jährige Rechtsanwalt weiter aus dem Fenster als seine Konkurrenten. Er präferiert eine
Lösung unter Einbindung des Gasthauses Hirsch, während auch Kohlenberger eine frühe Festlegung
vermeidet und „ein schlüssiges Gesamtkonzept“ fordert.
Ortsmitte, Schule, Betreuung,
Verkehr – meist souverän und faktensicher absolviert das Trio den
Parcours durch die beherrschenden Themen der Kommunalpolitik
(siehe Artikel unten). Emotionaler
wird es bei den „weichen“ Fragen.
Was Kirchardts Charme ausmacht?
Für Kohlenberger stellt die Gemeinde „im Herzen des Kraichgaus“ bis-
Gerd Kreiter
„Ich will zwei Amtszeiten
machen, dann bin ich am
Schluss immer noch jünger
als Schäuble heute.“
Armin Behringer
„Das kann ich Ihnen bei
einem Bevölkerungszuwachs
von 16 000 Einwohnern
beantworten.“
Kai Kohlenberger auf die
scherzhafte Frage nach Kirchardt als Große Kreisstadt
„Kirchardt wird immer nur
auf zwei Themen reduziert:
Verkehr und Migranten. Das
finde ich wirklich schade.“
Die KS-Redakteure Tanja Ochs und Peter Boxheimer fühlten den drei Bewerbern um das Bürgermeisteramt vor brechend voller Halle auf den Zahn.
weilen „ihr Licht unter den Scheffel“, Behringer sieht für den Ort „in
wunderschöner Lage“ künftig „alle
Chancen“ am Horizont. Derweil
lenkt Gerd Kreiter den Blick auf das
Erreichte: „Warum sind wir nicht
heute schon stolz?“, fragt der 49-Jährige. Vom Hallenbad über den Berwanger Dorfladen bis zum Bankensitz habe Kirchardt einiges vorzuweisen, was andere gerne hätten.
„Und an den schlechten Dingen arbeiten wir, bis sie gut sind.“
Selbstbewusst Die Kandidaten
sind nicht angetreten, ihr Licht unter den Scheffel zu stellen. Da fällt
die Antwort auf die Frage, warum
die Kirchardter ausgerechnet ihn
wählen sollen, keinem schwer. „Die
Kombination aus Einheimischer
und Fachmann ist keine Schlechte“,
findet Kohlenberger, derzeit stell-
Betreuungsangebot ausbauen
Eine Grundschule und zwei Kindergärten sollen in
der Birkenbachschule zu einem Familienzentrum verschmolzen werden. Gerd Kreiter plädiert allerdings für eine strikte, optische und
akustische Trennung. Dabei verweist er auf bereits laufende Planungen: „Wie das funktioniert, wird
meines Wissens derzeit untersucht.“ Einer Herausforderung, der
sich Kirchardt stellen muss, ist für
FAMILIENZENTRUM
Kai Kohlenberger das Thema Betreuung. Er fürchtet, dass Jugendliche nachmittags abwandern, wenn
sie vormittags an einer weiterführenden Schule außerhalb sind. Ein
Jugendhaus im Gebäude des Kindergartens Goethestraße könnte
laut Armin Behringer die Lösung
sein: unter der Regie derselben Riege, die schon in der Hauptstraße tätig ist. Junge Ehrenamtliche könne
man sich nachziehen.
rik
Fotos: Guido Sawatzki
Gerd Kreiter
„Der Ruf Kirchardts ist viel
schlechter, als es die Gemeinde mit ihrer Infrastruktur
und ihren Bürgern verdient.“
Kai Kohlenberger
„Wenn Kaco zu uns kommt,
brauchen wir eh ein größeres
Gemeindekässle.“
Will ein „schlüssiges Gesamtkonzept“
für die Ortsmitte: Kai Kohlenberger.
Rathaus mit Gasthaus Hirsch kombinieren? Gerd Kreiter ist nicht überzeugt.
Armin Behringer mahnt, beim Rathaus
„nicht die x-te Planung“ anzugehen.
vertretender Hauptamtsleiter im
Sinsheimer Rathaus und mit 30 Jahren jüngster Bewerber im Feld. Kirchardt zu kennen „wie meine Westentasche“, nimmt auch Behringer
für sich in Anspruch. Der frühere
IHK-Geschäftsführer und ehemalige Gemeinderat verweist auf „um-
fassende Erfahrung.“ Seine „Berufs- und Lebenserfahrung sowie
emotionale Nähe“ will Bad Rappenaus Stadtkämmerer Gerd Kreiter
in die Waagschale werfen.
vieren die drei das Podium in
Gentleman-Manier. Kleine Sticheleien nicht ausgeschlossen. Behringers Fähigkeit, große Teile seines
Wahlprogramms in die Antwort auf
eine einzige Frage zu packen, kommentiert Kreiter süffisant: „Sollten
wir wirklich in nur einem Satz ant-
Prognosen Fairness ist Trumpf.
Wie den übrigen Wahlkampf absol-
Gastronomie auf die Füße helfen
VISION Wenn Kirchardt das Gasthaus zum Schwanen verliere,
herrscht gastronomischer Notstand, konstatiert Armin Behringer.
Ein Kulturkeller und ein Biergarten
schweben ihm vor. Wer das bezahlen soll? Das sei im Wahlkampf nicht
die Frage: Er habe hier nur eine Vision entwickelt. Dabei denkt er auch
an Investoren von außen.
Die Gemeinde könne dem neuen
Eigentümer des Schwanen bei der
Suche nach einem guten Wirt helfen, meint Gerd Kreiter, und bringt
außerdem ein Bäckerei-Café als Belebung der Ortsmitte ins Gespräch:
Bei seinen Hausbesuchen sei er darauf angesprochen worden.
Kai Kohlenberger glaubt, dass
Kirchardt mit seiner Lage zwischen
drei Großen Kreisstädten durchaus
punkten könne. Zumal er in seiner
beruflichen Laufbahn alle drei Verwaltungen kennen gelernt hat. rik
Behringer zur Ankündigung
des Autozulieferers, seine Zentrale zu verlagern.
worten?“ Unter dem Strich bleibt die
Erkenntnis: Kirchardt steht vor einer schweren Wahl. Als Prognose
lassen sich alle drei nur entlocken,
dass eben einer gewinnen wird.
Aber das hat das Stimme-Forum gezeigt: Die Kirchardter werden mit
ihrer Wahl kaum daneben liegen.
Pro und contra Bürgerbus
VERKEHR Braucht Kirchardt einen
Bürgerbus? Ja, meint Armin Behringer. „Dafür würde ich auf den
Dienstwagen des Bürgermeisters
verzichten.“ Gerd Kreiter setzt darauf, die Anbindung an die umliegenden Bahnhöfe zu verbessern,
„dann brauchen wir keinen Bürgerbus.“ Für Kai Kohlenberger muss
sich beides nicht ausschließen. In einem Bürgerbus sieht er „eine wunderbare Möglichkeit“, insbesonde-
re um den Kernort mit Berwangen
und Bockschaft zu verbinden. Auf
der Straße plädiert Kohlenberger
dafür, die Engstellen in Kurven der
Bundesstraße wieder aufzuweiten,
um Gefahren zu bannen. Mit „intelligenter Verkehrsführung“ will Behringer Wege im Ortskern vermeiden. Adressaten für eine Sanierung
der Ortsdurchfahrt sind Land und
Bund. Gerd Kreiter sieht gute Chancen, hier etwas zu erreichen.
ah
Bürger haben die Qual einer tatsächlichen Wahl
Viele sehen die drei Kandidaten nahe beieinander – Zuschauer stellen nur wenige Fragen
Von unserer Redakteurin
Ulrike Plapp-Schirmer
PUBLIKUM Viel wird im Anschluss an
die Podiumsrunde der Kraichgau
Stimme nicht mehr gefragt: Die Kirchardter scheinen sich in diesem
Wahlkampf gut informiert zu fühlen.
Doch das Rennen ist völlig offen. Armin Behringer, Gerd Kreiter und
Kai Kohlenberger werden alle als
kompetent eingeschätzt: „Kirchardt
kann man für diese drei Bewerber
nur beglückwünschen“, sagt KS-Re-
SMS-Service
Schicken Sie eine SMS mit
STIMME WAHLSERVICE
KIRCHARDT
an die Nummer 52020 (keine Ortsvorwahl)
(0,49 €/SMS inkl. 0,12 € VF D2-Leistungsanteil)
Anmeldeschluss: Wahltag, 18.00 Uhr
Am Wahlabend erhalten Sie das
Ergebnis direkt auf Ihr Handy.
daktionsleiter Peter Boxheimer am
Ende. „Ich sehe alle drei nah beieinander“, urteilt auch Thorsten Hofer, Kämmerer in Abstatt. Trotzdem
wünscht sich Siegfried Zimmerer
neben einer hohen Wahlbeteiligung
gleich einen klaren Sieger: Weil sich
drei Wochen später ja nichts verändert habe, sagt der Kirchardter.
nen: „Nur so kann es gelingen.“
Dass es bereits ein Netzwerk von
Kirchardtern gibt, die bereit sind,
sich hier zu engagieren, darauf verweist Behringer. Auch er ist mit Bonfeldern in Kontakt: „So bereite ich
mich auf dieses Thema vor.“
Einkauf Andreas Scheibel bringt
Rausgehen Nicht weit auseinander
liegen die Kandidaten beim Thema
Bürgernähe, zu dem sie sich auf Bitte von Gerald Losert äußern. Armin
Behringer will ein „Bürgermeister
zum Anfassen“ werden und nicht
nur im Rathaus sitzen, „sondern die
Hälfte der Woche draußen sein“. Er
kann sich außerdem ein Vorschlagswesen vorstellen, bei dem sich jeder
einbringen kann. Gerd Kreiter betont, dass man als Bürgermeister
die Arbeit nicht für sich, sondern für
die Bürger mache. Auch er will „mit
den Bürgern im Gespräch bleiben.
Aber Bürger auch informieren“. Vie-
Bernhard Auer spricht das Franz Czemmel macht als ehemaliger Berufskraftfahrer auf
Thema Flüchtlinge an.
überflüssige Schilder aufmerksam.
Fotos: Alexander Hettich
le Probleme, die bei seinen Hausbesuchen an ihn herangetragen worden seien, seien eigentlich lösbare
Kleinigkeiten. Für Kai Kohlenberger schließlich ist Bürgernähe ein
„zentrales Element für die künftige
Ausrichtung der Gemeinde“. Er
strebt „die größtmögliche Einbindung der Bürger“ an und will gemeinsam mit ihnen vorankommen.
Wie wichtig die Information der
Bürger beim Thema Flüchtlinge ist,
macht Gerd Kreiter klar: Er würde
möglichst bald eine Informationsveranstaltung dazu einberufen. 70
bis 80 Personen muss Kirchardt zunächst unterbringen. Ein neuer
Standort muss her, nachdem der
bislang geplante wegen der Erweiterung der Firma Kaco wegfällt. Eh-
Andreas Scheibel spricht Einkaufsmöglichkeiten im Ort an.
renamtliche will Gerd Kreiter für die
Begleitung von Flüchtlingen gewinnen. Wie das funktioniert, weiß der
Kämmerer aus Bonfeld. Wie die Integration von Kontingentflüchtlingen in Kirchardt bereits gelungen
ist, weiß Kai Kohlenberger: „Das lief
relativ geräuschlos.“ Ganz wichtig
sei hier die Zusammenarbeit von Gemeinde, Ehrenamtlichen und Verei-
schließlich das Thema Senioren und
Einkaufsmöglichkeiten in der Ortsmitte ins Spiel. Armin Behringer
setzt auch hier auf den Bürgerbus,
appelliert aber auch an die Berwanger, ihren Dorfladen zu unterstützen, „solange es ihn noch gibt“. Kai
Kohlenberger verweist darauf, dass
eine Fußwegverbindung zum Rewe
bereits geprüft, aber an der Grundstücksfrage und den Kosten gescheitert ist. Einzig Gerd Kreiter
setzt für den Moment auf Bewährtes. Jeden Donnerstag hält am Treff
ein fahrender Händler: „Wenn man
dort einkauft, kommt der vielleicht
auch zwei oder drei Mal pro Woche.“