Protokoll zum Informationsabend „Fonds Sexueller Missbrauch“ am

Protokoll zum Informationsabend
„Fonds Sexueller Missbrauch“ am 27.05.2015
Eingeladen hat:
Selbsthilfegruppe für Frauen mit dissoziativer
Identitätsstruktur – DIS und Unterformen -
Ort:
Marienhospital Dortmund, Hombruch
Referentin:
Frau Stefanie Ihrler, Weisser Ring Bochum
Einleitende Worte zur Referentin und zum Fonds
Frau Ihrler stellt den Teilnehmenden im Rahmen des Vortrags ihre Erfahrungen rund ums
Antragsverfahren und erfolgreiche Bewilligungen im Rahmen des „Fonds sexueller Missbrauch“
der Bundesregierung vor. Rückfragen sind jederzeit möglich. Sie selbst ist mit Entstehung des
Fonds im Juli 2013 zur EHS („Ergänzendes Hilfesystem“) - Beraterin ausgebildet worden und
kann Antragsstellende qualifiziert unterstützen. Opfer sexuellen Missbrauchs im häuslichen
Bereich, die zum Tatzeitpunkt minderjährig waren, können im Rahmen des Fonds bis zu 10.000€
für ihre Rehabilitation, Therapie und weitere Maßnahmen, die die augenblicklichen Leiden
mildern können, beantragen.
Antragsausfüllung
Eine vorherige Beratung in Anspruch zu nehmen ist kein Muss. Betroffene können den Antrag
auch selbst ausfüllen und absenden. Für eine erfolgreiche Bewilligung gibt es jedoch
Grundvoraussetzungen, die erfüllt sein sollten. Ferner muss der Antrag plausibel und schlüssig
sein. Hierzu im Verlauf nun mehr:
Opfer sexuellen Missbrauchs, die zum Tatzeitpunkt minderjährig waren und bei denen die Tat(en)
zwischen 1949 bis einschließlich Juni 2013 erfolgten, können im Rahmen des Fonds einen
Antrag stellen.
Geprüft wird hier insbesondere die Minderjährigkeit, die je nach Zeit und Ort (BRD/DDR)
rechtlich unterschiedlich zu prüfen ist.
Bei Kindern zählt hier jede Tat, die sexuell orientiert ist.
Bei Jugendlichen zählt insbesondere, ob es sich z.B. zusätzlich um ein Abhängigkeitsverhältnis
handelte, eine Behinderung vorlag etc.
Fonds bearbeitet aktuell nur innerfamiliäre Tathergänge
Vom Fonds werden derzeit nur die Anträge bearbeitet, bei denen es sich um innerfamiliäre
Tathergänge handelte. Zum innerfamiliären Bereich (Eltern, Verwandte,…) zählen aber auch ggf.
zusätzliche weitere nahe Bezugspersonen, wie z.B. Nachbarn, Kindermädchen, ErzieherInnen,
LehrerInnen…
Keine Täternennung, kein notwendiger Antrag auf Opferentschädigungsleistungen
Im Rahmen eines Antrags im Kontext des innerfamiliären sexuellen Missbrauchs müssen
Täternamen nicht benannt werden. Die Antragsteller müssen außerdem nicht extra einen Antrag
auf Opferentschädigung stellen oder Strafanzeige erstattet haben, um Leistungen aus dem
Fonds erhalten zu können.
Anträge, die im Zusammenhang durch institutionellen Missbrauch und Fremdtäter entstanden
sind, werden zwar derzeit entgegengenommen, aber nicht bearbeitet und entschieden.
Sie werden zunächst nur verwahrt. In diesem Kontext müssten zudem Täterangaben gemacht
werden. Hier könnte ggf. ein Ermittlungsverfahren eingeleitet werden. Betroffene aus diesen
Bereichen mögen sich bitte gut informieren und beraten lassen.
Doppelt Ansprüche aus Fonds erhalten?
Wer bereits Mittel aus dem Fonds „Heimerziehung West und DDR“ in Anspruch genommen hat,
kann keine weiteren Mittel mehr im Rahmen des hiesigen Fonds erhalten.
Nachrangig zu anderen Leistungen
Die Leistungen des Fonds/des ergänzenden Hilfesystems sind nachrangig. Es sind im Vorfeld
die rechtlichen Leistungen der Krankenkassen, der gesetzlichen Unfallversicherung, des
Opferentschädigungsgesetzes, der Eingliederungshilfe etc. auszuschöpfen. Leistungen des
ergänzenden Hilfesystems dürfen nicht angerechnet werden auf andere Leistungen, wie z.B.
Sozialhilfeleistungen.
Aufgrund der Schwierigkeiten für minderjährige Opfer kann auf einen vorherigen Antrag auf
Opferentschädigung verzichtet werden. Wichtig für einen positiven Bescheid bleibt aber, dass
der Gesamtantrag plausibel, gut begründet und nachvollziehbar ist. Auch die Einleitung eines
Strafverfahrens durch das Opfer ist nicht erforderlich.
Zeitnah Versorgungslücken schließen
Das Ziel des Fonds ist es, Lücken in der Versorgung zu schließen, zum Beispiel bei noch
laufenden OEG-Verfahren oder Ablehnungen und Pausen der Krankenkassenleistungen. Die
Betroffenen sollen zeitnahe Hilfen erhalten. Dennoch ist mittlerweile mit einer Bearbeitungszeit
von mindestens 9 Monaten zu rechnen.
Leistungsarten sind individuell beantragbar für den Antragsteller
Im Rahmen des Fonds können Leistungen bewilligt werden, die nachvollziehbar akute Leiden
durch die Taten, z.B. posttraumatische Belastungsstörung, Behinderungen,…mildern können
und die Rehabilitation der Opfer fördern. In erster Linie sind dies Therapiekosten durch
approbierte Psychotherapeuten. Denkbar sind aber auch andere Leistungen wie Assistenzen,
Begleitungen, Alltagshilfen, Kosten im Kontext von Selbsthilfegruppen, weitere Therapien wie
Kunst- und Reittherapie, Fahrkosten zu Therapien oder zum Tatort zur Aufarbeitung und
Ähnliches.
Wichtig ist, dass aus dem Antrag schlüssig hervorgeht, wie mit der angedachten Maßnahme die
Rehabilitation gefördert wird. Ferner müssen aus einem Kostenvoranschlag des Anbieters (in der
Regel z.B. ein Therapeut) die Art der Maßnahme, ihr Zweck, der Zeitraum und die Kosten
hervorgehen. Die Beträge können nach Bewilligung in Teilen oder als Gesamtsumme abgerufen
werden. Bei einer vorliegenden Behinderung (Schwerbehindertenausweis) können zusätzliche
Kosten in maximaler Höhe von 5000€ für z.B. Assistenzen zusätzlich pro Person beantragt
werden (Gesamtförderhöchstsumme hier: 15.000€).
Im Kontext von Assistenzen weist der Fonds aber auch auf vorhandene Strukturen hin (z.B.
Pflegeleistungen oder Eingliederungshilfen).
Bereits abgeschlossenen Leistungen (z.B. beendete Therapien) können nicht mehr unterstützt
werden.
Kosten für Anwälte, z.B. im Kontext von gerichtlichen Verfahren, können nicht beantragt werden.
Kosten für Aus- und Weiterbildung können ebenfalls gefördert werden. Aber auch hier gilt die
Nachrangigkeit hinsichtlich rechtlicher Ansprüche, z.B. Leistungen des Arbeitsamtes und Bafög.
Auch wurde im Rahmen des Fonds schon einmal die Anschaffung eines Fahrzeugs gefördert
(plausibel beschriebener Zusammenhang). Die Folgekosten liegen dann jedoch beim
Antragssteller.
Datenschutz
Bezüglich des Datenschutzes im Rahmen des Antragsverfahrens teilt Frau Ihrler mit, dass alle
Namen und Daten im Antrag nach der Bearbeitung geweißt werden.
Der Antragsstellende erhält zunächst eine Eingangsbestätigung und danach in einem
gesonderten Schreiben eine Anonymisierungsnummer. Nur mit dieser Nummer ist es möglich,
Informationen bzgl. des Verlaufs des Antrages einzuholen.
Vorhandene Unterlagen von Ärzten und Therapeuten, z.B. zur vorhandenen Diagnose, müssen
nicht zwingend vorgelegt werden, sind aber sinnvoll. Es muss in jedem Fall der
Kostenvoranschlag für die beantragte Leistung sinnvoll und stimmig sein.
Wenn neben dem innerfamiliären auch institutionelle oder sonstige Vorfälle bestanden?
Eine Teilnehmende berichtet von einem Antrag, der aktuell vom Fonds nicht bearbeitet wird. In
diesem Antrag wurden Taten aus dem innerfamiliären Bereich, dem institutionellen Bereich und
Fremdtäter angegeben. Frau Ihrler weist darauf hin, dass sie den innerfamiliären Antrag
bearbeiten müssen.
Frau Ihrler klärt anhand des folgenden Beispiels auf: Ein Missbrauch durch den Vater, der sein
Kind auch an weitere Personen verkauft, gilt als innerfamiliärer Bereich. Werden Opfer durch
z.B. Familie, Verwandte oder Kindermädchen weiteren Tätern zugeführt, auch an Täter im
Kontext von Kirchen, religiösen Vereinen und Gruppierungen, ist dies ein Antrag aus dem
innerfamiliären Bereich.
Der institutionelle Bereich bedeutet, dass das Opfer in einer stationären Einrichtung, z.B. der
Jugendhilfe, gelebt hat, hier seinen Lebensmittelpunkt hatte und der/die Täter zum Personal der
Einrichtung gehörten.
Hotline des Fonds bei Fragen zum laufenden Antrag
Ob die Hotline des Fonds inhaltliche Auskünfte zum laufenden Antrag geben kann, ist nach
Rückfrage einer Teilnehmenden eher offen geblieben: Vermutlich kann dort nur die Auskunft
gegeben werden, ob der Antrag in der Bearbeitung oder bereits in der Clearingstelle ist. Es
könnte helfen, sich durchzufragen und weiter verbinden zu lassen.
Fondsperspektiven 2016
Die Perspektive des Fonds ist derzeit noch unklar. Voraussichtlich läuft er im April 2016 aus.
Sicher ist dies aktuell allerdings nicht und Frau Ihrler rät, ein Augenmerk auf Änderungen (durch
Presse, TV, etc.) zu haben.
Zusatz: „2- jährige Psychotherapie-Zwangspausen müssen Patienten nicht hinnehmen!“
Frau Ihrler klärt fehlerhafte Aussagen zu den weit verbreiteten sogenannten
Psychotherapiepausen auf, die heute immer noch an Patienten weitergegeben werden: Auf eine
verpflichtende zweijährige Psychotherapiepause sollte man sich nicht einlassen und dagegen
angehen, denn es gibt dazu keine rechtliche Grundlage. Die Krankenkasse muss nach 3
Wochen einen Antrag bescheiden. Kann sie dies nicht, gilt der Antrag (z.B. auf Psychotherapie)
als bewilligt. Schaltet die Krankenkasse den MDK ein, verlängert sich die Bearbeitungsfrist um
weitere 5 Wochen.
Zusatz: OEG – Info: Der Landschaftsverband muss den Antrag bearbeiten
Frau Ihrler gibt den Teilnehmenden aus ihrer Erfahrung als Rechtsanwältin noch einen Hinweis
zu Schwierigkeiten im Rahmen von OEG-Verfahren: Der Landschaftsverband (LWL) muss sich
immer ein eigenes Bild machen. Unabhängig von einem eventuell noch laufenden Strafverfahren
ist der LWL verpflichtet, den Antrag auf OEG weiter zu bearbeiten und kann nicht die Akte in den
Schrank stellen, um auf das Ergebnis des Strafverfahrens zu warten. Der Grund ist hier die
Unterscheidung zwischen Straf- und Zivilrecht. Hier hilft oft nur die Untätigkeitsklage.
Gewährleistung dieses Protokoll
Alle Beteiligten waren bemüht, korrekte inhaltliche Angaben zu vermitteln.
Trotzdem kann keine Gewährleistung über die Richtigkeit gegeben werden.
Bitte wenden Sie sich zu ihrer eigenen Absicherung an zuständige
Beratungsstellen oder ausgebildete Fachpersonen.
Informationen zum Fonds und der vollständige Antragsvordruck sind zu finden
unter: http://www.fonds-missbrauch.de/
Wir danken hier noch einmal herzlich Frau Ihrler vom Weissen Ring Bochum für die neusten
Informationen rund um den Fonds/EHS. Großen Dank an das St. Marienhospital in Hombruch.
In dem Raum haben sich alle wohl gefühlt und dank der Haustechnik brauchten wir SHG-Frauen
keine Stühle rücken und konnten uns aufs Wesentliche konzentrieren: Auf die Gäste! Schön,
dass Sie alle da waren! Wir haben uns gefreut, dass einige sogar eine weitere Anreise in Kauf
genommen haben. Wir danken unserem inzwischen langjährigen Kooperationspartner Mobile e.V.
Dortmund.
Protokoll: B. Tintrup
Überarbeitung: Judith und Lea von der
Disselbsthilfe Dortmund
Kontakt
E-Mail: [email protected]
Infernet: www.disselbsthilfe.jimdo.com