Beobachtung der Diffusion mit einem Laser

Beobachtung der Diffusion mit einem Laser
1
Beobachtung der Diffusion mit einem Laser
Die Diffusion eines Salzes in Wasser wird über die Brechung beobachtet, die ein Laserstrahl
im Konzentrationsgradienten der Lösung erfährt. Das Prinzip basiert auf dem Zusammenhang
von Konzentration und Brechungsindex. Neben einer anschaulichen Demonstration des Diffusionsprozesses sollen aus den experimentellen Daten Diffusionskoeffizienten für zwei Salze
bestimmt werden. Die Datenaufnahme erfolgt mit einer Digitalkamera, die Auswertung mittels eines einfachen Bildverarbeitungsverfahrens.
Zu diesem Versuch gibt es ein Lehrvideo auf den Praktikumsseiten des Instituts für Physikalische und Theoretische Chemie.
Stichworte
•
•
•
•
•
Diffusion
Transportgleichung
1. und 2. Ficksches Gesetz
Lichtbrechung
Huygenssches Prinzip der Elementarwelle
Versuchsaufbau
Abbildung 1:
schematischer Überblick über Versuchsaufbau und verwendete Koordinaten
_________________________________________________________________________________________
Apparatives Praktikum Physikalische Chemie für Studierende der Chemie
SS2015
TU Braunschweig, Institut für Physikalische und Theoretische Chemie, Dr. Christof Maul
Beobachtung der Diffusion mit einem Laser
2
Ein Laserstrahl wird mit Hilfe einer Stablinse zu einer Linie aufgefächert. Der aufgefächerte
Laserstrahl fällt durch eine Küvette, in der sich mit dest. Wasser überschichtete Salzlösung
befindet, auf einen Schirm. Wo ein Konzentrationsgradient in der Lösung vorliegt, liegen
auch Unterschiede im Brechungsindex vor, und der Laserstrahl wird demzufolge abgelenkt.
Die Laserlinie erscheint als Kurve auf dem Schirm, die mit einer Digitalkamera fotografiert
wird (s. Abb. 1) Mit fortschreitender Vermischung wird die abgelenkte Laserstrahlkurve flacher und breiter. Zu unterschiedlichen Zeiten aufgenommenen Fotos werden mit einem Bildverarbeitungsprogramm ausgewertet und anschließend ausgewertet
Transportprozesse
Transportprozesse haben in unterschiedlichsten Bereichen der Chemie eine große Bedeutung.
Laufen chemische Reaktionen ab, so ist das so gut wie immer auch mit Stofftransport verbunden. Edukte werden zusammengeführt, Substrate werden abtransportiert. Auch die entstehende Reaktionswärme wird transportiert. Ist eine Reaktion sehr stark exotherm, so kann es notwendig werden, die entstehende Reaktionswärme aktiv abzutransportieren. Um solche Prozesse zu verstehen und modellieren zu lernen, bedarf es einer geeigneten mathematischen Beschreibung.
Unabhängig davon, was transportiert wird, kann der Prozess formal durch die allgemeine
Transportgleichung beschrieben werden:
æ dA ö
J = -a × ç
÷
è dx ø
(1a)
bzw. in drei Dimensionen:
r
æ ¶A ¶A ¶A ö
J = -a × grad A = -a × ç
,
,
(1b)
÷
è ¶x ¶y ¶z ø
r
Dabei bezeichnet J den Fluss der zu transportierenden Größe A und a bezeichnet die Proportionalitätskonstante, mit der der Fluss mit dem Gradienten der zu transportierenden Größe
verknüpft ist. Unter einem Fluss versteht man die pro Zeiteinheit durch eine Fläche transporr
tierte Menge an A. Der Gradient von A, also dessen Änderung über dem Ort r = (x, y, z) ist
die Ursache bzw. Triebkraft für den gerichteten Fluss von A.
Wird Materie aufgrund eines Konzentrationsgradienten transportiert, so spricht man von Diffusion. In diesem Fall entspricht A der Konzentration c.a
a
Äquivalente Formulierungen erhält man auch bei Betrachtung der Teilchenzahl N anstatt der Konzentration c.
_________________________________________________________________________________________
Apparatives Praktikum Physikalische Chemie für Studierende der Chemie
SS2015
TU Braunschweig, Institut für Physikalische und Theoretische Chemie, Dr. Christof Maul
Beobachtung der Diffusion mit einem Laser
3
Diffusion
Die Beschreibung der eindimensionalen Diffusion ist mit Hilfe der Fickschen Gesetze möglich.
dc
dx
¶c
¶ ²c
=D
2. Ficksches Gesetz:
¶t
¶x²
1. Ficksches Gesetz: J = -D ×
(2)
(3)
Das erste Ficksche Gesetz beschreibt, wie oben allgemein schon erläutert, wie der Fluss der
Teilchen von ihrem Konzentrationsgradienten abhängt. Bei dem zweiten Fickschen Gesetz
handelt es sich um eine Differentialgleichung zweiter Ordnung. Es beschreibt, wie schnell
sich die Konzentration an einem bestimmten Punkt ändert.
Im Versuch wird die Diffusion eines gelösten Salzes in Wasser beobachtet. Dazu wird eine
Küvette mit Salzlösung befüllt. Diese Salzlösung wird anschließend mit destilliertem Wasser
vorsichtig überschichtet, so dass sich eine möglichst scharfe Grenzfläche ausbildet (Abb. 2).
Idealerweise liegt zum Zeitpunkt des Überschichtens, t = 0, eine vollständige Trennung von
Salzwasserphase und dest. Wasserphase vor. Der entsprechende Konzentrationsverlauf ist in
der Kurve c(y,0) dargestellt: Es gibt einen Konzentrationssprung an der Stelle y = 0. Natürlich
ist ein solcher perfekter Konzentrationssprung experimentell nicht zu realisieren, allein schon,
weil das Überschichten eine gewisse Zeit dauert.
Abbildung 2 (links):
(rechts):
Küvette mit Salzlösung, mit dest. Wasser überschicht
c(y,t=0) Konzentrationsverlauf entlang der Tiefe y der Küvette zur Zeit t=0
c(y,t)
dc/dy
Konzentrationsverlauf zu einem beliebigen Zeitpunkt t
Konzentrationsgradient entlang der Tiefe y der Küvette
_________________________________________________________________________________________
Apparatives Praktikum Physikalische Chemie für Studierende der Chemie
SS2015
TU Braunschweig, Institut für Physikalische und Theoretische Chemie, Dr. Christof Maul
Beobachtung der Diffusion mit einem Laser
4
Zu jedem Zeitpunkt nach der "idealen Überschichtung" liegt ein Konzentrationsprofil ähnlich
der Kurve c(y,t) vor. Diffusion hat dazu geführt, dass die ideale Grenzfläche nicht mehr existiert. Es bildet sich vielmehr als Resultat thermischer Bewegung ein sigmoidales Konzentrationsprofil aus. Die ungeordnete Teilchenbewegung führt dazu, dass die Teilchen, statistisch
gesehen, Bereiche höherer Konzentration verlassen und Bereiche niedriger Konzentration
stärker bevölkern. Da in diesem Versuch, wie im folgenden "Exkurs optische Brechung" näher ausgeführt, nicht die Konzentration über dem Ort, sondern der Konzentrationsgradient
über dem Ort beobachtet wird, ist es sinnvoll, sich auch diesen Kurvenverlauf zu veranschaulichen. Es handelt sich dabei um die nach y abgeleitete sigmoidale c(y,t)-Kurve. Diese Ableitung dc/dy ist, wie aus Abb. 2 ersichtlich ist, eine Gaußkurve:
y²
c0
dc
=
e 4Dt
dy
(4pDt)
(4)
die zum Zeitpunkt t = 0 unendlich scharf und hoch ist und mit zunehmender Zeit flacher und
breiter wird. Die mathematische Herleitung der Funktion c(y,t) sowie deren Ableitung dc/dy
aus dem 2. Fickschen Gesetz ist nicht einfach, da hierzu eine Differentialgleichung 2. Grades
gelöst werden muss. Dies geschieht mittels Fourier-Transformation, wodurch man eine zeitund ortsabhängige Beschreibung der Konzentration in Form eines Faltungsintegrals erhält:
+¥
c(y, t) =
ò g(y, x, t) × f (y) dx
(5)
-¥
f(y) = c(y,t=0) ist eine Funktion, die die Startbedingungen, also den Konzentrationsverlauf
zum Zeitpunkt t=0 beschreibt. Im vorliegenden Fall ist f(y) die Sprungfunktion:
ì c für y ³ 0
f (y) = í 0
î0 für y < 0
(6)
Bei g(y,,t) handelt es sich um eine normierte Gaußfunktion
1
e
(4pDt)
g(y, x, t) =
( y -x )²
4Dt
(7)
was heißt, dass der Vorfaktor vor der Exponentialfunktion so gewählt ist, dass ∫g(y,ξ,t)d ξ = 1.
Damit gilt für den orts- und zeitabhängigen Konzentrationsverlauf
+¥
c(y, t) = c 0
ò g(y, x, t) dx
(8)
0
bzw. für den orts- und zeitabhängigen Konzentrationsgradienten
y²
c0
¶c
= c0 g(y, 0, t) =
e 4Dt
¶y t
(4pDt)
(9)
_________________________________________________________________________________________
Apparatives Praktikum Physikalische Chemie für Studierende der Chemie
SS2015
TU Braunschweig, Institut für Physikalische und Theoretische Chemie, Dr. Christof Maul
Beobachtung der Diffusion mit einem Laser
5
Exkurs optische Brechung
Snelliussches Brechungsgesetz
Lichtbrechung findet immer statt, wenn Licht sich von einem Medium 1 mit Brechungsindex
n in ein zweites Medium 2 mit Brechungsindex n' ausbreitet (s. Abb. 3). Dabei bezeichnet
man Medien mit hohem Brechungsindex als optisch dichte Medien und Stoffe mit kleinerem
Brechungsindex als optisch dünne Medien.a Grundsätzlich findet, abhängig vom Einfallswinkel auf die Grenzfläche auch Reflexion statt, was in unserem Experiment aber nicht von Interesse ist. Lichtbrechung an einer optischen Grenzfläche wird durch das Snelliussche Brechungsgesetz beschrieben:
sin e n ' u
= =
sin e ' n u '
(10)
Dabei sind ε der Einfallswinkel, ε' der Brechungswinkel, n und n' die Brechungsindizes und u
und u' die entsprechenden Lichtgeschwindigkeiten in den Medien 1 und 2. Daraus ergibt sich
die Regel, dass Licht beim Übertritt von einem optisch dünneren in ein optisch dichteres
Medium immer zum Lot hin gebrochen wird. Breitet es sich von einem optisch dichteren in
ein optisch dünneres Medium aus, so wird es vom Lot weggebrochen. Ein senkrecht auf eine
Grenzfläche treffender Strahl wird nicht gebrochen.
Das Huygenssche Prinzip
Das Phänomen der Brechung kann mit Huygens' Elementarwellenprinzip erklärt werden. Danach ist jeder Punkt einer Wellenfront Ausgang einer Elementarwelle (s. Abb. 3).
Eine Wellenfront trifft mit der Lichtgeschwindigkeit u unter dem Winkel ε auf die Oberfläche
eines optisch dichteren Mediums. Zum Zeitpunkt t = 0 soll die Welle die Oberfläche im Punkt
C gerade berühren. Dem Huygensschen Prinzip folgend breitet sich von dort nun eine Elementarwelle aus. Sie tut dies jedoch mit einer verringerten Lichtgeschwindigkeit u', da es sich
um ein optisch dichteres Medium handelt. Gleichzeitig wandert die Wellenfront von Punkt A
zu Punkt B mit der Lichtgeschwindigkeit c. Dazu benötigt sie die Zeit
t=
AB
u
(11)
In derselben Zeit t bewegt sich jedoch die Elementarwelle ausgehend von Punkt C mit der reduzierten Lichtgeschwindigkeit u' nur um die Strecke
CD = u ' t
a
(12)
"Optisch dicht" und "optisch dünn" sind historische Bezeichnungen im Zusammenhang mit dem Brechungsindex von Materialien. Sie dürfen nicht mit der "optischen Dichte" (der Absorbanz oder Extinktion) aus dem
Lambert-Beerschen Gesetz verwechselt werden.
_________________________________________________________________________________________
Apparatives Praktikum Physikalische Chemie für Studierende der Chemie
SS2015
TU Braunschweig, Institut für Physikalische und Theoretische Chemie, Dr. Christof Maul
Beobachtung der Diffusion mit einem Laser
Abbildung 3:
6
Brechung nach dem Huygensschen Prinzip der Elementarwelle
Die geometrische Betrachtung der beiden im rechten Teil von Abb. 3 eingezeichneten Dreiecke ergibt:
sin e =
AB
CD
und sin e ' =
CB
CB
(13)
Einsetzen der beiden vorangegangenen Gleichungen (11) und (12) führt zu:
sin e =
ut
CB
und sin e ' =
ut '
CB
(14)
Werden nun beide Gleichungen durcheinander dividiert ergibt sich das Snelliussche Brechungsgesetz.
sin e u
=
sin e ' u '
(15)
Huygens und die Fata Morgana
Mit der Herleitung nach dem Huygensschen Prinzip ist dann auch zu verstehen warum der
Laserstrahl in diesem Experiment gebrochen wird, obwohl er ja senkrecht in die Küvette eintritt (Abb. 4 links). Tritt ein Laserstrahl in einen analogen Versuchsaufbau leicht schräg nach
oben ein, so ergibt sich das in Abb. 4 rechts zu sehende Bild. Nach dem gleichen Prinzip lässt
sich auch das Phänomen der Fata Morgana erklären.
_________________________________________________________________________________________
Apparatives Praktikum Physikalische Chemie für Studierende der Chemie
SS2015
TU Braunschweig, Institut für Physikalische und Theoretische Chemie, Dr. Christof Maul
Beobachtung der Diffusion mit einem Laser
7
Abbildung 4: Links: Ablenkung eines senkrecht auftreffenden Laserstrahls aufgrund des Brechzahlgradienten
Rechts: Foto des gekrümmten Verlaufs eines Laserstrahls in einem Medium mit Konzentrations gradienten. Auch hier handelt es sich um eine Küvette, in der Salzlösung mit Wasser überschichtet wurde und sich so ein Konzentrationsgradient ausgebildet hat.
Anwendung auf den Versuch
Da der Brechungsindex n einer Salzlösung mit steigender Konzentration c nahezu linear zunimmt, liegt ein direkter Zusammenhang zwischen Konzentrationsgradient und Brechungsindexgradienten vor. So gilt in guter Näherung für eine Änderung dn des Brechungsindexes bei
einer Konzentrationsänderung dc:
dn ≈ Kdc
(16a)
bzw. n n0 = Kc
(16b)
wobei n0 der Brechungsindex des reinen Wassers (für c = 0) ist und K eine Proportionalitätskonstante. Gl. (4) kann dann auch geschrieben werden als
y²
n - n 0 - 4Dt
dn
= (n - n 0 ) × g(y, 0, t) =
e
dy
(4pDt)
(17)
In Abb. 5 ist ersichtlich, dass der Strahl 1, der sich im Medium mit dem Brechungsindex n bewegt, schneller durch die Küvette läuft als der Strahl 2, der sich im Medium mit dem Brechungsindex n + dn bewegt. Die Laufzeitdifferenz dt der beiden Strahlen ergibt sich aus den
Lichtgeschwindigkeiten u1 und u2 und der Küvettenlänge w: dt = w/u 2 - w/u1 = wdn/u0, wobei
u0 die Lichtgeschwindigkeit in Luft ist. Nach Austritt aus der Küvette hat der Strahl 1 die
Strecke dl = u0dt = wdn gegenüber Strahl 2 zusätzlich zurückgelegt. Tritt die Brechungsindex-Änderung dn über die Distanz dy auf, so ist der Winkel α, unter dem der Strahl die Küvette verlässt, gegeben durch: tan α = dℓ/dy = wdn/dy. Der Ablenkwinkel ist also durch die
Schichtdicke der Küvette und den Brechungsindex-Gradienten eindeutig festgelegt.
_________________________________________________________________________________________
Apparatives Praktikum Physikalische Chemie für Studierende der Chemie
SS2015
TU Braunschweig, Institut für Physikalische und Theoretische Chemie, Dr. Christof Maul
Beobachtung der Diffusion mit einem Laser
8
Strahl 1
Strahl 2
Abbildung 5:
Zusammenhang zwischen Ablenkwinkel α, Brechungsindex-Änderung dn und den Messgrößen ΔY und B
Aufgrund des linearen Zusammenhangs (16) ist der Ablenkwinkel α auch ein Maß für den
Konzentrationsgradienten dc/dy. Damit ist die Ablenkung des Laserstrahls im Experiment ein
Maß für den Konzentrationsgradienten in der Lösung, und die gekrümmte Laserlinie auf dem
Schirm stellt die Verteilung des Brechungsindex- bzw. des Konzentrationsgradienten dar.
Nach Abb. 5 lässt sich der Ablenkwinkel α experimentell einfach aus dem Verhältnis zwischen der Ablenkung des Laserstrahls auf dem Schirm ΔY und dem Abstand zwischen Küvette und Schirm B bestimmen: tan α = ΔY/B. Für den Brechungsindex-Gradienten dn/dy ergibt sich damit
dn DY
=
dy wB
(18)
Die Durchtrittshöhe yL des Laserstrahls durch die Küvette lässt sich mit den Strahlensätzen
aus der X-Position der Kurve auf dem Schirm ermitteln (s. Abb.1):
yL = x L =
X×A
A+B
(19)
Wird jetzt dn/dy gegen yL aufgetragen, kann durch Vergleich mit Gl. (17) der Diffusionskoeffizient bestimmt werden.
_________________________________________________________________________________________
Apparatives Praktikum Physikalische Chemie für Studierende der Chemie
SS2015
TU Braunschweig, Institut für Physikalische und Theoretische Chemie, Dr. Christof Maul
Beobachtung der Diffusion mit einem Laser
9
Versuchsdurchführung
Es werden je 100 mL 2 mol/L Lösung von NaCl und KCl hergestellt. Es ist darauf zu achten,
dass die Lösungen vor Versuchsbeginn homogen sind.
Nun wird der Versuch gemäß der schematischen Skizze (Abb. 1) aufgebaut. Dazu können die
benötigten Elemente auf dem so genannten "Breadboard" (dem Tisch mit den vielen Löchern)
aufgebaut werden.
Als erstes wird der Laser montiert und - zunächst ohne Küvette - so justiert, dass der Laserstrahl senkrecht auf den Schirm trifft, damit gewährleistet ist, dass der Laserstrahl im Versuch
parallel zur anfänglichen Grenzschicht durch die Küvette läuft.
Mit dem ersten Spiegel nach dem Laser wird die Lage des Strahls auf dem zweiten Spiegel
und damit die Höhe des Laserstrahls justiert. Mit dem zweiten Spiegel kann nun der Winkel
des Strahls eingestellt werden. Justieren Sie den Strahl so, dass er jeweils auf die Mitten der
Spiegel fällt.
Die Rechtwinkeligkeit von Schirm und Strahl kann mit Hilfe eines bereitliegenden halbdurchlässigen Spiegels überprüft werden. Er wird mit seiner Fassung auf den Schirm gehalten. Im
rechtwinkeligen Fall wird der Rückreflex den Weg des eintreffenden Laserstrahls nehmen.
Andernfalls wird er unter einem Winkel dazu reflektiert. Die Lage von Laserstrahl und Rückreflex wird am besten mit einem Stück Papier überprüft, in das mit einem spitzen Gegenstand
ein kleines Loch, das als Blende für den Laserstrahl dient, gebohrt wurde.
Vorsicht beim Hantieren mit dem halbdurchlässigen Spiegel! Hierbei kann der Laserstrahl
schnell unbeabsichtigt durch den Raum geschickt werden. Obwohl es sich um einen nur teilreflektierenden Spiegel handelt, darf der Reflex nicht die Augen anderer Personen treffen!
Befestigen Sie ein ausreichend großes Stück orangefarbenes oder rotes Papier mittels der Magneten auf dem Schirm. Die Farbe des Papiers ist wichtig, da die optische Auswertung der
Kamerabilder mit dem Bildverarbeitungsprogramm auf der Intensität der Grünwerte beruht
und ein orangefarbener oder roter Hintergrund dabei dunkel erscheint.
Die Küvette wird auf dem dafür vorgesehenen Halter befestigt und bis zur Hälfte mit der
Salzlösung befüllt. Sie wird dann mit Hilfe der Höhenverstellung so positioniert, dass der Laserstrahl genau den Meniskus der Lösungsoberfläche trifft. Nun sollte auf dem Schirm eine
senkrechte Laserlinie zu erkennen sein.
Bringen Sie nun die die Stablinse in den Strahlengang ein. Sie wird in einem Drehhalter ebenfalls auf dem Breadboard montiert und so positioniert, dass der Laserstrahl genau durch ihre
Mitte läuft. Auf dem Schirm sollte jetzt eine Laserlinie zu sehen sein, die sich durch Drehen
der Stablinse rotieren lässt. Die Linie wird so justiert, dass sie exakt im 45°-Winkel auf dem
Schirm zu sehen ist.
_________________________________________________________________________________________
Apparatives Praktikum Physikalische Chemie für Studierende der Chemie
SS2015
TU Braunschweig, Institut für Physikalische und Theoretische Chemie, Dr. Christof Maul
Beobachtung der Diffusion mit einem Laser
10
Messen Sie für die spätere Auswertung außerdem die Abstände A: Glasstab – Mitte der Küvette, B: Mitte der Küvette – Schirm sowie die Schichtdicke w der Küvette (s. Abb. 1).
Wählen Sie den Kamera-Modus "Intervall" und stellen Sie eine Intervallzeit von 30 Sekunden
ein. Wählen Sie eine niedrige Auflösung (am besten eignet sich 480 x 640), damit die einzelnen Bilder nicht zu groß werden und die Laserlinie nicht durch zu viele Pixel nebeneinander
abgebildet wird. Montieren Sie die Kamera dann auf ein Stativ. Achten Sie darauf, dass Sie
die Laserspur Format füllend aufnehmen (Hochformat und Zoom!) und dass Sie die Kamera
parallel zum Schirm ausrichten, sonst müssen Sie alle Bilder von Hand nachbearbeiten!
Starten Sie nun den Diffusionsversuch, indem Sie eine kleine Korkscheibe auf die Lösungsoberfläche in der Küvette legen. Lassen Sie mit Hilfe einer 25 mL-Pipette vorsichtig destilliertes Wasser in kontinuierlichem Strom auf den Korkschwimmer laufen. Das Ganze muss sehr
behutsam passieren, damit sich eine möglichst scharfe Grenzfläche ausbildet. Da der Zeitpunkt der Überschichtung der Nullpunkt der Messreihe ist, wird jetzt die Kamera (mit dem
Auslöseknopf) gestartet.
Nach Überschichtung sollte eine Kurve ähnlich der in Abb. 1 auf dem Schirm zu sehen sein.
Diese wird für insgesamt 45 Minuten mittels einer Digitalkamera in Abständen von 30 Sekunden abfotografiert (Intervall-Modus). Stellen Sie sicher, dass Sie wenigstens einmal einen
Maßstab (z.B. Lineal oder Papierstreifen bekannter Länge) mit fotografieren, um die Bildpixel für die Datenauswertung in Distanzen umrechnen zu können.
_________________________________________________________________________________________
Apparatives Praktikum Physikalische Chemie für Studierende der Chemie
SS2015
TU Braunschweig, Institut für Physikalische und Theoretische Chemie, Dr. Christof Maul
Beobachtung der Diffusion mit einem Laser
11
Auswertung
Zunächst zur Begriffsklärung: x (X,X') bezeichnet jetzt und im Folgenden grundsätzlich die
horizontale Achse und y (Y,Y') die vertikale Achse, jeweils senkrecht zur Ausbreitungsrichtung des Laserstrahls. Gestrichene Größen sind in Pixelwerten gemessen, ungestrichene in
Längeneinheiten. Große Buchstaben beziehen sich auf den Schirm, kleine auf die Küvette.
Die generelle Vorgehensweise ist wie folgt:
1)
Konvertieren Sie die fotografierten Bilder in ASCII-Dateien, die jeweils die Koordinaten (X'/Y') der abgelenkten Laserlinie enthalten.
2)
Bestimmen Sie die vertikale Ablenkung ΔY' von der Diagonalen durch Subtraktion der
Basislinie.
3)
Benutzen Sie Gl. (18) und (19) um aus ΔY'(X') die Abhängigkeit dn/dy(y) des Brechzahl-Gradienten dn/dy von der Höhe y in der Küvette zu bestimmen. ΔY' ist dabei ein
Maß für den Brechzahl-Gradienten dn/dy in der Küvette (s. Gl. 18), und X' ist ein Maß
für die Durchtrittshöhe yL des Laserstrahls durch die Küvette (s. Gl. 19). (Das klingt
verwirrend, weil die X'-Koordinate auf dem Schirm die y-Koordinate in der Küvette
angibt. Das ist aber so, weil der Laserstrahl eine 45°-Neigung besitzt.)
4)
Fitten Sie an die Daten aus 3) je eine Gaußfunktion an. Bestimmen Sie deren Breite.
5)
Benutzen Sie die in 4) bestimmten Breiten der Gaußfunktionen für verschiedene Zeiten t, um den Diffusionskoeffizienten aus einer linearen Regressionsanalyse zu bestimmen.
Gehen Sie dazu jeweils wie folgt vor:
Zu 1) Erstellen Sie auf dem Desktop des Auswerterechners ein neues Verzeichnis, und kopieren Sie alle Bilder dort hinein. Wählen Sie für jedes Salz 8 Bilder aus, die den gesamten Beobachtungszeitraum abdecken müssen. Achten Sie dabei auf einen guten
Kontrast der Aufnahmen. Lesen Sie die ausgewählten Bilder in das LabView-Programm "Foto zu xy" ein. Dieses Programm erstellt aus einem Bild eine zweispaltige
ASCII-Datei mit den Koordinaten der hellsten Grünwerte. Passen Sie die Grünwert-Schwelle mittels des im Programm eingebauten Reglers so an, dass im angezeigten
Koordinatensystem die Laserlinie gut erkennbar ist, aber möglichst kein Fehlsignal
(Hintergrundrauschen) erscheint. Sorgfalt bei der Umwandlung erspart später mühsame Handarbeit, denn jeder Fehlpunkt muss in der Auswertung von Hand wegretuschiert werden. Geben Sie den ASCII-Ausgabedateien sinnvolle Namen und speichern
Sie sie auch in Ihrem Versuchsordner.
Zu 2) Öffnen Sie nun das Auswerteprogramm Origin und lesen Sie mittels des Import-Assistenten (Import Wizard) alle ASCII-Daten für ein Salz auf einmal ein. Für jede Datei
_________________________________________________________________________________________
Apparatives Praktikum Physikalische Chemie für Studierende der Chemie
SS2015
TU Braunschweig, Institut für Physikalische und Theoretische Chemie, Dr. Christof Maul
Beobachtung der Diffusion mit einem Laser
12
wird ein eigenes Workbook mit den X'- und Y'-Koordinaten der konvertierten Bildpunkte erstellt. Speichern Sie als erstes die Origin-Auswertedatei. Speichern Sie nach
jedem Auswerteschritt erneut!
Stellen Sie jede Datei graphisch dar, indem Sie beide Spalten markieren und mit Plot /
Symbol / Scatter darstellen, wie in Abb. 6 links gezeigt. Die graphische Darstellung
sollte so aussehen wie in Abb. 6 rechts.
Abbildung 7:
Darstellung der Bildkoordinaten. Links: Auswahlmenü. Rechts: Ergebnis
Um die Ablenkung Y' der gemessenen Laserlinie Y'(X') von der geraden, um 45° geneigten Basislinie YB'(X') zu bestimmen, müssen Sie die Basislinie von der gemessenen Linie subtrahieren. Das können Sie graphisch tun, indem Sie den Menüpunkt Analysis / Data Manipulation /Subtract Straight Line aufrufen (s. Abb. 7).
Abbildung 7:
Subtraktion der Grundlinie: Links: Auswahlmenü. Rechts: Ergebnis
Das Ergebnis ist eine Kurve ΔY'(X') mit negativer Amplitude, wie in Abb. 7 rechts
dargestellt. Sie müssen die Ordinate reskalieren, um die Kurve vollständig darzustellen, da sich die Kurve durch die Basislinien-Subtraktion verschoben hat. Speichern Sie
Ihre Datei ab!
_________________________________________________________________________________________
Apparatives Praktikum Physikalische Chemie für Studierende der Chemie
SS2015
TU Braunschweig, Institut für Physikalische und Theoretische Chemie, Dr. Christof Maul
Beobachtung der Diffusion mit einem Laser
13
Zu 3) Bevor Sie eine Gaußkurve an die so bearbeiteten Messdaten anfitten können, müssen
Sie die Schirm-Pixelkoordinaten (X', Y') über die Schirm-Ortskoordinaten (X, Y) in
die Küvettenkoordinaten (dn/dy, y) umrechnen!
Schirm-Pixelkoordinaten können Sie einfach in Schirm-Ortskoordinaten umrechnen,
indem Sie die Pixelzahl eines fotografierten Maßstabs bekannter Länge bestimmen.
Entfallen auf einen Maßstab von 20 cm Länge beispielsweise 200 pixel, erhalten Sie
einen Umrechnungsfaktor K = 0,1 cm/pixel, mit dem Sie X und Y bestimmen können.
Allgemein gilt:
X = KX',
ΔY = KΔY'
Aus den Wertepaaren (X, ΔY) lassen sich jetzt der Brechungsindex-Gradient dn/dy
und die zugehörige Durchtrittstiefe des Laserstrahls yL in der Küvette mittels Gl. (18)
und (19) berechnen. Hierbei macht man sich zunutze, dass für den Durchtrittsort des
Laserstrahls durch die Küvette wegen der 45°-Neigung immer x L = yL gilt. Erstellen
Sie dazu in jedem Workbook neue Spalten, wie in Abb. 8 zu sehen, und berechnen Sie
die jeweiligen Werte mit dem "Set Column Value"-Befehl.
Abbildung 8:
Berechnung des absoluten Brechzahlgradienten dn/dy und der Durchtrittstiefe y des Laserstrahls durch die Küvette
Diese Methode wird auf alle gemessenen Kurven zu den verschiedenen Zeitpunkten t
angewendet. Dann ergibt eine Auftragung von (dn/dy) gegen y für jede Messung eine
Gaußkurve, wie in Abb. 8 dargestellt, aber mit absoluten Einheiten auf den Achsen,
nämlich der Durchtrittstiefe des Laserstrahls durch die Küvette (z.B. in cm) und dem
Brechzahlgradienten (z.B. in 1/cm).
Für größere Zeiten t werden die Gaußkurven immer flacher und breiter. Die Ursache
dafür ist die immer breiter bzw. "verschmierter" werdende, ehemals scharf ausgebildete Grenzfläche zwischen Salzlösung und destilliertem Wasser.
_________________________________________________________________________________________
Apparatives Praktikum Physikalische Chemie für Studierende der Chemie
SS2015
TU Braunschweig, Institut für Physikalische und Theoretische Chemie, Dr. Christof Maul
Beobachtung der Diffusion mit einem Laser
14
Zur Berechnung des Diffusionskoeffizienten aus den erhaltenen Kurven gibt es verschiedene Möglichkeiten. Man kann Flächen und Maxima der Gaußfunktionen auswerten. Die Gaußfunktionen können durch Logarithmieren linearisiert werden, oder
man kann die Breiten der Gaußfunktionen auswerten. Hier soll die letzte der drei Methoden angewandt werden.
Zu 4) Passen Sie dazu eine Gaußfunktion an Ihre gemessenen Daten an. Verwenden Sie den
Befehl Analysis-Fitting-Nonlinear Curve Fit.
Abbildung 9:
Auswahl der Fitfunktion "Gauss"
Origin verfügt über eine reichhaltige Bibliothek an Standard-Fitfunktionen. Für die
Beschreibung einer Gaußfunktion sind die Funktionen "Gauss" oder "GaussAmp" am
besten geeignet die beide zur Kategorie der "Basic Functions" gehören. Schauen Sie
sich die mathematische Definition mit der Code-Registerkarte an. Für die Funktion
"GaussAmp" lautet sie: y = y0 + A*exp(−0.5*((x−xc)/w)^2) (s. Abb. 10). In Normalschreibweise:
y = y 0 + Ae
-
(x - x C ) 2
2w 2
(20)
Die Funktion "Gauss" unterscheidet sich davon durch eine andere Parameterdefinition.
Abb. 10:
Definition der Fitfunktion "GaussAmp""
_________________________________________________________________________________________
Apparatives Praktikum Physikalische Chemie für Studierende der Chemie
SS2015
TU Braunschweig, Institut für Physikalische und Theoretische Chemie, Dr. Christof Maul
Beobachtung der Diffusion mit einem Laser
15
Zu 5) Nach erfolgter Optimierung für alle Ihre Messungen erhalten Sie den Diffusionskoeffizienten D aus dem Vergleich der Gaußfunktion aus Gl. (20) mit der Gaußfunktion aus
Gl. (17):
w2 = 2Dt
(21)
Tragen Sie daher die Werte w2 gegen die Zeit t auf. Sie sollten eine Gerade erhalten,
deren Steigung gerade doppelt so groß ist wie der Diffusionskoeffizient D.
Wiederholen Sie das Verfahren für das zweite Salz.
Diskussion
Diskutieren Sie Ihre Ergebnisse einschließlich der Messfehler. Worin sind die unterschiedlichen Werte für die unterschiedlichen Salze begründet? Diskutieren Sie die unterschiedliche
Größe der Kationen. Berücksichtigen Sie dabei die Hydrathülle.
Vergleichen Sie Ihre Ergebnisse mit Literaturwerten (unter quantitativer Berücksichtigung
des experimentellen Fehlers). Stimmen Ihre Messungen mit den Literaturdaten überein? In
den Lehrbüchern sind üblicherweise Diffusionskoeffizienten für nur eine Ionensorte angegeben. Sie benötigen aber über Kationen (Na+/K+) und Anionen (Cl−) gemittelte Diffusionskoeffizienten, die Sie z.B. in: R.H. Stokes, J. Am. Chem. Soc. 75, 1556 (1953) finden.
_________________________________________________________________________________________
Apparatives Praktikum Physikalische Chemie für Studierende der Chemie
SS2015
TU Braunschweig, Institut für Physikalische und Theoretische Chemie, Dr. Christof Maul