Dezember 2015 - krause & kollegen

Wirtschaftsstrafrechtliche Nachrichten – Dezember 2015
Kurzübersicht zum Inhalt:
[1] Rechtsprechung
[2] Verwaltung
[3] Gesetzgebung
[4] Wirtschaftsstrafrecht à propos
[5] Drucksachen und Texte im Wortlaut – für Sie zitiert
[6] Impressum
[7] Hinweis zum Urheberrecht
----------------------------------------------------------------------[1] Rechtsprechung
----------------------------------------------------------------------OLG Stuttgart: Höhe des Wertersatzverfalls bei verbotenen Insidergeschäften
Karlsruhe. In seinem Beschluss vom 03.09.2015 (OLG Karlsruhe, Beschluss v.
03.09.2015 – 4 Ws 283/15), hat sich das OLG Stuttgart mit der Höhe des Wertersatzverfalls bei verbotenen Insidergeschäften befasst.
Der Beschuldigten B. wird vorgeworfen, beim Erwerb von Aktien eine Insiderinformation
verwendet zu haben. Ihr mitbeschuldigter Ehemann habe sie bereits vor dem Erwerb
der Aktien über den bevorstehenden Abschluss eines Rahmenvertrages informiert.
Das Amtsgericht Stuttgart hatte mit Beschluss vom 07.04.2015 den dinglichen Arrest in
das Vermögen der B. in Höhe von 336.413,06 € angeordnet. Mit Beschluss vom
14.07.2015 hat das Landgericht Stuttgart die Beschwerde der B. gegen den Beschluss
des Amtsgerichts als unbegründet verworfen. Dagegen richtet sich die weitere Beschwerde der B.
Die Beschwerde hatte teilweise Erfolg. Der Arrest könne nur in Höhe von 24.380,35 €
angeordnet werden, weil lediglich in dieser Höhe ein Anspruch auf Wertersatzverfall zu
erwarten sei, so das OLG.
Erwerbe ein Beteiligter entgegen §§ 38 Abs. 1 Nr. 1, 14 Abs. 1 Nr. 1 WpHG Insiderpapiere, unterliege der dadurch erzielte Sondervorteil, nicht jedoch der gesamte Wert der
erworbenen Papiere gemäß §§ 73 Abs. 1 Satz 1, 73a S. 1 StGB, Art. 1 Abs. 1 EGStGB
dem Wertersatzverfall.
Dementsprechend habe der Bundesgerichtshof entschieden, dass bei einem Insider,
der Wertpapiere entgegen § 14 Abs. 1 Nr. 1 WpHG veräußert, nicht der gesamte Ver-
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äußerungserlös, sondern nur der durch das Insiderwissen erzielte Sondervorteil abgeschöpft werden könne (BGH, Beschluss vom 27.01.2010 – 5 StR 224/09, juris Rn. 31).
Nicht ausdrücklich entschieden sei, ob dies auch in der vorliegenden Konstellation gelte, in der ein Insider Wertpapiere unter Verwendung der Insiderinformation entgegen §
14 Abs. 1 Nr. 1 WpHG erwerbe (dazu Gehrmann in Schork/Groß, Bankstrafrecht, 2013,
Rn. 544). Der Senat sieht auch in dieser Konstellation des nach den im Sinne von § 73
Abs. 1 S. 1 StGB erlangten Vermögenswert in dem unter Verwendung der Insiderinformation erlangten Vermögensvorteil und nicht im Wert der erworbenen Papiere. Das vorliegend in Rede stehende Erwerbsverbot des § 14 Abs. 1 Nr. 1 Fall 1 WpHG solle
ebenso wie das Veräußerungsverbot des § 14 Abs. 1 Nr. 1 Fall 2 WpHG verhindern,
dass der Insider einen Sondervorteil erlangt. Es mache keinen Unterschied, ob der erlangte Sondervorteil darin bestehe, dass der Insider durch eine Veräußerung der Wertpapiere einen Verlust vermeide oder durch einen Erwerb der Wertpapiere einen Gewinn
erziele.
In der Bestimmung des Verfalls anhand des Sondervorteils liege kein systemwidriger
Rückgriff auf die Rechtsfigur des rechtmäßigen Alternativverhaltens und keine Rückkehr zum Nettoprinzip. Das Abstellen auf den Sondervorteil sei vielmehr Folge einer am
Verbotszweck orientierten Auslegung (vgl. BGH, Urteil vom 19.01.2012 – 3 StR
343/11). Der Zweck des Verbots des § 14 Abs. 1 Nr. 1 WpHG bestehe darin zu verhindern, dass der Täter einen Insidervorteil erlange. Das durch die Tat Erlangte bestehe
deshalb von vornherein nur in dem durch die verbotene Transaktion zugeflossenen
Sondervorteil. Eine am Verbotszweck orientierte Bestimmung des dem Verfall unterliegenden Vermögensgegenstandes verletze nicht das der Regelung des § 73 Abs. 1 S. 1
StGB zugrunde liegende Bruttoprinzip. Das Bruttoprinzip besage lediglich, dass der erlangte wirtschaftliche Wert „brutto“ – also ohne gewinnmindernde Abzüge – anzusetzen
sei. Dem vorgreiflich sei jedoch die Frage, welche wirtschaftlichen Werte der Täter
durch seine Tat überhaupt erlangt habe (vgl. BGH, Urteil vom 19.01.2012 – 3 StR
343/11).
Dass 14 Abs. 1 Nr. 1 WpHG in der seit dem 30.10.2004 geltenden Fassung statt einem
„Ausnutzen“ nur noch die „Verwendung“ der Insiderinformation verlange, stehe einer
Bestimmung des Verfallsgegenstand anhand des erlangten Sondervorteils nicht entgegen. Die Neufassung habe Beweisschwierigkeiten beseitigen wollen, die dadurch entstanden waren, dass die Erlangung eines Vermögensvorteils als maßgebliches Motiv
verlangt worden sei (BT-Drucks. 15/3174, S. 34). Am objektiven Zweck der Verbotsnorm, die Erlangung von Sondervorteilen im Interesse der Funktionsfähigkeit des Kapitalmarkts zu verhindern, habe sich dadurch nichts geändert. Nach wie vor sei erforderlich, dass der Täter die Insiderinformation „in sein Handeln einfließen lässt“ (BT-Drucks.
15/3174, S. 34), was eine Verknüpfung des Erwerbs oder der Veräußerung der Wertpapiere mit der Insiderinformation herstelle. Der Grund für das Verbot liegt deshalb weiterhin in der durch die Verwendung der Insiderinformation geprägten Art und Weise des
Zustandekommens des Geschäfts.
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Für das Abstellen auf den durch das Insidergeschäft erlangten Sondervorteil spreche
auch, dass ein gegen das Verbot des § 14 Abs. 1 Nr. 1 WpHG verstoßendes Rechtsgeschäft jedenfalls dann nicht gemäß § 134 BGB nichtig sei, wenn der Vertragspartner
keine Kenntnis von dem Verstoß hab. Das Verbot der Verwertung von Insiderinformationen richte sich nicht gegen den Inhalt der jeweiligen Geschäfte, sondern gegen die Art
und Weise ihres Zustandekommens.
Schließlich liege auch kein Widerspruch zu Fällen der Marktmanipulation gemäß § 38
Abs. 2, § 39 Abs. 1 Nr. 1, 20a Abs. 1 S. 1 Nr. 2 WpHG vor, bei denen der gesamte Verkaufserlös dem Verfall unterliege. Denn bei einer solchen Marktmanipulation führe der
Börsenpreis den tatbestandlichen Erfolg herbei. Das Verbot solcher Geschäfte richte
sich deshalb nicht nur gegen die Art und Weise ihrer Ausführungen, sondern zielt darauf, die Transaktionen als solche wegen ihrer manipulativen Einwirkung auf den Börsenpreis zu verhindern (vgl. BGH, Urteil vom 27.11.2013 – 3 StR 5/13).
----------------------------------------------------------------------[2] Verwaltung
----------------------------------------------------------------------Anklage der Staatsanwaltschaft München I wegen sogenanntem „AGG-Hopping“
nicht zugelassen
München. Die – soweit bekannt – erste Anklage wegen des Vorwurfes von sogenanntem „AGG-Hopping“ wurde Mitte Dezember von dem Landgericht München I nicht zur
Hauptverhandlung zugelassen.
„AGG-Hopping“ bezeichnet Fälle, in denen Personen sich zum Schein auf eine Stelle
bewerben, ohne ernsthaft an dem ausgeschriebenen Arbeitsplatz interessiert zu sein.
Vielmehr spekulieren die Scheinbewerber darauf, eine Absage zu erhalten, die nach
dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) angreifbar ist. AGG-Hopper suchen
zu diesem Zweck oftmals gezielt Stellenausschreibungen, die angreifbare Formulierungen wie „Young Professionals“ oder „für unser junges Team“ verwenden. Hierbei machen sich Bewerber die Beweislastumkehr in § 22 AGG zunutze, wonach den Arbeitgeber, wenn Indizien für eine Diskriminierung (z.B. wegen des Alters) vorliegen, beweisen muss, dass kein Verstoß gegen die Bestimmungen zum Schutz vor Benachteiligung vorgelegen hat. In der Praxis spekuliert der Scheinbewerber auf Entschädigung (§
15 AGG) oder auf einen günstigen Vergleich.
In dem Fall, der nun zur Anklage gekommen ist und der die 12. Strafkammer des Landgerichts München I befasste, wurde einem Münchener Arbeitsrechtler und einer weiteren Person vorgeworfen, sich auf eine Vielzahl von Stellen beworben zu haben. In 25
Fällen seien insgesamt 88 TEUR Entschädigung gezahlt worden, in 91 weiteren Fällen
dagegen nicht. Die Kriminalpolizei habe in einer erheblich höheren Anzahl von Fällen
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ermittelt. Insgesamt hätten die Beschuldigten von den Unternehmen, bei denen sie sich
erfolglos beworben hatten, 1,7 Mio. EUR gefordert. Medienberichten zufolge sollen sich
die Beschuldigten auf Altersdiskriminierung berufen haben, in einem Fall auch darauf,
dass eine ethnische Diskriminierung wegen der bayerischen Herkunft eines Beschuldigten erfolgt sei.
Die Staatsanwaltschaft München I wertete die Fälle als schweren Betrug. Die Beschuldigten hätten sich durch ihr Vorgehen eine dauerhafte Erwerbsquelle von einigem Umfang sichern wollen.
Das Landgericht München I lehnte die Eröffnung des Hauptverfahrens nun ab. Die hierfür maßgeblichen Gründe teilte das Gericht nicht öffentlich mit. Die Staatsanwaltschaft
hat sofortige Beschwerde gegen den Nichteröffnungsbeschluss eingelegt, sodass das
Oberlandesgericht über die Zulassung der Anklage nun entscheiden wird.
----------------------------------------------------------------------[3] Gesetzgebung
----------------------------------------------------------------------Untersuchungsausschuss zu „Cum-Ex-Geschäften“
Berlin. Die Fraktionen Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen haben die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses, der die „im Zeitraum von 1999 bis 2012 vollzogene
Praxis der sogenannten Cum-Ex-Geschäfte aufklären“ soll, beantragt (BT-Drs.
18/6839). Den vollständigen Text des Antrags finden Sie unter der Rubrik „Für Sie zitiert“.
Der Untersuchungsausschuss, der aus acht Mitgliedern und entsprechend vielen Stellvertretern bestehen soll, habe unter anderem aufzuklären, warum die „Cum-ExGeschäfte über zehn Jahre lang nicht unterbunden wurden“, welcher Schaden im Zeitraum 1999 bis 2012 für den Steuerzahler entstanden sei und „welche Stellen und welche Personen auf der staatlichen Seite“ mitverantwortlich seien.
Kleine Anfrage zur Zulässigkeit des „Dividenden-Strippings“
Berlin. Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen erkundigt sich bei der Bundesregierung
nach der steuerrechtlichen Zulässigkeit des sogenannten Dividenden-Strippings (BTDrs. 18/6863). Obgleich die Gesetzeslücke, die Cum-Ex-Geschäft als Sonderfall des
Dividenden-Strippings ermöglicht hätten, inzwischen vollständig geschlossen sei, fände
bis heute Dividenden-Stripping in folgender Form statt: Ein Steuerinländer erwerbe Aktien eines deutschen Unternehmens von einem Steuerausländer vor dem Ausschüttungstermin der Dividende und verkaufe diese nach dem Ausschüttungstermin mit dem
Dividendenabschlag wieder an den Steuerausländer. Dadurch werde die Dividende ein-
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schließlich des Steueranrechnungsguthabens von der Aktie abgestreift. Der Steuerinländer sei im Ergebnis der Transaktion zur Anrechnung der von der Aktiengesellschaft
einbehaltenen und an den deutschen Fiskus abgeführten Kapitalertragssteuer berechtigt. Der eigentlich nicht anrechnungsberechtigte Steuerausländer komme jedoch durch
die Transaktion wirtschaftlich in den Genuss dieses Anrechnungsvorteils.
Die Bundesregierung soll darlegen, ob diese Form des Aktienkaufs- und Verkaufs rund
um den Dividendentermin eine zulässige Form der Steuergestaltung ist. Zudem wird
gefragt, welche Möglichkeiten es gibt, die Steuerausfälle aus dem Dividenden-Stripping
zu vermeiden.
----------------------------------------------------------------------[4] Wirtschaftsstrafrecht à propos
----------------------------------------------------------------------§ 30 AO hindert nicht die Herausgabe von Steuerunterlagen an den Insolvenzverwalter
Münster. Das OVG Münster hat seine Rechtsprechung zum Informationsfreiheitsgesetz
Nordrhein-Westfalen (IFG NRW) weiter konkretisiert und in vier miteinander verbundenen Fällen entschieden, dass Insolvenzverwalter vom Finanzamt regelmäßig Einsicht in
die den insolventen Schuldner betreffenden steuerlichen Unterlagen verlangen können,
ohne dass das Steuergeheimnis dem entgegensteht (8 A 1032/14, 8 A 1073/14, 8 A
1074/14, 8 A 1126/14).
Die Insolvenzverwalter hatten unter Berufung auf das IFG NRW bei dem jeweiligen Finanzamt beantragt, ihnen die Steuerkontoauszüge des Schuldners zu übergeben. Mit
Hilfe der steuerlichen Unterlagen sollte ermittelt werden, ob Zahlungen auf Steuerschulden gegebenenfalls der Insolvenzanfechtung unterliegen. Nachdem der erkennende Senat bereits im Jahr 2011 entschieden hatte, dass sich ein derartiger Anspruch
aus dem IFG NRW ergibt, waren die Klagen vor dem VG erfolgreich. Mit den dagegen
eingelegten Berufungen machte das beklagte Land geltend, die Herausgabe der Steuerkontoauszüge an die Insolvenzverwalter verletze das Steuergeheimnis.
Der 8. Senat hat nach Überprüfung an seiner Rechtsprechung festgehalten, wonach der
geltend gemachte Informationsanspruch nach dem IFG NRW in derartigen Fällen
grundsätzlich besteht. Der Anspruch werde nicht dadurch ausgeschlossen, dass die
Abgabenordnung (AO) keinen Akteneinsichtsanspruch im Steuerverwaltungsverfahren
vorsehe. Das Steuergeheimnis nach § 30 AO stehe der Offenbarung der steuerlichen
Verhältnisse des insolventen Schuldners gegenüber dem Insolvenzverwalter nicht entgegen. Durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens gehe das Recht des Schuldners,
das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen zu verwalten und über es zu verfügen,
auf den Insolvenzverwalter über. Das schließe auch die Verfügungsbefugnis über In-
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formationen bzw. „Geheimnisse“ ein, deren Kenntnis zur Verwaltung der Insolvenzmasse und sachgerechten Wahrung der Gläubigerrechte erforderlich sei. Ohnehin verpflichte § 97 InsO den Schuldner, dem Insolvenzverwalter über alle das Verfahren betreffenden Verhältnisse Auskunft zu geben. Aus diesen Regelungen sei insgesamt zu schließen, dass das Steuergeheimnis bei einer Herausgabe der Steuerkontenauszüge an den
Insolvenzverwalter nicht berührt werde, soweit diese die Insolvenzmasse beträfen.
Die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig. Der Senat hat die Revision zum Bundesverwaltungsgericht zugelassen.
----------------------------------------------------------------------[5] Drucksachen und Texte im Wortlaut - Für Sie zitiert
----------------------------------------------------------------------Nachfolgend werden die Fundstellen aus Drucksachen und Texten angeführt, die in den
vorstehenden Rubriken angesprochen worden sind:
Deutscher Bundestag
Drs. 18/6839
Antrag
der Abgeordneten Richard Pitterle, Dr. Gerhard Schick, Dr. Sahra Wagenknecht, Dr. Dietmar Bartsch, Katrin Göring-Eckardt, Dr. Anton Hofreiter, Jan
van Aken, Luise Amtsberg, Kerstin Andreae, Annalena Baerbock, Marieluise
Beck (Bremen), Volker Beck (Köln), Herbert Behrens, Karin Binder, Matthias
W. Birkwald, Heidrun Bluhm, Dr. Franziska Brantner, Agnieszka Brugger,
Christine Buchholz, Eva Bulling-Schröter, Roland Claus, Sevim Dağdelen,
Dr. Diether Dehm, Ekin Deligöz, Katja Dörner, Katharina Dröge, Harald Ebner, Klaus Ernst, Dr. Thomas Gambke, Matthias Gastel, Wolfgang Gehrcke,
Kai Gehring, Nicole Gohlke, Annette Groth, Dr. Gregor Gysi, Heike Hänsel,
Dr. André Hahn, Anja Hajduk, Britta Haßelmann, Dr. Rosemarie Hein, Inge
Höger, Bärbel Höhn, Andrej Hunko, Sigrid Hupach, Dieter Janecek, Ulla Jelpke, Susanna Karawanskij, Kerstin Kassner, Uwe Kekeritz, Katja Keul, SvenChristian Kindler, Katja Kipping, Maria Klein-Schmeink, Tom Koenigs, Jan
Korte, Sylvia Kotting-Uhl, Jutta Krellmann, Oliver Krischer, Stephan Kühn
(Dresden), Christian Kühn (Tübingen), Renate Künast, Katrin Kunert, Markus
Kurth, Caren Lay, Monika Lazar, Sabine Leidig, Steffi Lemke, Ralph Lenkert,
Michael Leutert, Stefan Liebich, Dr. Tobias Lindner, Dr. Gesine Lötzsch,
Thomas Lutze, Nicole Maisch, Peter Meiwald, Birgit Menz, Irene Mihalic,
Cornelia Möhring, Niema Movassat, Norbert Müller, Beate Müller-Gemmeke,
Özcan Mutlu, Dr. Alexander S. Neu, Thomas Nord, Dr. Konstantin von Notz,
Omid Nouripour, Cem Özdemir, Friedrich Ostendorff, Petra Pau, Lisa Paus,
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Harald Petzold (Havelland), Brigitte Pothmer, Martina Renner, Tabea Rößner,
Claudia Roth (Augsburg), Corinna Rüffer, Manuel Sarrazin, Elisabeth Scharfenberg, Ulle Schauws, Michael Schlecht, Dr. Frithjof Schmidt, Kordula
Schulz-Asche, Dr. Petra Sitte, Kersten Steinke, Dr. Wolfgang StrengmannKuhn, Hans-Christian Ströbele, Dr. Kirsten Tackmann, Azize Tank, Frank
Tempel, Dr. Harald Terpe, Markus Tressel, Jürgen Trittin, Dr. Axel Troost,
Alexander Ulrich, Dr. Julia Verlinden, Kathrin Vogler, Doris Wagner, Beate
Walter-Rosenheimer, Harald Weinberg, Katrin Werner, Dr. Valerie Wilms,
Birgit Wöllert, Jörn Wunderlich, Hubertus Zdebel, Pia Zimmermann, Sabine
Zimmermann (Zwickau)
betreffend Einsetzung eines Untersuchungsausschusses
Der Bundestag wolle beschließen:
A.
Einsetzung
I.
Es wird ein Untersuchungsausschuss eingesetzt.
II.
Der Untersuchungsausschuss soll aus acht Mitgliedern und entsprechend vielen
Stellvertreterinnen bzw. Stellvertretern bestehen.
B.
Auftrag
I.
Der Untersuchungsausschuss soll die im Zeitraum von 1999 bis 2012 vollzogene
Praxis der sogenannten Cum-Ex-Geschäfte aufklären.
Bei diesen sogenannten Cum-Ex-Geschäften wurde mittels Leerverkäufen eine Situation herbeigeführt, in der eine Aktie rechtlich gesehen für eine kurze Zeit scheinbar mehrere Eigentümerinnen und Eigentümer hatte. Der Zeitraum wurde dabei so
gewählt, dass in ihn die Auszahlung der Dividende fiel. Dies führte dazu, dass für
eine nur einmal an die Finanzbehörden abgeführte Kapitalertragsteuer mehrere
Steuerbescheinigungen ausgestellt wurden und die Kapitalertragsteuer hierdurch
mehrfach auf die Einkommensteuer bzw. Körperschaftsteuer bei den verschiedenen
Eigentümerinnen bzw. Eigentümern der Aktie angerechnet werden konnte. Damit
wurde eine Belastung durch Kapitalertragsteuer an anderen Stellen des Steuersystems mehrfach entlastend berücksichtigt, obwohl es die entsprechende Belastung
tatsächlich nur einmal gegeben hatte.
Der Untersuchungsausschuss soll die Ursachen der Entstehung der Cum-ExGeschäfte und ihre Entwicklung untersuchen. Er soll klären, ob und wenn ja, wann –
rechtzeitig – geeignete Gegenmaßnahmen ergriffen wurden, ob diese ausreichten
und wer gegebenenfalls jeweils die Verantwortung für die nicht erfolgte Unterbindung der Cum-Ex-Geschäfte trug.
II.
Der Ausschuss soll dabei die Fragen klären,
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1.
wie es dazu kommen konnte, dass die Cum-Ex-Geschäfte über zehn Jahre lang
nicht unterbunden wurden;
2.
in welcher Höhe es im Zeitraum von 1999 bis 2012 durch diese Praxis zu einem
Schaden für die Gemeinschaft der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler kam;
3.
welche Stellen und welche Personen auf der staatlichen Seite nicht rechtzeitig die
notwendigen Maßnahmen ergriffen haben, um Cum-Ex-Geschäfte zu unterbinden,
und damit für den entstandenen Schaden einerseits formal und andererseits tatsächlich mitverantwortlich sind;
4.
ob und wenn ja, von wem es Einflussnahmen mit dem Ziel gab, das Modell der
Cum-Ex-Geschäfte nicht oder nicht gänzlich abzuschaffen;
5.
ob und wenn ja, in welchem Umfang sich Kreditinstitute des öffentlichen Sektors
(Landesbanken, Sparkassen und Förderbanken) an den Geschäftsgestaltungen beteiligt haben und ob dies gegebenenfalls auf eigene oder auf Rechnung ihrer Kundinnen und Kunden erfolgte, wie es gegebenenfalls zu einer solchen Beteiligung an
diesen Geschäften kommen konnte und ob die öffentlichen Eigentümerinnen und
Eigentümer der Banken bzw. die entsprechenden Aufsichtsgremien gegebenenfalls
hiervon Kenntnis erhielten;
6.
ob die getroffenen und/oder geplanten Maßnahmen zur Reduzierung des für die
Gemeinschaft der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler eingetretenen Schadens effektiv und hinreichend sind;
7.
ob ausreichend Vorkehrungen getroffen und/oder geplant worden sind, um ähnliche
Gestaltungen, z.B. beim Dividendenstripping künftig wesentlich frühzeitiger zu erkennen und unterbinden zu können;
8.
ob, bezogen auf die erfolgten oder ähnlichen Gestaltungen im Bereich der Kapitalertragsteuer, strukturelle Defizite in der Zusammenarbeit von Bund und Ländern im
Bereich der Finanzverwaltung bestehen, die es erforderlich machen, den Vollzug
der Steuergesetze durch Änderung der entsprechenden Gesetze bzw. des Grundgesetzes grundlegend zu verändern.
Begründung
Bei der Steuergestaltung der sogenannten Cum-Ex-Geschäfte kam es zur Erstattung von
zuvor nicht gezahlter Steuer. Es entstand dabei ein erheblicher Schaden für die Gemeinschaft der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler, den Experten bzw. Expertinnen auf etwa
zwölf Milliarden Euro schätzen. Damit handelt es sich um den größten Skandal im Steuerbereich in der Geschichte der Bundesrepublik. Profiteure und Profiteurinnen waren die
Finanzbranche und reiche Anleger
und Anlegerinnen, die diese Möglichkeit gezielt ausnutzten. Es besteht daher ein hohes
Aufklärungsinteresse der Öffentlichkeit, wie es dazu kommen konnte, dass diese Praxis
entstehen konnte und es über zehn Jahre dauerte bis die Politik die Möglichkeit dazu beseitigte.
Zu diesem Zweck haben die Fraktionen DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im
Bundestag beantragt (Bundestagsdrucksache 18/3735), eine Sonderermittlerin oder einen
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Sonderermittler des Bundes einzusetzen, um den Vorgang und die Hintergründe untersuchen zu lassen. Der Antrag wurde von den Fraktionen der CDU/CSU und der SPD abgelehnt (Plenarprotokoll 18/124).
Die Einsetzung einer Ermittlungsbeauftragten oder eines Ermittlungsbeauftragten im
Rahmen eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses ist nach § 10 PUAG ein
Recht, das auch einer Minderheit im Untersuchungsausschuss zusteht. Daher soll für die
Aufklärung dieses gigantischen Steuerskandals zu Lasten der Allgemeinheit ein Untersuchungsausschuss eingerichtet und von diesem eine Ermittlungsbeauftragte oder ein Ermittlungsbeauftragter mit der Aufklärung beauftragt werden.
----------------------------------------------------------------------[6] Impressum
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