PPA Alle Jahre wieder: erkältung

PPA
Perspektiven
MEDIZINWISSEN
Alle Jahre wieder: Erkältung
von Dr. med. Marianne Schoppmeyer, Ärztin und Medizinjournalistin, Nordhorn
| Wer kennt sie nicht, die Erkältung? Husten, Schnupfen, Heiserkeit plagen
viele Menschen mindestens einmal im Jahr, viele Erwachsene auch mehrmals. Bis zu vier Infekte der oberen Atemwege im Jahr sind für Erwachsene
normal, Kinder erkranken bis zu acht Mal jährlich. Dies macht deutlich,
dass Sie es als MFA mit einem häufigen Krankheitsbild zu tun haben, was
Ihre bisherigen Arbeitserfahrungen sicherlich auch bestätigen. |
Erkältung oder Grippe?
Differenzieren Sie
genau!
Leider werden in der Alltagssprache die Begriffe „Erkältung“, „grippaler
­Infekt“ und „Grippe“ häufig in einen Topf geworfen. Als MFA sollten Sie hier
genau differenzieren. Die nachfolgende Tabelle gibt einen Überblick.
◼◼Erkältung und Grippe im Vergleich
Erkältung (grippaler Infekt)
Grippe (Influenza)
Beginn
„„ allmählich
„„ plötzlich
Betroffene
Atemwege
„„ obere Atemwege
„„ obere und untere Atemwege
Typische
Symptome
„„ subfebrile Temperatur (unter 38,5 °C)
„„ schleimiger Husten, wenig ausgeprägt
„„ Halsschmerzen, Schluckbeschwerden
„„ Kopf- und Gliederschmerzen, aber nicht im
ganzen Körper
„„ meist zu Beginn häufiges Niesen, verstopfte
und/oder laufende Nase
„„ Appetit oft vorhanden
„„ mäßiges bis hohes Fieber (38 bis 41 °C)
„„ trockener, oft schmerzhafter Reizhusten
„„ in der Regel zu Beginn
„„ starke Kopfschmerzen, Muskel und Gelenkschmerzen im ganzen Körper
„„ verstopfte und/oder laufende Nase
„„ Appetitlosigkeit
Zeitpunkt
„„ ganzjährig, aber meist im Herbst und im Winter „„ Dezember bis April
Erreger
„„ über 200 verschiedene Erreger
„„ Influenza-Viren
PDF erstellt für Gast am 23.04.2016
Wie kommt es zur Erkältung?
Meist durch Viren
verursacht
In 90 Prozent der Fälle verursachen Viren – bei Erwachsenen sind es meist
Rhino-, Corona- und Parainfluenzaviren – eine Erkältung. Bakterien finden
sich dagegen eher in Form einer „Superinfektion“, das heißt als auf die bestehende Erkrankung aufgesattelter Infekt.
Abwehrschwäche
wirkt begünstigend
Typischerweise treten Erkältungen gehäuft im Herbst und Winter auf, denn in
dieser Zeit kommt es schneller zur Unterkühlung und damit zur Schwächung
des Immunsystems. Ebenso können Stress, Erschöpfung, Schlafmangel und
bereits bestehende Krankheiten für eine Erkältung anfällig machen. Zur Übertragung der Erreger kommt es durch Tröpfchen- und Schmierinfektion. Aus­
gehustete Erreger werden von anderen Menschen eingeatmet oder gelangen
über die Hände auf die Schleimhäute von Mund und Nase. Begünstigt werden
Ansteckungen durch Ansammlung von Menschen in geschlossenen Räumen.
4
PRAXISTEAM11-2015
PROFESSIONELL
Perspektiven
PPA
Behandlung einer Erkältung
„Mit Arzt sieben Tage, ohne Arzt eine Woche“, so sagt der Volksmund zur
Dauer einer Erkältung. Das macht deutlich, dass im Falle eines Virusinfekts
keine ursächliche Therapie möglich ist und ein viraler Infekt geduldig und
unter Schonung „auskuriert“ werden muss. Einige Medikamente bzw. Haus­
mittel helfen dabei, die Symptome zu lindern.
Bei der Erkältung
können nur die
Symptome behandelt
werden
◼◼Erkältungssymptome und ihre Heilmittel
Heilmittel
Fieber
Husten
PDF erstellt für Gast am 23.04.2016
Schnupfen
„„ Wadenwickel mit feuchten
Tüchern
Gegenanzeigen
x
„„ Antipyretika (fiebersenkende
Medikamente) wie Paraceta­
mol oder Ibuprofen (wirken
auch schmerzlindernd)
„„ Nebenwirkungen möglich
(zum Beispiel Leberschädi­
gungen durch Paracetamol)
„„ Nur nach Rücksprache mit
dem Arzt regelmäßig
einnehmen.
„„ Inhalationen mit Kochsalz,
Kräutern (Thymian, Minze,
Salbei) oder ätherische Öle
(wirken schleimlösend)
„„ Mentholhaltige Salben oder
Öle für Asthmatiker zur
Inhalation nicht geeignet
(Überreagibilität des
Bronchialsystems kann zum
Bronchospasmus führen)
„„ Viel trinken (wirkt schleim­
lösend)
„„ Ältere Patienten mit
Herzinsuffizienz sollten nach
Durstgefühl trinken (zu viel
Flüssigkeit kann zur
Verschlech­terung der
Herzinsuffizienz führen)
„„ Schleimlöser (Mukolytika,
zum Beispiel Acetylcystein,
ACC)
„„ Kein erwiesener Nutzen
bei akuter Bronchitis
„„ Antitussiva (zum Beispiel
Codein)
„„ Unerwünschte Wirkungen:
Atemdepression, Obstipation,
Suchtpotenzial
„„ Nur in Ausnahmefällen
anzuwenden (zum Beispiel,
wenn der Husten die
Nachtruhe stört)
„„ Nasentropfen (zum Beispiel
Xylometazolin oder Oxymeta­
zolin)
„„ Bei häufigem Gebrauch
Gewöhnungseffekt, nicht
häufiger als zweimal am Tag
anwenden
„„ Sprays oder Spülungen mit
Kochsalzlösung
x
„„ Kräuterbonbons, Lutsch­
Heiserkeit
pastillen aus der Apotheke
und Schluckbeschwerden
„„ Warme Milch mit Honig
x
x
„„ Eiswürfel lutschen
x
„„ Salbei- oder Kamillentee
x
11-2015PRAXISTEAM
PROFESSIONELL
5
PPA
Perspektiven
Vorsicht bei Komplikationen
Häufigste Komplikation bei einer Erkältung ist eine bakterielle Superinfektion.
In diesem Fall können Mittelohrentzündung (Otitis media), Nasennebenhöh­
lenentzündung (Sinusitis) und Lungenentzündung (Pneumonie) die Folge sein.
Vorsicht bei COPD
und Herzinsuffizienz!
Bei Pneumonie
oft Einweisung
ins Krankenhaus
erforderlich
Warnzeichen und Risikogruppen
Warnzeichen wie anhaltend hohes Fieber eventuell mit Schüttelfrost, ausge­
prägtes Krankheitsgefühl und Atemnot (zum Beispiel erhöhte Atemfrequenz)
erfordern unbedingt eine rasche Abklärung. Vorsicht ist außerdem geboten bei
Patienten mit vorbestehender Lungenerkrankung. Bei einer COPD (Chronisch
obstruktiven Lungenkrankheit) führt ein Infekt der oberen Atemwege oft zur
akuten Verschlechterung der Grunderkrankung (siehe PPA 09/2015, Seite 4).
Auch Menschen mit einer Herzinsuffizienz gehören zu den Risikopatienten. Bei
ihnen kann ein Infekt zu einer Dekompensation der Herzinsuffizienz mit Leis­
tungsminderung, Luftnot und stark reduziertem Allgemeinzustand führen.
Antibiotika bekämpfen den Erreger
Bei einer bakteriellen Superinfektion ist die Einnahme von Antibiotika ange­
raten, da sie den Erreger direkt bekämpfen und so den Heilungsprozess
­fördern. Bei einer Lungenentzündung ist eine rasche antibiotische Therapie
dringend erforderlich und häufig erfolgt eine Einweisung ins Krankenhaus.
Dies betrifft vor allem ältere Menschen oder Patienten mit Begleiterkrankun­
gen, wohingegen junge Menschen mit gutem Allgemeinzustand und Immun­
status ambulant behandelt werden können.
Wie kann man sich am besten vor einer Erkältung schützen?
Vorbeugung
für Patienten
Folgende Empfehlungen können Sie Ihren Patienten an die Hand geben, um
sich vor einer Erkältung zu schützen:
„„ Häufig die Hände waschen, Händeschütteln vermeiden
„„ Tragen warmer Kleidung, vermeiden von kalten Füßen
„„ Anfeuchten der Raumluft, regelmäßiges Lüften
„„ Verzehr von Vitamin-C-haltiger Kost mit viel Obst und Gemüse.
PDF erstellt für Gast am 23.04.2016
Vorbeugung in der
Arztpraxis
In der Arztpraxis sind Personal und Patienten besonders gefährdet: Das Warte­
zimmer stellt einen häufigen Infektionsort dar. In der Praxis ist es schwierig,
die Erkrankten zu isolieren, um eine Ansteckung anderer Patienten zu ver­
meiden. Dennoch sollten gerade immungeschwächte oder chronisch kranke
Patienten (zum Beispiel unter Chemotherapie, in höherem Lebensalter, mit
vorbestehender Herz- oder Lungenerkrankung) so gut wie möglich von infi­
zierten Patienten abgeschirmt werden, eventuell in einem separaten Raum.
PRAXISHINWEIS | Achten Sie selbst auf gründliche Händedesinfektion, um eine
Weitergabe von Keimen bei Patientenkontakt zu verhindern (siehe PPA 10/2014,
Seite 13). Erinnern Sie Ihre Patienten daran, dass sorgfältiges Händewaschen die
beste Vorbeugung vor einer Ansteckung ist. Bitten Sie Erkältungskranke, in der
Praxis einen Mundschutz zu tragen, um eine Erregerübertragung zu minimieren.
6
PRAXISTEAM11-2015
PROFESSIONELL