Landtag von Baden-Württemberg Kleine Anfrage Antwort

Landtag von Baden-Württemberg
Drucksache 15 / 7837
15. Wahlperiode
07. 12. 2015
Kleine Anfrage
des Abg. Karl Traub CDU
und
Antwort
des Ministeriums für Kultus, Jugend und Sport
Regionale Schulentwicklung und Auswirkungen
auf Zahl und Standorte der haus- und landwirtschaftlichen Berufsschulen
Kleine Anfrage
Ich frage die Landesregierung:
1. Wie beurteilt sie den Stand des Prozesses zur regionalen Schulentwicklung an
beruflichen Schulen und welche weiteren Schritte sind vorgesehen?
2. Trifft es zu, dass bis zu 50 Prozent der Berufsschulstandorte für einzelne Ausbildungsberufe gestrichen werden sollen?
3. Trifft es zu, dass bei der Standortabwägung leistungsfähige kleine Berufsschulstandorte gegenüber großen Berufsschulstandorten vorrangig berücksichtigt
werden und wenn ja, grundsätzlich oder im Einzelfall?
4. Wie beurteilt sie die Situation bei den haus- und landwirtschaftlichen Berufsschulen und welche Zukunftsstrategie ist hier vorgesehen?
5. Welche Partner vor Ort sind bei den haus- und landwirtschaftlichen Berufsschulen vorgesehen und in welcher Weise sind diese Partner bisher und künftig
in diesen Prozess eingebunden?
6. Wie beurteilt sie den haus- und landwirtschaftlichen Berufsschulstandort Ulm
in der Abwägung zu umliegenden Berufsschulstandorten?
03. 12. 2015
Traub CDU
1
Eingegangen: 07. 12. 2015 / Ausgegeben: 20. 01. 2016
Drucksachen und Plenarprotokolle sind im Internet
abrufbar unter: www.landtag-bw.de/Dokumente
Der Landtag druckt auf Recyclingpapier, ausgezeichnet mit dem Umweltzeichen „Der Blaue Engel“.
Landtag von Baden-Württemberg
Drucksache 15 / 7837
Begründung
Am 26. März 2015 wurde die Rechtsverordnung zur regionalen Schulentwicklung
erlassen. Im Bereich der haus- und landwirtschaftlichen Berufsschulen werden
derzeit sehr viele „Kleinklassen“ beschult. Somit wird das Konzept zur regionalen
Schulentwicklung hier sicherlich Änderungen bei den entsprechenden Schulstandorten mit sich bringen. Von Bedeutung ist hier, wie die Partner vor Ort eingebunden werden und nach welchen Kriterien die vorgesehene „Stärkung leistungsfähiger kleiner Standorte“ erfolgen soll sowie ob und in welchem Umfang diese zu
Lasten großer leistungsfähiger Standorte geht.
Antwort
Mit Schreiben vom 5. Januar 2016 Nr. 24-6420.2/14/1 beantwortet das Ministerium für Kultus, Jugend und Sport die Kleine Anfrage wie folgt:
Ich frage die Landesregierung:
1. Wie beurteilt sie den Stand des Prozesses zur regionalen Schulentwicklung an
beruflichen Schulen und welche weiteren Schritte sind vorgesehen?
Mit der schulgesetzlich verankerten und zum Schuljahr 2014/2015 in Kraft getretenen regionalen Schulentwicklung stellt sich die Landesregierung der demografischen Entwicklung und dem sich ändernden Schulwahlverhalten.
Vorrangig dient die regionale Schulentwicklung der nachhaltigen Sicherung eines
regional ausgewogenen, alle Bildungsabschlüsse umfassenden Bildungsangebots
in zumutbarer Erreichbarkeit.
Die Regelungen im Schulgesetz zur regionalen Schulentwicklung gelten auch für
die beruflichen Schulen, was Ziele, Anlässe und Verfahren betrifft. Die beruflichen Schulen weisen einige Besonderheiten auf: Sie vereinen verschiedene
Schularten unter einem Dach, ermöglichen eine Vielzahl von beruflichen und allgemein bildenden Abschlüssen und arbeiten eng mit der Wirtschaft zusammen.
Diese Besonderheiten werden in einer eigenen Verordnung zur regionalen Schulentwicklung an beruflichen Schulen (RSEbSVO) berücksichtigt, die am 18. April
2015 in Kraft getreten ist.
Die regionale Schulentwicklung ist als kontinuierlicher Prozess angelegt, um
unter Berücksichtigung langfristiger Zielsetzungen flexibel sowohl auf Änderungen der Schülersituation als auch auf Änderungen der Bedarfslage der Wirtschaft
reagieren zu können. Hierfür bilden die Schulgesetznovelle zur regionalen Schulentwicklung und die RSEbSVO gemeinsam die rechtliche Grundlage. In diesem
breit abgestimmten und normierten Verfahren erfolgen die weiteren Schritte, sofern entsprechende Anlässe zur Einrichtung, Änderung und Aufhebung von beruflichen Schulen vorliegen.
2. Trifft es zu, dass bis zu 50 Prozent der Berufsschulstandorte für einzelne Ausbildungsberufe gestrichen werden sollen?
Eine solche Zielvorgabe gibt es nicht. Bei schulorganisatorischen Maßnahmen
sind die allgemeinen Planungsgesichtspunkte gemäß § 1 RSEbSVO zu prüfen und
bei der Planung abzuwägen (vgl. Ziff. 3). Dies kann im Einzelfall unter Berücksichtigung aller für das Bildungsangebot in der Raumschaft relevanten Faktoren
auch die Konzentration einzelner Bildungsangebote beinhalten. Zum anderen
nennt das Schulgesetz ausdrücklich die Unterschreitung der festgelegten Mindestschülerzahl als einen möglichen Anlass für eine regionale Schulentwicklung.
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Dabei gelten für Berufsschulklassen unterhalb der Mindestschülerzahl besondere
Kriterien. Sie können laut RSEbSVO nur aufgehoben werden, wenn
– die Mindestschülerzahl in drei (statt wie bei vielen anderen Schularten in zwei)
aufeinanderfolgenden Jahren nicht erreicht wird
und
– der entsprechende Bildungsabschluss im jeweiligen Ausbildungsberuf in zumutbarer Erreichbarkeit von einer anderen Berufsschule angeboten wird, wobei
in die Bewertung der Zumutbarkeit auch einfließt, inwieweit der Schulstandort
Einfluss auf das Berufswahlverhalten der Jugendlichen und die Attraktivität
der jeweiligen Ausbildung hat.
3. Trifft es zu, dass bei der Standortabwägung leistungsfähige kleine Berufsschulstandorte gegenüber großen Berufsschulstandorten vorrangig berücksichtigt
werden und wenn ja, grundsätzlich oder im Einzelfall?
Ist im Bereich der beruflichen Schulen eine regionale Schulentwicklung veranlasst,
sind laut RSEbSVO insbesondere folgende Maßnahmen zu prüfen und bei der
Planung abzuwägen:
– Gestaltung von inhaltlich und organisatorisch aufeinander abgestimmten Angeboten in den Profilen, Berufsfeldern und Schwerpunkten am jeweiligen Standort, die einen sachgerechten und effizienten Einsatz von Personal und Sachmitteln erlauben,
– Konzentration von Bildungsangeboten innerhalb der Raumschaft,
– Stärkung leistungsfähiger kleiner Standorte,
– Optimierung des Bildungsangebots durch schulübergreifende Kooperationen,
– Bildung von effizienten Klassen vergleichbarer Größe.
Die RSEbSVO legt keine Rangfolge der zu prüfenden Planungsgesichtspunkte
fest, vielmehr hat die Abwägung immer im Rahmen einer Gesamtbewertung des
jeweiligen Einzelfalls unter besonderer Berücksichtigung des Bildungsangebots
in der Raumschaft zu erfolgen.
4. Wie beurteilt sie die Situation bei den haus- und landwirtschaftlichen Berufsschulen und welche Zukunftsstrategie ist hier vorgesehen?
Die Standortentwicklung der hauswirtschaftlich-pflegerisch-sozialpädagogischen
oder landwirtschaftlichen Berufsschulen hängt – wie bei anderen Schultypen bzw.
Schularten auch – von der Nachfrage nach einzelnen Bildungsgängen und der
sich daraus ergebenden Entwicklung der Schülerzahlen ab. Maßgeblichen Einfluss hat hierbei die demografische Bevölkerungsentwicklung, die nach derzeitigen Prognosen zu langfristig zurückgehenden Schülerzahlen auch im Bereich der
beruflichen Schulen führen wird. Wie sich dies konkret auf einzelne Standorte
oder gar auf einzelne Bildungsgänge vor Ort auswirkt, ist jedoch langfristig kaum
prognostizierbar, zumal sich auch unvorhersehbare Entwicklungen spürbar auswirken können, wie die derzeit signifikant gestiegenen Klassenzahlen für junge
Flüchtlinge zeigen. Die Regelungen zur regionalen Schulentwicklung im Schulgesetz und die RSEbSVO tragen diesem Aspekt Rechnung und sehen ein gestuftes Verfahren vor, bei dem insbesondere die Einbeziehung aller von einer beantragten schulorganisatorischen Maßnahme Berührten einen hohen Stellenwert hat.
5. Welche Partner vor Ort sind bei den haus- und landwirtschaftlichen Berufsschulen vorgesehen und in welcher Weise sind diese Partner bisher und künftig
in diesen Prozess eingebunden?
Die Regierungspräsidien haben schon bisher erfolgreich Schulentwicklung im Bereich der beruflichen Schulen betrieben und dabei einen intensiven transparenzund konsensorientierten Dialog mit allen Beteiligten gepflegt. Dies stellt eine gute
Ausgangsbasis für künftige Prozesse zur regionalen Schulentwicklung dar.
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Beim nun gesetzlich geregelten Verfahren zur regionalen Schulentwicklung sind
vom Schulträger neben der Schulaufsichtsbehörde auch die von einer beantragten
schulorganisatorischen Maßnahme berührten Stadt- und Landkreise in der jeweiligen Raumschaft sowie weitere Berührte einzubeziehen. Bei Bildungsgängen der
Berufsschule sind ausdrücklich die Belange der Wirtschaft zu berücksichtigen.
Dies geschieht durch die Beteiligung der nach dem Berufsbildungsgesetz zuständigen Stellen – in der Regel sind das die Kammern – unter Einbeziehung der jeweiligen Berufsbildungsausschüsse.
6. Wie beurteilt sie den haus- und landwirtschaftlichen Berufsschulstandort Ulm
in der Abwägung zu umliegenden Berufsschulstandorten?
Die Valckenburgschule in Ulm ist ein berufliches Bildungszentrum mit einem
vielfältigen Angebot in einem städtisch geprägten Umfeld. Sie wird deshalb auch
langfristig ein bedeutender und insgesamt stabiler Schulstandort bleiben.
Bei künftigen Anlässen für eine regionale Schulentwicklung ist im Rahmen der
dann erforderlichen Gesamtabwägung auch der Situation der umliegenden hauswirtschaftlich-pflegerisch-sozialpädagogischen oder landwirtschaftlichen Berufsschulen unter Berücksichtigung der wesentlichen Planungsgesichtspunkte gemäß
RSEbSVO (vgl. Ziff. 3) ausgewogen Rechnung zu tragen.
In Vertretung
Stehle
Ministerialdirektor
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