Zusammenfassung der Ergebnisse Verabschiedung des Weimarer

Lerngemeinschaft. Das deutsche Bildungswesen und der Dialog mit den Muslimen.
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Zusammenfassung der Ergebnisse
Verabschiedung des Weimarer Aufrufs
Moderation: Prof. Dr. Hans Küng
Nach der Vorstellung der Tagungsergebnisse durch die Berichterstatter/innen leitete Prof. Küng die
Diskussion über den Weimarer Aufruf ein und bemerkte, dass die Vertreter der Kultusverwaltungen
gegenüber den politisch Verantwortlichen, auch den Landtagen, eine besondere Verantwortung tragen.
Wie in der Kirche scheine es so zu sein, dass die Kader weiter voran gehen möchten als diejenigen auf
der Leitungsebene. Man könne verstehen, dass ein Politiker, der mit diesen Fragen vor den Landtag
gehen wolle, sich vorher überlegen müsse, ob er sich diesen Diskussionen aussetzen wolle. Man müsse
aber auch denjenigen, die sich gegen die Diskussion der Fragen sperren, zumuten sich damit auseinander zu setzen. Es sei Aufgabe der Ministerialbeamten, ihre Politiker entsprechend vorzubereiten und er
möchte sie ermutigen, auf diesem Wege weiterzugehen.
Die Tagung sei aber auch in der Hinsicht von Nutzen, da sich gezeigt habe, dass bei allen Unterschieden ein großer Konsens vorhanden sei. Damit komme er zu dem Weimarer Aufruf, der die hier
angesprochenen Postulate aufnehme. Er sei gründlich vorbereitet worden und es habe aber auch während der Tagung Gelegenheit gegeben, Änderungs- und Ergänzungsvorschläge einzubringen. Er bat
Ministerialrat Pfaff, zu den Inhalten des Aufrufs und den eingegangenen Vorschlägen zu berichten.
Ulrich Pfaff führte aus, dass der Aufruf nach dem Willen der Verfasserinnen und Verfasser zwei
Funktionen habe:
-
Er soll die Ergebnisse des Kongresses zusammenfassen.
-
Er soll dazu beitragen, dass der Kongress eine Wirkung über den Tag hinaus entfaltet.
Die Verfasserinnen und Verfasser würden sich freuen, wenn er dazu beitragen würde, im Schulalltag
Orientierungen und Hilfen zu geben. Besonders sei dabei an das Kapitel 5 zu denken. Der Aufruf enthalte
auch einige Zumutungen, die aber hoffentlich wohl dosiert seien.
Eine zu niedrige Dosis würde dazu führen, dass der Text eher banal und trivial ist, dass man ihn liest und
beiseite legt und meint, es gäbe nicht mehr zu tun. Eine zu starke Dosis würde dazu führen, dass die
Aufgerufenen sagen, das lässt sich aus unterschiedlichen Gründen gar nicht umsetzen. MR Pfaff betonte
noch einmal, dass es sich um einen Appell der Bildungsfachleute handelt, denn diese hätten die
Möglichkeit gehabt, sich vorab über ihre Ministerien zu beteiligen. Es sei eine zu große Zumutung für
diejenigen, die auch nicht mittelbar Einfluss vorab nehmen konnten, ihnen den Aufruf als eigenen Willen
aufzuoktroyieren. In den zwei Tagen der Konferenz sei klar geworden, dass der Text insgesamt eine
positive Aufnahme finde. Alle Voten, die übermittelt wurden, seien in der Redaktionsgruppe (Vertreter und
Vertreterinnen aus den Ländern, dem Sekretariat der KMK und der Bundeszentrale für politische Bildung)
besprochen worden. Im Vordergrund habe das Thema Islamunterricht gestanden, weil es dazu angetan
ist, in besonderer Weise die Gemüter zu erregen. Hierbei zeige sich in besonderer Schärfe, wie die
Erwartungen der einen und die Anforderungen der anderen Seite aufeinander treffen. Intensiv habe sich
die Redaktionsgruppe mit dem Einwand auseinandergesetzt, dass die Anforderungen, die der Staat an
muslimische Organisationen richtet, zu hoch sein könnten, indem etwa von ihnen verlangt wird sich in
Religionsgemeinschaften zu organisieren. Hier schwinge natürlich das deutsche Verfassungsverständnis
und damit die Kultur der Mehrheitsgesellschaft mit. Die Redaktionsgruppe sei sich einig gewesen, dass
solche Erwartungen nicht überspannt werden dürfen und dass auf die Besonderheiten des Islam Rücksicht genommen werden müsse. Dies habe man versucht durch eine veränderte Formulierung aufzufangen und nun hoffe die Redaktionsgruppe, dass es insgesamt gelungen sei, dass alle die Zumutungen
im Aufruf wahrnehmen aber nicht den Eindruck haben, dass ihnen zu viel zugemutet werde.
Prof. Küng eröffnete die Diskussion und berichtete, dass während der Tagung muslimische Teilnehmer
an ihn herangetreten seien und um Modifikation des Satzes „Dieses Unterrichtsfach kann es allerdings
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nur geben, wenn Muslime in den Ländern Religionsgemeinschaften bilden, die den verfassungsrechtlichen Anforderungen gerecht werden“ gebeten hätten.
Man könne nicht erwarten, dass der Islam, der keine Kirche kennt, zumindest auf dem Boden der
Bundesrepublik eine solche gründet. Wohl aber dürfe man seitens des Staates eine angemessene
Repräsentation der Muslime erwarten. Die verschiedenen Organisationen, die nicht im kirchlichen Sinne
organisiert sind und keine Hierarchie kennen, müssten doch ihre Repräsentanten benennen, die für alle
sprechen können. Dafür gäbe es bereits Beispiele und man dürfe erwarten, dass sich die verschiedenen
Gruppen auf etwas Gemeinsames verständigen. Es sei aber nicht notwendig, einen einzigen uniformen
Islam zu bilden. Daher sei es eine wesentliche Verbesserung, dass der beanstandete Satz in der neuen
Fassung ergänzt worden sei durch den Satz „Dabei ist berücksichtigen, dass der Islam nicht
amtskirchlich verfasst ist.“
Eine Teilnehmerin ging auf den Absatz „Ihre eigene Kultur wollen die Muslime nicht preisgeben" ein. Es
werde zu wenig reflektiert über die Begriffe Religion – Tradition – Kultur. Auch während der Konferenz
seien die Begriffe vorschnell vermischt worden, was dann in Forderungen interkultureller und interreligiöser Art abgleite. Das Grundgesetz hebe den Schutz der Religionen hervor, der Artikel enthalte aber
nichts Vergleichbares im Bereich der Kulturen und Traditionen. Der GG-Artikel sei vor dem Hintergrund
der Ausrottung von Menschen wegen ihrer Religion entstanden und hier werde nun die Forderung
gestellt, die Religion und die Tradition gleichermaßen zu berücksichtigen. Der Islam als Religion
verpflichte die Muslime in jedem Land, in dem sie leben, die dort bestehenden Gesetze anzuerkennen
und darüber hinaus die Tradition des Landes zu berücksichtigen. Darin sei auch die Vielfalt des Islam
begründet. So seien auch die hier lebenden Muslime, die ihre Religion praktizieren, in erster Linie
verpflichtet, Gesetze und Traditionen ihres Gastlandes zu berücksichtigen und Kompromisse und
Ausgleiche zu schaffen, wo diese Traditionen möglicherweise ihren religiösen Pflichten entgegenstehen.
Dort, wo sie ihnen nicht entgegenstehen, sollten die Mehrheitstraditionen auch beachtet und berücksichtigt werden. Es sei dringend notwendig, eine Aufklärung von Eltern, Schülern und Lehrern der
muslimischen und der Mehrheitsgesellschaft darüber vorzunehmen, was das Grundgesetz besagt und
die Treue zu ihm bedeutet, und was der Islam als Religion vorschreibt und welche Dinge den Traditionen
der Herkunftsländer zuzuschreiben sind.
Ein weiterer Teilnehmer monierte, dass Katholizismus, Protestantismus und Islam als drei Religionen
bezeichnet werden. Dies sei in Zeiten der Ökumene nicht richtig, und der Islam müsse nach dem
Christentum mit dem römisch-katholischen und dem protestantischen Bekenntnis als die zweitgrößte
Religion in Deutschland bezeichnet werden.
Prof. Küng bat, nicht in eine typisch deutsche Diskussion um Formulierungen zu verfallen. Es gehe
darum, allgemein verständlich die Postulate des Weimarer Aufrufes auszudrücken. Niemand sei
gezwungen, die Formulierungen zu unterschreiben. Er bittet, nicht auf Kleinigkeiten zu beharren, solange
die allgemeinen Aussagen des Textes verständlich und akzeptabel seien. Es werde kein Gesetz
verabschiedet sondern eine Erklärung, die allgemein verständlich bleiben müsse.
In der nun folgenden Plenardiskussion über die Inhalte der Konferenz begrüßte die Vertreterin des
Auswärtigen Amtes Thema und Titel der Konferenz. Der Dialog mit den Muslimen sei enorm wichtig und
müsse über die Binnenschau in Deutschland und Europa hinausgehen. Der überwiegende Teil von mehr
als einer Milliarde Muslimen lebe in Afrika und Asien. Diese reflektierten über das, was zwischen
Muslimen und Nichtmuslimen derzeit vorgeht. Letztlich werde diese Frage auch in unsere Binnengesellschaft transportiert werden. Die Veranstaltung in Deutschland komme spät, denn inzwischen seien
die Rahmenbedingungen so, dass die Aufgaben, denen sich die Teilnehmer offenbar schon seit Jahren
intensiv und kompetent widmen, schwieriger geworden seien. Das Auswärtige Amt werde bei dem Dialog
mit dem Islam auch maßgeblich daran gemessen, welchen Erfolg dieser Dialog in Deutschland habe.
Die Vertreterin des Zentralrats der Muslime nahm Bezug auf die Berichterstattung zum Forum 4 und
betonte, dass der Lehrplan des Zentralrats nicht sunnitisch geprägt sei. Im Fachausschuss hätten
führende schiitische Wissenschaftler mitgearbeitet. Auch die großen alevitischen Vereinigungen seien um
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Stellungnahme gebeten worden, die auch erfolgt sei. Ziel des Zentralrats der Muslime sei es gewesen,
einen Lehrplan vorzulegen, der für alle islamischen Glaubensrichtungen akzeptabel sei.
Eine Vertreterin des Centrums für religiöse Studien in Münster, an dem demnächst eine Professur für
Islamische Theologie eingerichtet wird, berichtete über dieses Projekt.
Prof. Küng betonte, dass Deutschland erfreulicherweise in der Welt immer noch einen positiven Ruf
habe, wie es mit den Muslimen in seiner Gesellschaft umgehe. Dies hänge auch mit unseren historischen
Erfahrungen zusammen. Wir sollten dafür Sorge tragen, dass wir diesen Vorsprung behalten. Dazu
trügen – im Gegensatz beispielsweise zu Frankreich – auch die sozialen und politischen Gegebenheiten
bei. So habe sich in Deutschland nur in Ausnahmefällen eine Art von muslimischen Gettos in den
Vorstädten entwickelt.
Die Konferenz sei ein weiterer Schritt, um im Gespräch mit den muslimischem Mitbürgern zu einem
angemessenen Umgang mit den anstehenden Fragen, die sich aus deren Integration in die deutsche
Gesellschaft ergeben, zu kommen. Er danke daher den Organisatoren für die Initiative und wünsche allen
Teilnehmern viel Nutzen aus der Tagung zu ziehen und eine gute Heimreise.