Potentielle ökologische und sozioökonomische Folgen eines zukünftigen Tiefseebergbaus Prof. Dr. Andrea Koschinsky (Jacobs University Bremen) Meeresumwelt-Symposium, Hamburg, 27./28.5.2015 Vorkommen mariner Rohstoffe Das Thema Tiefseebergbau bezieht sich im wesentlichen auf die mineralischen Lagerstätten in Tiefen >1000 m: Manganknollen in Tiefseebecken Mangankrusten auf Tiefseebergen Massivsulfide in hydrothermal aktiven Zonen 5 6 Mittelozeanischer Rücken 4 untermeerischer Vulkan 3 Kuppe 2 Kontinentalhang Wassertiefe 1 Schelf 0 T I E F S E E Manganknollen (Foto aus: Halbach, Friedrich und von Stackelberg, 1988) Oben: Dichte Knollenbelegung auf dem Tiefseeboden Unten: Querschnitte einer Knolle mit Wachstumslagen und Kern Oben: Manganknolle mit Schwamm Unten: Kastengreifer mit Knollenproben Wachstumsraten mm bis cm/Mio Jahre, Durchmesser einige cm Große Felder in Tiefseebecken Mangankrusten Krustige großflächige Ablagerungen von Mangan-Eisen-Oxiden auf den Hängen von Seebergen Wertmetalle eingebaut in die Oxidminerale Wachstumsraten mm/Mio Jahre, Dicke im Bereich von mehreren cm Dichte und ebenmäßige Krustenbedeckung als optimale Voraussetzung für den Erzabbau (Foto oben: MBARI) (Abb.: J. Hein, USGS) Querschnitte einer 5 cm dicken Mangankruste, fest mit dem Untergrundstein verwachsen Typische Struktur eine Seeberges, der mit Mangankrusten bedeckt ist Hydrothermale Erze Massivsulfide Schwarzer Raucher am Mittelatlantischer Rücken (ROV Quest, MARUM) Pyrit/Chalcopyrit Pyrit/Markasit Hydrothermaler Sulfidschornstein (1,80 m hoch) aus dem Nord-FidschiBecken (Foto: S. Petersen, GEOMAR) Sphalerit Hydrothermale Erze Im Gegensatz zu Manganknollen- und MangankrustenVorkommen haben Massivsulfidlagerstätten eine kleine Oberfläche und erstrecken sich in die dritte Dimension Erkundung und Abbau in die Tiefe Über die Größe dieser Lagerstätten ist nur Beispiel: TAG Massivsulfidfeld am Mittelatlantischen wenig bekannt! Rücken Bekannte aktive Hydrothermalfelder Vergleich der Faunen in ManganknollenMangankrusten- und Massivsulfid-Feldern Manganknollen: • Geringe Dichte, hohe Diversität • Große flächige Verbreitung • Mobile und sessile Organismen • Geringe Stoffumsatzraten • Knollenabbau entfernt Substrat und zerstört Oberflächensediment • Auswirkungen von Abbau großflächig und langfristig? Foto: BGR Vergleich der Faunen in ManganknollenMangankrusten- und Massivsulfid-Feldern Mangankrusten: • Ähnlichkeit der Faunen in Knollen- und Krustengebieten, aber auch Unterschiede (z.B. keine Sediment-Fauna) • Endemische Arten, die nur auf einzelnen Seebergen vorkommen? • Seeberge sind Schutzräume von Brutstätten vieler Fischarten u.a. Organismen • Möglicher Konflikt mit Tiefseefischerei • Mangankrustenabbau erfordert das Abbrechen der Oberflächen (massiver Eingriff) Auswirkungen von Abbau großflächig und langfristig? Foto: MBARI Vergleich der Faunen in ManganknollenMangankrusten- und Massivsulfid-Feldern Aktive Hydrothermalfelder • Sehr hohe Dichte und Biomasse • Verbreitung lokal sehr begrenzt • Mobile und sessile Organismen • Hohe Stoffumsatzraten • An dynamische Umweltbedingungen angepasst Auswirkungen von Abbau eher zeitlich und räumlich begrenzt? Foto: ROV Quest, MARUM Foto: NOAA Inaktive Hydrothermalfelder • Typische Tiefsee-Fauna ähnlich wie im Umfeld Auswirkungen von Abbau eher zeitlich und räumlich begrenzt? Mögliche Umweltfolgen beim Abbau von Manganknollen Freisetzung von Schadstoffen in die Oberfläche durch Unfälle Einleitung von Aufbereitungsrückständen in küstennahe Gewässer Ausbreitung von Schadstoffen Ggfs. auch Schadstoffe im Mittelwasser (Rückführung von Tailings) Störungen der Lebewelt in der Wassersäule Direkte und indirekte Zerstörung des Meeresbodens Lärm-Emission Veränderung des Nahrungsangebotes Störung der benthischen Lebewelt (Sedimentwolke, etc.) Quelle: Dr. Charles L. Morgan, Planning Solutions Inc. Honolulu/USA: Potential Environmental Impact of Seabed Mining, International Workshop on Environmental Management Needs for Exploration and Exploitation of Deep Seabed Minerals, Fiji Islands, 2011 Modell einer aufgewirbelten und verdrifteten Sedimentwolke (nach Zielinski u. Jankowski, 2001) Potentielle Umweltfolgen beim Abbau von Manganknollen Transport von aufgewirbeltem Sediment in der Wassersäule Aufgewirbeltes und sich wieder absetzendes Sediment kann die Tiefseefauna beeinträchtigen und mikrobielle Prozesse beeinflussen. Modell der Sedimentausbreitung nach 20 Jahren bei Freisetzung in unterschiedlichen Wassertiefen (Rolinski et al., 2001). Es wurde keine Aggregation der Partikel berücksichtigt. Potentielle Umweltfolgen beim von 3. Potenzielle Umweltbelastungen durchAbbau den Tiefseebergbau und deren ökologische Auswirkungen Manganknollen Pflugegge zur Simulation des Manganknollenabbaus (links) und Plot der Pflugeggenspuren im DISCOL-Gebiet im PeruBecken (rechts oben); Pflugspuren am Meeresboden (rechts unten) Quelle: Dr. Gerd Schriever, BIOLAB Forschungsinstitut und Dr. Christian Borowski, MPI für Marine Mikrobiologie Bremen: Potentielle Umweltfolgen beim Abbau von Manganknollen Lebensgemeinschaften am Meeresboden: Megafauna Macro-/ Meiofauna Verteilung im Sediment semi-liquide Oberfläche Bild Fauna Bild Fauna Quelle: Dr. Gerd Schriever, BIOLAB Forschungsinstitut und Dr. Christian Borowski, MPI für Marine Mikrobiologie Bremen: Fauna im und auf dem Sediment mit verschiedenen Größenklassen: Megafauna >2cm, Macro- (<2-1cm) and Meiofauna (<1cm). Etwa 90% aller sediment-bewohnenden Organismen leben in den obersten 10 cm des Bodens; diese Zone wäre beim Knollenabbau am intensivsten betroffen! Potentielle Umweltfolgen beim Abbau von Manganknollen Auswirkung auf die Makrofauna direkt nach der Störung α ≤ 0,001 undisturbed Plow track Ungestört Pflugspur α ≤ 0,01 α ≤ 0,01 α ≤ 0,001 α ≤ 0,001 (Borowski & Thiel 1998) Die Erholung der Boden-Lebensgemeinschaften in Abbaugebieten wird entscheidend von der Distanz zu den ungestörten Flächen abhängen (Thiel et al., 2012). Potentielle Umweltfolgen beim Abbau von Manganknollen Dichte (Ind./10.000m²) Einfluss der Störung auf die Megafauna: Between Plow tracks Megafauna 0 0 0,5 3 years after disturbance Plow track 0 (Bluhm 2001) 0 0,5 3 Years after disturbance Trotz sichtbarer Erholung waren die Folgen des Eingriffes nach mehreren Jahren noch deutlich erkennbar. Potentielle Umweltfolgen beim Abbau von Manganknollen Längerfristiger Effekt (7 Jahre) auf die Biodiversität Es ist mit einer veränderten Artenzusammensetzung zu rechnen, u.a. auch, weil Organismen, die auf den Knollen leben, sich nicht wieder ansiedeln können. Über die Verbreitung und Reproduktion der Arten in der Tiefsee ist bisher wenig bekannt. Niedrige Diversität: Hohe Diversität: Wenige Spezies Zahl der Spezies im dominieren im ungestörten Gebiet gestörten Gebiet ausgeglichen Konkrete Aussagen zur (Borowski & Thiel 1998) Regenerationsfähigkeit schwierig Quelle: Dr. Gerd Schriever, BIOLAB Forschungsinstitut und Dr. Christian Borowski, MPI für Marine Mikrobiologie Bremen: Potentielle Umweltfolgen beim Abbau von Manganknollen Mögliche geochemische Prozesse am Tiefseeboden, die durch eine Aufwirbelung des Oberflächensediments verursacht werden können (Koschinsky et al., 2001) Bildungsmilieus von Manganknollen und –krusten Hydrogenetische Mangankrusten Hydrogenetische Manganknollen Ausfällung aus Meerwasser Porenwasser-Flüsse CCZ MischtypKnollen Peru-Becken (DISCOL) Rückfluss ins Bodenwasser Sedimentation Diagenetische Manganknollen Knollenbildung SubstratGestein Diagenetischer Fluss Anreicherung im Sediment Verfestigtes Sediment Bildung verschiedener Typen von Manganknollen aus Komponenten im Meerwasser und im Sediment, und von Mangankrusten Manganknollen und Sedimente im PeruBecken (DISCOLGebiet) Oxische Zone mit Manganknollen (5-10 cm, Haeckel et al., 2001) Suboxische Zone, Manganoxid löst sich auf Eisenoxid löst sich auf Kern eines typischen TiefseeOberflächensedimentes aus dem Peru-Becken, in dem Manganknollen gebildet werden Sedimente und Porenwässer im Peru-Becken Metallgehalte im Oberflächensediment (oben) und in den entsprechenden Porenwässern (unten) in einem Sedimentkern aus dem Peru-Becken (Koschinsky, 2001) Sedimente und Porenwässer in der CCZ Oberflächen-Sedimentkern aus der CCZ mit rein oxischer brauner Schicht; Bioturbation erkennbar Metallgehalte im Oberflächensediment (links) und in den entsprechenden Porenwässern sowei Sauerstoff (rechts) in einem Sedimentkern aus der CCZ (FS Sonne, Fahrt SO 239, 2015) (Mewes, Kasten et al., 2014) Aktuelle Forschung: JPI Oceans Aktuelle Forschung zu Umweltfolgen von Meeresbergbau Ökologische Studien zu potentiellen Folgen von ManganknollenAbbau im Pazifik CCZ: verschiedene Lizenzgebiete und Schutzgebiet Peru-Becken: Fortsetzung DISCOL-Studie Koordination: GEOMAR Kiel (M. Haeckel), deutsche und EU-Partner SO239 (CCZ) 10.3.–30.4.2015 Pedro Martinez SO242-1 (DISCOL) 28.7.–25.8.2015 Jens Greinert SO242-2 (DISCOL) 28.8–1.10.2015 Antje Boetius Es muss kein/kaum Abraum entfernt werden. Die mobile Infrastruktur von Tiefseebergbau hinterlässt keine „Ruinen“ auf dem Meeresboden. Keine sauren Minenwässer Kann die Gewinnung mariner Rohstoffe den ökologischen Druck auf sensible Regionen an Land verringern? Probleme bei der Aufbereitung an Land vergleichbar Mögliche synergistische Effekte von Tiefseebergbau und anderen Stressfaktoren (Erwärmung, Versauerung, Tiefseefischerei, usw.) Noch immer große Kenntnislücken bez. Ökologie der Tiefsee Keine Menschen einschließlich Naturvölker in entlegenen Regionen vom Bergbau und deren Folgen negativ betroffen Möglichkeit, hohe Umwelt- und Arbeitsstandards im Vergleich zu vielen Bergbauaktivitäten an Land zu schaffen Für Deutschland Potential innovativer technologischer Entwicklungen Wirtschaftliches Risiko: hohe Anfangs-Investitionen, unbekanntes Potential von Massivsulfid-Lagerstätten, Aufbereitung von Manganknollen ungeklärt Tiefseebergbau schafft wenige hochspezialisierte Jobs, während in Entwicklungsländern viele einfache Jobs verloren gehen könnten. Gesellschaftliche Akzeptanz: neue Hochtechnologie-Entwicklungen führen häufig zu Widerstand in der Bevölkerung Transparente Verfahren und gute Kommunikation mit der Öffentlichkeit notwendig! Einbindung von NGOs! Weitere Forschung ist notwendig, um einen nachhaltigen zukünftigen Meeresbergbau vorzubereiten und zu begleiten! Weitere Bestandsaufnahme des Ist-Zustandes in der Tiefsee Untersuchungen und Vorhersagen möglicher Umweltfolgen Vergleich mit Landbergbau im möglichen Rahmen Berücksichtigung soziökonomischer Aspekte Da Tiefseebergbau noch nicht begonnen hat, besteht hier eine einzigartige Chance für eine gesamtheitliche Betrachtung des Potentials von Rohstoffen in der Tiefsee und der Risiken eines zukünftigen Abbaus: Einbeziehung wirtschaftlicher, politischer, sozialer und umweltbezogener Aspekte!
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