Bundesministerium für Finanzen Abteilung VI/6, Einkommen- und Körperschaftsteuer Johannesgasse 5 1010 Wien per E-Mail: [email protected] Zl. 13/1 15/154 Information des BMF zur Vorgehensweise hinsichtlich der Bewertung nicht getilgter Verbindlichkeiten bei einer Liquidation nach § 19 KSTG 1988 Referent: Dr. Michael Lentsch, Rechtsanwalt in Wiener Neustadt Sehr geehrte Damen und Herren! Der Österreichische Rechtsanwaltskammertag (ÖRAK) dankt für die Übersendung des Entwurfes und erstattet dazu folgende S t e l l u n g n a h m e : I. Regelungsgegenstand: Mit der gegenständlichen Information des BMF wird die Rechtsansicht iZm § 19 KStG 1988 und damit einhergehenden steuerrechtlichen Spezialvorschriften für die Ermittlung des Liquidationsgewinnes dahin gehend bekannt gegeben, dass als Bemessungsgrundlage für Körperschaftssteuer hinsichtlich des Liquidationsgewinnes zum Zeitpunkt der unmittelbar bevorstehenden Beendigung der Körperschaft nicht getilgte Verbindlichkeiten das steuerliche Liquidationsergebnis um jenen Wert, mit dem sie im Abwicklungsanfangsvermögen enthalten waren, erhöhen sollen, da dies hinsichtlich der „wirtschaftlichen Auswirkungen“ (…) „mit einem Untergang der Verbindlichkeiten vergleichbar“ sei. Die gegenständliche Information des BMF beabsichtigt, ausgehend von dieser Rechtsansicht die Vorgangsweise in der Praxis zu vereinheitlichen. II. Regelungen: Die vorgesehenen Regelungen unterscheiden zwischen Liquidation von Körperschaften, die Teil einer Unternehmensgruppe nach § 9 KStG 1988 sind und solchen, bei denen dies nicht der Fall ist. Bei Körperschaften, die nicht Teil einer Unternehmensgruppe sind, wird zwischen der Liquidation der Körperschaft außerhalb eines Insolvenzverfahrens und im Rahmen eines Insolvenzverfahrens unterschieden. III. Hintergrund der Regelung: Hintergrund der Regelung ist offenbar ein ganz konkreter Anlassfall, der im Rahmen des Salzburger Steuerdialoges 2014 (5.-7. Mai 2014) erörtert wurde, dem offenbar eine missbräuchliche Doppelverwendung steuerlicher Verlustvorträge zugrunde lag. Kurz zusammengefasst wurden Verluste eines Gruppenmitgliedes über Konzernforderungen finanziert. Zunächst wurden die Verluste über die Gruppenbesteuerung in die Gruppe gezogen. Infolge des Konkurses des Gruppenmitgliedes wurde die Forderung gegen dieses Gruppenmitglied abgeschrieben und der Verlust ein zweites Mal realisiert. Der ÖRAK schließt sich der Meinung an, dass diese Form der doppelten Verlustverwertung nicht im Sinne der Gleichmäßigkeit der Besteuerung (Leistungsfähigkeit) und somit auch nicht im Interesse des Gesetzgebers ist und begrüßt daher das Vorhaben des BMF, derartigen Missbrauch hintanzuhalten. IV. Stellungnahme: Die zur Begutachtung ausgesandte Information sieht vor, dass nicht getilgte Verbindlichkeiten ausnahmslos zu einer (zusätzlichen) Liquidationsbesteuerung führen sollen. Dies unabhängig davon, ob diese Verbindlichkeiten im Rahmen der Liquidation (gewillkürt) untergehen oder im Rahmen eines Konkursverfahrens infolge der gesetzlichen Bestimmungen der IO aufgrund einer Schlussverteilung nicht vollständig getilgt werden. Gerade die vorgeschlagene Vorgangsweise bei Liquidation einer Körperschaft im Rahmen eines Insolvenzverfahrens (gemeint wohl Konkursverfahren) führt einerseits zu erheblichem administrativen Aufwand für die Finanzverwaltung und die Masseverwalter und kann andererseits im Einzelfall auch dazu führen, dass für die unbesicherten Gläubiger unbillige Ergebnisse eintreten, die die Republik Österreich (unzulässig) begünstigen würden. Der erhebliche administrative Aufwand für Finanzverwaltung und Masseverwalter ergibt sich aus dem Vorschlag gem § 206 BAO von der Festsetzung der durch die nicht getilgten Verbindlichkeiten zusätzlich entstehenden Körperschaftssteuer dann Abstand zu nehmen, wenn durch die Festsetzung Masseunzulänglichkeit eintreten würde oder aufgrund drohender Vorschreibungen eine Nichteröffnung des Insolvenzverfahrens zu gewärtigen wäre. Im zweiten Fall (Nichteröffnung des Insolvenzverfahrens) ist nach Ansicht des ÖRAK weder für die Finanzverwaltung 2 noch für die handelnden Personen (Geschäftsleitung der Körperschaft) feststellbar, ob und in welcher Höhe die Verbindlichkeiten künftig nicht getilgt werden, da eine Verteilungsquote ex ante in der Praxis oft nur sehr schwer feststeht bzw einschätzbar ist. Im ersten Fall (Eintritt der Masseunzulänglichkeit durch Festsetzung der zusätzlichen Körperschaftssteuer) ist ein Antrag des Masseverwalters vorgesehen, eine Treu und Glauben Auskunft zu erteilen, ob aufgrund der voraussichtlichen Insolvenzquote von einer Festsetzung der zusätzlich entstehenden Körperschaftssteuer im Rahmen der Veranlagung der Körperschaftssteuer für den Insolvenzzeitraum abgesehen wird. Dies führt ebenso zu erheblichem administrativen Aufwand, der vermeidbar ist. Weiter ist an der gegenständlichen Information zu kritisieren, dass das BMF (zumindest implizit) davon ausgeht, dass eine derartig zusätzlich anfallende Körperschaftssteuer aufgrund nicht getilgter Verbindlichkeiten im Rahmen von Konkursverfahren eine Masseforderung darstellt, wenn ausgeführt wird, dass dies „regelmäßig zu Masseunzulänglichkeit führen oder das Insolvenzverfahren gegebenenfalls mangels kostendeckenden Vermögens überhaupt nicht eröffnet werden“ könne. Konsequent weiter gedacht, und dies wird in der Information des BMF auch angedeutet, führt diese Regelung dazu, dass in nahezu sämtlichen Fällen die zu verteilende Masse an die Republik fallen würde. Lediglich in Fällen, in denen die Masseunzulänglichkeit zu befürchten wäre, bestehen keine Bedenken, die Steuer nicht festzusetzen. Dieses Ergebnis ist unbillig. Darüber hinaus ist diese Rechtsansicht abzulehnen. Für die insolvenzrechtliche Qualifikation einer Forderung als Insolvenz- oder Masseforderung ist wesentlich, ob der Sachverhalt während des Insolvenzverfahrens oder erst danach verwirklicht wird (vgl iZm Sanierungsgewinn Engelhart in Konecny, Kommentar zu den Insolvenzgesetzen § 46 IO Rz 124). Wird der Sachverhalt nicht während des Insolvenzverfahrens verwirklicht, kann es sich auch nicht um eine Masseforderung handeln. Im gegenständlichen Fall ist mit dem für die Abgabepflicht maßgeblichen Sachverhalt offenkundig gemeint, dass noch offene Verbindlichkeiten „als Folge der unmittelbar bevorstehenden Beendigung der Körperschaft von dieser (auch zukünftig) nicht beglichen werden“. Abgestellt wird offenkundig auf die bevorstehende Beendigung der Körperschaft. Die Beendigung der Körperschaft erfolgt aber nicht durch die Aufhebung des Konkurses gem § 139 IO. Nach Ansicht des ÖRAK liegt daher keine Masseforderung gem § 46 IO vor. Dazu kommt, dass die Fiktion, nicht gedeckte Verbindlichkeiten würden das Liquidationsergebnis erhöhen, im Rahmen eines Konkursverfahrens rechtlich nicht haltbar ist. Die Aufhebung eines Konkurses führt nicht dazu, dass die Verbindlichkeiten der Körperschaft „untergehen“ würden. Dies ergibt sich einerseits aus dem Umstand, dass die IO gem § 138 für nach der Schlussverteilung frei werdendes oder zum Vorschein kommendes Vermögen Nachtragsverteilungen vorsieht und andererseits aus dem Umstand, dass aufgrund des Auszuges aus dem Anmeldungsverzeichnis in etwaig vorhandenes Vermögen der Körperschaft Exekution geführt werden kann. Das Argument, dass wenn Verbindlichkeiten im Rahmen einer Liquidation (gleichgültig ob im Rahmen eines Insolvenzverfahrens oder außergerichtlich) nicht beglichen werden, dies „hinsichtlich der wirtschaftlichen Auswirkungen mit einem Untergang der Verbindlichkeiten vergleichbar“ wäre, ist ein rein faktisches, das aber (ebenso faktisch) gar nicht dazu führt, dass eine höhere 3 „Verteilung“ gem § 19 Abs 4 KStG 1988 erfolgen würde (zur Verteilung gelangt immer der gleiche Betrag!). Darüber hinaus ist der ÖRAK der Ansicht, dass bei Betrachtung des Anlassfalles im Zusammenhang mit der aktuellen Judikatur des VwGH hinsichtlich des Ausscheidens aus der Steuergruppe mit Insolvenzeröffnung, die gegenständliche Regelung im Anlassfall zu keinem anderen Ergebnis geführt hätte, als jenes, das eingetreten ist. Zunächst können Verluste über die Gruppenbesteuerung zum Gruppenträger transferiert werden. Infolge des Konkurses muss die Forderung abgeschrieben werden, was dazu führt, dass der in der Gruppe generierte Verlust sich dadurch verdoppelt. Weiters scheidet aufgrund der Konkurseröffnung das Gruppenmitglied aus der Gruppe aus. Im Rahmen der Beendigung des Konkurses und der damit einhergehenden Liquidation der Gesellschaft entsteht ein Buchgewinn zumindest im Ausmaß der Verbindlichkeit gegen die Unternehmensgruppe. Dieser Liquidationsgewinn wird aber aufgrund des zwangsweisen Ausscheidens aus der Unternehmensgruppe nicht mehr in die Gruppe transferiert. Wäre die beabsichtigte Regelung auf den Anlassfall bereits anwendbar gewesen, hätte dieser Buchgewinn in der konkursanten Gesellschaft versteuert werden müssen. Da keine Verlustvorträge mehr verwertbar gewesen wären (diese wurden in der vorangegangenen Gruppenbesteuerung „verbraucht“), hätte dies zur Folge gehabt, dass entweder die gesamte Masse an die Republik auszukehren gewesen wäre (was den übrigen unbesicherten Gläubigern gegenüber unbillig wäre), oder die Republik hätte die gerade eben erst festgesetzte Steuer wieder zu löschen gehabt. V. Regelungsvorschlag: Wie bereits eingangs erwähnt, scheint es dem ÖRAK auch erforderlich, im Sinne der Gleichmäßigkeit der Besteuerung Anpassungen vorzunehmen. Folgende Alternative könnte überlegt werden: a) Es könnten die gruppeninternen Verrechnungsforderungen ebenfalls in die Regelung des § 9 Abs 7 KStG, also die Steuerneutralität, aufgenommen werden. Hierdurch wird die während des Bestandes und der Gruppenzugehörigkeit derzeit mögliche doppelte Verlustverwertungen in der Gruppe vereitelt und b) Es sollte eine Regelung hinsichtlich der Steuerneutralität von Verrechnungsforderungen im Fall des Ausscheidens aus der Gruppe in dem Ausmaß aufgenommen werden, in dem bereits Verlustzuweisungen zum Gruppenträger dauerhaft erfolgt sind. 4 Nur durch eine solche Regelung erscheint der Anlassfall regulierbar zu sein. Die rechtswidrige - Interpretation hinsichtlich des „negativen Liquidationsvermögens“ und dessen steuerliche Erfassung wären aufgrund dessen obsolet. Wien, am 12. Oktober 2015 DER ÖSTERREICHISCHE RECHTSANWALTSKAMMERTAG Dr. Rupert Wolff Präsident 5
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