Samstag/Sonntag, 12./13. März 2016, Nr. 60 KARRIERECHANCE CEBIT 69 EINE SONDERSEITE DER SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG „Technik prägt Frauen mehr als früher“ IT-Expertin Felicitas Birkner sieht neue Chancen Frauen sind in der Informationstechnologie-Branche nach wie vor eine seltene Erscheinung. Ein Gespräch mit IT-Expertin Felicitas Birkner über Zusammenarbeit, Kultur und neue Berufsperspektiven. SZ: Sie sind Senior Product Marketing Manager für Großrechner. Wie viele männliche Kollegen haben Sie? Felicitas Birkner: In unserem Münchner Büro sind etwa 85 bis 90 Prozent meiner Kollegen Männer. Gefühlt sieht es in den anderen Bereichen genauso aus. Woran liegt das? Meiner Erfahrung nach, fängt es bei den Erziehungsmodellen an. Kinder werden von ihren Familien in gewisse Berufszweige hineingedacht. Vielleicht klingt das vereinfacht, aber es ist doch häufig so: Mädchen gehen als Prinzessinnen zum Fasching, Jungen als Cowboys. Meine Eltern haben mich in alle möglichen Kostüme gesteckt – nur nicht in ein Prinzessinnenkleid. Sie haben mir so gezeigt: Du musst nicht immer Prinzessin sein, du kannst alles werden! mens in Leipzig im Technikvertrieb – fast nur Männer in meinem Arbeitsumfeld. Dort zu arbeiten war sehr interessant. Sind Männer die angenehmeren Kollegen? Ich habe viele lockere und nette Kollegen und arbeite gern mit Männern, genauso wie mit Frauen. Allerdings ist Mut zur Lücke gefragt, auch bei Frauen. In der IT geht es darum, viel auszuprobieren und mit Unbekanntem locker umzugehen. Man muss darauf gefasst sein, Fehler zu machen. Denn: Wenn ich es nicht probiere, probiert es jemand anderes. In der Regel ein Mann! Worin liegen die Schwierigkeiten in der Zusammenarbeit? Als Berufsanfängerin hatte ich gedacht: Das kann ich genauso gut wie die Männer und habe mich ins Zeug gelegt. Irgendwann habe ich gemerkt, es geht nicht weiter. Ich hatte es mit einer Männerwelt zu tun, mit einem gestandenen Netzwerk. Daran war schwer zu rütteln. Bei Beförderungen wurden dann eher die Männer berücksichtigt? Sie haben sich trotzdem immer weiter entwickelt. Ja, in Situationen, die ich nicht ändern konnte, habe ich mich verändert. Herausforderungen annehmen, Neues ausprobieren, Chancen nutzen – das entwickelt weiter. Als Senior Product Marketing Manager bei Fujitsu arbeitet Felicitas Birkner mit verschiedenen Abteilungen und Agenturen zusammen – von Entwicklung, Produktion über Einkauf bis hin zu Logistik und Kommunikation. FOTO: PRIVAT Sie haben dann Ingenieurwissenschaften studiert. Der Männeranteil in diesen Studiengängen liegt bei mehr als 70 Prozent, genauso im Fach Informatik. Während meines Studiums war das anders. Ich studierte zu DDR-Zeiten an der Technischen Universität Dresden. Der Männeranteil in meiner Seminargruppe lag bei etwa zehn Prozent. In der DDR wurden Frauen regelrecht in Technikberufe gezwungen. Ursprünglich wollte ich etwas anderes studieren: Sprachwissenschaften oder Medizin. Trotz Prinzessinnenverbot typische Frauenberufe. Stimmt, aber ich habe dafür keinen Studienplatz zugeteilt bekommen. Meine Eltern haben mich so erzogen, dass ich Dinge, die ich anfange, auch beende. Wichtig dabei ist, für Neues offen zu sein und Freude am Lernen zu haben. Darum habe ich das Studium erfolgreich durchgezogen, ohne es hinterher zu bereuen. Haben Sie deshalb das Professional Women’s Network München mitgegründet, um Frauen in solchen Situationen zu helfen? Unter anderem. Viele kommen aus anderen Nationen, Kulturen und Branchen. Wir suchen Austausch, wollen international netzwerken und voneinander lernen. Auch da bemerke ich Unterschiede zwischen Männern und Frauen. Männer empfehlen sich viel öfter gegenseitig. Frauen eher nicht. Manchmal denke ich: Meine Güte, da würde niemandem eine Perle aus der Krone fallen, mal diese oder jene weiterzuempfehlen. Birgt die Nachfrage nach Fachkräften im Big-Data-Umfeld die Chance, dass mehr Frauen in IT-Berufen Fuß fassen? Wir werden Richtung Big Data – man kann schon sagen – katapultiert. Und das bringt megamäßig viele Möglichkeiten. Man wird beispielsweise viele Kräfte brauchen, die Daten in alle Richtungen, über alle Branchen hinweg, sinnvoll auswerten können. Darin liegt durchaus Potenzial für Frauen, neue Berufsfelder zu finden. Also wird es künftig mehr Frauen in der IT-Branche geben? Heute motiviert unser technikgeprägtes Umfeld Frauen viel mehr als früher. Die Kinder entwickeln sich durch die Medien so spielerisch in diese Themenwelten, dass ich mir das gut vorstellen kann. Auch die Arbeitsplätze und -zeiten werden immer flexibler und Karriere und Familie dadurch immer besser vereinbar. interview: juliane v. wedemeyer Aber als Sie fertig waren, gab es die DDR nicht mehr. Als wir 1991 nach dem Studium im Westen zum Arbeitsamt gingen, war man dort überrascht: Wir als Frauen wollten uns in Technik-Jobs vermitteln lassen! Das war man nicht gewohnt. Ich begann bei Sie- Karrierechance Cebit Verantwortlich: Peter Fahrenholz Redaktion: Johanna Pfund Anzeigen: Jürgen Maukner So schön kann Data Mining aussehen – jedenfalls im neuen Forschungszentrum von Bosch in Renningen. FOTO: CHRISTOF STACHE / AFP Die Goldsucher Riesige Datenmengen häufen sich Tag für Tag an. Von Nutzen sind sie aber nur, wenn Spezialisten die enthaltenen Informationen sortieren, analysieren und auswerten: Gute Zeiten für Data Scientists von juliane von wedemeyer K aum stehen wir morgens auf, produzieren wir die ersten Daten. Niemand muss dazu seinen Computer anschalten. Es genügt, das Licht anzuknipsen oder die Dusche aufzudrehen. Die Daten über Wasser- und Stromverbrauch landen früher oder später beim jeweiligen Versorgungsunternehmen. Dank der Digitalisierung des Alltags wird die Menge der Daten von Jahr zu Jahr größer. Einer Reihe von Studien zufolge erzeugen die Menschen um die 1,8 Trilliarden Bytes Daten im Web – jeden Tag. Sie surfen im Internet und nutzen Geräte und Maschinen, die damit vernetzt sind. Nur zur Verdeutlichung: Eine Trilliarde ist eine Eins mit 21 Nullen. Prognosen zufolge wird sich diese Zahl alle zwei Jahre verdoppeln. Dabei sind etwa 90 Prozent aller Daten unstrukturiert. Das heißt: Es sind Tweets, Fotos, Einkaufshistorien von Kunden oder sogenannte Logfiles in Computern, Webservern oder Mobiltelefonen. Nutzen tun sie so erst einmal niemandem. Dafür müssen sie aufbereitet und in Datenbanken gespeichert, geordnet, analysiert und ausgewertet werden. Im Umfeld von Big Data – so der Begriff, der sich für die Datenmengen durchgesetzt hat – sind darum mehrere neue Berufsbilder entstanden: Neben dem Data Engineer, der weiß, wo die Daten gespeichert sind und wie er sie in eine auswertbare Infrastruktur integriert, der Data Steward, der für die Überwachung und die fachliche Korrektheit der Daten zuständig ist. Und eben der Data Scientist. Thorsten Burdeska ist solch ein Data Scientist. Der 40-Jährige arbeitet bei Accenture, einem der größten TechnologieDienstleister weltweit. Er und seine Kollegen sind diejenigen, die Antworten aus Daten generieren. Im besten Fall ziehen sie daraus geniale Erkenntnisse und können sie dann auch noch so anschaulich visualisieren und erklären, dass sie auch die ITund Statistik-ferneren Abteilungen verstehen. „Meine Arbeit ist sehr vielfältig“, erklärt Burdeska. „Bei jeder Herausforderung lerne ich etwas dazu – neues Detailwissen über Produktionsprozesse oder Ökosysteme. Das sorgt auch immer für guten Gesprächsstoff.“ Mit geschicktem Datenabgleich lässt sich effizienter produzieren Längst ist Big Data nicht mehr nur ein Thema für die IT-Branche. Es betrifft alle Wirtschaftszweige und nicht nur diese. Die Vereinten Nationen etwa können inzwischen drohende Virusinfektionen oder Unruhen früher erkennen, sofern sie die Muster, welche die Millionen öffentlicher Kurznachrichten, Fotos, Videos und anderer Daten erzeugen, richtig deuten. Thorsten Burdeska hilft vor allem Industrie-Unternehmen, effizienter zu produzieren. „Ich habe sozusagen Industrie 4.0 miterfunden“, erzählt er am Telefon. Er meint die Digitalisierung und Analyse von Maschinendaten. Begonnen hatte das bei einem Bier in einer Kneipe. Ein befreundeter Ingenieur erzählte ihm von einer Aluminium-Guss-Maschine, die immer wieder fehlerhaft arbeitete und keiner wusste warum. So kam Burdeska auf die Idee, die Maschinen- und Produktionsdaten mit weiteren Daten wie der Raumtemperatur, dem Wetter und vielen weiteren zu vergleichen. Und er fand den Fehler: Jedes Mal, wenn ein starker Wind wehte, änderten sich die Temperatur und der Luftdruck in der Produktionshalle. Leichtmetall reagiert sensibel auf Temperaturschwankungen. Schon 1,2 Grad Unterschied wirken sich auf die Produktion aus. Als das Unternehmen die windzugewandte Hallenseite abdichten ließ, war das Problem behoben. Burdeska ist ein Urgestein in Sachen Datenanalyse. Er hat Daten schon analysiert, als sein Beruf noch gar nicht Data Scientist hieß, sondern Data Miner, Aktuar oder schlicht Datenanalyst. Tätig waren er und seine Kollegen vor allem für Versicherungen und Meinungsforschungsinstitute. Damals, Anfang 2000, war die Menge der Daten auch noch etwas überschaubarer. 55 verschiedene Anwendungsfälle für Big Data hat das Fraunhofer-Institut für Intelligente Analyse- und Informationssysteme (IAIS) in einer aktuellen Studie ausgemacht. Demnach haben die meisten Unternehmen die Chancen von Big Data erkannt: den Aufbau strategischer Wettbewerbsvorteile, die Steigerung der Umsätze oder die Einsparung von Kosten. Sie nutzen die Erkenntnisse zur Prozessoptimie- rung, zur Innovation, zur Absatzprognose und -steuerung oder zur finanziellen Risikoabschätzung. In den kommenden fünf Jahren wollen die meisten der befragten Unternehmen darum mehr Geld für BigData-Themen ausgeben. Die Nachfrage nach Fachkräften, die mit großen Datensätzen umgehen können, ist riesig. Burdeskas Chef, Marc Beierschoder, sucht immer wieder Verstärkung für seine Teams, aber das Finden ist gar nicht so leicht. Nur um die zehn Prozent der geeigneten Hochschulabsolventen würden sich für eine Karriere im Big-Data-Umfeld entscheiden. Der Rest wird Investment Banker, Softwareentwickler oder Wissenschaftler. Dabei sind die Big-Data-Jobs finanziell nicht unattraktiv: In Deutschland verdienen Berufseinsteiger zwischen 45 000 und 48 000 Euro und je nachdem, wo sie auf der Karriereleiter stehen, auch mal 140 000 Euro und mehr. Genommen würden nicht nur IT-Fachleute, sagt Beierschoder, sondern auch gern Naturwissenschaftler. „Programmierungskenntnisse sollten sie schon haben. Wichtig ist vor allem, dass sie Statistikwissen mitbringen“, erklärt Beierschoder. Mittlerweile bieten Universitäten Seminare zu diesem Thema an, Berufsanfänger können Trainingsprogramme bei Firmen wie Accenture oder SAP absolvieren. Burdeska hat Psychologie, Philosophie und Soziologie studiert. „Ich war auch kein superguter Schüler“, erzählt er. Auch nicht in Mathe. Aber Statistik war sein Studienschwerpunkt. „Manche Themen erschließen sich einem eben erst später.“ chen Besu uf der ns a Sie u reer a c d n job a CeBIT at 2016 8.03. 11 14.–1 , Stand B 1 1 e l l Ha EXPERTEN FÜR GEMEINSAMEN ERFOLG Erfolg ist nichts, was man in Auftrag gibt. Erfolg ist etwas, was wir gemeinsam erreichen. Wie beispielsweise unsere Kunden – gemeinsam mit den passenden Experten von uns. hays.de/it
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