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Schwalmtal, den 18. Juni 2015
Kunstwettbewerb für Hosterts Friedhof
Schwalmtal: Kunstwettbewerb für Hosterts Friedhof
FOTO: Franz-Heinrich Busch
Das Eisentor zum Friedhof stammt aus dem Jahr 1962. Es soll bei einer Neugestaltung ebenso
bestehen bleiben wie die alten Friedhofsbäume, die Gräber und die Buchenhecke.
Schwalmtal. Der LVR will noch in diesem Sommer einen Wettbewerb unter zehn namhaften
Künstlern ausrufen, um den Gedenkort Waldniel-Hostert neu zu gestalten. Die Pläne sind mit der
Gemeinde und der Pfarre abgestimmt. Von Sabine Janssen
Die Schatten der Vergangenheit werden in Hostert nicht verblassen. Zu viel Schreckliches ist dort
während der Zeit des Nationalsozialismus geschehen. Zwischen 1941 und 1943 töteten NS-Chargen
dort 99 behinderte Kinder durch Nahrungsentzug und Vernachlässigung. Die "Kinderfachabteilung"
der Provinzial Heil-und Pflegeanstalt von Waldniel-Hostert galt im Rheinland als Zentrum für
Euthanasie und Zwangssterilisation.
Diese Schatten werden bleiben. Sollen sie sogar: Waldniel-Hostert ist heute bereits ein Erinnerungsund Gedenkort, an der der menschenfeindlichen NS-Diktatur und ihrer Verbrechen gedacht wird.
Jetzt will der Landschaftsverband Rheinland (LVR) als Rechtsnachfolger der Provinzial Heil- und
Pflegeanstalt den Friedhof von einem renommierten Künstler gestalten lassen und den Ort des
Gedenkens damit würdigen.
Voraussichtlich im August wird der LVR einen Wettbewerb mit zehn Künstlern für das 2400
Quadratmeter große Grundstück ausloben. "Erwartet wird die Ausarbeitung eines künstlerischen,
(landschafts)-gestalterischen und/oder architektonischen Entwurfs zur Ausgestaltung des Gedenkund Erinnerungsortes" heißt es in der Beschlussvorlage des LVR, die bereits viele LVR-Ausschüsse,
aber auch örtliche Gremien passiert hat. Nun steht nur noch die Zustimmung im
Landschaftsausschuss aus. Sie soll am 26. Juni erfolgen.
Jeder der zehn Künstler soll einen Vorschlag zur Gestaltung des Friedhofs machen, der von der Idee
bis Realisierung reicht, ein pädagogisches Begleitprogramm mitliefert ebenso wie eine
Kostenkalkulation und die Unterhaltskosten. Allein für den Wettbewerb hat der LVR 20 000 Euro
veranschlagt. Jeder Künstler wird für seinen Vorschlag 2000 Euro erhalten.
"Wir sind als LVR in der moralischen Pflicht", sagt Dr. Arie Nabrings vom LVR-Archivberatungs- und
Fortbildungszentrum, der das Projekt leitet. Der LVR wolle nicht nur den Wettbewerb, sondern auch
das anschließende Kunstprojekt finanziell stemmen, so Nabrings. Zur Not auch ohne weitere
Förderer.
Mit der künstlerischen Gestaltung der Gedenkstätte soll auch die weitere Erforschung der Waldnieler
Geschichte durch einen Historiker einhergehen. Die Landeszentrale für politische Bildung hat dafür
eine finanzielle Unterstützung in Aussicht gestellt.
Die Initialzündung für die Pläne geht auf das Jahr 2012 zurück. "Damals hat der Arbeitskreis zur
Erforschung der Geschichte der NS-Euthanasie und Zwangssterilisation Hostert mitsamt des
Friedhofs und der verfallenen Gebäude besichtigt", erzählt Nabrings. An viele Stellen sei danach der
Appell ergangen, das Gelände in Waldniel zu erhalten. "Aber das komplette Gelände mit den
Gebäuden zu überplanen war finanziell sehr anspruchsvoll", so Nabrings. Deshalb einigte man sich
2014 darauf, den Anstaltsfriedhof neu zu gestalten, die die Pfarrgemeinde St. Mariae HimmelfahrtWaldnieler Heide 1959 erwarb.
Nach dem langen Vorlauf soll das weitere Vorhaben zügig angegangen werden: Sollte der
Landschaftsausschuss zustimmen, wird die Ausschreibung im August erfolgen. Die Künstler haben
drei Monate Zeit für die Ideenskizzen. Danach entscheidet eine Jury über den Entwurf, der dann
binnen eines Jahres umgesetzt werden soll.
Die Liste der Künstler, die um einen Vorschlag gebeten werden, liest sich durchaus wie das "Who ist
Who" der gestaltenden Kunst: Ruedi Baur, Tony Cragg, Bogomir Ecker, Horst Hoheisel, Andreas Knitz,
Susanne Krell, Julia Scher, Gregor Schneider, Rosemarie Trockel und Peter Zumthor. "Uns war
wichtig, dass sie mit dem Thema vertraut sind", sagt Nabrings. Einige der Künstler hatten sich
seinerzeit um die Gestaltung des EL-DE-Hauses, 1935 bis 1945 Sitz der Gestapo und seit 2013 NSDokumentationszentrum von Köln, beworben.
Die Gemeinde und die Pfarrgemeinde St. Matthias Schwalmtal, zu der St. Mariae Himmelfahrt heute
gehört, sind von Anfang in die Planung einbezogen ebenso die Initiatoren und Erforscher von
Hostert. "Ihnen ist es zu verdanken, dass der Ort nicht in Vergessenheit geraten ist", sagt Nabrings.
Den Waldnielern wurde daher auch ein klares Mitspracherecht bei der Gestaltung eingeräumt.
So sind als Auflagen für die Neugestaltung bereits mehrere Punkte festgelegt: Die Gräber genießen
einen besonderen Schutz, sie dürfen nicht überbaut. Es muss Platz bleiben für Feiern mit bis zu 200
Personen. Die Friedhofsbäume (1912), das Flügeltor samt Pfeilern (1962) und die Buchenhecke
(1988) bleiben erhalten. Ein Neuanfang - so lassen sich diese Auflagen lesen - soll es für Hostert nicht
geben. Der Friedhof hat seine Vergangenheit als Ort des Grauens und als Ort des Gedenkens.
Quelle: RP Grenzlandkurier v. 18. Juni 2015