Olympia: schneller, kürzer, grüner

8
Kombinierter Verkehr
DVZ • THEMENHEFT HAMBURG • DIENSTAG, 22. SEPTEMBER 2015
FOTO: RAILRUNNER
In den USA ist Railrunner seit
rund zehn Jahren im Einsatz. Die
­Chassis sind bis zu 16,50 m lang.
Olympia: schneller, kürzer, grüner
Hamburgs Bewerbung setzt auf Nachhaltigkeit. In der Baulogistik sind innovative Konzepte gefragt.
Von Gerhard Oswald,
Geschäftsführer der
Go Multimodal GmbH,
Hamburg
S
ommer 2024: Über Hamburg
weht die olympische Flagge.
Sportler und Zuschauer aus aller Welt träumen den olympischen
Traum. Doch für Anwohner und die
Hamburger Wirtschaft könnten die
Spiele der Höhepunkt eines logistischen Alptraums werden, der dann
schon Jahre andauert. Grund: Der besondere Reiz der Hamburger Bewerbung – die zentrale Lage der Sportstätten und deren Konzentra­
tion
in einem Radius von 10 km um die
Innenstadt – macht das Mega-Sport­
event bereits in der Bauphase zu einem logistisch höchst anspruchsvollen Projekt.
Baumaterial und -geräte müssen
in die City geschafft werden, tonnenweise Abraum ist zu entsorgen. Und
das in einer Stadt, der es an Verkehrsproblemen ganz und gar nicht mangelt. Die Straßen rund um die Olympiainsel am Kleinen Grasbrook sind
bereits heute stark belastet, und das
gilt insbesondere für die Elbbrücken.
Hinzu kommt, dass die Autobahn A 7,
eine der Lebensadern der Stadt und
des Hamburger Hafens, wegen Ausbauarbeiten nur eingeschränkt nutzbar ist, wenn die Bauphase im Jahr
2017 beginnt.
Den Organisatoren bleibt also gar
nichts anderes übrig, als schon während dieser Zeit verstärkt auf einen
intelligenten Verkehrsträgermix zu
setzen und die Rolle des LKW auf das
Nötigste zu beschränken. Die Voraussetzungen dafür sind gegeben. Die
größte Baustelle mit dem Olympiastadion, dem Olympischen Dorf und der
Olympiaschwimmhalle liegt direkt am
Wasser. Baumaterial kann direkt per
Binnenschiff herbeigeschafft werden,
Abraum mit einem Shuttlesystem
ebenfalls per Binnenschiff oder Leichter entsorgt werden.
Hafenterminals nutzen
Als Be- und Entladungspunkte bieten sich andere Elbehäfen wie beispielsweise Stade und Brunsbüttel,
aber auch elbaufwärts gelegene Plätze wie Magdeburg oder Wittenberge
an. Auch Container- oder Projekt­
ladung können auf dem Wasserweg
in unmittelbare Nähe der Baustellen gebracht werden. So verfügt
das Buss-Hansa-Terminal ebenso
über Container- wie Stückgutkompetenz. Das Schwergutterminal von
C.H. Steinweg liegt ebenfalls an der
Olympiabaustelle.
Komplizierter ist die Situation für
die Versorgung über den Schienenweg. Die gute Nachricht ist, dass das
olympische Kerngebiet bereits jetzt
an das Netz der Hafenbahn angebunden ist. Für den Personenverkehr ist während der Spiele sogar
ein Sonderzughalt entlang des Veddeler Damms geplant.
Was jedoch fehlt, ist ein Güterterminal in unmittelbarer Nähe des
Kerngebiets. Die an den Hamburger
Containerterminals gelegenen Bahnhöfe sind auf Seecontainer- und speziell auf Seehafenhinterlandverkehr
ausgelegt. Für die Versorgung der
Olympischen Spiele müssen jedoch
neben Seecontainern auch Trailer
und Wechselbrücken umgeschlagen
werden.
Das KV-Terminal der Duss in
Hamburg-Billwerder ist technisch
ohne Zweifel geeignet. Es liegt jedoch rund 14 km vom Kleinen Grasbrook entfernt, und der Weg dahin
führt über die stark belastete A 1
oder durch das Hamburger Stadt­
gebiet und über die Elbbrücke.
Die Alternative hierzu wäre ein
Olympia-KV-Terminal im Hafengebiet. Doch dabei stellt sich die Frage nach der Wirtschaftlichkeit und
der Nachnutzung. Bedarf an einem
weiteren KV-Terminal nach den
Olympischen Spielen an dieser Stel-
ANZEIGE
LOGISTIKIMMOBILIEN
IM NORDEN,
ROBERT C. SPIES
• passgenau
• effizient
• wirtschaftlich
In den Bereichen:
• Pe/neubau
• Vermietung
• Verkauf/Investment
björn sundermann, dipl.-Ing. bau.
[email protected]
sandra toscani, m. eng.
[email protected]
martin Zunken, dipl.-Wirtsch.-Ing. bau
[email protected]
IndustrIe- und LogIstIkImmobILIen
T 0421 l 173 93-50
www.robertcspies.de
le wird es kaum geben, zumal das
Olympiagelände nach den Spielen
Wohn- und Erholungszwecken dienen soll. Die optimale Lösung wäre
also eine Umschlagtechnik, die ohne
hohe Investitionen in stationäre Portalkräne oder Flächenaufbereitung
auskommt und nach der Olympiade
problemlos an anderer Stelle eingesetzt werden kann.
Mit geringem Aufwand machbar
Dafür bietet sich eine innovative KVTechnologie an, die bereits in den
USA erprobt ist und vor der Markteinführung in Europa steht: der bimodale Transport mit dem Railrunner. Zu den wesentlichen Vorteilen
dieser bimodalen Technik gehört,
dass für die Zugbildung oder -auflösung kein Containerterminal mit
Kränen oder Schwerlaststaplern
benötigt wird. Stattdessen können
Gleise der Industrie bis zu einer
Zuglänge genutzt werden. Nötig ist
dafür lediglich eine Straße parallel
zum ebenerdig befestigten Gleis, die
von einem LKW mit 44 t zulässigem
Gesamtgewicht befahren werden
kann.
Eine solche Anlage kann in unmittelbarer Nähe der Olympiainsel oder
auf ihr mit vergleichsweise geringem
Aufwand geschaffen und nach der
Nutzung zurückgebaut werden. Die
Umschlagkosten für ein solches Terminal mit einer Kapazität von 12 000
Einheiten pro Jahr liegen bei normaler Nutzungsdauer bei 12 bis 15 EUR
pro Lift.
Das Logistikkonzept für ein solches Terminal: Statt das Olympiagelände direkt mit dem LKW anzufahren, werden im jeweiligen
Quellgebiet der Ladung Bündelungspunkte geschaffen, an denen ein bimodales Terminal nach dem oben
genannten Muster eingerichtet wird.
An diesen Punkten liefern LKW die
für den Olympiabahnhof bestimmte
Ladung ab. Dabei spielt es keine Rolle, ob es sich um Sattelauflieger oder
Container handelt.
Für den Schienentransport werden die Sattelauflieger auf spezielle
Drehgestelle geschoben und zu einem Zugverband gekoppelt. Dazu
braucht man Sattelauflieger, die für
den bimodalen Schienentransport
geeignet sind (siehe Kasten). Die
Transporte rollen dann auf der Schiene nach Hamburg und werden dort
dekonsolidiert. Nur die letzten hundert Meter des Transports erledigt
dann der LKW.
Durch die hohe Flexibilität der
Gesamtkonzeption könnte ein gro-
Railrunner
Vereinfacht gesagt besteht der
Railrunner lediglich aus zwei Drehgestellen, auf die für den Schienentransport die Containerchassis oder
ein Sattelauflieger mit der LKWZugmaschine geschoben werden
und somit das Chassis beziehungsweise den Auflieger zum Waggon
machen. Dieser Prozessschritt kann
unter dem Fahrdraht stattfinden. Die
Drehgestelle sind mit Luftfederung
ausgestattet, so dass ein schonender
Schienentransport ohne Gefahr von
Ladungsverschiebungen möglich
wird. Die weltweit erstmals in einem
Drehgestell eines Güterwagens
angewandte Luftfederung ermöglicht zusammen mit den sich selbst
lenkenden Achsen eine Lärmreduktion um 5 dB gegenüber heutigen
Standards.
Die Chassis oder Sattelauflieger sind
speziell für den Schienenverkehr
hergerichtet, um die im Zugverband
üblichen Druck- und Zugkräfte
aufnehmen zu können. All diese
Einrichtungen machen das Straßen­
fahrzeug etwas schwerer – je nach
Ausführung und Typ um etwa 800
bis 1600 kg. Das wird durch die
Einfachheit des Systems sowie die
Tatsache aufgewogen, dass über
20 Prozent mehr Sattelauflieger und
bis zu 40 Prozent mehr Nutzlast
pro vergleichbarer Zuglänge und
­Maximalgewicht transportiert werden können. Im Vor- und Nachlauf
zum KV dürfen die Auflieger mit 44 t
gefahren werden.
ßer Teil des zusätzlichen LKW-Verkehrs von der Straße geholt werden.
Neben der Entschärfung der Verkehrssituation würde diese Lösung
auch entscheidend zu dem ökologischen und nachhaltigen Charakter
der Olympischen Spiele an der Elbe
beitragen. Aufgrund der geringen
Investitionskosten könnte sogar
ein zweites derartiges Terminal im
Nordwesten der Stadt gebaut werden – auch hier befindet sich eine
Ballung von Sportstätten, die zu versorgen sind.
In der Fachöffentlichkeit sorgt das
Railrunner-Konzept bereits für Aufsehen. Eine Expertenjury nominierte
den Railrunner vor einigen Tagen als
Finalisten für den Zukunftspreis Logistik, der jährlich von der LogistikInitiative Hamburg und der Süderelbe AG vergeben wird.