Ein übler Schnappschuss

Ein übler Schnappschuss
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In einem Wald bei Fischelbach hat ein Naturfotograf einen Hirsch vor die Linse bekommen.
Dabei soll er das Wild, das der Jäger schießen wollte, verjagt haben. Die Untere Jagdbehörde
des Kreises leitete ein Verfahren ein, jetzt wird auf Kosten der Sachbearbeiterin schmutzige
Wäsche gewaschen. Foto: Holger Weber
Ein übler Schnappschuss
Fischelbach Behörde klagt: Fotograf kam mit seinem
Hirschfoto einem Jäger mit Flinte in die Quere / Schmutzkampagne auf dem Rücken einer Kreismitarbeiterin
Kreis Siegen-Wittgenstein leitet ein Bußgeldverfahren gegen Naturfotografen ein.
howe/vö ■ „Da wird man doch glatt zum Hirsch!“ Die Zeitung aus dem benachbarten Hessen, die
über den „teuren Schnappschuss“ eines Naturfotografen aus dem Raum Eschenburg „berichtet“, weil
dieser angeblich für ein Hirschfoto 5000 Euro Strafe zahlen muss, schießt sich auf eine Mitarbeiterin
der Unteren Jagdbehörde des Kreises Siegen-Wittgenstein ein. Die Dame wird mit vollem Namen
erwähnt, außerdem druckt das Blatt das Anschreiben mit Kontaktdaten der Kreisbehörde ab. Die
Folge: Jetzt erhält die Sachbearbeiterin aus ganz Deutschland die übelsten Beschimpfungen per
E-Mail. Bei der „Zeitung“ handelt es sich um ein Mitmach-Blatt, in dem Bürgerreporter berichten.
Aber dazu später mehr.
Im Vordergrund steht erst einmal die Geschichte selbst, die durchaus kurios, aber eigentlich relativ
schnell erzählt ist. Da hat sich der passionierte Natur- und Tierfotograf am 21. September gegen 19.15
Uhr in einem Waldstück bei Fischelbach auf die Lauer gelegt und einen Hirsch fotografiert. Lautlos
angeschlichen soll er sich „durch den Bestand von Baum zu Baum“ haben und den Brunftschrei des
Hirschen soll er sich zunutze gemacht haben. Beobachtet wurde er von einem Jäger der Bad Laaspher
Rentkammer Wittgenstein sowie einem Gast. Beide hatten gerade vor, den Hochsitz zu betreten, als
ihnen der Fotograf auffiel. Der eine wollte so gerne den Hirsch vor die Linse bekommen, der andere
vor die Flinte. Die Eigentümerin des Waldes, die Rentkammer, erstattete beim Kreis SiegenWittgenstein Anzeige. Die Behörde wiederum leitete ein Bußgeldverfahren ein. „Ein völlig normaler
Vorgang“, wie Kreis-Pressesprecher Torsten Manges gestern auf SZ-Anfrage erläuterte. „Das machen
unsere Leute Tag für Tag. Es gibt eine Anzeige und dann wird auf die übliche Art und Weise
Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben.“
Henning Graf Kanitz, Geschäftsführer der Rentkammer Wittgenstein, erläuterte im SZ-Gespräch, den
Hintergrund: „Es geht ganz konkret um eine Begegnung mit dem Fotografen, in der er dem Wild
gezielt nachgestellt hat. Das haben wir zum Anlass genommen, um Anzeige zu erstatten. Aus unserer
Sicht ist das eine aktive Jagdstörung.“ Zweifelsfrei seien die Fotografien des Mannes beeindruckend.
Allerdings: Man werde das Gefühl nicht los, dass er das Wild anpfeife für ein perfektes Motiv. Und:
„Diese Bilder kann man nicht aus der Distanz machen.“ Und genau dies versichere er ja immer wieder.
30.10.2015 13:49
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Alle Versuche, in schlichtenden Gesprächen zu einer einvernehmlichen Lösung zu kommen, seien in
der Vergangenheit gescheitert.
Graf Kanitz ließ im SZ-Gespräch durchblicken, dass der Bereich um Fischelbach „ein Art Hotspot“
sei: „In der Brunftzeit gibt es mehrere Leute, vorwiegend aus der hessischen Nachbarregion, die sich
extra Urlaub nehmen und dann mit ihren Kameras kreuz und quer im Wald unterwegs sind.“ Natürlich
gebe es, so der Geschäftsführer, ein allgemeines Betretungsrecht des Waldes. Er könne aber nur daran
appellieren, dass auch bestimmte Spielregeln eingehalten würden.
In dem Schreiben der Unteren Jagdbehörde wird der Fotograf aufgefordert, sich zur Sache zu äußern.
Denn es liege der Tatbestand des Verdachts auf Störung der Jagdausübung nach §55 Absatz 1 Nr. 1 des
Landesjagdgesetzes NRW sowie wegen unbefugter Störung von Wild nach §39 Absatz 1 Nr. 5 vor.
Erhoben wird auch der Vorwurf, dass der Fotograf den Eigenjagdbezirk bei Fischelbach schon seit
2014 „in hoher Frequenz“ zum Fotografieren von Wild aufsuche. In besagtem Falle habe er bewirkt,
dass das von den Jägern in Anblick genommene Wild durch seine Störung unerwartet aufgeschreckt
und abgesprungen sei. Jedenfalls macht die Behörde mit Schreiben vom 20. Oktober auch darauf
aufmerksam, dass diese Ordnungswidrigkeit mit einer Geldbuße von bis zu 5000 Euro geahndet
werden könnte.
Dass all die Einzelheiten im weltweiten Netz abgebildet sind, bringt Torsten Manges auf die Palme.
Mehr noch: Die Zeitung habe nicht nur das Schreiben der Sachbearbeiterin an den Fotografen
abgescannt und gedruckt, sondern dies samt Telefonnummern, ausgeschriebenenen Namen und
Kontaktdaten getan. „Es scheint hier um eine Fehde zwischen demjenigen, der angezeigt hat und dem
Angezeigten zu gehen. Und das Ganze wird auf dem Rücken einer Mitarbeiterin des Kreishauses
ausgetragen.“ Inzwischen hat Torsten Manges bei der Mitmach-Zeitung erreicht, dass diese den
Online-Artikel komplett von der Seite nimmt. Dagegen hat ein regionales Nachrichtenportal im
Nachgang lediglich die Namen und Daten unkenntlich gemacht. Der Zeitungsartikel selbst steht
weiterhin unkommentiert im Netz.
Ein paar „Kostproben“ des Bürgerreporters: Die Frau „scheint in der Behörde eine Allzweckwaffe zu
sein“, schreibt die Zeitung. Sie sei zuständig für Gesundheit, Verbraucherschutz, Jagd und Fischerei.
„Eine echte Koryphäe auf ihrem Gebiet. Nicht zu verwechseln mit Trophäe.“ Wer im wildreichen
Siegerland die Jägerprüfung ablegen wolle, „kommt nicht an dieser Lady vorbei.“ Das von ihr
verfasste Schreiben erfülle, was Form, Poesie, Orthografie, Stilistik, Dramatik und Interpunktion
anbetreffe, alle Voraussetzungen für den „Anti-Pulitzer-Preis“.
Die Sachbearbeiterin wird nun im Nachgang zu der Berichterstattung nach SZ-Informationen mit üblen
Beschimpfungen und bösen E-Mails konfrontiert. „Hier hat jemand seine Sorgfaltspflicht verletzt“,
klagt Torsten Manges. „Die Zeitung hat Persönlichkeitsrechte verletzt.“
30.10.2015 13:49