Drucksache 6/5305 - Landtag Mecklenburg Vorpommern

LANDTAG MECKLENBURG-VORPOMMERN
6. Wahlperiode
Drucksache 6/5305
06.04.2016
GESETZENTWURF
der Fraktionen der SPD und CDU
Entwurf eines Gesetzes zur Erleichterung des Zugangs zu digitalen Hochgeschwindigkeitsnetzen in Mecklenburg Vorpommern
A
Problem und Ziel
Mitte des Jahres 2014 trat die Richtlinie 2014/61/EU des Europäischen Parlaments und des
Rates über Maßnahmen zur Reduzierung der Kosten des Ausbaus von Hochgeschwindigkeitsnetzen für die elektronische Kommunikation (Kostensenkungsrichtlinie) in Kraft. Die
Vorgaben der Kostensenkungsrichtlinie waren nach deren Artikel 13 Satz 1 zum
1. Januar 2016 in nationales Recht umzusetzen.
Die Bundesregierung hat den Ländern dazu mit Schreiben vom 7. Dezember 2015 mitgeteilt,
für die Umsetzung der Kostensenkungsrichtlinie nur insoweit zuständig zu sein, als eine
Bundeskompetenz gegeben ist. Für die Umsetzung des
- Artikels 7 Absatz 3 (Fristenregelung für die Genehmigung von Bauarbeiten) sowie des
- Artikels 8 der Kostensenkungsrichtlinie (passive Netzinfrastrukturen in Gebäuden) fehle
eine (abschließende) Bundeskompetenz, sodass die Länder für die Umsetzung zuständig
sind, Artikel 30, 70 GG.
Artikel 7 Absatz 3 der Kostensenkungsrichtlinie sieht zur Beschleunigung des Netzausbaus
eine grundsätzliche Viermonatsfrist vor, innerhalb derer - dem Anwendungsbereich der
Richtlinie unterfallende - Genehmigungen zu erteilen bzw. begründet abzulehnen sind. In
begründeten Ausnahmefällen kann diese Genehmigungsfrist überschritten werden. Die
Länder setzen sich im Bundesratsverfahren dafür ein, dass der Bund Artikel 7 Absatz 3 der
Kostensenkungsrichtlinie in eigener Zuständigkeit umsetzt.
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Artikel 8 der Kostensenkungsrichtlinie betrifft die Ausstattungspflicht für bestimmte
Gebäudearten mit hochgeschwindigkeitsfähigen gebäudeinternen physischen Infrastrukturen.
Die geplante gesetzliche Regelung soll eine Verbesserung der Nutzung des Gebäudes
erreichen. Artikel 73 Absatz 1 Nummer 7 i. V. m. Artikel 87f GG (Telekommunikationsrecht)
dürfte keine Zuständigkeit des Bundes begründen, denn die ausschließliche Gesetzgebungsbefugnis des Bundes für die Telekommunikation betrifft lediglich die technische Seite der
Errichtung von Telekommunikationsinfrastruktur und die Informationsübermittlung als
solche. Hierunter dürften die Regelungen des Artikels 8 der Kostensenkungsrichtlinie nicht zu
fassen sein, denn diese Norm macht materiell-rechtliche Vorgaben über die Beschaffenheit
von (bestimmten) Bauwerken.
Das Bundeskabinett hat in seiner Sitzung vom 27. Januar 2016 den Entwurf eines Gesetzes
zur Erleichterung des Ausbaus digitaler Hochgeschwindigkeitsnetze (DigiNetzG) beschlossen
und damit das Gesetzgebungsverfahren zur Umsetzung der Kostensenkungsrichtlinie auf
Bundesebene eingeleitet. Der Gesetzentwurf liegt dem Bundesrat als BR-Drs. 71/16 vor. Auf
diesen Gesetzentwurf wird Bezug genommen
B
Lösung
Das Gesetz setzt Artikel 8 der Kostensenkungsrichtlinie um.
C
Alternativen
Keine. Die Nichtumsetzung verstieße nicht nur gegen die Pflicht, die Kostensenkungsrichtlinie umzusetzen. Die Nichtumsetzung birgt auch die Gefahr, den zeitnahen und kostensenkenden Zugang zu digitalen Hochgeschwindigkeitsnetzen in Mecklenburg-Vorpommern
zu erschweren.
D
Notwendigkeit
Die Notwendigkeit des Gesetzentwurfes wurde geprüft. Die Kostensenkungsrichtlinie war
zum 1. Januar 2016 in nationales Recht umzusetzen.
E
Finanzielle Auswirkungen auf die Haushalte des Landes und der Kommunen
1.
Haushaltsausgaben ohne Vollzugsaufwand
Durch das Gesetz werden keine Haushaltsausgaben begründet.
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2.
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Vollzugsaufwand
Durch das Gesetz wird ein Vollzugsaufwand insbesondere bei den Bauaufsichtsbehörden
begründet.
Der Vollzugsaufwand bei den Bauaufsichtsbehörden ist grundsätzlich konnexitätsrelevant.
Die Bauaufsichtsbehörden sind nach geltender Rechtslage verpflichtet, auf künftige Nutzungsmöglichkeiten der Anlagen durch Kommunikationsinfrastruktur (Breitband) hinzuwirken (§ 58 Absatz 1 Satz 3 LBauO M-V). Der Gesetzentwurf konkretisiert die hieran zu
stellenden Anforderungen. Soweit die Bauordnungsbehörden im Rahmen der Bauüberwachung gemäß § 81 Absatz 1 LBauO M-V Ordnungsverfügungen erlassen, können hierfür
Gebühren erhoben werden (§ 1 Satz 1 i. V. m. Anlage 1 Nr. 5.5 Baugebührenverordnung M-V).
Nach Auffassung der Landesregierung werden daher voraussichtlich keine - vom Land auszugleichenden - Mehraufwendungen bei den kommunalen Körperschaften entstehen. Gleichwohl wird das Land im Rahmen seiner Kostenbeobachtungspflicht zusammen mit den Kommunen zu prüfen haben, ob bei der Umsetzung des Gesetzes kommunale Mehraufwendungen
entstehen.
F Sonstige Kosten
Für die Wirtschaft entstehen durch den Einbau von Leerrohren zu Beginn des Bauvorhabens
Mehrkosten, die sich aber grundsätzlich im Laufe der Lebensdauer einer Immobilie amortisieren und Kostenvorteile bieten können. Der Zugang zu hochleistungsfähigen Kommunikationsnetzen ermöglicht schnelle Internetzugänge und neue gewerbliche Anwendungen
(z. B. Industrie 4.0), die zum Teil heute schon unabdingbar für eine erfolgreiche Teilnahme
am Wirtschaftsleben sind. Es wird davon ausgegangen, dass die in diesem Gesetz definierte
Ausstattung langfristig bei allen Endnutzern benötigt wird, um den Zugang zu hochleistungsfähigen Kommunikationsnetzen für alle Bürger sicherzustellen. Die Ausstattung von
Gebäuden aus Anlass ihrer Errichtung bzw. umfangreicher Renovierung ist kostensparender
als die nachträgliche Ausstattung dieser Gebäude.
G Bürokratiekosten
Bürokratiekosten entstehen infolge dieses Gesetzes dadurch, dass im Rahmen der Bauüberwachung die Ausrüstung nachzuweisen ist.
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ENTWURF
eines Gesetzes zur Erleichterung des Zugangs zu digitalen Hochgeschwindigkeitsnetzen in Mecklenburg Vorpommern *
Der Landtag hat das folgende Gesetz beschlossen:
§1
Ziel des Gesetzes
Für digitale Hochgeschwindigkeitsnetze wird eine Daseinsgrundversorgungsfunktion angestrebt. Der Zugang wird damit Voraussetzung zu gleichwertigen Lebensverhältnissen und zu
einer umfassenden Teilhabe an den Chancen der Digitalisierung. Ziel dieses Gesetzes ist es,
den Zugang zu digitalen Hochgeschwindigkeitsnetzen zu erleichtern.
§2
Begriffsbestimmungen
(1) Gebäude im Sinne dieses Gesetzes sind solche des § 2 Absatz 2 Satz 1 LBauO M-V.
(2) Es gelten die folgenden Begriffsbestimmungen:
a) „passive Netzinfrastrukturen“ sind Komponenten eines Netzes, die andere Netzkomponenten aufnehmen sollen, selbst jedoch nicht zu aktiven Netzkomponenten werden;
hierzu zählen zum Beispiel Fernleitungen, Leer- und Leitungsrohre, Kabelkanäle, Kontrollkammern, Einstiegsschächte, Verteilerkästen, Gebäude und Gebäudeeingänge,
Antennenanlagen und Trägerstrukturen wie Türme, Masten und Pfähle; Kabel, einschließlich unbeschalteter Glasfaserkabel, sind keine passiven Netzinfrastrukturen;
b) „digitales Hochgeschwindigkeitsnetz“ ist ein Telekommunikationsnetz, das die
Möglichkeit bietet, Datendienste mit Geschwindigkeiten von mindestens 50 Megabit
pro Sekunde bereitzustellen;
c) „umfangreiche Renovierungen“ sind Tief- oder Hochbauarbeiten am Standort des Endnutzers, die strukturelle Veränderungen an den gesamten gebäudeinternen physischen
Infrastrukturen oder einem wesentlichen Teil davon umfassen und eine Baugenehmigung erfordern;
*
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Dieses Gesetz dient der Umsetzung der Richtlinie 2014/61/EU des Europäischen Parlaments und des Rates
vom 15. Mai 2014 über Maßnahmen zur Reduzierung der Kosten des Ausbaus von Hochgeschwindigkeitsnetzen für die elektronische Kommunikation.
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d) „Zugangspunkt“ ist ein physischer Punkt innerhalb oder außerhalb des Gebäudes, der
für Unternehmen, die öffentliche Kommunikationsnetze bereitstellen oder für deren
Bereitstellung zugelassen sind, zugänglich ist und den Anschluss an die hochgeschwindigkeitsfähigen gebäudeinternen physischen Infrastrukturen ermöglicht;
e) „Netzabschlusspunkt“ ist der physische Punkt, an dem einem Teilnehmer der Zugang zu
einem Telekommunikationsnetz bereitgestellt wird; in Netzen, in denen eine Vermittlung oder Leitwegebestimmung erfolgt, wird der Netzabschlusspunkt anhand einer
bestimmten Netzadresse bezeichnet, die mit der Nummer oder dem Namen eines Teilnehmers verknüpft sein kann.
§3
Ausstattungspflicht für passive Netzinfrastrukturen
(1) Gebäude am Standort des Endnutzers, für deren Errichtung oder Änderung nach dem
31. Dezember 2016 eine Baugenehmigung beantragt wird, sind im Zuge dieser Errichtung
oder Änderung gebäudeintern bis zu den Netzabschlusspunkten mit hochgeschwindigkeitsfähigen passiven Netzinfrastrukturen auszustatten. Dies gilt für Änderungen nur, soweit es
sich um umfangreiche Renovierungen handelt.
(2) Einfamilienhäuser, denkmalgeschützte Gebäude, Ferienhäuser, Militärgebäude und
Gebäude, die für Zwecke der nationalen Sicherheit genutzt werden, fallen nicht unter
Absatz 1. Absatz 1 findet ferner keine Anwendung, wenn das Gebäude bereits mit einem
digitalen Hochgeschwindigkeitsnetz ausgestattet ist.
(3) Mehrfamilienhäuser, für deren Errichtung oder Änderung nach dem 31. Dezember 2016
eine Baugenehmigung beantragt wird, sind im Zuge dieser Errichtung oder Änderung mit
einem Zugangspunkt zu den gebäudeinternen digitalen Hochgeschwindigkeitsnetzen oder
passiven Netzinfrastrukturen auszustatten. Dies gilt für Änderungen nur, soweit es sich um
umfangreiche Renovierungen handelt. Absatz 2 Satz 1 gilt entsprechend.
§4
Behörden
(1) Zuständig für den Vollzug dieses Gesetzes ist vorbehaltlich der Regelung des Absatzes 2
das Ministerium für Energie, Infrastruktur und Landesentwicklung.
(2) Die Bauaufsichtsbehörden nach § 57 Absatz 1 Ziffer 1 LBauO M-V haben darüber zu
wachen, dass die nach § 3 festgesetzten Anforderungen erfüllt werden. Soweit von der Verordnungsermächtigung nach § 5 Gebrauch gemacht wurde, haben diese Bauaufsichtsbehörden
auch darüber zu wachen, dass die in der Rechtsverordnung festgesetzten Ausnahmen beachtet
werden.
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§5
Verordnungsermächtigung
Das Ministerium für Energie, Infrastruktur und Landesentwicklung wird ermächtigt, durch
Rechtsverordnung im Benehmen mit dem Ministerium für Wirtschaft, Bau und Tourismus
Ausnahmen von § 3 festzusetzen, falls die Ausstattung unverhältnismäßig ist. Die Unverhältnismäßigkeit kann dabei auf den voraussichtlichen Kosten oder der Beschaffenheit des
Gebäudes beruhen.
§6
Inkrafttreten
Dieses Gesetz tritt am Tage nach der Verkündung in Kraft.
Dr. Norbert Nieszery und Fraktion
Vincent Kokert und Fraktion
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Begründung:
A. Allgemeiner Teil
Das Gesetz setzt die der Landesgesetzgebungskompetenz unterfallenden Teile der Kostensenkungsrichtlinie durch Einführung eines Gesetzes zur Erleichterung des Zuganges zu digitalen Hochgeschwindigkeitsnetzen in Landesrecht um. Das Gesetz verpflichtet, bestimmte
Gebäude mit passiven Netzinfrastrukturen (Leerrohren) auszustatten. Damit werden die
Voraussetzungen für einen künftigen kostengünstigen und effizienten Ausbau des Breitbandes
in Mecklenburg-Vorpommern geschaffen. Das Gesetz setzt geltendes EU-Recht eins zu eins
um.
B. Besonderer Teil
Zu § 1
§ 1 beschreibt das Gesetzesziel, aus Kostengründen und aus Daseinssicherungsgründen, den
Ausbau digitaler Hochgeschwindigkeitsnetze in Mecklenburg-Vorpommern zu erleichtern.
Digitale Hochgeschwindigkeitsnetze sind - noch - nicht Bestandteil der Daseinsvorsorge.
Dazu ist ihre Verbreitung insbesondere in ländlichen Regionen zu gering. EU, Bund, Länder
und Kommunen unternehmen jedoch erhebliche Anstrengungen im Breitbandausbau. Der
spätere Zugang wird damit Voraussetzung zu gleichwertigen Lebensverhältnissen und zu
einer umfassenden Teilhabe an den Chancen der Digitalisierung. Ziel des Gesetzes ist es
daher, in Übereinstimmung mit dem EU-Recht, den Zugang zu digitalen Hochgeschwindigkeitsnetzen effektiv und kostengünstig vorzubereiten.
Zu § 2
Absatz 1 verweist zur Definition des Begriffes Gebäude auf die einschlägige landesrechtliche
Regelung in der Landesbauordnung Mecklenburg-Vorpommern. Absatz 2 übernimmt - der
Verständlichkeit des Gesetzes halber - die technischen Definitionen der Kostensenkungsrichtlinie und des Telekommunikationsgesetzes.
Zu § 3
Die Vorschrift setzt Artikel 8 Absätze 1 bis 3 der Kostensenkungsrichtlinie um. Die Umsetzung erfolgt materiell eins zu eins.
Absatz 1 statuiert eine Ausstattungspflicht für Gebäude mit Leerrohren, wenn die Errichtung
oder Änderung des Gebäudes nach dem 31.12.2016 beantragt wird. Das Datum ist der
Kostensenkungsrichtlinie entnommen. Für die Begriffe des Errichtens und des Änderns gelten
die Regelungen der Landesbauordnung Mecklenburg-Vorpommern unmittelbar. Die
„umfangreiche Renovierung“ ist in § 2 Absatz 2 Ziffer 3 durch Übernahme der EU-Regelung
definiert. Soweit bereits Leerrohre vorhanden sind, greift Absatz 2 Satz 2.
Das Gesetz knüpft wie die Kostensenkungsrichtlinie an die Beantragung einer Baugenehmigung an (1:1-Umsetzung).
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Absatz 2 nimmt bestimmte bauliche Anlagen aus der Pflicht des Absatz 1 aus. Für die Folgen
steht der Eigentümer, notfalls über eine entsprechende Minderung des Verkehrswertes des
Gebäudes, ein.
Mehrfamilienhäuser sind in Absatz 3 ein weiterer Kernpunkt der Regelung. Diese sind entweder gebäudeintern mit digitalen Hochgeschwindigkeitsnetzen auszustatten oder mit
passiven Netzinfrastrukturen.
Zu § 4
Absatz 1 bestimmt das für digitale Infrastruktur zuständige Ministerium als die für den Vollzug dieses Gesetzes zuständige oberste Landesbehörde. Dies ist aktuell das Ministerium für
Energie, Infrastruktur und Landesentwicklung. Zuständigkeiten anderer Ressorts im Bereich
der Kommunikation werden durch diese Bestimmung jedoch nicht berührt.
Absatz 2 bestimmt die unteren Bauaufsichtsbehörden als zuständige Behörden für die Überwachung der Ausrüstungspflicht. Dies ist sachgerecht.
Zu § 5
Artikel 8 Absatz 4 der Kostensenkungsrichtlinie lässt es zu, dass Ausnahmen von der Ausrüstungspflicht von Gebäuden mit passiven Netzinfrastrukturen zugelassen werden können.
Dies setzt § 5 dadurch um, dass das Ministerium für Energie, Infrastruktur und Landesentwicklung durch Rechtsverordnung Ausnahmen zulassen kann.
Zu § 6
Die Vorschrift regelt das Inkrafttreten.
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