Gerald Hüther, Ingeborg Weser: Das Geheimnis der ersten neun

Gerald Hüther, Ingeborg Weser: Das Geheimnis der ersten neun Monate. Reise ins Leben
Beltz Verlag 2015. 248 Seiten
ISBN-13: 978-3407857590. 18,95€
Kindle ebook-Ausgabe: ASIN: B012HP9L8W. 17,99€.
Eine Schwangerschaft wird von vielen Paaren inzwischen als Zeit des Entscheidungszwangs
erlebt, in der sie mit großer Unsicherheit und Selbstzweifeln zu kämpfen haben. Der
prominente Neurobiologe Gerald Hüther beschreibt Schwangerschaft als sorgfältig geplantes
Projekt, bei dem Zufälle und schicksalhafte Ereignisse möglichst ausgeschlossen werden
sollen. Durch fehlende Vorbilder und den Wertewandel sei die Unsicherheit werdender
Eltern größer als je zuvor. Hüther nennt als Einfluss auf die Ängste Schwangerer ausdrücklich
die Pränataldiagnostik. Der in seiner Sprache anspruchsvolle Fachtext vermittelt sehr
eingängig, welchen Sinn Ängste und Zweifel für unsere Entwicklung haben und welche
Chancen sich daraus für die Veränderung in Beziehungen bieten können (hier besonders
auch die Beziehung zur eigenen Mutter).
Hüthers Fachtext verdeutlicht, dass ein Kind kein Produkt und kein Objekt der Erwartungen
seiner Eltern sein darf. Aus der Sicht des Hirnforschers lenkt der Autor den Blick auf die
Bedeutung der Entwicklungsbedingungen eines Ungeborenen für dessen Hirnentwicklung.
Hüther richtet fünf entscheidende Forderungen an seine Leser: ein Kind seinen eigenen Weg
finden lassen, Selbstkritik lernen, sich auf die kindliche Welt einlassen, das kompetente Kind
entdecken und die Bedeutung von Bindung erkennen. Themen sind u. a. warum der
menschliche Embryo sich im Gegensatz zum Tierembryo so langsam entwickelt und wie ein
menschliches Gehirn lernt und sich anpasst. Die Verbindung wird hier klar zwischen
überforderter Schwangerer mit wenig Rückhalt zum später haltsuchenden Kind (S. 140).
Inhaltlich sind Hüthers Informationen nicht neu; es gelingt dem Autor jedoch in
sympathischer Art, seine Leser aus ihrer als stressig empfundenen Situation einen Schritt
zurücktreten zu lassen und sich auf das Wesentliche zu konzentrieren.
Im zweiten Teil kommen mit einem Gynäkologen, Hebammen und dem Psychiater und
Bindungsforscher Karl Heinz Brisch weitere Experten zu Wort. Hüthers Buch endet mit einem
ermutigenden Epilog, der den Machbarkeitswahn infrage stellt und zum Einschlagen neuer
Wege ermuntert.