Prof. Dr. med. Eia Asen - SFBB Berlin

MFT wirksam für Kinderschutz?! –
Theorie und Praxis
Eia Asen, Anna Freud Centre,
University College London
Psychiater und Systemischer Therapeut
etwas zur
Multifamilienarbeit (MFA / MFT)
•  gleichzeitige Behandlung von 6 – 8 (10)
Familien in Gruppen
•  ambulant, tagesklinisch, ‘stationär’
•  in verschiedenen ‘Dosierungen’:
stundenweise – täglich, wöchentlich oder
weniger frequent, über Monate / Jahr
•  in offenen, ‘halb-offenen’ oder
geschlossenen Gruppen
•  ein Begleit- und manchmal auch ein
Hauptverfahren
MultiFamilienArbeit / Therapie (MFA /MFT)
Wofür?
Schizophrenie und andere Psychosen
Depressive Erkrankungen
Anorexia nervosa (Jugendalter)
Alkoholabhängigkeit und -missbrauch
Chronische somatische Erkrankungen
Multi-Problem & Multi-Helferfamilien
Verhaltensstörungen bei Kindern und
Jugendlichen
Zwänge
Hochstrittige Familien
Schulprobleme und Lernstörungen
Der gemeinsame „Nenner“
Merkmale von Multiproblemfamilien
(‘Multihelferfamilien’)
Mehr als ein Familienmitglied hat Probleme
(psychologisch, medizinisch, erzieherisch)
Familien ‘chaotisch’
(Gewalt, Missbrauch, Drogenabhängigkeit, multiple Partner)
Soziale Benachteiligung
(Armut, Isolation, Arbeitslosigkeit, Diskriminierung)
Ablehnung traditioneller Therapieangebote
(“unmotiviert”, “unfreiwillig”)
Multiples Helfersyndrom
(Multi-Institutionsfamilien)
‘Chronische’ Beziehungen zwischen
Helfern und ‘Hilflosen’
EPISTEMIC
TRUST
Beziehungen und Ver-Bindungen in der Gruppe erleben
Helfersystem
Nachbarschaft
Schule
Freunde
Familie
Kind
Multi-Kontextuelle Arbeit
Familie
Elter / Kind
Freunde,
‘Kultur’
Ind
self
Elternpaar
Helfer / Institutionen
Medien, Politik
Systemischer Ansatz
Der Systemische Ansatz...
•  Fokussiert nicht (nur) auf den Problemträger, sondern
auf ein ganzes System
•  Sieht Kind / Mutter / Vater / Lehrer nur in soweit als
Individuum, wie er / sie als Element auf das System
wirkt und dessen Wirkungsfeld ausgesetzt ist
•  Betrachtet die ‚Störung‘ des Problemträgers als
Ausdruck der gestörten Abläufe des Makro-systems
z.B. Schulprobleme eines Schülers kann
man auch als Inter-System Probleme sehen
Deshalb…. Multi-Systemische Kooperation
Multi-Systemische Kooperation
Multifamilienarbeit sollte sein...
Konkret und Lebensnahe
Beobachten, Bearbeiten und Verändern von scheinbar
banalen familiären Alltagssituationen
Ressourcenzentriert
Eltern und Kinder entdecken ihre eigenen Stärken und
Kompetenzen
Therapeuten begeben sich auf den Rücksitz
Multi-Perspektivisch und Wider-Spiegelnd
Die Schwierigkeit, eigene Erfahrungen mit dem eigenen
Kind für sich selbst zu nützen, löst sich auf bei der
Sicht auf ähnliche Probleme bei anderen
Schaffung von lebensnahen Situationen
Das Beobachten, Bearbeiten und Verändern
von scheinbar banalen familiären
Alltagssituationen mit konkreten
Interventionen über die Gruppe
die Stimme des Kindes verstärken
das Kind als ebenbürtiger Partner und
‘Experte’
Presse-Konferenz –
die Kinder als Experten
Die MultiFamilienArbeiter Haltung…
Wohlwollende
Neugier
Selbstreflektivität
Sokratische Haltung
Wie fühlt es sich wohl
an Du zu sein,
Herrchen? Warum bist
Du so erregt?
Ich weiss’ dass ich
nicht WEISS was
Du fühlst, Frauchen,
aber vielleicht…
Wie kommt es, dass
ich immer
Schwierigkeiten mit
Kanninchen habe?
Du bist so sauer und
laut, Herrchen vielleicht lässt Dich
das vergessen wie
sehr Du mich
eigentlich lieb’ hast
Wechselwirksamkeit
Hat das mit den
Kanninchen vielleicht
was mit meiner
Kindheit zu tun?
Autobiographische
Kontinuität
20
Spezifische Anwendungsbereiche der
Multifamilienarbeit
1.  Therapeutische Einschätzung der
Elternfähigkeit (Gutachten)
2.  Familienklassenzimmer /
Familienschule
3.  Hochstrittige Eltern – ‘Kinder im
Kreuzfeuer’
‘Therapeutische Gutachten’
Einschätzung der Veränderungfähigkeit der
Eltern / Kinder / Familie
Bauen von typisch ‘realistischen’ Kontexten
Bewusstes Aufsuchen von potenziell
problematischen Krisenprovokation
Interventionen, die den Familien helfen sich
zu ändern
Multi-Familienarbeit
ist nicht nur eine Form der Systemischen Arbeit
sondern vor allem auch ein Setting für Wandel, das
Folgendes erlaubt:
•  Detaillierte Beobachtung von konkreten
‘Alltagsproblematiken’ in ‘realen’ Settings mit ‘in
situ’ Interventionen
•  Unentwegte Schaffung von multiplen Minikontexten mit immer wieder neuer
Aufgabenstellung
•  Inter-Familienarbeit, experimentieren mit neuen
Interaktionen und ‘Treibhauseffekt’
•  Intra-Familienarbeit mit ad hoc Einzel-, Paar–
und Familien-‘Stehungen’ (- Sitzungen,
‘Laufungen’, und ‘Kniehungen’)
Wer hat hier
nun Probleme –
Schule, Schüler
oder Familie?
Familienklassenzimmer und
Familienschule
•  Ziel ist die Inklusion des Schülers in eine
Regelschulklasse
•  Eltern werden verpflichtend eingebunden
und sind mitverantwortlich für ihre Kinder
in der Schule
•  Verbesserung der Kooperation („Bündnis“)
von Lehrern, Eltern und weiteren HelferSystemen
Typische Themenbereiche im
Familienklassenzimmer
- Konzentration
- Motivation
- Selbststeuerung
–  Verhalten im Klassenzimmer
- Verhalten auf dem Schulhof
(Kameradschaftlichkeit, Mobbing etc)
- Arbeitshaltung und Arbeitsstrategien
Familie + Klassenzimmer=
Familienklassenzimmer
–  10 Schüler (Kindergarten, Unterstufe, Mittelstufe:
5 – 15 Jahre)
–  in Regelschulen (und manchmal in Förderschulen)
–  Elterliche Präsenz
–  1 x pro Woche, 2 – 4 Stunden
–  3, 6 oder 9 Monate
–  Lernen und Familiengruppenarbeit
–  Verhaltensziele und Konsequenzen
–  Hilfe von ‘gestandenen’ Elternpartnern und
Schüler-‘Kumpeln’
Familie + Schule =
Familienschule
– 
– 
– 
– 
– 
– 
– 
(10 – 50) Schüler (5 – 15 Jahre)
Elterliche Präsenz
4 – 5 x pro Woche, meistens 9 Monate
Paralleler Besuch einer Regelschule (nachmittags)
Lernen und Familiengruppenarbeit
Verhaltensziele und Konsequenzen
3 systemisch ausgebildete Lehrer in
Doppelfunktion(en)
–  Hilfe von ‘gestandenen’ Elternpartnern und
Schüler-‘Kumpeln’
Familienschule + Familienklassenzimmer
Familien-Klassenzimmer
(in Regelschulen)
Weniger komplex
Mehr komplex
Familien-Schule
(Förderschule)
Die Eltern haben Verantwortung für ihre Kinder
Verantwortungsübergabe
sichtbar machen
Ablauf
Familien kommen an - informeller Austausch
über vergangene Woche
Ablauf
•  Informeller Austausch über vergangene
Woche
•  Anfangsrunde: Befindlichkeit,
Eisbrecherspiel, Themen
•  Ziele vorlesen und beklatschen
•  Unterricht (Eltern beobachten ihr Kind mit
Beobachtungsbogen)
- Arbeit an Hausaufgaben
-  Gruppenaktiviäten und –spiele
Tagesplan einer Familienschule
Verhaltensziele in der Schule und zu
Hause
•  Spezifische, beobachtbare und ‘machbare’
Ziele
•  Zuerst in Schule, später auch zu Hause,
einschl. Ziele für Eltern / Familie
•  Tägliche Benotung wie Ziele erreicht
worden sind
•  Konsequenzenpläne
Verhaltenziele der Schülers
• 
• 
• 
• 
• 
• 
Ich halte Ordnung mit meinem Schulmaterial
Wenn es klingelt, setze ich mich an den Platz
Ich nehme einen Auftrag an
Ich melde mich im Unterricht
Ich rufe im Unterricht nicht dazwischen
Ich teile der Lehrerin mit, wenn ich eine Auszeit
brauche
•  Ich rede ruhig mit meinem Vater, auch wenn ich
anderer Meinung bin
Beurteilung Zielerreichung
Volksschule Kriens (n. Luzern)
Unterrichtsbeobachtung meines Kindes:___________________ Datum:__________
Fach:
Ziel 1:
_______________________________________________________________________
_
Einschätzung:
1
2
3
4
5
6
Was hat ihr Kind gut gemacht?
_______________________________________________________________________
_
Was sollte ihr Kind noch anders machen?
_______________________________________________________________________
_
Wer oder was könnte dabei helfen um das Ziel zu erreichen?
_______________________________________________________________________
_
Wie wird an den Zielen gearbeitet?
•  Bindungs- und Beziehungsfördernde Arbeit
-  (Rollen)Spiele, Familienskulpturen (Ton- und ‚live‘), gemeinsame
Aktivitäten wie backen, malen, Ausflüge
•  Ressourcenstärkende Aktivitäten
- Familienwappen / Familienfluss / die Kinder als ‚Eltern‘
•  Kommunikationstärkende Arbeit
- Mentalisieren üben (sich in andere hineinversetzen und sich der eigenen
Gefühle und Bedürfnisse gewahr werden) – wie wird man selbst von anderen
gehört, verstanden und erlebt?
- Elterliche Verantwortungsarbeit
- Hausaufgaben, ‚10 Familiengebote‘
- Unterrichtsbeobachtung und Reflexion
Resultate
(FH Bern)
•  Eltern sind sehr begeistert:
- fühlen sich verstanden
- haben Austauschmöglichkeiten
- entwickeln neue Erziehungskompetenzen
•  Wertschätzende Atmosphäre wird geschaffen
•  Wirkungen auf Beziehungsebene ersichtlich
•  FKZ fördert die Zusammenarbeit zwischen Eltern und
Schule
•  Herausforderungen: Einbezug von fremdsprachigen
Eltern – problematische Interaktion zwischen den
Schüler/innen
The London Family School
48 (28) Schüler und deren Familien
4 x 12 Multifamiliengruppen
Verweildauer 6-9 Monate
Alter 5 – 14 Jahre
Hochstrittige Eltern –
Kinder im Kreuzfeuer
Wie (er)geht es den Kindern dabei?
• 
• 
• 
• 
• 
Angstzustände
Schlaf- und Konzentrationsstörungen
Depressivität
Hyperaktivität
Aggressivität und andere Formen von
Verhaltensstörungen
Häusliche Gewalt in Partnerschaften
•  Körperliche Gewalt und Übergriffe
•  Sexuelle Gewalt
•  Psychische Gewalt (Drohungen,
Demütigung, emotionale Manipulation,
Nötigung, Bespitzelung)
•  Sozial interaktive Gewalt (Finanzielle
Kontrolle / Unterdrückung, Verbot von
sozialen Kontakten)
Betroffene Kinder sind diesen Formen Häuslicher Gewalt zwischen ihren Eltern ausgesetzt – o< über Jahre
Hochstrittige Eltern
•  Jeder Elternteil hat seine eigene
‘Wahrheit’
•  Beide Eltern leiden an ‘Tunnelvision’
•  Kind ‘muss’ Partei nehmen
•  Ein Elternteil wird vom Kind dämonisiert,
der andere idealisiert
•  Kinder lernen, ihre wahren Gefühle und
Gedanken zu verbergen
Das Londoner Modell der Arbeit mit
Hochstrittigen Eltern und deren Kinder
1. Individuelle parallele Sitzungen mit Vater und
Mutter
2. Elterliche Paarsitzungen (manchmal)
3. Vorbereitung des ‘entfremdeten’ Elternteils für
Kontaktaufnahme
4. Vorbereitung des Kindes (und des anderen
Elternteils) für Kontaktaufnahme
5. Erste Kontakte
6. Familienarbeit
7. Multi-Familien Gruppenarbeit
Caring
for young
minds
'Kids First' Workshops
Therapeutic groups helping children and families going
through parental separation or divorce
Multi-Familien Gruppenarbeit
(inspiriert auch von van Lawick / Groen)
Informations-Abend (‘Kick-Off’)
Sitzung 1 (Woche 1) Eingefleischte Muster
Sitzung 2 (Woche 2) Schreiende Eltern
Sitzung 3 (Woche 4) Schreiende Kinder
Sitzung 4 (Woche 6) Eskalieren und De-eskalieren
Sitzung 5 (Woche 8) Kinder- und Elternarbeit
Sitzung 6 (Woche 12) Rückfall-Prävention und
Versöhnungsarbeit
Fazit: Die Aufgaben, die den Kindern in
Multiproblemfamilien zugewiesen werden,
sind oft viel zu schwer….
51
wir müssen Kinder ent-lasten und MFT kann viel
erreichen und wirksam sein!
52
Kinderschutz sollte immer
heissen:
KIDS FIRST!
Therapeutic groups helping children and families going
through parental separation or divorce
KIk