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Elterninfoabend „Pubertät- Wie umarme ich einen Kaktus?“
Ergänzung zum Elterninfoabend: Pubertät - Wie umarme ich einen Kaktus?
Wann soll ich mich durchsetzen und wie?
1.Körbemodell
Das Körbemodell ermöglicht Ihnen eine Sortierung und Priorisierung günstiger und
ungünstiger Verhaltensweisen von Ihrem Jugendlichen.
Akzeptanzkorb: In diesen kommen Verhaltensweisen, die man als pubertätsbedingt
identifiziert und zu denen man eine akzeptierende Haltung einnimmt.
Kompromisskorb: In diesen kommen Verhaltensweisen, bei denen es zwischen den Eltern
oder zwischen den Eltern und dem Jugendlichen noch keine optimale Lösung gibt und man
sich auf einen vorübergehenden Kompromiss geeinigt hat.
Limitkorb: In diesen kommen die Verhaltensweisen, die nicht mehr länger hinnehmbar sind
und einer schnellen Umsteuerung bedürfen.
Soll so bleiben Korb: In diesen kommen Verhaltensweisen, die man an dem Jugendlichen
schätzt. Es ermöglicht den Eltern, den Blick für die positiven Verhaltensweisen nicht zu
verlieren und diese dem Jugendlichen regelmäßig zurück zu melden.
2.Eltern vereinbaren sich
Auf der Elternebene sollten Sie eine klare Haltung haben, was Sie von Ihrem Jugendlichen zu
dem bestimmten Thema erwarten und bei Nichteinhaltung machen werden.
Ein Beispiel:
Ihr Jugendlicher ärgert und schikaniert die jüngere Schwester, die sehr darunter leidet.
Eine elterliche Ansage könnte lauten:
In unserer Familie geht man freundlich, achtsam und wertschätzend miteinander um. Wir sind
die Regelhüter und unsere Aufgabe ist es auf die Einhaltung zu achten. Deine Schwester fühlt
sich durch deine Worte verletzt. Wir möchten, dass du das sofort unterlässt und mit ihr gut
und freundlich umgehst. Wir erwarten von dir, dass du dir für deine Schwester eine
Wiedergutmachung überlegst, z.B. ihr Fahrrad putzt, sie zum Eis einlädst oder etwas anderes.
Du hast bis heute Abend Zeit, deiner Schwester und uns mitzuteilen, für welche Art der
Wiedergutmachung du dich entschieden hast.
Diese Ansage hat eine Klarheit durch die Botschaft, welches Verhalten erwünscht,
unerwünscht und zu unterlassen ist. Sie ist wirkungsvoller als endlose elterliche Reden, auf
die Jugendliche eher mit Widerstand reagieren.
Im zweiten Teil der Ansage soll der Jugendliche den Eltern und der Schwester ein Angebot
über die Art der Wiedergutmachung vorstellen. Dadurch wird er angehalten, für sein
Verhalten Verantwortung zu übernehmen, ebenso kann er sich mit der selbst
vorgeschlagenen Variante der Wiedergutmachung eher identifizieren. Er hat nicht das Gefühl
der Fremdbestimmtheit, das Bedürfnis in den Widerstand zu gehen bleibt gering.
Endlose elterliche Reden, Diskussionen, Drohungen und Überzeugungsversuche führen
zwischen Eltern und Jugendlichen eher in die Eskalation. Diese Kommunikationsformen
stehen im Widerspruch zu der Entwicklungsaufgabe und dem Bedürfnis des Jugendlichen
eigene Werte und Ziele für sich zu finden und zu formulieren. Klare Ansagen und / oder
Verhandlungsgespräche erhöhen die Kooperationsbereitschaft und reduzieren das
Aufkommen von Widerstand und Eskalation.
3.“Sit in“: eignet sich um eine Klärung herbeizuführen
Beim Sit in gehen die Eltern in das Zimmer des Jugendlichen. Sie strahlen aus, dass sie bereit
sind, den Raum erst zu verlassen, wenn es gelungen ist, sich mit dem Jugendlichen zu
vereinbaren, auch wenn dies viel Zeit in Anspruch nimmt. Dabei ist wichtig, dass Sie mit dem
Jugendlichen ruhig ins Gespräch gehen (keine langen Reden oder Diskussionen). Sie tragen Ihr
Anliegen vor, z.B.: Du stehst in Physik und Chemie auf 5, deine Versetzung ist gefährdet. Wir
werden mit dir jetzt einen Plan entwickeln, welche Möglichkeiten es gibt, daran etwas zu
ändern. Was denkst du, wie kann es dir gelingen deine Noten zu verbessern? (An dieser Stelle
braucht der Jugendliche manchmal etwas Zeit, bis er sich einlassen kann und bereit ist, Ideen
zu entwickeln. Geben Sie ihm diese Zeit und bleiben Sie im Zimmer des Jugendlichen präsent).
Der Jugendliche soll dazu Vorschläge machen, die für den Plan konkretisiert werden.
Ihre elterliche Stärke beim Sit ist Ihre Bereitschaft, in dem Zimmer des Jugendlichen zu
verbleiben und mit dem Jugendlichen ruhig zu verhandeln, bis es eine einvernehmliche
Lösung gibt. Auch wenn das 1. Und 2. Sit in länger dauert, wird Ihr Kind lernen, wenn es eher
mit Ihnen kooperiert, verlassen Sie schneller das Zimmer. Ebenso wenn es sich nicht an
Vereinbarungen hält, wird ein Sit in wiederholt.
4.Bedenkzeit für elterliche Beratung
Jugendliche tragen manchmal einen Wunsch an die Eltern heran und fordern eine schnelle
Entscheidung. Sollten Sie sich dadurch überrumpelt und unter Druck gesetzt fühlen, nehmen
Sie sich genug Bedenkzeit, besprechen Sie sich mit Ihrem Partner und teilen Sie Ihrem Kind
mit, wann es von Ihnen zu seiner Anfrage eine Antwort erhält. So verhindern Sie das Treffen
voreiliger Entscheidungen, die man später evtl. bereut.
5.Unterstützer einbeziehen
Mit Problemen alleine zu bleiben erhöht das Belastungsempfinden. Sich bei Freunden,
Bekannten … mitzuteilen kann erleichtern.
Manchmal ist es auch sinnvoll, dem Jugendlichen mitzuteilen, dass man sich zu diesem oder
jenem Thema bei der Mutter vom Freund Max informiert.
Wenn schwerwiegende Gespräche mit dem Jugendlichen anstehen, in dem von ihm
ausgehend, aggressive Ausbrüche nicht auszuschließen sind, hilft es, einen Unterstützer
(Onkel, Nachbar, Freud…) einzuladen, der während des Gesprächs im Nebenraum wartet. Der
Jugendliche wird darüber informiert, dass der Onkel im Nebenraum sitzt und bei Bedarf dazu
kommen würde, um das Gespräch zu unterstützen. Die Hinzuziehung eines Unterstützers
kann bewirken, dass sich der Jugendliche emotional besser regulieren kann und kooperativer
zeigt.
6.Dienstleistungsstreik
Einstellen von Komfortleistungen z.B. Bring- oder Abholdienste mit dem Auto, besonderes
Abendbrot …, als mögliche Reaktion, wenn Ihr Kind jegliche Kooperation mit Ihnen
verweigert.
Und wie umarme ich nun einen Kaktus?
Um einen Kaktus zu umarmen braucht es:
- Bedingungslose elterliche Liebe
- Klare, feste Regeln
- Beteiligung an Verhandlungsgesprächen
- Ein Recht auf eine eigene Meinung
- Eine achtsame, einfühlsame und ruhige Art der Gesprächsführung
Ich hoffe, dass bei meiner Zusammenstellung über die Anregungen für den Umgang mit
Jugendlichen etwas Interessantes für Sie dabei ist, was Sie ausprobieren möchten. Ich
wünsche Ihnen und Ihrem Kind einen guten Weg durch die Pubertät.
Herzliche Grüße, Wiebke Meyer