1.Kor. 9,24-27 (Septuagesimae) - Evangelische Kirche Rentweinsdorf

Predigt am Sonntag Septuagesimae, 24.01.2016, in Rentweinsdorf
Thema: Überwinde doch den inneren Schweinehund
Text: 1. Kor. 9,24-27
Liebe Gemeinde!
In knapp vier Monaten beginnt die Fußball-Europameisterschaft in Frankreich. Und die große Frage für
die Spieler ist: „Wer wird dabei sein? Wer wird vom Bundestrainer nominiert?“ Für jeden Spieler ist es
ein Traum, dabei zu sein!
Es gibt natürlich auch noch andere Sportarten. Leichtathletik zum Beispiel. Da findet dieses Jahr auch
die Europameisterschaft statt in Amsterdam. Und auch da ist die Frage: „Wer kann sich qualifizieren?
Wer schafft die Norm? Wen nimmt der Verband mit?“
Auch in der Bibel wird auf den Sport Bezug genommen – und zwar als Vorbild für die christliche Existenz. Der Apostel Paulus hat das so erkannt. Im ersten Korintherbrief, Kapitel 9,24-27 schreibt er:
Ihr kennt das doch: Von allen Läufern, die im Stadion zum Wettlauf starten, gewinnt nur einer den Siegeskranz. Lauft
so, dass ihr ihn gewinnt! 25 Wer in einem Wettkampf siegen will, setzt dafür alles ein. Ein Athlet verzichtet auf vieles,
um zu gewinnen. Und wie schnell ist sein Siegeskranz verwelkt! Wir dagegen kämpfen um einen unvergänglichen
Preis. 26 Ich weiß genau, wofür ich kämpfe. Ich laufe nicht irgendeinem ungewissen Ziel entgegen. Wenn ich kämpfe,
geht mein Schlag nicht ins Leere. 27 Ich gebe alles für diesen Sieg und hole das Letzte aus meinem Körper heraus. Er
muss sich meinem Willen fügen. Denn ich will nicht andere zum Kampf des Glaubens auffordern und selbst untauglich
sein.
Interessant, oder? Paulus nimmt die Leistungssportler als Vorbilder für die Christen. Wer hätte das
gedacht? Viele Leute denken ja, dass man sich um seinen Glauben nicht bemühen muss. Am Ende wird
einem doch alles geschenkt. Schon Luther hat sie doch herausgestellt – die ganz besondere Gnade Gottes. Am Ende kommen doch „…alle, alle, alle in den Himmel...“. Wie oft wird dieses Lied jetzt in der
Faschingszeit wohl wieder mit Inbrunst geschmettert werden. Paulus muss uns da aber gewaltig enttäuschen. Gnade – ja, das stimmt schon. Gott ist durch und durch Gnade. Aber wer sie nicht wirklich
begehrt, diese Gnade, wer sie nicht nimmt, der hat sie nicht. Gott gibt sie nur dem, der sie sich von ihm
schenken lässt.
Paulus nimmt uns mit dem heutigen Predigttext sämtliche Illusionen, die wir uns in dieser Hinsicht machen könnten.
Zunächst aber Frage: Was gefällt dem Paulus eigentlich so an den Athleten? Und an den Wettkämpfen?
Was wird ihm dabei schier zur Offenbarung, wie Glaube funktioniert, wie das Christsein auszusehen hat
– wenn es nicht vergeblich sein soll?
Es sind drei Dinge, die ihn beeindrucken an den Sportlern: 1) Sie haben ein Ziel. 2) Sie bringen den
größtmöglichen Einsatz, um es zu erreichen. Und: 3) Sie überwinden dafür immer wieder ihren toten
Punkt.
1) Sportler haben ein Ziel
Die EM zum Beispiel. Oder die WM. Oder Olympia. Dort dabei zu sein, das ist der Traum. Und wer dabei ist, der hat natürlich noch ein höheres Ziel: Der will den Sieg. Wer gewinnt, wird geehrt. Wer ge-
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winnt, kriegt das Preisgeld. Wer gewinnt, der bekommt die Goldmedaille. Natürlich gibt es dann noch
Silber und Bronze. Zweiter und Dritter, das ist auch nicht schlecht. Aber der Zweite ist halt auch der erste
Verlierer. Silber ist nett. Aber in die Sportgeschichte gehen die Sieger ein und nicht die Zweiten. Im Sport
geht's um Gold. Im Sport zählt der Sieg – das sagt auch der Paulus.
Und dasselbe - und darauf kommt's jetzt an, und wer hätte das gedacht -, dasselbe gilt für den Glauben,
für das Christsein. Da geht's auch darum, das Ziel zu erreichen. Da geht's auch um eine Siegesauszeichnung. Und das Ziel des Glaubens ist das ewige Leben in der Herrlichkeit Gottes. Der Pokal, wenn man so
will, ist das ewige Leben.
Nochmal: Warum muss man nun doch - auch im Glauben – offenbar Leistung bringen? Sind es dann
nicht auch hier wieder nur die Großen, die Starken, die es schaffen? Die Schwachen – sie haben dann
auch hier wieder das Nachsehen. Ist dann der christliche Glaube nicht auch wieder ungerecht?
Natürlich hinkt der Vergleich ein bisschen. Im Sport sind es wirklich nur die Starken, die sportlich Begabten, die es halt zunächst mal in ihren Genen haben, schnell oder gelenkig zu sein. Ich selber wäre
vermutlich nie ein Goldmedaillengewinner geworden – selbst bei größtem Training. Bei der Verteilung
der sportlichen Gaben habe ich nun mal nicht oft genug „hier“ geschrien! Wenn Paulus trotzdem den
Sport zum Vergleich für das Leben im Glauben hernimmt, dann hat er etwas anderes im Blick. Auch damals hat er es gesehen und erlebt – sowohl bei sich und auch bei anderen: Unser Glaubensleben ist in
dieser Welt einfach nun mal angefochten. Da gibt es so Vieles, was uns ablenken will, was uns aufhält,
was uns die Sinne vernebelt und dass es dabei ganz leicht dahin kommt, dass wir aufgeben, dass wir gar
kein echtes Verlangen nach der Gnade Gottes haben, mit der er uns Anteil geben will an seinem Sieg.
Übrigens: Jetzt schon für unser Leben hier und heute haben wir so oft kein Verlangen nach mehr Sieg –
nach mehr Sieg im Umgang mit Krankheit, Sieg im Umgang mit Mächten der Finsternis, Sieg im Umgang mit Verzweiflung, mit Schuld, mit ständigem Versagen. Das Leben kann uns derart lähmen, frustrieren, dass wir uns nicht viel mehr ausstrecken nach den Siegen, die wir im Glauben schon hier und heute
mitten im Leben auf dieser Welt erringen könnten, an denen Jesus uns doch gerne Anteil geben möchte,
die wir aber nicht erleben, weil wir uns nicht danach ausstrecken. Und erst Recht verschwimmt uns dann
auch ganz leicht der Blick für das irrsinnig hohe Geschenk des Himmels. Ganz vielen Christen ist dieser Sieg, ist die himmlische Herrlichkeit letztlich wurscht – einfach weil sie den Blick dafür verloren
haben. Sie haben das Ziel des ewigen Lebens aus den Augen verloren.
Das alles, liebe Gemeinde, hat der Paulus im Blick. Aber damit das nicht so wird, deshalb nimmt er den
Sport zum Vorbild. Er erkannte dort genau das, was vielen Christen fehlt, nämlich:
2) Sportler bringen den größtmöglichen Einsatz, um das Ziel zu erreichen
Wer sich auskennt im Sport, der weiß: Für einen Sieg muss man sich anstrengen. Den gibt's nicht geschenkt. Den erreicht man nicht mal eben so. Eine EM-Teilnahme gibt's nicht umsonst. Einen Start bei
Olympia kriegt man nicht geschenkt. Wer dabei sein will, der muss trainieren. Manche freie Stunde opfern. Auf manche leckere Mahlzeit verzichten.
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Stellen Sie sich mal einen Leistungssportler vor, der sagt: „Ich bin ein guter Sportler. Aber verzichten tu
ich auf nichts. Ich rauche, so viel ich will. Ich trinke, so viel ich will. Ich esse, solang's mir schmeckt.
Training, das ist doch was für Anfänger!“ Jeder von uns weiß: So ein Sportler würde schnell auf der
Strecke bleiben.
Oder stellen Sie sich einen Langstreckenläufer vor, der mitten in seinem Lauf plötzlich innehält, weil er
am Rand einen guten Freund entdeckt hat und zu ihm hingeht und ein Pläuschchen mit ihm hält, weil er
ihn schon lange nicht mehr gesehen hat.
Oder was würden Sie denken, wenn ein anderer Läufer plötzlich eine interessante Bandenwerbung entdeckt, innehält, aus seiner Tasche einen Notizzettel und einen Stift herausholt, um sich die dort angegebene Internetadresse zu notieren.
Oder wenn er gar am Rande ein vierblättriges Kleeblatt sieht, seinen Lauf unterbricht, um sich das vierblättrige Kleeblatt zu holen, in der Meinung, das würde ihm bestimmt Sieg bringen.
Lächerlich wäre das alles – einfach lächerlich. So einen Sportler würde man ausbuhen, aber bestimmt
nicht ehren.
So ähnlich wäre es aber, wenn jemand sagte: „Ich bin ein guter Christ. Aber ich lebe, wie ich mag. Ich
tue, was ich will. Und die Trainingsstunden im Gottesdienst, im Bibellesen, im Gebet, das überlasse ich
den Superchristen.“ Das wäre genauso lächerlich.
Der legendäre kenianische Langstreckenläufer und zweifache Olympiasieger Eliud Kipchoge (=
Kipschousch) hat einmal gesagt: „Persönlich führe ich meine Erfolge zurück auf Training, Mut und
Gebet. Vor jedem Wettkampf bete ich und bitt den Herrn um seine Hilfe, damit ich mein Bestes
tun kann.“
Training, Mut und Gebet. Ich finde, das ist eine schöne Zusammenfassung dessen, worauf‘s ankommt,
nicht nur im Sport, sondern auch im Christsein. Training, Mut und Gebet helfen uns, im Glauben voranzukommen und zu wachsen. Training, Mut und Gebet helfen uns, nicht schlappzumachen, sondern
das Ziel zu erreichen, die Goldmedaille Gottes zu gewinnen.
Das alles geht aber nicht ohne Kampf. Da braucht es manchmal ganz schöne Selbstüberwindung. Deshalb:
3) Sportler überwinden den toten Punkt
Wer Sport treibt, kennt wahrscheinlich die Erfahrung, dass irgendwann der tote Punkt kommt. Ob im
Fußball oder bei der Leichtathletik oder wobei sonst - in allen Sportarten ist das so. Da gibt es einen
Punkt, an dem werden plötzlich die Füße schwer. Auf einmal ist scheinbar keine Kraft mehr da. Und
man denkt: „Jetzt lässt du dich einfach hier in den schönen grünen Rasen fallen. Warum eigentlich weiterlaufen?“
Emil Zatopek hat 1952 bei der Olympiade in Helsinki dreimal Gold geholt. Er gewann den 5.000Meter-Lauf, die 10.000 Meter und den Marathon. Das hat Zatopek zur Legende gemacht. Und man hat
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ihm den Spitznamen gegeben: „Die Lokomotive“, weil er beim Laufen fast immer aussah, als sei er am
Ende seiner Kräfte und schleppe sich nur noch voran. Zatopek hat mal berichtet, wie er bei jedem Lauf
am toten Punkt leidet. Und wie er das nur überwinden kann, wenn er sich bei jeder Runde vorstellt: Jetzt
kommt das Ziel. Nach der nächsten Kurve bin ich da. Und so geht es dann immer noch eine Runde weiter, bis er tatsächlich am Ziel ist. Aber er kann sich das Ziel immer wieder nur ganz nah vorstellen. Wenn
er denkt: „Das Ziel ist noch weit!“ - dann würde er aufgeben. Zatopek brauchte das Ziel vor Augen, um
weiterzulaufen, um durch zuhalten.
Tote Punkte gibt's nicht nur im Sport. Tote Punkte gibt's auch im Glauben. Sie kommen mit Sicherheit.
So sicher wie im Sport. Da wird dann plötzlich alles schwer: das Beten. Das Bibellesen. Das Leben nach
Gottes Willen. Überhaupt das Vertrauen, das Sich-tragen-Lassen von Gott. Da denkt man dann auf einmal: „Was soll das eigentlich alles mit dem Christsein? Lass es doch! Es lohnt sich nicht. Die anderen
leben doch auch. Denen geht's doch auch gut ohne Jesus und ohne Glauben. Gottesdienst? Einen Glaubenskurs besuchen? Du liebe Zeit! Vielleicht braucht's das ja gar nicht? Vielleicht sollte ich mich einfach
hineinstürzen und mitnehmen, was das Leben zu bieten hat? Vielleicht reicht ja das Oberflächliche und
Bequeme und Einfache auch? Vielleicht ist ohne Jesus alles viel lustiger – vor allem, wenn wir am Ende
sowieso alle, alle, alle in den Himmel kommen!?“
„Vielleicht!“ Das ist das Kennzeichen, das Stichwort für den toten Punkt. Am toten Punkt erscheint alles
andere plötzlich viel attraktiver als Jesus, als der Glaube. Vielleicht geht’s ja auch mit viel weniger.
Paulus kennt dieses „Vielleicht“. Er weiß um die toten Punkte. Und er kennt nur ein Rezept dagegen:
„Ich gebe alles für den Sieg und hole das Letzte aus meinem Körper heraus!“ Ja - es kostet Überwindung, sich Zeit zu nehmen für Gott, in den Gottesdienst zu gehen, ein Glaubensseminar zu besuchen,
seine Bibel mal aufzuschlagen. Keine Frage! Es gibt ja so viel Interessanteres. Aber wir müssen wissen:
Es lenkt uns in unserem Lauf ab!
Liebe Gemeinde – es gibt nur eine Möglichkeit, dass uns das Leben nicht betrügt: Sich immer wieder
einen inneren Ruck geben, sich immer wieder fragen: „Was ist das Ziel? Wie sieht der Siegespreis aus?
Was möchte ich auf keinen Fall verfehlen?“ Und dabei hilft nur eins: Dass wir uns den Siegespreis immer
wieder zeigen lassen, sagen lassen, erklären lassen, vor Augen malen lassen. Dazu sind die Gottesdienste
da. Dazu ist die Bibel da oder ein Glaubenskurs. Wer die Qualität des Glaubens bzw. die Qualität dessen,
was der Glaube eröffnet, mal erkannt hat, dem wird es leichter werden, sich nach diesem Ziel auszustrecken und nicht aufzugeben! Amen.