Medizin von Morgen | Therapieoption bei Präeklampsie? | Diagnostik im Dialog • Ausgabe 48 • 12/2015 Für Sie gelesen Therapieoption bei Präeklampsie? Erste Ergebnisse rechtfertigen weitere Studien fotolia/Subbotina Anna Apherese mit Vorteilen Derzeit gibt es keine kausale Therapie, die eine Schwangerschaft mit schwerer präeklamptischer Symptomatik verlängern kann – so bleibt oft nur die vorzeitige Entbindung. Im frühen Schwangerschaftsstadium, in dem jeder Tag für die Reifung des Fetus zählt, entstehen dem Kind durch eine Präeklampsie besonders gravierende Nachteile. Das zunehmende Verständnis der Pathogenese und der ursächlichen Faktoren für Präeklampsie (PE) eröffnen jedoch Ansätze für potenzielle therapeutische Strategien. Eine aktuell publizierte Pilotstudie zeigt ermutigende Ergebnisse zur sFlt-1-Apherese* als potenziell sichere Therapieoption.1 Möglicherweise lässt sich dadurch die Geburt um wichtige Tage hinauszögern. Die ersten Erkenntnisse rechtfertigen umfangreichere, randomisierte Untersuchungen. Zahlreiche Studienergebnisse verdichten sich zur Erkenntnis, dass pathologisch hohe Konzentrationen der anti-angiogenen Fmslike Tyrosine Kinase-1 (sFlt-1) ursächlich zur PE-Symptomatik beitragen (s. a. Abb. 1 auf S. 5). Mögliche therapeutische Ansätze sind daher, sFlt-1 zu antagonisieren, seine Produktion zu hemmen oder durch extrakorporale Verfahren aus der Zirkulation zu entfernen. 10 Im Hinblick auf den Fetus ist es heikel, therapeutische Wirkstoffe in die mütterliche Zirkulation zu bringen. Auf Basis eigener experimenteller Erfahrungen entschieden sich die Autoren der hier vorgestellten Studie daher, sFlt-1 mittels Apherese zu entfernen. Von Vorteil ist die stark positive Ladung des Proteins, da komplementäre, negativ geladene Apherese-Säulen bereits bei verschiedenen klinischen Fragestellungen und bei Schwangeren erprobt sind. Außerdem lässt sich mit diesem Verfahren selektiv zirkulierendes sFlt-1 eliminieren, plazentares s Flt-1 könnte womöglich für eine gesunde Plazenta notwendig sein. Mit der plasmaspezifischen DextransulfatSäule (PSDS) kam zudem eine besonders schonende Methode zum Einsatz, die in einem ersten Schritt Plasma vom Vollblut trennt und so während der Apherese potenzielle Interferenzen mit Blutzellen und Gerinnungsfaktoren vermeidet. Proof of Concept Die zitierte Studie ist eine einarmige Pilotstudie unter Mitwirkung von zwei spezialisierten Zentren an den Universitätskliniken Köln und Leipzig. Primärer Endpunkt war die Reduktion der sFlt-1-Konzentration im maternalen Blut, gemessen unmittelbar vor und nach PSDS-Apherese. Basierend auf methodischen Erfahrungen war diese Studie als Machbarkeitsuntersuchung (Proof of concept) für weitere, umfangreichere, randomisierte Studien konzipiert. Kollektive Die Therapiegruppe umfasste 11 Patientinnen mit sehr früher, schwerer PE-Symptomatik in der 25. bis 30. Schwangerschaftswoche. Die PE-Definition basierte auf den Kriterien: OHypertonie: Systolischer Blutdruck ≥ 140 mm Hg oder diastolischer Blutdruck ≥ 90 mm Hg OProteinurie: Protein/Kreatinin (P/C)Ratio ≥ 0,30 g/g Kreatinin OsFlt-1/PlGF-Quotient > 85, gemessen mit den Tests Elecsys® sFlt-1 und Elecsys® PlGF **. 6 von 11 Frauen erhielten eine einmalige Apheresebehandlung, 4 Patientinnen zwei und eine Schwangere drei Zyklen. Als parallele, über diverse Kriterien – insbesonders hinsichtlich des Gestationsalters bei Geburt – vergleichbare Kontrollen dienten O22 Frauen mit frühzeitiger PE (sFlt-1/ PlGF-Quotient > 85) ohne Apherese. O22 Schwangere mit nicht-PE-bedingter Frühgeburt. Somit ließen sich die Outcomes der Kinder in der behandelten versus der unbehandelten Gruppen vergleichen und feststellen, ob sich die Apherese negativ auf die fetalen beziehungsweise neonatalen Parameter auswirkt. Ergebnisse OIn jedem der insgesamt 17 Apheresezyklen sank die Plasmakonzentration von sFlt-1 ab – im Mittel um 18 % (7–28 %), gemessen innerhalb von 4 h nach Apherese. ODie Apherese verringerte die Proteinurie: 13 von 17 Zyklen waren im Schnitt mit einer Abnahme der P/C-Ratio von 44 % (0–88 %) verbunden. ODer maternale Blutdruck fiel innerhalb von 30 Minuten nach Apheresebeginn um 10–20 mm Hg. Er konnte mit Kochsalzinfusionen beziehungsweise verlangsamter Flussrate unmittelbar korrigiert werden und hatte keine Aus- Diagnostik im Dialog • Ausgabe 48 • 12/2015 | Therapieoption bei Präeklampsie? | Medizin von Morgen wirkungen auf die fetale Herztätigkeit (Kardiotokographie). OBei keiner Frau musste die Behandlung abgebrochen werden. OBei den einmal behandelten Frauen (n=6) hielt die Schwangerschaft bezogen auf den Aufnahmezeitpunkt im Schnitt 8 (2–11) weitere Tage an (Abb. 1). OBei den fünf Patientinnen mit mehrfacher Apherese betrug die Schwangerschaftsdauer im Mittel 15 (11–21) weitere Tage (Abb. 1). ODemgegenüber kam es in der PE-Kontrollgruppe (n=22) durchschnittlich 3 (0–14) Tage nach Aufnahme zur Geburt (Abb. 1). ONeugeborene der Indexgruppe (12 Kinder in 11 Schwangerschaften) brauchten nur 2 (1–7) Tage Sauerstoffunterstützung gegenüber 11 (1–58) Tagen in der PEKontrollgruppe (p < 0,05). OAndere neonatale Parameter und die Aufenthaltsdauer auf der neonatalen Intensivstation bzw. im Krankenhaus zeigten keine Unterschiede. OWeder in der Indexgruppe noch bei den zwei Kontrollkollektiven traten neonatale Todesfälle oder Komplikationen auf. Bewertung Die Patientinnen der Therapiegruppe wurden bei jeder Behandlung engmaschig überwacht. Gleiches galt für diverse fetale Parameter und das kurzfristige neonatale Outcome. Weder bei den Müttern noch bei den Kindern traten Komplikationen auf. Diese Ergebnisse dürften zum Teil auf die kleinen Studiengruppen zurückzuführen sein, zeigen aber nach Ansicht der Autoren auch, dass die therapeutische Apherese mit einer PSDS-Säule gut toleriert wird und somit weiter untersucht werden sollte. Der vorübergehende Blutdruckabfall um 10–20 mm Hg erwies sich als unkritisch, da er leicht korrigierbar war. Ein schneller Blutdruckabfall sollte vermieden werden, weil sich die uteroplacentare Perfusion an die hypertensive Situation angepasst und dann ein erhöhter Perfusionsdruck für die fetale Versorgung notwendig ist. Allerdings könnte der vorsichtige Einsatz antihypertensiver Wirkstoffe (oder der Apherese) die Latenzperiode für Frauen mit schwerer PE verlängern, da unkontrollierter Hochdruck selbst eine potenzielle Indikation für vorzeitige Entbindung darstellt. Apharese Kontrollen 2000 1750 Die Apherese zeigte keinen Einfluss auf die fetale Zirkulation, diverse Neugeborenenparameter blieben den Kontrollgruppen vergleichbar. Allerdings: Die Kinder der behandelten Frauen benötigten signifikant kürzer Sauerstoffunterstützung. Auch das ist von der Theorie her erklärbar, da „PEToxine“, insbesondere sFlt-1, in direkten Zusammenhang mit der Ethiologie von Atemnotsyndrom und Bronchopulmonaler Dysplasie bei Frühgeborenen gebracht werden. Fazit Die zitierte Machbarkeitsstudie hat trotz ihres Pilotcharakters vielversprechende Ansätze mit großer klinischer Relevanz geliefert. Die Autoren plädieren daher für die gründliche Weiterverfolgung der diversen aufgeworfenen Fragestellungen im Rahmen größerer, randomisierter klinischer Studien. Es bleibt somit zu hoffen, dass kommende Studien die Vorteile der Apherese bestätigen, damit erstmals ein therapeutische Lichtblick bei schwerer, früh einsetzender PE besteht. * Apherese: Behandlungsmethode, bei der über extrakorporale Systeme bestimmte Bestandteile aus dem Vollblut oder dem Plasma entfernt werden. ** S. a. Beitrag „Konsens zum Nutzen des sFLT-1/PlGF Quotienten“ in diesem Heft 1500 sFlt-1/PlGF Ratio Die PSDS-Therapie erwies sich in der Pilotstudie auch als eine (vom Blutdruckabfall unabhängige) Möglichkeit, die Proteinurie zu senken und die Schwangerschaft vielleicht durch eine verbesserte glomeruläre Hämodynamik zu verlängern. Aktuelle Annahmen zur Proteinurie bei PE gehen von einer glomerulären Endotheliose aus. 1250 1000 750 Literatur 1Thadhani R et al: „Removal of Soluble Fms-like Tyrosine Kinase-1 by Dextran Sulfate Apheresis in Preeclampsia”. J Am Soc Nephrol (2015); 27: 1–6 500 250 0 0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 Schwangerschaftsdauer (Tage nach Aufnahme) Abb. 1: Vergleich der Schwangerschaftsdauer nach Aufnahme zwischen behandelten (PSDSApherese, n=11) und unbehandelten (n=22) Schwangeren mit früh einsetzender, ähnlich schwerer (s Flt-1/PlGF > 85) Präeklampsie (mod. aus 1). Dr. Monika Ostendorf Marketing und Produktmanagement Serum Work Area 0621 759-1360 monika.ostendorf@ roche.com 11
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