Medizin | Konsens zum Nutzen des sFLT-1/PlGF-Quotienten | Diagnostik im Dialog • Ausgabe 48 • 12/2015 Für Sie gelesen Konsens zum Nutzen des sFLT-1/PlGF-Quotienten fotolia/Africa Studio Die sFlt-1/PlGF-Ratio unterstützt eine bessere Betreuung von Schwangeren mit Präeklampsierisiko. Anfang 2014 hat die Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe den Quotienten sFlt-1/PlGF* in die Leitlinien zur Präeklampsiediagnostik integriert. Allerdings fehlen darin praxisnahe Empfehlungen zur konkreten Handhabung dieses Parameters. Ein internationales Expertengremium publizierte kürzlich ein Konsensuspapier zum konkreten klinischen Gebrauch des Quotienten und dem ergebnisabhängigen Schwangerenmanagement. 1 Die Autoren sind sich einig, dass die sFlt-1/PlGF-Ratio wichtige Unterstützung für die bessere Betreuung von Schwangeren mit Präeklampsierisiko bietet. Regeln und Rahmen Zum grundsätzlichen Umgang mit dem sFlt-1/PlGF-Quotienten und dessen Interpretation formulieren die Autoren folgende „Regeln“: ODer Parameter ist nicht für ein generelles Präeklampsie- (PE-) Screening evaluiert. Er sollte daher in der Population 8 eingesetzt werden, in der er den meisten Nutzen verspricht, d. h. bei Frauen mit hohem PE-Risiko. ODie Ratio ersetzt keine anderen Technologien zum Monitoring von HochRisiko-Patientinnen. ODer Wert liefert Informationen zur PE-Entwicklung vor dem Einsetzen offensichtlicher Zeichen und Symptome. Maternale Komplikationen lassen sich dadurch nicht komplett vermeiden, aber Frauen mit hohem Risiko können früher und enger, gegebenenfalls in spezialisierten Einrichtungen, überwacht werden. ODie Entscheidung bezüglich einer Entbindung basiert nicht allein auf dem sFlt-1/PlGF-Quotienten, sondern erfolgt immer im Kontext mit anderen etablierten Techniken sowie klinischen Zeichen und Symptomen. ODie Cut-off-Angaben für den Quotienten in der Konsensuserklärung beziehen sich ausschließlich auf die Tests Elecsys® sFlt-1 und Elecsys® PlGF. Folgende gestationsspezifische Cut-offs weisen stark auf eine PE hin (Diagnose): > 85 bei Schwangerschaftsdauer < 34 Wochen (sog. „Early Onset PE“) und > 110 bei Schwangerschaftsdauer ≥ 34 Wochen (sog. „Late Onset PE“) Dagegen schließt ein Wert von < 38 unabhängig vom Gestationsalter die Entstehung einer PE innerhalb einer Woche mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit aus (NPV 99,1 %). Gestationsalter-spezifische Cut-offs bringen hier keine Verbesserung. Die Konsensuserklärung berücksichtigt OSchwangere mit Zeichen und Symptomen einer PE. Oasymptomatische Schwangere mit dem Risiko für die Entwicklung einer PE. Symptomatische Schwangere Diese Population enthält Frauen mit Verdacht auf PE (nach den derzeit üblichen klinischen Kriterien) und solche mit bestätigter PE. Bezogen auf den jeweiligen Cutoff müssen drei „Subgruppen“ berücksichtigt werden: OsFlt-1/PlGF-Quotient < 38: Mehr als 80 % aller Fälle liegen in dieser Gruppe. Diese Frauen entwickeln mit hoher Wahrscheinlichkeit innerhalb der nächsten Woche nach Ergebniserstellung keine PE. Die sichere Ausschlussdiagnose ist für die Beruhigung von Arzt und Patientin von großem Wert, das weitere Patientenmanagement liegt im Ermessen des Klinikers. Solange kein neuer Verdacht entsteht, sind weitere Messungen überflüssig. OsFlt-1/PlGF-Quotient > 85 (Early Onset PE) bzw. > 110 (Late Onset PE): Diese Frauen haben sehr wahrscheinlich eine PE oder eine andere Form von Plazenta-Dysfunktion entwickelt und sollten gemäß der lokalen Gewohnheiten bzw. Leitlinien behandelt werden. Zur Feststellung des Trends (moderates, hohes oder sehr hohes Risiko zur Entwicklung einer Komplikation) sind zur Darstellung der Dynamik des s Flt-1/ PlGF-Quotienten Wiederholungsmessungen nach 2–4 Tagen bzw. angepasst an die klinische Situation sinnvoll. Die weitere Behandlung in Abhängigkeit vom Schweregrad der Symptomatik liegt im ärztlichen Ermessen. Ein extrem hoher Quotient von > 655 (Early Onset PE) bzw. > 201 (Late Onset PE) ist eng mit der Notwendigkeit zur Entbindung innerhalb der nächsten 48 Stunden assoziiert. Die Schwangeren sollten daher in einem geeigneten klinischen Umfeld engmaschig überwacht werden. Vor der 34. Schwangerschaftswoche sollte der behandelnde Arzt die pränatale Gabe von Kortikoiden zur Beschleunigung der fetalen Lungenreifung in Erwägung ziehen. Bei relativ stabilen Wiederholungswerten des s Flt-1/PlGF-Quotienten kann der Arzt darauf vertrauen, dass sich der Zustand nicht schnell verschlimmert und eine Testwiederholung nach 2 Wochen erwägen. Allerdings ist eine Prognose über diesen Zeitpunkt hinaus noch nicht möglich. fotolia/WavebreakMediaMicro Diagnostik im Dialog • Ausgabe 48 • 12/2015 | Konsens zum Nutzen des sFLT-1/PlGF-Quotienten | Medizin Bei sehr hohem sFlt-1/PlGF-Quotienten sollten die Schwangeren in einem geeigneten klinischen Umfeld engmaschig überwacht werden. OsFlt-1/PlGF-Quotient 38–85 (Early Onset PE) bzw. 38–110 (Late Onset PE): Diese Frauen haben zum Testzeitpunkt keine PE und die Mehrheit in dieser Gruppe wird auch keine entwickeln. Allerdings besteht innerhalb von 4 Wochen nach dem Testergebnis ein diesbezügliches Risiko, vor allem bei Schwangerschaften < 34. Woche. Daher sind Testwiederholungen nach 1–2 Wochen sinnvoll. Bei Late Onset PE sind optimale Wiederholungsintervalle noch unklar, aber es sollte eine niedrigere Schwelle für eine Geburtseinleitung erwogen werden. OFrauen mit bestätigter PE (Blutdruck, Proteinurie): Hier kann der Quotient hilfreich sein, um die Schwere der Erkrankung einzuschätzen. schaftswoche. Ein normaler Wert schließt eine PE für mindestens eine Woche aus, danach können Wiederholungsmessungen angebracht sein. Erkenntnisse über die sinnvollsten Zeitintervalle liegen noch nicht vor. Asymptomatische Schwangere mit Risiko * sFlt-1: soluble Fms-like tyrosine kinase 1 (hemmt das Gefäßwachstum der Plazenta) PLGF: Placental growth factor (fördert das Gefäßwachstum der Plazenta) Diese Gruppe umfasst Frauen Omit etablierten Risikofaktoren für eine PE. Omit einem anderweitig postulierten PERisiko. Obei denen ein Risiko als Ergebnis einer Doppler-Untersuchung der uterinen Arterien festgestellt wurde (Hochrisikogruppe). Bei Frauen mit etablierten Risikofaktoren oder postuliertem Risiko ist eine intensivierte Beobachtung, gegebenenfalls mit DopplerUntersuchung der uterinen Arterien, angezeigt. Im Hochrisikokollektiv liegt der optimale Zeitpunkt für die Bestimmung des sFlt-1/ PlGF-Quotienten in der 24. bis 26. Schwanger- Abnormale Werte generieren die Verdachtsdiagnose PE bzw. PE-Risiko und erfordern ein angepasstes Management der Schwangeren. Fazit Die auf einer umfangreichen Studienrecherche basierende Konsensuserklärung der klinischen Experten beschreibt das Potenzial des s Flt-1/PlGF-Quotienten, sich als zusätzliches Hilfsmittel im Management der PE zu etablieren – nicht zuletzt, weil mittlerweile schnell und einfach durchzuführende automatisierte Tests verfügbar sind. Literatur 1Stephan H et al: Implementation of the sFlt-1/PlGF ratio for prediction and diagnosis of pre-eclampsia in singleton pregnancy: implications for clinical practice. Ultrasound Ostet Gynecol (2015); 45: 241–246 Dr. Monika Ostendorf Marketing und Produktmanagement Serum Work Area 0621 759-1360 monika.ostendorf@ roche.com 9
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